VwGH 2013/22/0157

VwGH2013/22/015720.8.2013

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Bernegger, die Hofräte Dr. Robl und Mag. Eder, die Hofrätin Mag. Dr. Maurer-Kober und den Hofrat Dr. Mayr als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Perauer, in der Beschwerdesache der R, vertreten durch Edward W. Daigneault, Rechtsanwalt in 1160 Wien, Lerchenfelder Gürtel 45/11, gegen die Bundesministerin für Inneres, wegen Verletzung der Entscheidungspflicht in einer Angelegenheit nach dem NAG betreffend Aufenthaltstitel, den Beschluss gefasst:

Normen

AVG §73;
NAG 2005 §11 Abs1 Z4;
NAG 2005 §25 Abs1;
NAG 2005 §37 Abs4;
VwGG §27;
VwGG §34 Abs1;
AVG §73;
NAG 2005 §11 Abs1 Z4;
NAG 2005 §25 Abs1;
NAG 2005 §37 Abs4;
VwGG §27;
VwGG §34 Abs1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Begründung

Mit dem am 7. Juni 2013 zur Post gegeben und am 10. Juni 2013 beim Verwaltungsgerichtshof eingelangten Schriftsatz brachte die Beschwerdeführerin eine Beschwerde gemäß Art. 132 B-VG ein.

In dieser Beschwerde wird vorgebracht, dass sie aus Mazedonien stamme und mit einem aus Mazedonien stammenden, nunmehr österreichischen Staatsbürger verheiratet sei. Am 24. März 2010 sei ihr als Familienangehörige eines Österreichers erstmals ein Aufenthaltstitel für Österreich erteilt worden. Am 4. März 2011 habe sie - rechtzeitig vor Ablauf des ihr erteilten Aufenthaltstitels - die Verlängerung desselben beantragt.

Die Behörde erster Instanz (der Landeshauptmann von Wien) habe daraufhin mit Schreiben vom 31. März 2011 die Bundespolizeidirektion Wien um Erhebungen wegen des Verdachts des Bestehens einer Aufenthaltsehe ersucht. Von dieser seien daraufhin diesbezüglich Erhebungen, unter anderem in Form von Vernehmungen der Beschwerdeführerin und ihres Ehemannes, durchgeführt worden. Auch die Staatsanwaltschaft Wien sei vom Verdacht des Eingehens einer Aufenthaltsehe in Kenntnis gesetzt worden. Diese habe das von ihr geführte Verfahren "aus Gründen der eingetretenen Verjährung" mit Verfügung vom 7. Juli 2011 eingestellt. Mit Schreiben vom 7. Juli 2011 habe aber auch die Bundespolizeidirektion Wien der Niederlassungsbehörde erster Instanz unter gleichzeitiger Rückstellung des Niederlassungsaktes mitgeteilt, dass eine Aufenthaltsehe "nicht eindeutig nachgewiesen" werden könne.

Daraufhin habe die Beschwerdeführerin unter Hinweis auf § 37 Abs. 4 dritter Satz NAG beantragt, ihrem Verlängerungsantrag Folge zu geben. Da die Behörde erster Instanz nicht innerhalb der gesetzlich vorgesehenen Frist über den Antrag auf Verlängerung ihres Aufenthaltstitels entschieden habe, habe sie am 5. Dezember 2012 einen an die Bundesministerin für Inneres (die belangte Behörde) gerichteten Devolutionsantrag eingebracht. Seit Einbringung dieses Antrages seien mittlerweile mehr als sechs Monate verstrichen. Die belangte Behörde habe somit die nach § 73 Abs. 1 AVG bestehende Entscheidungsfrist bzw. die Frist nach § 27 VwGG nicht eingehalten.

Nach Einleitung des Vorverfahrens durch den Verwaltungsgerichtshof erstattete die belangte Behörde eine Stellungnahme, in der sie bestritt, die ihr obliegende Entscheidungspflicht verletzt zu haben. Sie habe mit Schreiben vom 13. März 2013 - abgefertigt am 14. März 2012 (dem auf der vorgelegten Kopie enthaltenem Vermerk zufolge richtig:

14. März 2013) - eine Verständigung an die Fremdenpolizeibehörde nach § 25 Abs. 1 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) gerichtet. Die Verwaltungsakten befänden sich immer noch bei der Fremdenpolizeibehörde. Somit liege im Hinblick auf § 25 Abs. 1 letzter Satz NAG eine Verletzung der Entscheidungspflicht nicht vor.

