Normen
FrPolG 2005 §110
FrPolG 2005 §117
NAG 2005 §25
NAG 2005 §30
NAG 2005 §37 Abs4
NAG 2005 §54 Abs1
VwGG §42 Abs2 Z1
VwGVG 2014 §17
VwGVG 2014 §24
VwGVG 2014 §27
VwGVG 2014 §28 Abs3
VwGVG 2014 §34 Abs1
VwGVG 2014 §8
VwRallg
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2019:RA2018220300.L00
Spruch:
Der angefochtene Beschluss wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Begründung
1 Der Mitbeteiligte, ein Staatsangehöriger von Bosnien und Herzegowina, stellte am 22. Jänner 2018 einen Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltskarte für Angehörige eines EWR-Bürgers gemäß § 54 Abs. 1 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) unter Berufung auf seine am 1. November 2017 in Bosnien und Herzegowina geschlossene Ehe mit der in Österreich erwerbstätigen ungarischen Staatsangehörigen T G.
2 Mit dem auf § 54 Abs. 1 und 7 NAG gestützten Bescheid vom 22. August 2018 wies die Bezirkshauptmannschaft Wiener Neustadt (belangte Behörde) den Antrag des Mitbeteiligten aufgrund des Vorliegens einer Aufenthaltsehe zurück und stellte fest, dass der Mitbeteiligte nicht in den Anwendungsbereich des unionsrechtlichen Aufenthaltsrechtes falle.
Begründend wurde ausgeführt, die Annahme der belangten Behörde, wonach das Ehepaar keinen gemeinsamen Wohnsitz habe und kein gemeinsames Familienleben führe, sei aufgrund der divergierenden Aussagen zu den im Zuge der niederschriftlichen Vernehmung der Ehegatten gestellten Fragen und der Unkenntnis des Mitbeteiligten von grundlegenden Aspekten betreffend seine Ehefrau, ihr Eheleben bzw. die gemeinsame Wohnung untermauert und bestätigt worden. Aufgrund des Ermittlungsergebnisses sei der Tatbestand der Aufenthaltsehe für die belangte Behörde erwiesen, weshalb die beantragte Einvernahme der namhaft gemachten Zeugen unterbleiben könne.
3 Gegen diesen Bescheid erhob der Mitbeteiligte Beschwerde. Auf Ersuchen des Landesverwaltungsgerichtes Niederösterreich teilte die belangte Behörde mit Schreiben vom 11. Oktober 2018 mit, es sei weder eine Verständigung der Landespolizeidirektion wegen des Verdachts des Bestehens einer Aufenthaltsehe gemäß § 37 Abs. 4 NAG noch eine Sachverhaltsdarstellung an die Staatsanwaltschaft ergangen.
4 Mit dem angefochtenen Beschluss hob das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich den Bescheid vom 22. August 2018 auf und verwies die Angelegenheit zur Erlassung einer neuerlichen Entscheidung an die belangte Behörde zurück. Die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG erklärte es für unzulässig.
Das Verwaltungsgericht führte begründend im Wesentlichen aus, die belangte Behörde habe das Ehepaar niederschriftlich einvernommen und aufgrund des Verdachts des Vorliegens einer Aufenthaltsehe nach Gewährung des Parteiengehörs den angefochtenen Bescheid erlassen. Trotz ihres Verdachts habe die belangte Behörde die sich aus dem eindeutigen Gesetzeswortlaut des § 37 Abs. 4 NAG ergebende, zwingend vorgesehene Verständigung der Landespolizeidirektion nicht vorgenommen und das Ergebnis der Ermittlungen nicht abgewartet. Die belangte Behörde habe somit einen wesentlichen Ermittlungsschritt unterlassen. Da das Verwaltungsgericht keine "Behörde" sei und das Gesetz diese Verpflichtung ausdrücklich nur für die "Behörde" vorsehe, könne dieser Ermittlungsschritt nicht durch das Verwaltungsgericht nachgeholt werden, weshalb das Verfahren nicht insgesamt schneller oder kostengünstiger zu einem Abschluss im Sinn des § 28 Abs. 2 VwGVG gebracht werden könne. Es sei daher spruchgemäß zu entscheiden gewesen.
