VwGH Ra 2018/22/0040

VwGHRa 2018/22/00407.5.2018

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Robl sowie die Hofräte Dr. Mayr und Mag. Berger als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Lechner, in der Revisionssache der M T in W, vertreten durch Mag.a Nadja Lorenz, Rechtsanwältin in 1070 Wien, Burggasse 116, gegen das am 29. Mai 2017 mündlich verkündete und am 21. Juni 2017 schriftlich ausgefertigte Erkenntnis des Verwaltungsgerichts Wien, VGW-151/060/14951/2016-10, betreffend Aufenthaltsbewilligung (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Landeshauptmann von Wien), den Beschluss gefasst:

Normen

FamLAG 1967 §2 Abs1 litb;
NAG 2005 §24 Abs1;
NAG 2005 §64 Abs3;
NAGDV 2005 §8 Z7 litb;
StudFG 1992 §50 Abs2 Z2;
UniversitätsG 2002 §52;
UniversitätsG 2002 §75 Abs6;

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2018:RA2018220040.L00

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1. Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichts die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung nicht einheitlich beantwortet wird.

Gemäß § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

Gemäß § 34 Abs. 1a VwGG ist die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision nach Art. 133 Abs. 4 B-VG im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

2.1. Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Verwaltungsgericht der Beschwerde der Revisionswerberin, einer Staatsangehörigen von Bosnien und Herzegowina, gegen den Bescheid der belangten Behörde vom 24. Oktober 2016, mit dem ihr Antrag vom 30. September 2016 auf Verlängerung ihrer - zuletzt bis zum 3. Oktober 2016 erteilten - Aufenthaltsbewilligung "Studierender" gemäß § 64 Abs. 1 und 3 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) sowie § 8 Z 7 lit. b Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz-Durchführungsverordnung (NAG-DV) abgewiesen worden war, keine Folge.

Das Verwaltungsgericht begründete die Entscheidung damit, dass die Revisionswerberin im Rahmen des von ihr betriebenen Publizistikstudiums für das maßgebliche Studienjahr 2015/2016 keinen ausreichenden Studienerfolgsnachweis erbracht habe, da sie im Zeitraum vom 1. Oktober 2015 bis zum 30. September 2016 Lehrveranstaltungen im Umfang von lediglich 12 ECTS-Punkten bzw. 6 Semesterwochenstunden absolviert habe. Die am

12. und 13. Oktober 2016 (und somit erst nach Ablauf des maßgeblichen Studienjahrs) im Fach "Ornithologie" (Vogelkunde) abgelegten Prüfungen im Umfang von 9 ECTS-Punkten bzw. 6 Semesterwochenstunden seien auch deshalb nicht zu berücksichtigen, weil kein Bezug zum Curriculum des betriebenen Studiums vorliege und auch nach dem Studienplan die freien Wahlfächer der Ergänzung und Vertiefung dienten, was beim Fach Vogelkunde nicht der Fall sei. Was die im April 2016 erlittene Muskelverspannung ("Hexenschuss") mit zwei Wochen Schmerzen betreffe, so sei darin keine relevante Beeinträchtigung im Sinn des § 64 Abs. 3 dritter Satz NAG zu erblicken.

2.2. Das Verwaltungsgericht sprach ferner aus, dass die Revision gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht zulässig sei.

3. Dagegen wendet sich die außerordentliche Revision, in der eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG jedoch nicht aufgezeigt wird.

4.1. Die Revisionswerberin macht einerseits unter dem Gesichtspunkt eines Fehlens von Rechtsprechung geltend, der Verwaltungsgerichtshof habe noch nicht ausreichend geklärt, dass im Hinblick auf die im Familienlastenausgleichsgesetz (FLAG) und im Studienförderungsgesetz (StudFG) getroffenen Regelungen auch die innerhalb der allgemeinen Zulassungsfrist bzw. der Nachfrist abgelegten Prüfungen dem betreffenden Studienjahr zuzurechnen seien. Vorliegend seien daher die im Oktober 2016 abgelegten Prüfungen dem vorausgegangenen Studienjahr 2015/2016 zuzurechnen, sodass ein ausreichender Studienerfolgsnachweis im Sinn des § 64 Abs. 3 NAG vorliege.

4.2. Der Verwaltungsgerichtshof hat - entgegen der Ansicht der Revisionswerberin - bereits klargestellt (vgl. etwa 19.12.2012, 2009/22/0294; 19.2.2014, 2013/22/0177), dass es - im Hinblick auf § 8 Z 7 lit. b NAG-DV (wonach bei einem Verlängerungsantrag gemäß § 64 Abs. 3 NAG ein schriftlicher Nachweis über den Studienerfolg im vorausgegangenen Studienjahr, insbesondere nach § 75 Abs. 6 Universitätsgesetz 2002 (UG) zu erbringen ist), auf § 75 Abs. 6 UG (wonach die Universität dem ausländischen Studierenden ab dem zweiten Studienjahr auf Antrag einen Studienerfolgsnachweis auszustellen hat, sofern er im vorausgegangenen Studienjahr Prüfungen im Umfang von mindestens 16 ECTS-Punkten bzw. 8 Semesterstunden abgelegt hat) sowie auf § 52 UG (wonach das Studienjahr aus dem Winter- und dem Sommersemester sowie der lehrveranstaltungsfreien Zeit besteht und am 1. Oktober beginnt sowie am 30. September des folgenden Jahres endet) - für den nachzuweisenden Studienerfolg ausschließlich auf jene Prüfungen ankommt, die im betreffenden - vom 1. Oktober bis zum 30. September des nachfolgenden Jahrs dauernden - Studienjahr absolviert wurden, und dass für eine Ausweitung über diesen Zeitraum hinaus kein Raum besteht. Maßgeblich ist dabei grundsätzlich jenes Studienjahr, das dem Gültigkeitsende des vorbestehenden Aufenthaltstitels vorangeht; bei Verstreichen eines weiteren Studienjahrs kann indes auf Grund der Dauer des Verlängerungsverfahrens auch auf das zuletzt abgelaufene Studienjahr abgestellt werden (vgl. etwa VwGH 13.9.2011, 2010/22/0036; 20.8.2013, 2012/22/0028).