Die Beschwerdeführerin, der diese Äußerung der belangten Behörde zur Kenntnis gebracht wurde, trat dem unter Hinweis darauf, dass die Bundespolizeidirektion Wien bereits im Rahmen des vom Landeshauptmann von Wien geführten Verfahrens ausgeführt habe, eine Aufenthaltsehe sei nicht nachweisbar, entgegen und führt dazu ergänzend ins Treffen, dass es seitdem auch zu keiner Sachverhaltsänderung gekommen sei. Somit sei die belangte Behörde zu Unrecht nach § 25 Abs. 1 NAG vorgegangen. Sie könne sich daher auch nicht auf die Hemmung der Entscheidungsfrist berufen.

Die Beschwerde erweist sich als nicht zulässig.

§ 25 Abs. 1 NAG (diese Bestimmung wurde zuletzt geändert mit dem Fremdenrechtsänderungsgesetz 2011, BGBl. I Nr. 38) lautet (samt Überschrift):

"Verfahren im Fall des Fehlens von Erteilungsvoraussetzungen für die Verlängerung eines Aufenthaltstitels

§ 25. (1) Fehlen in einem Verfahren zur Verlängerung des Aufenthaltstitels Erteilungsvoraussetzungen gemäß § 11 Abs. 1 und 2, so hat die Behörde - gegebenenfalls nach Einholung einer fremdenpolizeilichen Stellungnahme - den Antragsteller davon in Kenntnis zu setzen und ihm mitzuteilen, dass eine Aufenthaltsbeendigung gemäß §§ 52 ff. FPG beabsichtigt ist und ihm darzulegen, warum dies unter Bedachtnahme auf den Schutz seines Privat- oder Familienlebens (§ 61 FPG) zulässig scheint. Außerdem hat sie ihn zu informieren, dass er das Recht hat, sich hiezu binnen einer gleichzeitig festzusetzenden, 14 Tage nicht unterschreitenden Frist zu äußern. Nach Ablauf dieser Frist hat die Behörde die zur Aufenthaltsbeendigung zuständige Fremdenpolizeibehörde - gegebenenfalls unter Anschluss der Stellungnahme des Fremden - zu verständigen. Während eines Verfahrens zur Aufenthaltsbeendigung ist der Ablauf der Frist gemäß § 73 AVG gehemmt.

(2) Erwächst eine Aufenthaltsbeendigung in Rechtskraft, ist das Verfahren über den Verlängerungsantrag auf Erteilung des Aufenthaltstitels formlos einzustellen. Das Verfahren ist im Fall der Aufhebung einer Aufenthaltsbeendigung auf Antrag des Fremden fortzusetzen, wenn nicht neuerlich eine aufenthaltsbeendende Maßnahme gesetzt wird. Ist eine Aufenthaltsbeendigung unzulässig, hat die Behörde einen Aufenthaltstitel mit dem gleichen Zweckumfang zu erteilen.

(3) Fehlen in einem Verfahren zur Verlängerung eines Aufenthaltstitels besondere Erteilungsvoraussetzungen des 2. Teiles, hat die Behörde den Antrag ohne weiteres abzuweisen."

Die Beschwerdeführerin räumt ein, dass ihr mit der - ihr am 15. Februar 2013 zugestellten - Mitteilung der belangten Behörde vom 14. Februar 2013 mit ausführlicher Begründung zur Kenntnis gebracht wurde, dass und warum die Behörde davon ausgehe, im vorliegenden Fall wäre - weil vom Vorliegen einer Aufenthaltsehe auszugehen wäre - das Erteilungshindernis nach § 11 Abs. 1 Z 4 NAG gegeben, und dass sie beabsichtige, ein aufenthaltsbeendigendes Verfahren zu initiieren. Weiters wurde der Beschwerdeführerin unbestritten (eine Kopie der an sie ergangenen Mitteilung hat sie selbst dem Verwaltungsgerichtshof vorgelegt) die Gelegenheit gegeben, zu den von der belangten Behörde geäußerten Vorwürfen und ihren persönlichen Verhältnissen binnen zwei Wochen Stellung zu nehmen.

