Normen
BAO §115
BAO §167 Abs2
BAO §280 Abs1 lite
BAO §93 Abs3 lita
EStG 1988 §2 Abs3
EStG 1988 §20 Abs1 Z2 lita
KStG 1988 §8 Abs2
UStG 1994 §10
UStG 1994 §12 Abs10
UStG 1994 §12 Abs2 Z2 lita
UStG 1994 §2 Abs1
32006L0112 Mehrwertsteuersystem-RL Art117 Abs2
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2021:RA2019130041.L00
Spruch:
I. den Beschluss gefasst:
Die Revision wird zurückgewiesen, soweit sie sich gegen die Wiederaufnahme der Verfahren betreffend Umsatzsteuer und Körperschaftsteuer 2006 bis 2009 richtet.
II. zu Recht erkannt:
1. Das angefochtene Erkenntnis wird in seinem Abspruch betreffend Umsatzsteuer 2012 wegen Unzuständigkeit des Verwaltungsgerichtes aufgehoben.
2. Im Übrigen wird das angefochtene Erkenntnis wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat der Revisionswerberin Aufwendungen in der Höhe von € 1.346,40 binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1 Zur Vorgeschichte wird auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofs vom 28. Juni 2016, 2013/13/0080, verwiesen. Mit diesem Erkenntnis hat der Verwaltungsgerichtshof den im ersten Rechtsgang ergangenen Bescheid des unabhängigen Finanzsenates wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
2 Im fortgesetzten Verfahren erteilte das Bundesfinanzgericht dem Finanzamt einen Ermittlungsauftrag, mit dem u.a. nähere Erhebungen zum Baufortschritt der zwei Einfamilienhäuser, zu dessen Bewohnern, zu den früheren Mietverträgen und zu Vertriebsmaßnahmen angefordert wurden.
3 Nach Übermittlung der Erhebungsergebnisse an die Revisionswerberin replizierte diese und brachte in weiterer Folge einen vorbereitenden Schriftsatz für die mündliche Verhandlung ein. In der mündlichen Verhandlung legte der Vertreter des Finanzamtes eine schriftliche Stellungnahme zum vorbereitenden Schriftsatz der Revisionswerberin vor. Die Revisionswerberin legte ein Gutachten zum Bestehen eines Mietenmarktes vor. Zu diesem Gutachten nahm das Finanzamt nach der mündlichen Verhandlung schriftlich Stellung.
4 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesfinanzgericht die Beschwerden der Revisionswerberin als unbegründet ab und erklärte die Revision für nicht zulässig. Nach Wiedergabe des Verfahrensganges und der Inhalte der von den Parteien eingereichten Schriftsätze und Stellungnahmen traf es folgende Feststellungen:
5 Die revisionswerbende GmbH sei im Jahr 2006 von zwei zu 49% bzw. zu 51% beteiligten Gesellschaftern (Schwiegervater K/Schwiegersohn P) gegründet worden. Auf dem dem Finanzamt übermittelten Fragebogen sei vom steuerlichen Vertreter unter der Bezeichnung der ausgeübten Geschäftstätigkeit angemerkt worden: „Errichtung und Vermietung von Liegenschaften“. Die Gesellschaft habe im Jahr 2006 ein Grundstück in Kl erworben, darauf hätten nach Angaben der Revisionswerberin bis Ende 2008 zwei Gebäude errichtet und ab 2009 vermietet werden sollen. Die Baubewilligung sei am 20. Dezember 2007 erteilt worden. In der Folge habe die Revisionswerberin mit der Errichtung von zwei Luxuseinfamilienhäusern mit einer Gesamtwohnfläche von 509 m² und 420 m² begonnen. Die Gesamtbaukosten dieser beider Häuser seien auf rund 4,200.000 € geschätzt worden.