5 Gegen diesen Beschluss richtet sich die vorliegende außerordentliche Amtsrevision der belangten Behörde. 6 Der Mitbeteiligte erstattete eine Revisionsbeantwortung und beantragte die Zurückweisung bzw. in eventu die Abweisung der Revision.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
7 Die Revisionswerberin bringt zur Zulässigkeit zusammengefasst vor, das Verwaltungsgericht habe trotz des von der belangten Behörde durchgeführten, umfassenden Ermittlungsverfahrens betreffend den Verdacht des Vorliegens einer Aufenthaltsehe und der eindeutigen Beweislage nicht in der Sache selbst entschieden. Somit sei das Verwaltungsgericht von der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Behebung und Zurückverweisung nach § 28 Abs. 3 VwGVG abgewichen. Auch wenn die Unterlassung der Mitteilung und die Nichteinbindung der Landespolizeidirektion in das Ermittlungsverfahren einen Verfahrensmangel darstellen sollte, sei für die Revisionswerberin nicht ersichtlich, weshalb für das Verwaltungsgericht im Anwendungsbereich des § 37 Abs. 4 NAG jede eigene Ermittlungstätigkeit ausgeschlossen sei. Das Verwaltungsgericht hätte sich inhaltlich mit der Frage des Vorliegens einer Aufenthaltsehe unter Heranziehung der Erhebungsergebnisse der Revisionswerberin, welche nicht für ungeeignet erklärt worden seien, auseinandersetzen müssen, um feststellen zu können, ob die Zurückweisung des Antrages auf Ausstellung einer Aufenthaltskarte gemäß § 54 Abs. 1 und 7 NAG zu Recht erfolgt sei.
Zudem wird geltend gemacht, es fehle Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage, ob die Verwaltungsgerichte § 37 Abs. 4 NAG in Verbindung mit § 17 VwGVG in ihrem Ermittlungsverfahren selbst anzuwenden hätten. Nach Ansicht der Revisionswerberin hätte das Verwaltungsgericht selbst die Verständigung gem��ß § 37 Abs. 4 NAG durchführen können und nicht eine Zurückverweisung vornehmen sollen.
Die Revision ist zulässig und begründet.
8 Die maßgeblichen Vorschriften des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005 in der Fassung BGBl. I Nr. 32/2018, lauten auszugsweise:
"Aufenthaltsehe, Aufenthaltspartnerschaft und Aufenthaltsadoption
§ 30. (1) Ehegatten oder eingetragene Partner, die ein gemeinsames Familienleben im Sinne des Art. 8 EMRK nicht führen, dürfen sich für die Erteilung und Beibehaltung von
Aufenthaltstiteln nicht auf die Ehe oder eingetragene
Partnerschaft berufen.
...
(3) Die Abs. 1 und 2 gelten auch für den Erwerb und die Aufrechterhaltung eines unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts.
...
Mitteilungs- und Mitwirkungspflichten
§ 37. ...
(4) Hat die Behörde bei Vornahme einer Amtshandlung nach diesem Bundesgesetz den begründeten Verdacht, dass in Bezug auf einen bestimmten Fremden eine Aufenthaltsehe, Aufenthaltspartnerschaft oder Aufenthaltsadoption besteht, hat sie die Landespolizeidirektion von diesem Verdacht zu verständigen. Diese Verständigung hemmt den Ablauf der Frist gemäß § 8 VwGVG bis zum Einlangen einer Mitteilung der Landespolizeidirektion gemäß § 110 FPG bei der Behörde. Teilt die Landespolizeidirektion mit, dass keine Aufenthaltsehe, Aufenthaltspartnerschaft oder Aufenthaltsadoption besteht, oder erfolgt die Mitteilung der Landespolizeidirektion nicht binnen drei Monaten, hat die Behörde vom Vorliegen einer Ehe, eingetragenen Partnerschaft oder Adoption auszugehen, es sei denn die Landespolizeidirektion gibt binnen dieser Frist begründet bekannt, dass die Erhebungen noch nicht abgeschlossen werden konnten. Diesfalls verlängert sich die Frist für die Mitteilung gemäß § 110 FPG einmalig um weitere zwei Monate.