Die Beschwerdeführerin lässt auch unbestritten, dass die belangte Behörde die zur Aufenthaltsbeendigung zuständige Fremdenpolizeibehörde tatsächlich gemäß § 25 Abs. 1 NAG noch vor Ablauf der in § 27 VwGG genannten Frist verständigt hat und das von dieser Behörde geführte Verfahren noch nicht abgeschlossen ist.

Gemäß § 25 Abs. 1 letzter Satz NAG ist während eines Verfahrens zur Aufenthaltsbeendigung der Ablauf der Frist gemäß § 73 AVG gehemmt. Aus dieser Bestimmung - wie im Folgenden darzulegen ist - ergibt sich, dass im vorliegenden Fall, in dem die belangte Behörde noch vor Ablauf der sie treffenden Entscheidungsfrist nach § 25 Abs. 1 NAG vorgegangen ist, keine Säumnis vorliegt.

Wenn die Beschwerdeführerin ins Treffen führt, dass das Nichtvorliegen einer Aufenthaltsehe bereits in einem fremdenpolizeilichen Verfahren geklärt worden sei, ist sie zunächst darauf zu verweisen, dass diesbezüglich eine der Rechtskraft fähige Entscheidung, die allenfalls auch die belangte Behörde hätte binden können, nicht vorliegt.

Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin lässt sich auch dem Wortlaut des § 37 Abs. 4 NAG keine andere Bedeutung beimessen.

Dass der Gesetzgeber der Mitteilung der Fremdenpolizeibehörde nach § 37 Abs. 4 NAG keine Bindungswirkung beilegen wollte, ergibt sich schließlich auch aus den Materialen zu dieser Bestimmung.

Der genannte § 37 Abs. 4 NAG (in der seit dem 1. Jänner 2010 unveränderten Fassung des BGBl. I Nr. 135/2009) lautet unter der Überschrift "Mitteilungs- und Mitwirkungspflichten":

"(4) Hat die Behörde bei Vornahme einer Amtshandlung nach diesem Bundesgesetz den begründeten Verdacht, dass in Bezug auf einen bestimmten Fremden eine Aufenthaltsehe, Aufenthaltspartnerschaft oder Aufenthaltsadoption besteht, hat sie die zuständige Fremdenpolizeibehörde von diesem Verdacht zu verständigen. Diese Verständigung hemmt den Ablauf der Frist gemäß § 73 Abs. 1 AVG bis zum Einlangen einer Mitteilung der Fremdenpolizeibehörde gemäß § 110 FPG bei der Behörde. Teilt die Fremdenpolizeibehörde mit, dass keine Aufenthaltsehe, Aufenthaltspartnerschaft oder Aufenthaltsadoption besteht, oder erfolgt die Mitteilung der Fremdenpolizeibehörde nicht binnen drei Monaten, hat die Behörde vom Vorliegen einer Ehe, eingetragenen Partnerschaft oder Adoption auszugehen, es sei denn die Fremdenpolizeibehörde gibt binnen dieser Frist begründet bekannt, dass die Erhebungen noch nicht abgeschlossen werden konnten. Diesfalls verlängert sich die Frist für die Mitteilung gemäß § 110 FPG einmalig um weitere zwei Monate.

Die Erläuterungen in der Regierungsvorlage zum Fremdenrechtspaket 2005 enthalten hinsichtlich der Vorschrift des § 37 Abs. 4 NAG (952 BlgNR 22. GP 134) folgende Ausführungen:

"Abs. 4 zielt auf eine Bekämpfung von Scheinehen und Scheinadoptionen (s. § 11 Abs. 1 Z 4 iVm § 30 Abs. 1 oder 2). Die Niederlassungsbehörden haben die Fremdenpolizeibehörden jeden begründeten Verdacht des Vorliegens einer Scheinehe oder Scheinadoption mitzuteilen. Letztere haben wiederum den Niederlassungsbehörden das Ergebnis ihrer diesbezüglichen Nachforschungen mitzuteilen. Um die Ausstellung eines Aufenthaltstitels nicht durch Erhebungstätigkeiten unverhältnismäßig zu verzögern, wird auch im Sinne der Verwaltungsökonomie für diesen Fall vorgesehen, dass, wenn aus welchen Gründen auch immer binnen drei Monaten keine Mitteilung erfolgt, von ergebnislosen Erhebungen und vom Vorliegen einer rechtmäßigen Ehe oder Adoption auszugehen."