6 Im Zuge einer Umsatzsteuersonderprüfung für den Zeitraum 01/2011 - 06/2011 sei bei einer Betriebsbesichtigung am 1. Juni 2011 festgestellt worden, dass die beiden Einfamilienhäuser noch nicht fertiggestellt seien. Als Fertigstellungsprognose sei ursprünglich das Ende des Jahres 2008 angegeben worden. Bis 2011 seien keine Maßnahmen gesetzt worden, um potentielle Mieter zu finden und seien die Häuser zu diesem Zeitpunkt auch noch nicht bewohnbar gewesen. Dies werde aus der Tatsache geschlossen, dass erst im Jahr 2011 Maßnahmen zur Findung von potentiellen Mietern aktenkundig seien. Es seien keine Maklerbüros beauftragt, sondern die Mieter von den beiden Gesellschaftern gefunden worden. Bei den potenziellen Mietern habe es sich laut Aussage des Geschäftsführers der Revisionswerberin um Bekannte bzw. Freunde der beiden Gesellschafter gehandelt.
7 Hinsichtlich des ersten Objektes sei am 17. August 2011 ein schriftlicher Mietvertrag zwischen der Revisionswerberin und Frau A abgeschlossen worden. Frau A habe der Zeugenladung im Zuge des Ermittlungsverfahrens durch das Finanzamt nicht Folge geleistet, aber mit Schreiben vom 17. Februar 2017 bekannt gegeben, dass sie tatsächlich das Haus habe mieten wollen. Zum Zeitpunkt der Vertragsunterfertigung sei das Haus noch nicht ganz fertiggestellt gewesen. Sie habe vom Mietvertrag zurücktreten müssen, weil die Vermieter mehrmals die Übergabefristen über mehrere Monate nicht erfüllt hätten. Laut Punkt 4.2. des Mietvertrages sei die Mieterin aufgrund von verzögerter Fertigstellung zu einer Beendigung des Vertrages erst berechtigt gewesen, sofern die Fertigstellung nicht bis 30. Juni 2012 erfolgt und eine von der Mieterin festgesetzte Nachfrist erfolglos verstrichen sei. In der Niederschrift vom 6. Juli 2012 mit dem Gesellschafter‑Geschäftsführer habe dieser ausgesagt, dass seit März 2012 sicher gewesen sei, dass sich Frau A und ihr Gatte ein eigenes Objekt suchen möchten und vom Vertrag zurücktreten würden. Seit 13. März 2012 habe ein neues schriftliches Mietanbot zwischen der Revisionswerberin und Herrn S vorgelegen, welches jedoch laut Aktenlage nicht unterfertigt worden sei.
8 Hinsichtlich des zweiten Objekts sei am 13. März 2012 ein nicht unterzeichnetes Mietanbot zwischen der Revisionswerberin und Herrn T vorgelegt worden. Nach Ansicht des steuerlichen Vertreters sei ein gültiger Mietvertrag zustande gekommen, denn das unterbreitete Anbot sei durch Einzahlung eines Betrages konkludent angenommen worden. In seiner Zeugenaussage am 10. März 2017 habe Herr T bekannt gegeben, dass er mit den beiden Gesellschaftern befreundet und auch ein Kauf der Liegenschaft nicht ausgeschlossen gewesen sei. Er habe mit seiner Familie dort einziehen wollen. Vom Mietanbot sei er zurückgetreten, weil ihm der Baufortschritt zu langsam gewesen sei. Daran, ob im Jahr 2012 wirklich nur das Fundament gestanden sei, könne er sich nicht erinnern.
9 Am 6. November 2013 sei ein Mietvertrag zwischen der Revisionswerberin und ihrem Minderheitsgesellschafter K abgeschlossen worden. Gegenstand dieses Mietvertrages seien die beiden Einfamilienhäuser gewesen, die beide an K um insgesamt 13.050 € vermietet worden seien. Seitens der Stadtgemeinde Kl seien mit Schreiben vom 19. Mai 2015 die Benützungsbewilligungen ‑ nach Erstattung der Fertigstellungsanzeige ‑ für die beiden Einfamilienhäuser erteilt worden.