...
Aufenthaltskarten für Angehörige eines EWR-Bürgers § 54. (1) Drittstaatsangehörige, die Angehörige von
unionsrechtlich aufenthaltsberechtigten EWR-Bürgern (§ 51) sind und die in § 52 Abs. 1 Z 1 bis 3 genannten Voraussetzungen erfüllen, sind zum Aufenthalt für mehr als drei Monate berechtigt. Ihnen ist auf Antrag eine Aufenthaltskarte für die Dauer von fünf Jahren oder für die geplante kürzere Aufenthaltsdauer auszustellen. Dieser Antrag ist innerhalb von vier Monaten ab Einreise zu stellen. § 1 Abs. 2 Z 1 gilt nicht.
...
(7) Liegt eine Aufenthaltsehe, Aufenthaltspartnerschaft oder Aufenthaltsadoption (§ 30), eine Zwangsehe oder Zwangspartnerschaft (§ 30a) oder eine Vortäuschung eines Abstammungsverhältnisses oder einer familiären Beziehung zu einem unionsrechtlich aufenthaltsberechtigten EWR-Bürger vor, ist ein Antrag gemäß Abs. 1 zurückzuweisen und die Zurückweisung mit der Feststellung zu verbinden, dass der Antragsteller nicht in den Anwendungsbereich des unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts fällt."
9 § 17 und § 28 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG), BGBl. I Nr. 33/2013, lauten auszugsweise:
"Anzuwendendes Recht
§ 17. Soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, sind auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
...
Erkenntnisse
§ 28. (1) Sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.
(2) Über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG hat das Verwaltungsgericht dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn
- 1. der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder
- 2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.
(3) Liegen die Voraussetzungen des Abs. 2 nicht vor, hat das Verwaltungsgericht im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Die Behörde ist hiebei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.
..."
10 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 28 VwGVG (vgl. etwa VwGH 26.6.2014, Ro 2014/03/0063) normiert diese Bestimmung einen prinzipiellen Vorrang der meritorischen Entscheidungspflicht der Verwaltungsgerichte. Von der Möglichkeit der Zurückverweisung kann nur bei krassen bzw. besonders gravierenden Ermittlungslücken Gebrauch gemacht werden. Eine Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen kommt daher nur dann in Betracht, wenn die Verwaltungsbehörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen, zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhaltes (vgl. § 37 AVG) lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt hat. Liegen die Voraussetzungen des § 28 Abs. 2 VwGVG für eine Sachentscheidung vor, hat das Verwaltungsgericht jedenfalls eine solche zu treffen. Zudem hat das Verwaltungsgericht - wie der Verwaltungsgerichtshof bereits wiederholt festgehalten hat - nachvollziehbar zu begründen, wenn es eine meritorische Entscheidungszuständigkeit nicht als gegeben annimmt (vgl. VwGH 25.4.2019, Ra 2018/22/0177, Rn. 7, mwN). 11 Das Verwaltungsgericht stützte die Behebung und Zurückverweisung nach § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG darauf, dass die belangte Behörde der zwingend vorgesehenen Mitteilungspflicht des § 37 Abs. 4 NAG nicht nachgekommen sei. Dies sei nach dem Gesetzeswortlaut der Behörde vorbehalten, weshalb dieser Ermittlungsschritt nicht vom Verwaltungsgericht nachgeholt werden könne.