Die in der Regierungsvorlage enthaltenen Erläuterungen zur Änderung des § 37 Abs. 4 NAG mit BGBl. I Nr. 122/2009 (Fremdenrechtsänderungsgesetz 2009) führen aus wie folgt (330 BlgNR 24. GP 47):

"Die vorgeschlagene Änderung soll beim Verdacht des Vorliegens einer Aufenthaltsehe oder Aufenthaltsadoption zu einer Effizienzsteigerung der fremdenpolizeilichen Ermittlungen führen, ohne das laufende aufenthaltsrechtliche Verfahren über Gebühr zu verzögern. Künftig soll sich der Zeitraum für eine Mitteilung der Fremdenpolizeibehörde über das Ergebnis der Ermittlungen einmalig um zwei Monate verlängern, wenn die Fremdenpolizeibehörde in einer Frist von drei Monaten der Behörde begründet bekannt gibt, dass die Erhebungen noch nicht abgeschlossen werden konnten. Ergeht in der Frist von drei Monaten keine derartige Bekanntgabe, so hat die Behörde wie bisher davon auszugehen, dass die Erhebungen der Fremdenpolizeibehörde ergebnislos verlaufen sind. Wie nach der geltenden Rechtslage ist naturgemäß auch künftig die durch bloßen Zeitablauf normierte Annahme, dass es sich um keine Aufenthaltsehe handelt, widerlegbar und hindert keine Behörde diesen Sachverhalt (im selben oder in einem anderen Verfahren) neuerlich aufzugreifen. In der Zeit bis zur Mitteilung der Fremdenpolizeibehörde über das Ergebnis der Ermittlungen (also längstens fünf Monate) ist die Frist gemäß § 73 Abs. 1 AVG für das aufenthaltsrechtliche Verfahren gehemmt. Siehe dazu auch die korrespondierende Bestimmung des § 110 FPG."

Zuletzt wurde die Bestimmung des § 37 Abs. 4 NAG mit BGBl. I Nr. 135/2009 geändert. Die damit erfolgen Änderungen betrafen allerdings nicht den inhaltlichen Gehalt dieser Bestimmung, sondern nehmen nur durch entsprechende Ergänzungen auf die Schaffung des Rechtsinstituts einer eingetragenen Partnerschaft Bedacht.

Aus den oben wiedergegebenen Erläuterungen ergibt sich zweifelsfrei, dass auch nach den Intentionen des Gesetzgebers - schon bei Schaffung des § 37 Abs. 4 NAG mit dem Fremdenrechtspaket 2005 - das bisherige Ergebnis von Erhebungen, insbesondere auch deren vorläufige Ergebnislosigkeit betreffend den Nachweis einer Aufenthaltsehe, nicht entgegensteht, den Verdacht des Bestehens einer Aufenthaltsehe (auch) im Rahmen eines Verlängerungsverfahrens (neuerlich) aufzugreifen und durch Vorgangsweise nach § 25 NAG zwecks Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme an die zuständige Fremdenpolizeibehörde heranzutragen. Die Vorschrift des § 37 Abs. 4 NAG soll allein verwaltungsökomischen Bedürfnissen Rechnung tragen, ohne dass ein Fremder daraus ein subjektives Recht auf Erteilung eines Aufenthaltstitels ableiten könnte.

Dass aber allein der Umstand, dass ein Fremder bestreitet, eine Aufenthaltsehe eingegangen zu sein, eine Vorgangsweise nach § 25 Abs. 1 NAG nicht hindert, bedarf nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes keiner näheren Erörterung.

Infolge dessen, dass die belangte Behörde im vorliegenden Fall die in § 25 Abs. 1 NAG vorgesehenen Verfahrensschritte in gesetzmäßiger Weise gesetzt hat, wurde die Entscheidungsfrist gemäß § 25 Abs. 1 letzter Satz NAG gehemmt. Diese Hemmung dauerte im Zeitpunkt der Erhebung der Säumnisbeschwerde immer noch an, weshalb der belangten Behörde Säumigkeit nicht vorgeworfen werden kann.

Somit erweist sich die vorliegende Beschwerde als nicht zulässig. Sie war daher gemäß § 34 Abs. 1 und Abs. 3 VwGG mangels Berechtigung zu ihrer Erhebung - in einem gemäß § 12 Abs. 2 VwGG gebildeten Senat - zurückzuweisen.

Wien, am 20. August 2013

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