10 Bei einem Lokalaugenschein des Finanzamts im Oktober 2016 sei festgestellt worden, dass die Bautätigkeiten abgeschlossen zu sein schienen, die Einfamilienhäuser fertig und bewohnbar gewesen seien. Eine Abgrenzung zwischen den Einfamilienhäusern durch einen Zaun oder Ähnliches habe es nicht gegeben. Laut den Ermittlungen des Finanzamtes (ZMR‑Abfrage) seien beide Häuser erstmalig bewohnt worden. Das eine Haus werde von der Tochter von K, deren Gatten und den beiden Kindern bewohnt. Das andere Haus von Mitgliedern der Familie des Gesellschafters P.
11 In seiner rechtlichen Würdigung zur Körperschaftsteuer führte das Bundesfinanzgericht aus, nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sei bei (nicht fremdüblich) den Gesellschaftern zur Nutzung überlassenen Gebäuden einer Kapitalgesellschaft zu unterscheiden zwischen jederzeit im betrieblichen Geschehen (zB durch Vermietung) einsetzbaren Gebäuden einerseits und andererseits solchen Gebäuden, die schon ihrer Erscheinung nach (etwa besonders repräsentative Gebäude oder speziell auf die Wohnbedürfnisse des Gesellschafters abgestellte Gebäude) für die private Nutzung durch den Gesellschafter bestimmt seien, sodass sie als „verdeckte Ausschüttung an der Wurzel“ von vornherein nicht zum Betriebsvermögen der Kapitalgesellschaft zählen würden. Im Revisionsfall liege eine „verdeckte Ausschüttung an der Wurzel“ vor.
12 Das Bundesfinanzgericht gehe davon aus, dass sowohl der Mietvertrag, der mit Frau A abgeschlossen worden sei, als auch die beiden nicht unterschriebenen Mietanbote an Herrn T und Herrn S unabhängig von ihrer zivilrechtlichen Gültigkeit als Umgehungsgeschäfte anzusehen seien, um das von Beginn an beabsichtigte Vorhaben, nämlich dass die Revisionswerberin zwei Luxus‑Einfamilienhäuser für ihre Gesellschafter errichte und an diese vermiete, zu verschleiern. Denn mit dem Umweg über die Schein- bzw. Umgehungsgeschäfte sei genau das erreicht worden, was offensichtlich ursprünglich immer geplant gewesen sei ‑ nämlich die Liegenschaften selbst, also durch die Gesellschafter der Revisionswerberin ‑ zu nutzen und zu bewohnen und zwar auf einer Rechtsbasis, die dem Eigentum nahekomme. Auch die Lage und Ausstattung der beiden Luxusimmobilien (zB. hinsichtlich Badezimmer, Innen‑ und Außenpool) sowie, dass sich bis dato keine Begrenzung zwischen den beiden Häusern befinde, seien deutliche Hinweise darauf, dass diese beiden Häuser auf die persönlichen Wünsche der Gesellschafter zugeschnitten seien und eine Trennung der beiden Grundstücke durch eine Begrenzung nicht notwendig sei. Es werde damit augenscheinlich, dass diese niemals zur Fremdvermietung verwendet werden sollten. Nach Ansicht des Bundesfinanzgerichts handle es sich bei den beiden Häusern um notwendiges Privatvermögen der Revisionswerberin. Die geltend gemachten Betriebsausgaben seien daher nicht anzuerkennen. Das vom steuerlichen Vertreter der Revisionswerberin erst im Zuge der mündlichen Verhandlung vorgelegte Gutachten zum Stichtag 6. November 2013 behandle den Zustand und die Bewertung der Liegenschaften ab dem Jahr 2013. Nach Ansicht des Bundesfinanzgerichts wirke dieses Gutachten nicht auf die Jahre 2006 bis 2012 zurück. Die vom steuerlichen Vertreter immer wieder behauptete Fremdüblichkeit der Vermietungen sei als reine Schutzbehauptung zu qualifizieren.
