VwGH Ra 2019/09/0027

VwGHRa 2019/09/002719.11.2019

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Rosenmayr sowie die Hofräte Dr. Hofbauer und Mag. Feiel als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Hotz, über die außerordentliche Revision des B K in P, vertreten durch Dr. Patrick Ruth, MMag. Daniel Pinzger, Rechtsanwälte in 6020 Innsbruck, Kapuzinergasse 8/4, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Steiermark vom 13. Dezember 2018, LVwG 30.12-77/2018-17, betreffend Übertretung des Glücksspielgesetzes (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Landespolizeidirektion Steiermark),

Normen

AVG §59 Abs1
AVG §66 Abs4
VwGVG 2014 §17
VwGVG 2014 §27

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2019:RA2019090027.L00

 

Spruch:

I. zu Recht erkannt:

Das angefochtene Erkenntnis wird im Umfang seines Abspruchs über den Ersatz von Barauslagen für den Abtransport der elektronischen Glücksspielgeräte wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

II. den Beschluss gefasst:

Im Übrigen wird die Revision zurückgewiesen.

Begründung

1 Mit Straferkenntnis der im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht belangten Behörde vom 23. Oktober 2017 wurde der Revisionswerber als handelsrechtlicher Geschäftsführer und damit das gemäß § 9 Abs. 1 VStG zur Vertretung nach außen berufene Organ einer näher genannten Gesellschaft in 14 Fällen der Übertretung des § 52 Abs. 1 Z 1 drittes Tatbild iVm § 2 Abs. 2 und 4 iVm § 4 Glücksspielgesetz (GSpG) im Zeitraum vom 2. Jänner 2016 bis zum 14. März 2016, um 15:40 Uhr, schuldig erkannt und über ihn hiefür eine Geldstrafe von 42.000 Euro sowie für den Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von acht Tagen verhängt. Außerdem wurde er zum Ersatz von Barauslagen in der Höhe von 475,24 Euro verpflichtet.

2 Mit Beschwerdevorentscheidung vom 21. Dezember 2017 setzte die Behörde die Höhe der Barauslagen auf 468,15 Euro herab. 3 Das über einen Vorlageantrag angerufene Landesverwaltungsgericht Steiermark wies die Beschwerde des Revisionswerbers mit Erkenntnis vom 21. März 2018 in Bezug auf zehn Geräte und den Ersatz der Barauslagen von 475,24 Euro mit der Maßgabe ab, dass der Tatzeitraum auf den 14. März 2016 eingeschränkt wurde. Hinsichtlich der übrigen vier Geräte gab es der Beschwerde statt und stellte die diesbezüglichen Strafverfahren ein. Die Geldstrafe für die zehn Übertretungen setzte es mit 30.000 Euro fest und die Ersatzfreiheitsstrafe mit sechs Tagen.

4 Diese Entscheidung des Landesverwaltungsgerichts hob der Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 21. November 2018, Ra 2018/09/0088, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes auf. Durch das Verhängen von Gesamtstrafen für die verbliebenen zehn Übertretungen des Glücksspielgesetzes habe das Landesverwaltungsgericht gegen das in § 22 VStG normierte Kumulationsprinzip, durch die - pro Glücksspielgerät erfolgte - Erhöhung der Ersatzfreiheitsstrafe gegen das Verbot der Verhängung einer höheren Strafe nach § 42 VwGVG verstoßen. Der Verwaltungsgerichtshof wies in diesem Erkenntnis ferner darauf hin, dass die vom Landesverwaltungsgericht vorgenommene Änderung des Tatzeitraums eine unzulässige Ausdehnung auf den gesamten 14. März 2016 bewirkt habe und die auferlegten Barauslagen bereits in der Beschwerdevorentscheidung auf 468,15 Euro herabgesetzt worden seien.

5 Mit dem nun angefochtenen Erkenntnis vom 13. Dezember 2018 sprach das Landesverwaltungsgericht Steiermark über die Beschwerde nunmehr dahingehend ab, dass diese hinsichtlich der zehn Geräte dem Grunde nach abgewiesen und die Geldstrafe mit je 3.000 Euro festgesetzt werde; für den Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von je zwölf Stunden. Hinsichtlich des Ersatzes der Barauslagen für den Abtransport der elektronischen Glücksspielgeräte wies es die Beschwerde mit der Maßgabe ab, "als der Tatzeitraum auf den 14.03.2016 bis 15:40 Uhr eingeschränkt" werde. Betreffend die verbleibenden vier Glücksspielgeräte hob es das behördliche Straferkenntnis auf und stellte die Verwaltungsstrafverfahren ein. Die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG erklärte es für nicht zulässig.

6 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die Revision wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts und infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften. Die vor dem Verwaltungsgericht belangte Behörde erstattete eine Revisionsbeantwortung.