12 Die Revisionswerberin bringt vor, das Verwaltungsgericht habe nicht dargelegt, inwiefern eine Verständigung der Landespolizeidirektion vorliegend entscheidungsrelevant sein könne. Eine Mitteilung gemäß § 37 Abs. 4 NAG sei nicht zwingend vorgesehen, zumal weitergehende Ermittlungen durch die Landespolizeidirektion aufgrund der umfangreichen Erhebungen der Revisionswerberin nicht notwendig und von der Revisionswerberin nicht abzuwarten gewesen seien.
13 Diesem Revisionsvorbringen ist entgegenzuhalten, dass der klare Wortlaut des § 37 Abs. 4 NAG bei jedem begründeten Verdacht des Vorliegens einer Aufenthaltsehe die zwingende Verständigung der Landespolizeidirektion durch die Niederlassungsbehörde vorsieht (vgl. RV 952 BlgNR 22. GP 134 sowie dazu VwGH 20.8.2013, 2013/22/0157). Die Verständigung hemmt den Ablauf der Frist gemäß § 8 VwGVG bis zum Einlangen einer Mitteilung der Landespolizeidirektion gemäß § 110 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) bei der Behörde; sie ist vor dem Hintergrund des § 117 FPG zu sehen, wonach das Eingehen einer Aufenthaltsehe als gerichtlich strafbare Handlung zu ahnden ist (vgl. Czech in Abermann/Czech/Kind/Peyrl, NAG Kommentar2 (2019), § 37 Rz 5). Da § 37 Abs. 4 NAG allgemein auf die Vornahme einer Amtshandlung nach dem NAG Bezug nimmt und sowohl § 30 NAG (betreffend das Verbot, sich auf eine Aufenthaltsehe zu berufen) als auch die Strafbestimmung des § 117 FPG unter anderem auf den Erwerb und die Aufrechterhaltung des unionsrechtlichen Aufenthaltsrechtes abstellen, besteht die Verpflichtung nach § 37 Abs. 4 NAG auch in einem Verfahren betreffend die Ausstellung einer Aufenthaltskarte gemäß § 54 Abs. 1 NAG.
14 Im vorliegenden Fall steht unbestritten fest, dass die belangte Behörde trotz ihres begründeten Verdachts des Bestehens einer Aufenthaltsehe der - entgegen ihrer Auffassung - zwingend vorgesehenen Mitteilungspflicht nicht nachgekommen ist. Dem Verwaltungsgericht ist daher insoweit zuzustimmen, als es die Notwendigkeit der Verständigung nach § 37 Abs. 4 NAG erkannte und deren Unterlassung zutreffend aufzeigte. Die unterbliebene Verständigung der Landespolizeidirektion gemäß § 37 Abs. 4 NAG stellt zwar einen Verfahrensfehler dar, jedoch berechtigt dieser Umstand allein das Verwaltungsgericht - entgegen seiner Auffassung - aus den nachstehenden Erwägungen nicht zur Zurückverweisung der Angelegenheit gemäß § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG an die belangte Behörde.
15 Die belangte Behörde hat vorliegend eine ausführliche niederschriftliche Vernehmung des Ehepaares durchgeführt, dabei detaillierte Fragen zu den Umständen ihres Ehelebens gestellt und die gravierenden Unterschiede in den Aussagen des Ehepaares ihrer Entscheidung zugrunde gelegt. Angesichts dessen kann nicht gesagt werden, die belangte Behörde habe jegliche Ermittlungstätigkeit unterlassen oder lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt. Dass diese Ermittlungen nicht ausreichend sind, um die Frage des Vorliegens eines begründeten Verdachts betreffend das Bestehen einer Aufenthaltsehe im Sinn des § 37 Abs. 4 erster Satz NAG beurteilen zu können, hat das Verwaltungsgericht nicht dargelegt und ist auch nicht ersichtlich.