13 Zur Umsatzsteuer führte das Bundesfinanzgericht aus, es gelange zu der Erkenntnis, dass die unternehmerische Tätigkeit der Revisionswerberin ‑ nämlich die Vermietung zweier Luxuseinfamilienhäuser an fremde Dritte ‑ in den Jahren 2006 bis 2012 nicht zweifelsfrei nach außen erkennbar in Erscheinung getreten sei. Gerade in Fällen, in denen die äußeren Umstände dafür sprächen, dass primär in der Lebensführung gelegene Motive für eine Betätigung ausschlaggebend gewesen seien, werde der Nachweis, dass eine wirtschaftliche Tätigkeit beabsichtigt sei, nicht leicht zu erbringen sein. Im Hinblick darauf, dass die potentiellen Mieter ausschließlich im Bekanntenkreis der Gesellschafter der Revisionswerberin gesucht worden seien, eine dokumentierte Interessentensuche am freien Markt nicht erfolgt sei, keine Inserate geschaltet oder Werbetafeln bei der Liegenschaft angebracht worden seien, der vorgelegte Mietvertrag und die beiden Mietanbote außerhalb der gesetzten Frist aufgelöst oder gar nicht unterfertigt worden seien, und sich der Geschäftsführer der Revisionswerberin im Zuge der Außenprüfung gegen eine Einvernahme der Mieter ausgesprochen habe, komme das Bundesfinanzgericht zu dem Schluss, dass die Revisionswerberin lediglich versucht habe, eine unternehmerische Tätigkeit vorzugeben, um die angefallenen Vorsteuerbeträge geltend machen zu können. Wenn die Revisionswerberin vorbringe, dass die Vermietungsabsicht nunmehr einer Vermietungsgewissheit gewichen sei, dann sei dem entgegenzuhalten, dass grundsätzlich die fremdübliche Vermietung einer Immobilie durch eine Körperschaft an sich keine unangemessene missbräuchliche Gestaltung sei, auch wenn sie an nahestehende Personen erfolge. Sollte nach dem Gesamtbild der Verhältnisse allerdings ausschließlich die Erzielung eines Steuervorteils im Vordergrund stehen, liege die Annahme von Missbrauch nahe.
14 Im gegenständlichen Fall lägen tatsächlich Luxus‑Einfamilienhäuser vor, welche mittlerweile unstrittig an den Minderheitsgesellschafter vermietet worden seien. Eine Nutzung dieser Häuser durch andere als die Gesellschafter der Revisionswerberin sei aufgrund der Beschaffenheit der Liegenschaft nicht möglich (keine Trennung zwischen den Einfamilienhäusern, komplementäre Anlage der Pools: ein Innen- und ein Außenpool). Dass die Luxus‑Einfamilienhäuser nach den individuellen Wünschen zumindest eines Gesellschafters gestaltet worden seien, werde auch aus der im Zuge der Betriebsprüfung mit einem Gesellschafter aufgenommenen Niederschrift klar, der ausgesagt habe, dass die Geschäftsidee von Herrn K stamme. Er habe ständig mit dem Architekten konferiert.
15 Zur Wiederaufnahme führte das Bundesfinanzgericht aus, dass im Zeitpunkt der Erlassung der jeweiligen Erstbescheide dem Finanzamt nicht bekannt gewesen sei, dass es sich bei den in den Jahresabschlüssen unter der Bezeichnung „Anlagen in Bau“ geführten Herstellungskosten um die Errichtung von zwei Luxus‑Einfamilienhäusern gehandelt habe.
