VwGH Ra 2019/14/0351

VwGHRa 2019/14/035127.8.2019

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Thienel, die Hofrätin Mag. Rossmeisel und den Hofrat Dr. Faber als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Schweinzer, in der Revisionssache des X Y, vertreten durch Mag. Dr. Helmut Blum, Rechtsanwalt in 4020 Linz, Mozartstraße 11/6, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 15. Mai 2019, W127 2162416-1/10E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Normen

B-VG Art133 Abs4
VwGG §28 Abs3
VwGG §34 Abs1

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2019:RA2019140351.L00

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Der Revisionswerber, ein Staatsangehöriger Afghanistans, stellte am 17. Oktober 2015 einen Antrag auf internationalen Schutz. Begründend brachte er vor, er sei im Iran geboren und aufgewachsen und noch nie in Afghanistan gewesen. Er habe sich mit seiner Familie illegal im Iran aufgehalten und Angst gehabt, nach Afghanistan abgeschoben zu werden, wo er als Hazara verfolgt würde. Im Laufe des Verfahrens brachte der Revisionswerber auch vor, er sei aus der islamischen Glaubensgemeinschaft ausgetreten und nunmehr Atheist.

2 Mit Bescheid vom 29. Mai 2017 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den Antrag des Revisionswerbers zur Gänze ab, erteilte ihm keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung und stellte fest, dass seine Abschiebung nach Afghanistan zulässig sei. Die Frist für die freiwillige Ausreise betrage zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung. 3 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesverwaltungsgericht die dagegen erhobene Beschwerde des Revisionswerbers nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung als unbegründet ab und sprach aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

4 Mit Beschluss vom 26. Juni 2019, E 2181/2019-5, wies der Verfassungsgerichtshof die Behandlung der gegen dieses Erkenntnis gerichteten Beschwerde gemäß Art. 144 Abs. 1 B-VG ab und trat die Beschwerde gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.

5 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

6 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. 7 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen. 8 Die Revision bringt zu ihrer Zulässigkeit zunächst vor, das Bundesverwaltungsgericht habe den EASO-Bericht vom April 2019, der die sichere Erreichbarkeit der - als innerstaatliche Fluchtalternative angenommenen - Städte Kabul, Herat und Mazare Sharif bezweifle, nicht berücksichtigt.

9 Es entspricht der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, dass das Bundesverwaltungsgericht seinem Erkenntnis die zum Entscheidungszeitpunkt aktuellen Länderberichte zugrunde zu legen hat. Eine Verletzung dieser Vorgabe stellt einen Verfahrensmangel dar. Es reicht jedoch nicht aus, die Außerachtlassung von Verfahrensvorschriften zu behaupten, ohne die Relevanz der genannten Verfahrensmängel in konkreter Weise darzulegen (vgl. VwGH 27.5.2019, Ra 2018/14/0418, mwN). 10 Der Revision gelingt eine solche Darstellung schon deshalb nicht, weil in dem zitierten EASO-Bericht (vgl. European Asylum Support Office, Key socio-economic indicators. Focus on Kabul City, Mazar-e Sharif and Herat City. Country of Origin Information Report, April 2019, p 22) zumindest hinsichtlich der Stadt Mazar-e Sharif keine Hinweise enthalten sind, dass diese Stadt von ihrem Flughafen aus nicht sicher erreichbar wäre (vgl. zur Notwendigkeit von Feststellungen über die sichere und legale Erreichbarkeit eines als innerstaatliche Fluchtalternative angenommenen Gebietes VwGH 23.1.2018, Ra 2018/18/0001, mwN).

11 Die Revision bringt zu ihrer Zulässigkeit weiter vor, das Bundesverwaltungsgericht habe in Zusammenhang mit dem behaupteten Abfall vom Islam die Angaben des Revisionswerbers in der Verhandlung denkunmöglich gewürdigt und weiche vom Akteninhalt ab, weil der Revisionswerber präzise angegeben habe, dem Islam nicht angehören zu wollen. Zudem hätte das Bundesverwaltungsgericht weitere Ermittlungen vornehmen und Zeugen einvernehmen müssen, die bestätigen würden, dass der Revisionswerber vom Islam abgefallen sei.

12 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist dieser als Rechtsinstanz tätig und im Allgemeinen nicht zur Überprüfung der Beweiswürdigung im Einzelfall berufen. Im Zusammenhang mit der Beweiswürdigung liegt eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung nur dann vor, wenn das Verwaltungsgericht die Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hat (vgl. etwa VwGH 5.11.2018, Ra 2018/14/0166, mwN). 13 Das BVwG hat sich mit dem - erstmals in der mündlichen Verhandlung - vorgebrachten Abfall des Revisionswerbers vom Islam in der Revision auseinandergesetzt und ist im Rahmen einer nicht als unschlüssig zu wertenden Beweiswürdigung zum Ergebnis gekommen, der Revisionswerber habe einen auf innerer Überzeugung beruhenden Glaubenswechsel nicht nachvollziehbar darlegen können. 14 Soweit die Revision in diesem Zusammenhang auch eine Aktenwidrigkeit behauptet, ist ihr entgegenzuhalten, dass eine solche nur vorläge, wenn der Akteninhalt unrichtig wiedergegeben worden wäre bzw. wenn sich das Verwaltungsgericht bei der Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts mit dem Akteninhalt hinsichtlich der dort festgehaltenen Tatsachen in Widerspruch gesetzt hätte (vgl. VwGH 24.10.2018, Ra 2018/14/0017, mwN), nicht aber, wenn Feststellungen getroffen werden, die auf Grund der Beweiswürdigung oder einer anders lautenden rechtlichen Beurteilung mit den Behauptungen einer Partei nicht übereinstimmen (vgl. VwGH 25.6.2019, Ra 2018/19/0534, mwN). Eine solche Aktenwidrigkeit legt die Revision, die sich der Sache nach vielmehr gegen die im Einzelfall vorgenommene Beweiswürdigung des Bundesverwaltungsgerichts zum Abfall vom Islam wendet, nicht dar. 15 Wenn die Revision in diesem Zusammenhang auch geltend macht, das Bundesverwaltungsgericht hätte weitere Ermittlungen vornehmen und Zeugen einvernehmen müssen, ist ihr zu entgegnen, dass nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes die Frage, ob amtswegige Erhebungen erforderlich sind, regelmäßig keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung darstellt, weil es sich dabei um eine einzelfallbezogene Beurteilung handelt. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG läge nur dann vor, wenn diese Beurteilung grob fehlerhaft erfolgt wäre und zu einem die Rechtssicherheit beeinträchtigenden unvertretbaren Ergebnis geführt hätte (vgl. VwGH 6.5.2019, Ra 2019/14/0185, mwN). Derartiges legt die Revision nicht dar. Sie vermag nicht aufzuzeigen, weshalb das Bundesverwaltungsgericht - ohne entsprechenden Beweisantrag unter Bekanntgabe des Beweisthemas - fallbezogen von der Erforderlichkeit der Einvernahme nicht näher genannter Zeugen ausgehen hätte sollen.

16 In der Revision werden sohin keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.

Wien, am 27. August 2019

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