4.3. Vorliegend verfügte die Revisionswerberin über eine Aufenthaltsbewilligung bis zum 3. Oktober 2016, sodass mit dem Verlängerungsantrag - ausschließlich (zumal bis zur Entscheidung durch das Verwaltungsgericht kein weiteres Studienjahr verstrichen ist) - der Studienerfolg im Studienjahr 2015/2016 nachzuweisen war. Im Sinn der obigen Ausführungen war dabei auf jene Leistungen abzustellen, die im maßgeblichen - vom 1. Oktober 2015 bis zum 30. September 2016 dauernden - Studienjahr erbracht wurden. Jegliche Erfolgsnachweise über Prüfungen, die außerhalb dieses Studienjahrs - also vor dem 1. Oktober 2015 oder nach dem 30. September 2016 - abgelegt wurden, gehen ins Leere (vgl. neuerlich VwGH 2009/22/0294). Da die Revisionswerberin im genannten Beurteilungszeitraum vom 1. Oktober 2015 bis zum 30. September 2016 einen Studienerfolg im notwendigen Umfang von zumindest 16 ECTS-Punkten bzw. 8 Semesterstunden nicht nachgewiesen hat, war ihr - wie das Verwaltungsgericht ohne Rechtsirrtum erkannte - die Verlängerung ihrer Aufenthaltsbewilligung nach § 64 Abs. 3 NAG zu versagen.

4.4. Dem stehen - entgegen der Argumentation der Revisionswerberin - auch die Regelungen des StudFG (vgl. diesbezüglich neuerlich VwGH 2013/22/0177) und des FLAG nicht entgegen. Nach § 2 Abs. 1 lit. b drittletzter Satz FLAG besteht Anspruch auf Familienbeihilfe ab dem zweiten Studienjahr, wenn "für" ein vorhergehendes Studienjahr die Ablegung von Prüfungen nachgewiesen wird. Gemäß § 16 Abs. 2 StudFG muss der Nachweis des günstigen Studienerfolgs spätestens bis zum Ende der Antragsfrist "erworben" werden, laut § 50 Abs. 2 Z 2 StudFG erlischt der Anspruch auf Studienbeihilfe mit Ende des letzten Monats jenes Semesters, "für" das der Studierende keinen Studiennachweis vorgelegt hat. Ausgehend davon kommt es aber nicht auf das Ablegen einer Prüfung "in" einem Studienjahr oder Semester, sondern auf die Zuordnung einer allenfalls in diesem Semester, in der vorlesungsfreien Zeit oder auch erst im Folgesemester (innerhalb der Zulassungsfrist, Nachfrist bzw. Antragsfrist) abgelegten Prüfung zu einem bestimmten Semester an (vgl. zum Ganzen VwGH 29.9.2011, 2011/16/0062; siehe auch 23.6.2009, 2006/13/0195).

Demgegenüber ist ein Studienerfolgsnachweis nach der Bestimmung des § 75 Abs. 6 UG, auf den im § 8 Z 7 lit. b NAG-DV ausdrücklich verwiesen wird, nur über Prüfungen (im Umfang von zumindest 16 ECTS-Punkten bzw. 8 Semesterstunden), die der ausländische Studierende "im vorausgegangenen Studienjahr (...) abgelegt hat", auszustellen. Folglich kommt es im Rahmen des § 64 Abs. 3 NAG auf das Ablegen einer Prüfung im betreffenden Studienjahr (§ 52 UG) und nicht - wie nach den Regelungen des FLAG und des StudFG - auf die Zuordnung einer allenfalls auch erst nach Ablauf des Studienjahrs abgelegten Prüfung zu einem vorausgehenden Studienjahr an.

5.1. Die Revisionswerberin macht andererseits unter dem Gesichtspunkt eines wesentlichen Verfahrensmangels geltend, das Verwaltungsgericht habe gegen das Überraschungsverbot verstoßen, indem es erstmals im angefochtenen Erkenntnis vertreten habe, dass freie Wahlfächer der Ergänzung und Vertiefung des Studiums dienen müssten, was bei den gewählten Fächern zur Vogelkunde nicht der Fall sei. Bei entsprechender Erörterung bzw. Gewährung von Parteiengehör wäre es der Revisionswerberin möglich gewesen, die Relevanz der positiv absolvierten freien Wahlfächer für ihr Studium aufzuzeigen.

5.2. Diesem Vorbringen kommt schon deshalb keine Relevanz zu, weil nach dem Vorgesagten die im Oktober 2016 absolvierten Prüfungen nach Ablauf des maßgeblichen Studienjahrs 2015/2016 abgelegt wurden und durch sie der Studienerfolgsnachweis gemäß § 64 Abs. 3 NAG keinesfalls erbracht werden kann. Die Entscheidung über die Revision hängt somit nicht von der Lösung der aufgeworfenen Rechtsfrage ab. Für die Beurteilung bloß abstrakter Rechtsfragen ist der Verwaltungsgerichtshof nicht zuständig (vgl. etwa VwGH 7.12.2016, Ra 2016/22/0092).

6. Insgesamt wird daher in der Revision keine Rechtsfrage aufgeworfen, der im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war deshalb gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.

Wien, am 7. Mai 2018

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