16 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision, die zu ihrer Zulässigkeit vorbringt, das Bundesfinanzgericht sei in grober Verkennung der Rechtslage von einem Missbrauch ausgegangen und habe ebenso unbegründet das Vorliegen von notwendigem Privatvermögen angenommen. Die vorliegende rechtliche Gestaltung sei im Hinblick auf den angestrebten wirtschaftlichen Erfolg weder ungewöhnlich noch unangemessen und finde seine Erklärung gerade nicht in der Absicht der Steuervermeidung. Voraussetzung dafür, in Zusammenhang mit der Nutzungsüberlassung an Gesellschafter eine verdeckte Ausschüttung (auch eine solche „an der Wurzel“) anzunehmen, sei dabei stets, dass die Vereinbarung über die Nutzungsüberlassung einem Fremdvergleich nicht standhalte. Die Sachverhaltsgrundlage für eine rechtliche Einstufung eines Gebäudes als außerbetriebliches Vermögen bedürfe einer die konkreten Umstände des Einzelfalls würdigenden Begründung im Tatsachenbereich. Dabei bedürfe es nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch hinreichender Sachverhaltsfeststellungen zur Beurteilung der Fremdüblichkeit der Vermietung, in der Regel auch zur Fremdüblichkeit der Höhe des Mietzinses. Die Revisionswerberin sei in ihrem Recht auf ordnungsgemäße Durchführung des Verfahrens unter Berücksichtigung der Grundsätze der amtswegigen Ermittlung des Sachverhaltes und der Einräumung des Parteiengehörs verletzt worden. Es liege im Sinne der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sowohl ein Mietenmarkt als auch eine marktübliche Vermietung vor. Es fehlten Feststellungen zum Mietenmarkt und zur Fremdüblichkeit der Miete.
17 Der Verwaltungsgerichtshof hat nach Einleitung des Vorverfahrens, in dem eine Revisionsbeantwortung erstattet wurde, ‑ zu Punkt I in einem gemäß § 12 Abs. 2 VwGG gebildeten Senat Beschluss gefasst ‑ und zu Punkt II erwogen:
Zu I.:
18 Nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
19 Gemäß § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
20 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
Im Fall der Erhebung einer außerordentlichen Revision obliegt es dem Revisionswerber, gesondert jene Gründe in hinreichend konkreter Weise anzuführen, aus denen entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird. Die Beurteilung der Zulässigkeit der Revision erfolgt demnach anhand des Vorbringens in der Zulassungsbegründung (VwGH 18.12.2019, Ra 2019/15/0154).
Das Zulässigkeitsvorbringen enthält keine Ausführungen zur Wiederaufnahme der Verfahren betreffend Körperschaftsteuer und Umsatzsteuer für die Jahre 2006 bis 2009, sodass sich die Revision hinsichtlich der Wiederaufnahme als unzulässig erweist und daher zurückzuweisen war.
Zu II.:
21 Die Revision ist hinsichtlich der Umsatz- und Körperschaftsteuer 2006 bis 2011 und der Umsatzsteuer 2012 zulässig. Sie ist auch begründet.
Zu II. 1.:
22 Gemäß § 272 Abs. 2 Z 1 lit. d BAO obliegt die Entscheidung dem Beschwerdesenat, wenn ein Bescheid gemäß § 253 BAO an die Stelle eines mit Bescheidbeschwerde angefochtenen Bescheides tritt und die Entscheidung durch den Senat innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe des späteren Bescheides beantragt wird.
23 Die Revisionswerberin hat innerhalb einer Frist von einem Monat Beschwerde gegen den vorläufigen Umsatzsteuerbescheid 2012, der gemäß § 253 BAO an die Stelle des mit Bescheidbeschwerde angefochtenen Bescheides betreffend Umsatzsteuerfestsetzungen für die Monate Jänner, Februar, April bis September 2012 getreten ist, erhoben und einen Antrag auf Entscheidung durch den gesamten Beschwerdesenat gestellt. Für die Entscheidung über diese Beschwerde wäre daher der Beschwerdesenat zuständig gewesen.
24 Zeigt die Revision eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung auf und erweist sie sich damit als zulässig, so ist eine Unzuständigkeit des Verwaltungsgerichts vom Verwaltungsgerichtshof gemäß § 41 VwGG von Amts wegen aufzugreifen (vgl. dazu VwGH 23.11.2016, Ra 2016/04/0021; 22.6.2016, Ra 2016/03/0039, jeweils mwN).