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

7 Gegen das Erkenntnis eines Verwaltungsgerichts ist die Revision nach Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. 8 Bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG ist der Verwaltungsgerichtshof an den Ausspruch des Verwaltungsgerichts nach § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden (§ 34 Abs. 1a VwGG). Er hat die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen. 9 Weist die angefochtene Entscheidung eines Verwaltungsgerichts mehrere trennbare Spruchpunkte auf, so ist die Zulässigkeit einer dagegen erhobenen Revision getrennt zu prüfen. Solche trennbaren Absprüche liegen auch dann vor, wenn die Spruchpunkte eines (vom Verwaltungsgericht etwa bestätigten) erstinstanzlichen Bescheids als trennbar anzusehen sind (vgl. zum Ganzen etwa VwGH 24.1.2019, Ra 2018/09/0137, mwN).

10 Dem Zulässigkeitsvorbringen des Revisionswerbers ist zunächst zu erwidern, dass die für eine Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) gemäß Art. 267 AEUV aufgeworfenen Fragen klar bzw. geklärt sind. Ebenso sind die Anforderungen an eine Prüfung der Unionsrechtskonformität im Zusammenhang mit einer Monopolregelung im Glücksspielsektor durch die nationalen Gerichte geklärt (vgl. EuGH 15.9.2011, Dickinger und Ömer, C-347/09 , Rn. 83 f; 30.4.2014, Pfleger, C-390/12 , Rn. 47 ff; 30.6.2016, Admiral Casinos & Entertainment, C-464/15 , Rn. 31, 35 ff; sowie vom 28.2.2018, Sporting Odds, C-3/17 , Rn. 28, 62 ff; sowie 6.9.2018, Gmalieva s.r.o. u.a., C-79/17 , Rn. 22 ff). Diesen Anforderungen ist der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom 16. März 2016, Ro 2015/17/0022, durch die Durchführung der nach der Rechtsprechung des EuGH erforderlichen Gesamtwürdigung nachgekommen. Er hat an dieser Gesamtwürdigung mit Erkenntnis vom 11. Juli 2018, Ra 2018/17/0048, 0049, mit näherer Begründung festgehalten. Von dieser - weiterhin maßgeblichen - Rechtsprechung ist das Verwaltungsgericht im Revisionsfall mit seiner Beurteilung im Ergebnis nicht abgewichen. Das Zulässigkeitsvorbringen zeigt nichts auf, was diesbezüglich zu einer anderen Beurteilung führen könnte. Die angefochtene Entscheidung steht entgegen diesem Vorbringen auch nicht im Widerspruch zum Urteil des EuGH vom 30. April 2014, Pfleger, C-390/12 .

11 Ebenso stehen nach den Ausführungen des EuGH in seinem Urteil vom 14. Juni 2017, Online Games Handels GmbH u.a, C-685/15 , die Art. 49 AEUV (Niederlassungsfreiheit) und Art. 56 AEUV (Dienstleistungsfreiheit) im Lichte des Art. 47 GRC einem Verfahrensregime wie dem vor dem Verwaltungsgericht geltenden betreffend die amtswegige Ermittlung der Umstände der vom Gericht entschiedenen Rechtssachen nicht entgegen (vgl. EuGH 28.2.2018, Sporting Odds, C-3/17 , Rn. 55; VwGH 25.4.2018, Ra 2018/09/0039). 12 Soweit das Zulassungsvorbringen in der Revision auf § 14 Abs. 3 GSpG Bezug nimmt, aber sonst keine weiteren Ausführungen zu dieser Thematik vornimmt, genügt es, auf das bereits zitierte Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 11. Juli 2018 zu verweisen.