16 Ausgehend davon kommt es fallbezogen darauf an, ob das Verwaltungsgericht - sollte es basierend auf den vorliegenden Ermittlungsergebnissen ebenfalls einen begründeten Verdacht im Sinn des § 37 Abs. 4 NAG hegen - entgegen seiner Auffassung befugt bzw. verpflichtet ist, die Verständigung der Landespolizeidirektion selbst vorzunehmen.
17 Gemäß § 17 VwGVG sind die verfahrensrechtlichen Bestimmungen des NAG, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren anzuwenden gehabt hätte, vom Verwaltungsgericht sinngemäß anzuwenden. Bei der in § 37 Abs. 4 NAG vorgesehenen Verständigungsvorschrift handelt es sich um eine verfahrensrechtliche Bestimmung. Daraus folgt, dass § 37 Abs. 4 NAG auch vom Verwaltungsgericht anzuwenden ist, ungeachtet dessen, dass lediglich von der "Behörde" die Rede ist (vgl. zur - ähnlich gelagerten - Bejahung der Anwendung des § 25 NAG durch die Verwaltungsgerichte VwGH 25.4.2019, Ra 2018/22/0059, Rn 20 ff, mwN).
18 Das Verwaltungsgericht ist somit zu Unrecht zum Ergebnis gelangt, die Verständigung der Landespolizeidirektion gemäß § 37 Abs. 4 NAG sei der belangten Behörde vorbehalten und die Nachholung dieses Ermittlungsschrittes sei dem Verwaltungsgericht verwehrt. Vielmehr kann das Verwaltungsgericht nach § 17 VwGVG § 37 Abs. 4 NAG sinngemäß anwenden (wobei diesfalls der Ablauf der Entscheidungsfrist des Verwaltungsgerichtes gemäß �� 34 Abs. 1 VwGVG durch die Verständigung bis zum Einlangen einer Mitteilung der Landespolizeidirektion gehemmt wird). 19 Der Umstand, dass eine Befassung mit den Erhebungen bzw. der Mitteilung der Landespolizeidirektion im angefochtenen Bescheid mangels Durchführung des in § 37 Abs. 4 NAG vorgesehenen Verfahrens nicht erfolgen konnte (und daher unterblieben ist), stellt für sich genommen ebenfalls noch keinen besonders gravierenden Ermittlungsmangel dar. Selbst wenn die belangte Behörde entsprechende Erhebungen der Landespolizeidirektion veranlasst und deren Mitteilung ihrer Entscheidung zugrunde gelegt hätte, wäre das Verwaltungsgericht nämlich verpflichtet gewesen, sich mit diesen Ermittlungsergebnissen in seiner Entscheidung auseinanderzusetzen. Das Heranziehen von Erhebungsergebnissen der Landespolizeidirektion ist im Verfahren nach § 37 Abs. 4 NAG vorgesehen (siehe VwGH 18.4.2018, Ra 2018/22/0015, Rn 10 f, wonach angesichts der Einleitung eines Verfahrens nach § 37 Abs. 4 NAG und der Zugrundelegung des Erhebungsberichtes der Landespolizeidirektion durch die belangte Behörde nicht von einer Unterlassung jeglicher Ermittlungen die Rede sein könne). Auch eine allfällige Notwendigkeit weiterer Vernehmungen rechtfertigt für sich genommen eine Behebung und Zurückverweisung nicht (vgl. wiederum VwGH Ra 2018/22/0015).
20 Die bloße Unterlassung der Verständigung der Landespolizeidirektion nach § 37 Abs. 4 NAG durch die belangte Behörde berechtigte das Verwaltungsgericht somit nicht zu einer Zurückverweisung der Angelegenheit nach § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG an die Verwaltungsbehörde, weil darin für sich allein keine besonders gravierende Ermittlungslücke zu sehen ist, die dies ermöglichen würde.
21 Der angefochtene Beschluss war daher wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben. 22 Bei diesem Ergebnis kommt ein Kostenzuspruch an den Mitbeteiligten nicht in Betracht.
Wien, am 8. Oktober 2019
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