25 Da das Bundesfinanzgericht nicht durch einen Senat, sondern durch eine Einzelrichterin und damit nicht in der gesetzmäßigen Besetzung entschieden hat, war das angefochtene Erkenntnis hinsichtlich der Umsatzsteuer 2012 gemäß § 42 Abs. 2 Z 2 VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit des Verwaltungsgerichtes aufzuheben (vgl. VwGH 24.10.2016, Ra 2016/02/0159).
Zu 2.:
26 Die dem persönlichen Wohnbedürfnis eines Steuerpflichtigen dienende eigene Wohnung gehört zum Kernbereich der persönlichen Lebensführung (vgl. VwGH 27.1.2011, 2010/15/0197). Die Anschaffung oder Herstellung einer Wohnimmobilie zur Befriedigung des eigenen Wohnbedarfs erfüllt weder einen Einkunftstatbestand iSd EStG 1988 noch stellt sie eine unternehmerische Tätigkeit iSd UStG 1994 dar. Eine Person kann ihren Wohnbedarf auch dadurch befriedigen, dass sie die Wohnimmobilie durch eine in ihrem Einflussbereich stehende Körperschaft (GmbH, Privatstiftung etc.) anschaffen oder herstellen und sich sodann von dieser Körperschaft das Recht auf Nutzung der Wohnimmobilie einräumen lässt. In einem solchen Fall ist zu prüfen, ob die Körperschaft mit der Nutzungsüberlassung als Unternehmerin zur Erzielung von Einnahmen tätig wird oder ob die Nutzungsüberlassung erfolgt, um der nahestehenden Person (Gesellschafter, Stifter etc.) causa societatis Vorteile zuzuwenden. Dabei kann das causa societatis veranlasste Verhalten der Körperschaft auch im Kleide einer unternehmerischen Tätigkeit auftreten, weil die Geltendmachung der aus der Anschaffung bzw. Herstellung resultierenden Vorsteuern angestrebt wird (vgl. VwGH 7.12.2020, Ra 2020/15/0067, mwN).
27 Im Bereich der Überlassung von Wohnimmobilien durch eine Körperschaft an nahestehende Personen ist sowohl für die Körperschaftsteuer als auch für die Umsatzsteuer gesondert zu prüfen, ob der Vorgang eine verdeckte Ausschüttung darstellt (§ 8 Abs. 2 KStG 1988), was gegebenenfalls zum Ausschluss des Vorsteuerabzuges nach § 12 Abs. 2 Z 2 lit. a UStG 1994 führen kann (vgl. VwGH 7.12.2020, Ra 2020/15/0004, mwN). Gemäß § 12 Abs. 2 Z 2 lit. a UStG 1994 gelten „Lieferungen, sonstige Leistungen oder Einfuhren, deren Entgelte überwiegend keine abzugsfähigen Ausgaben (Aufwendungen) im Sinne [...] der §§ 8 Abs. 2 und 12 Abs. 1 Z 1 bis 5 des Körperschaftsteuergesetzes 1988 sind“, nämlich nicht als für das Unternehmen ausgeführt.
28 Das entscheidende Merkmal einer verdeckten Ausschüttung iSd § 8 Abs. 2 KStG 1988 ist die Zuwendung von Vermögensvorteilen, die ihrer äußeren Erscheinungsform nach nicht unmittelbar als Einkommensverwendung erkennbar sind und ihre Ursache in den gesellschaftsrechtlichen Beziehungen haben, was an Hand eines Fremdvergleiches zu ermitteln ist (vgl. VwGH 31.1.2018, Ra 2015/15/0006), wobei auch darauf Bedacht zu nehmen ist, wie ein gewissenhafter, nur auf die Interessen der Körperschaft Bedacht nehmender Geschäftsleiter gehandelt hätte (vgl. erneut VwGH Ra 2020/15/0004). Die Annahme einer verdeckten Ausschüttung ist allerdings ausgeschlossen, wenn die Errichtung des Gebäudes mit anschließender Nutzungsüberlassung einem Fremdvergleich standhält.