13 Mit dem Vorbringen, dass das Verwaltungsgericht im Hinblick auf die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes vom 11. Juli 2018, Ra 2017/17/0052, bezüglich (unzulässiger) Werbepraktiken ein entsprechendes Beweisverfahren hätte durchführen und entsprechende Feststellungen hätte treffen müssen, wird die Relevanz des behaupteten Verfahrensmangels nicht ausreichend dargetan (vgl. VwGH 25.4.2019, Ra 2019/09/0021, mwN). 14 Anders als der Revisionswerber meint, verstößt das Verwaltungsgericht durch die Abweisung der Beschwerde hinsichtlich der zehn verbliebenen Geräte dem Grunde nach, wodurch zwar einerseits die vom Verwaltungsgerichtshof im ersten Rechtsgang aufgezeigte Ausdehnung des Tatzeitraums saniert, andererseits aber auch die vom Verwaltungsgericht im ersten Rechtsgang vorgenommene Änderung des Tatzeitraums entfiel, nicht gegen das Verbot der Verhängung einer höheren Strafe nach § 42 VwGVG. Auch die Sache des Beschwerdeverfahrens wurde im vorliegenden Fall dadurch nicht überschritten (vgl. hiezu ausführlich VwGH 5.11.2014, Ra 2014/09/0018; siehe zu Beschwerdevorentscheidungen grundlegend VwGH 17.12.2015, Ro 2015/08/0026, VwSlg. 19.271 A). 15 Mit dem Vorbringen zur behaupteten Verfolgungsverjährung zeigt der Revisionswerber ebenfalls keine grundsätzliche Rechtsfrage im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG auf. Der Bestimmung des § 44a Z 1 VStG wird - aus Rechtschutzüberlegungen - dann entsprochen, wenn dem Beschuldigten im Spruch des Strafbescheides bzw. der Entscheidung des Verwaltungsgerichts die Tat in so konkretisierter Umschreibung vorgeworfen wird, dass er im ordentlichen Verwaltungsstrafverfahren in die Lage versetzt wird, auf den konkreten Tatvorwurf bezogene Beweise anzubieten und eben diesen Tatvorwurf zu widerlegen, und der Spruch geeignet ist, die beschuldigte Person rechtlich davor zu schützen, wegen desselben Verhaltens nochmals zur Verantwortung gezogen zu werden. Diese Rechtsschutzüberlegungen sind auch für die Prüfung der Frage anzustellen, ob eine taugliche Verfolgungshandlung im Sinn des § 32 Abs. 2 VStG gegeben ist. Das bedeutet, dass die der beschuldigten Person vorgeworfene Tat (lediglich) unverwechselbar konkretisiert sein muss, damit diese in die Lage versetzt wird, dem Vorwurf entsprechend zu reagieren und damit ihr Rechtsschutzinteresse zu wahren (vgl. VwGH 25.4.2018, Ra 2018/09/0026, mwN).

16 Soweit der Revisionswerber jedoch die Zulässigkeit seiner Revision auch darin gelegen sieht, dass das angefochtene Erkenntnis zum Barauslagenersatz keinerlei Begründung enthält, ist er im Recht. Die Revision ist in diesem Umfang auch begründet. 17 Gemäß § 29 Abs. 1 VwGVG sind die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichts zu begründen. Diese Begründung hat, wie der Verwaltungsgerichtshof bereits wiederholt ausgesprochen hat, jenen Anforderungen zu entsprechen, die in seiner Rechtsprechung zu den §§ 58 und 60 AVG entwickelt wurden. Demnach sind in der Begründung eines Erkenntnisses die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die für die Beweiswürdigung maßgeblichen Erwägungen sowie die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammenzufassen. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes erfordert dies in einem ersten Schritt die eindeutige, eine Rechtsverfolgung durch die Partei ermöglichende und einer nachprüfenden Kontrolle durch die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts zugängliche konkrete Feststellung des der Entscheidung zu Grunde gelegten Sachverhalts, in einem zweiten Schritt die Angabe jener Gründe, welche das Verwaltungsgericht im Fall des Vorliegens widerstreitender Beweisergebnisse in Ausübung der freien Beweiswürdigung dazu bewogen haben, gerade jenen Sachverhalt festzustellen, und in einem dritten Schritt die Darstellung der rechtlichen Erwägungen, deren Ergebnisse zum Spruch der Entscheidung geführt haben. Diesen Erfordernissen werden die Verwaltungsgerichte zudem (nur) dann gerecht, wenn sich die ihre Entscheidung tragenden Überlegungen zum maßgebenden Sachverhalt, zur Beweiswürdigung sowie zur rechtlichen Beurteilung aus den verwaltungsgerichtlichen Entscheidungen selbst ergeben (vgl. etwa VwGH 25.4.2019, Ra 2018/09/0212, mwN).

18 Obwohl der Revisionswerber bereits in seiner Beschwerde mangelnde Feststellungen der Behörde zu den Barauslagen monierte und solche auch in der Beschwerdevorentscheidung nicht nachgeholt wurden, finden sich zu den Barauslagen, deren Ersatz dem Revisionswerber mit dem angefochtenen Erkenntnis auferlegt wurden, auch im angefochtenen Erkenntnis weder Feststellungen noch beweiswürdigende Erwägungen oder eine rechtliche Beurteilung. Eine Überprüfung des ausgesprochenen Barauslagenersatzes durch den Verwaltungsgerichtshof ist daher nicht möglich, weshalb das Landesverwaltungsgericht sein Erkenntnis in diesem Umfang mit Rechtswidrigkeit belastete.

19 Das angefochtene Erkenntnis war somit in dem in Spruchpunkt I. ausgeführten Umfang wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b VwGG aufzuheben.

20 Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG, insbesondere § 50 VwGG, in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

21 Im Übrigen war die Revision gemäß § 34 Abs. 1 VwGG mangels Aufzeigens einer Rechtsfrage, der im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme, ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.

Wien, am 19. November 2019

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