29 Bei von der Körperschaft nicht fremdüblich den Gesellschaftern zur Nutzung überlassenen Wohnimmobilien im Rahmen der verdeckten Ausschüttung ist zu unterscheiden zwischen jederzeit im betrieblichen Geschehen (z.B. durch Vermietung an fremde Personen) einsetzbaren Gebäuden („klassische“ verdeckte Ausschüttung) und solchen Wohngebäuden, die schon ihrer Erscheinung nach (etwa besonders repräsentative Wohngebäude) bloß für die private Nutzung durch den Gesellschafter bestimmt sind (verdeckte Ausschüttung „an der Wurzel“). In Bezug auf den zweitgenannten Fall ist entscheidend, dass Wirtschaftsgüter einer Körperschaft, deren Anschaffung oder Herstellung rein causa societatis veranlasst ist, von vornherein nicht zum steuerlichen Betriebsvermögen der Körperschaft zählen (vgl. VwGH 26.3.2007, 2005/14/0091). Solche Wirtschaftsgüter einer Körperschaft, deren Anschaffung allein gesellschaftsrechtlich veranlasst ist und die ein sorgfältiger, nur auf die wirtschaftlichen Interessen der Körperschaft bedachter Geschäftsleiter gar nicht angeschafft hätte, bilden (hinsichtlich der laufenden Besteuerung) steuerneutrales Vermögen der Körperschaft (vgl. erneut VwGH 7.12.2020, Ra 2020/15/0004). Erreicht die tatsächliche Miete bei der Überlassung solcher nicht dem steuerlichen Betriebsvermögen zuzuordnender Gebäude nicht eine (nahezu) fremdübliche Höhe (die Hälfte einer fremdüblichen Miete wäre hier nicht ausreichend), wird eine mit der Vermietung in Zusammenhang stehende Vorleistung vom Vermieter zur Gänze für verdeckte Ausschüttungen iSd § 8 Abs. 2 KStG 1988 bezogen und tritt damit im Bereich der Umsatzsteuer der Vorsteuerausschluss des § 12 Abs. 2 Z 2 lit. a UStG 1994 ein. Zur Darlegung der unionsrechtlichen Deckung dieses Vorsteuerausschlusses wird gemäß § 43 Abs. 2 VwGG auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 7. Dezember 2020, Ra 2020/15/0067, verwiesen.
30 Entscheidend für die Frage der Fremdüblichkeit der Miete ist, ob die vereinbarte Miete von der als angemessen erachteten Miete, der Renditemiete, abweicht. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist die Höhe der Renditemiete daraus abzuleiten, „was unter einander fremd gegenüberstehenden Personen vereinbart worden wäre, und damit insbesondere auch daraus, was ein Investor als Rendite aus der Investition der konkret aufgewendeten Geldsumme erwartet“ (vgl. VwGH 10.2.2016, 2013/15/0284, mwN). Maßgeblich ist demnach jener Renditesatz der sich bei Veranlagung des Gesamtbetrages der Anschaffungs- und Herstellungskosten in gut rentierliche Immobilien (also in Immobilien von jener Art, die eine hohe Rendite erwarten lassen) ergibt, wobei nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes im Allgemeinen ein Renditesatz in der Bandbreite von 3 bis 5 % (hier gemeint als Verhältnis von Jahresmieterlösen zum Betrag des investierten Kapitals) zu erzielen sein müsste (vgl. auch VwGH 15.9.2016, 2013/15/0256).
31 Mit der Renditeerwartung eines „wirtschaftlich agierenden Immobilieninvestors“ wird somit auf jene Mieteinnahmen abgestellt, die ein gewissenhafter, auf die Interessen der Körperschaft bedachter Geschäftsleiter aus dem eingesetzten Kapital durch Vermietung ‑ im Wege des Investments in gut rentierliche Immobilien ‑ erzielen kann. Dadurch ist ein Maßstab gefunden, um prüfen zu können, ob das Immobilieninvestment der Körperschaft primär den ihr nahestehenden Personen (Gesellschaftern, Stiftern) dienen soll oder auf die wirtschaftliche Tätigkeit der Erzielung von Mieteinnahmen ausgerichtet ist. Die Vorgangsweise kann dann als durch die Erzielung von Mieteinnahmen veranlasst angesehen werden, wenn die von der Körperschaft tatsächlich erzielten Mieten jene Höhe erreichen, die sich im Falle der Investition des vorgegebenen Kapitals in Immobilien jener Art, die erfahrungsgemäß gute Renditen erwarten lassen (z.B. kleinere Wohnungen im urbanen Bereich), ergeben würden.
32 Das Bundesfinanzgericht hat im vorliegenden Fall festgestellt, dass es sich bei den beiden Einfamilienhäusern um Luxusimmobilien handelt, die auf die persönlichen Bedürfnisse der Gesellschafter zugeschnitten wurden. Dies ergebe sich unter anderem aus der Ausstattung, der Größe (Wohnfläche in Summe fast 1.000 m2, wobei ein Haus über 500 m2 und das andere Haus über 400 m2 Wohnfläche hat), der luxuriösen Lage und dem Umstand, dass keine Trennung zwischen den beiden Häusern vorgesehen sei. Das Bundesfinanzgericht geht vom Anwendungsfall einer „Ausschüttung an der Wurzel“ aus.
33 Die Revision tritt den Feststellungen des Bundesfinanzgerichts, dass es sich vorliegend um Luxusimmobilien handelt, die auf die Bedürfnisse der Gesellschafter zugeschnitten seien, nicht substantiiert entgegen. Wenn die Revisionswerberin vorbringt, es sei ursprünglich ein lebender Zaun geplant gewesen, ändert dies nichts daran, dass ein solcher offenbar nie errichtet wurde. Soweit die Revision rügt, dass das Bundesfinanzgericht das vorgelegte Gutachten zum Mietenmarkt nicht berücksichtigt hat, ist darauf zu verweisen, dass es in den Fällen einer „Ausschüttung an der Wurzel“ nicht auf das Vorliegen eines Mietenmarkts ankommt.
34 Im Recht ist die Revision allerdings mit dem Vorbringen, das Bundesfinanzgericht habe keine Feststellungen zur Fremdüblichkeit der Miete getroffen.
35 Die Sachverhaltsgrundlage für eine rechtliche Einstufung eines Gebäudes oder bestimmter Räume eines Gebäudes als außerbetriebliches Vermögen bedarf einer die konkreten Umstände des Einzelfalles würdigenden Begründung im Tatsachenbereich. Dabei bedarf es auch hinreichender Sachverhaltsfeststellungen zur Beurteilung der Fremdüblichkeit der Vermietung, in der Regel auch zur Fremdüblichkeit der Höhe des Mietzinses (vgl. VwGH 25.4.2013, 2010/15/0139, mwN).
36 Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes liegt auch in Fällen von Luxusimmobilien, die auf die persönlichen Bedürfnisse des Gesellschafters zugeschnitten sind und grundsätzlich die Voraussetzungen für eine „Ausschüttung an der Wurzel“ erfüllen würden, kein steuerneutrales Vermögen vor, welches zu einem Vorsteuerausschluss führt, wenn eine tatsächliche Miete in (nahezu) der Höhe der Renditemiete bezahlt wird (vgl. VwGH 7.12.2020, Ra 2020/15/0067, Rn 41). Das Bundesfinanzgericht hat keine Feststellungen zur im konkreten Fall anzuwendenden Renditemiete getroffen und damit sein Erkenntnis mit einer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften belastet. Ob die Beurteilung, dass eine „Ausschüttung an der Wurzel“ vorliegt, die in der Körperschaftsteuer zu steuerneutralem Vermögen und in der Umsatzsteuer zu einem Vorsteuerausschluss führt, zutreffend ist, kann vom Verwaltungsgerichtshof daher nicht nachgeprüft werden.
37 Das angefochtene Erkenntnis war daher hinsichtlich Umsatzsteuer und Körperschaftsteuer für die Jahre 2006 bis 2011 gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG aufzuheben.
38 Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH‑Aufwandersatzverordnung 2014.
Wien, am 20. Oktober 2021
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)