Normen
AsylG 2005 §57;
BFA-VG 2014 §18 Abs2 Z1;
BFA-VG 2014 §9;
B-VG Art133 Abs4;
FrPolG 2005 §46;
FrPolG 2005 §52 Abs1 Z1;
FrPolG 2005 §52 Abs9;
FrPolG 2005 §53 Abs3 Z5;
FrPolG 2005 §53 Abs3;
VwGG §34 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z1;
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2019:RA2018210238.L00
Spruch:
1. den Beschluss gefasst:
Die Revision wird, soweit sie sich gegen die Nichterteilung eines Aufenthaltstitels nach § 57 AsylG 2005 und die Erlassung einer Rückkehrentscheidung samt Ausspruch über das Nichtbestehen einer Frist für die freiwillige Ausreise sowie Aberkennung der aufschiebenden Wirkung einer Beschwerde gegen die Rückkehrentscheidung richtet, zurückgewiesen.
2. zu Recht erkannt:
Im Übrigen (Erlassung eines unbefristeten Einreiseverbotes und Feststellung der Zulässigkeit der Abschiebung des Revisionswerbers nach Afghanistan) wird das angefochtene Erkenntnis wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1 Der Revisionswerber ist afghanischer Staatsangehöriger, gehört der tadschikischen Volksgruppe an und wurde in Kabul geboren. Bereits als Kleinkind reiste er mit seiner Familie nach Pakistan aus, wo er sich bis Juni 2005 aufhielt.
2 In der Folge wurde dem Revisionswerber im Rahmen eines asylrechtlichen Familienverfahrens die Einreise nach Österreich gestattet. Hier wurde sein Asylantrag zwar mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 22. Dezember 2005 gemäß § 7 AsylG 1997 abgewiesen, es wurde jedoch gemäß § 8 AsylG 1997 festgestellt, dass seine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung nach Afghanistan nicht zulässig sei. Die unter einem erteilte befristete Aufenthaltsberechtigung wurde letztmals bis zum 7. November 2013 verlängert.
3 Mittlerweile war der Revisionswerber straffällig geworden. Nachdem er zunächst zu bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafen verurteilt worden war, verhängte das Landesgericht L. mit Urteil vom 23. Mai 2013 (insbesondere) wegen der Verbrechen des Raubes nach § 142 Abs. 1 StGB und der versuchten absichtlich schweren Körperverletzung nach den §§ 15 Abs. 1, 87 Abs. 1 StGB eine teilbedingte Freiheitsstrafe in der Dauer von 24 Monaten, wobei der unbedingte Strafteil mit acht Monaten festgesetzt wurde. Anfang Oktober 2013 wurde der Revisionswerber aus der Strafhaft bedingt entlassen, diese bedingte Entlassung sowie die bedingte Strafnachsicht in Bezug auf den bedingt nachgesehenen Strafteil von 16 Monaten wurden jedoch im Juli 2015 widerrufen. Grund hiefür war, dass der Revisionswerber die ihm erteilten Weisungen nicht befolgt und sich beharrlich dem Einfluss des ihm beigegebenen Bewährungshelfers entzogen hatte. Die sohin zu vollziehende Haft, der sich der Revisionswerber zunächst durch Flucht in die Schweiz entzogen hatte, verbüßt er seit 12. Dezember 2017.
4 Angesichts der Delinquenz des Revisionswebers wurde ihm mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 22. November 2013 der Status des subsidiär Schutzberechtigten aberkannt. Damit verband das Bundesasylamt die Feststellung, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Revisionswerbers aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Afghanistan gemäß § 9 Abs. 2 AsylG 2005 unzulässig sei. Dieser Bescheid erwuchs in Rechtskraft.
5 Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) vom 7. September 2018 wurde dem Revisionswerber dann in weiterer Folge ein Aufenthaltstitel nach § 57 AsylG 2005 nicht erteilt; unter einem wurden gegen ihn gemäß § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 1 Z 1 FPG sowie gemäß § 53 Abs. 3 iVm "Absatz 5 Z 1" FPG ein unbefristetes Einreiseverbot erlassen. Damit verband das BFA gemäß § 52 Abs. 9 FPG die Feststellung, dass die Abschiebung des Revisionswerbers gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig sei sowie die Aussprüche, dass gemäß § 55 Abs. 4 FPG keine Frist für die freiwillige Ausreise bestehe und einer Beschwerde gegen die Rückkehrentscheidung gemäß § 18 Abs. 2 Z 1 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt werde.
6 Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) mit dem angefochtenen Erkenntnis als unbegründet ab. Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG sprach es aus, dass eine Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.
7 Über die gegen dieses Erkenntnis erhobene Revision hat der Verwaltungsgerichtshof nach Aktenvorlage und Durchführung eines Vorverfahrens - einer Revisionsbeantwortung wurde nicht erstattet -
in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
8 Hat das Verwaltungsgericht - wie im vorliegenden Fall - in seinem Erkenntnis ausgesprochen, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig ist, hat die Revision zufolge § 28 Abs. 3 VwGG auch gesondert die Gründe zu enthalten, aus denen entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird (außerordentliche Revision). Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof dann im Rahmen dieser vorgebrachten Gründe zu überprüfen (§ 34 Abs. 1a zweiter Satz VwGG).
9 In dieser Hinsicht macht der Revisionswerber geltend, das BVwG habe in Abweichung von der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes von der Durchführung der in der Beschwerde beantragten Beschwerdeverhandlung abgesehen.
10 Auf die Nichterteilung eines Aufenthaltstitels nach § 57 AsylG 2005 wird in diesem Zusammenhang freilich in keiner Weise Bezug genommen. Was aber die Rückkehrentscheidung anlangt, so ist das BVwG einerseits dem in der Beschwerde erstatteten Vorbringen des Revisionswerbers zu seinen persönlichen Verhältnissen ohnehin gefolgt und durfte es andererseits in Anbetracht der wiederholten - und zum Teil auch massiven - Straffälligkeit des Revisionswerbers jedenfalls vertretbar von einem "eindeutigen Fall" ausgehen, was das ausnahmsweise Unterbleiben einer Beschwerdeverhandlung rechtfertigte (vgl. etwa VwGH 20.12.2018, Ra 2018/21/0224, Rn. 16). In Bezug auf die genannten Punkte (Nichterteilung eines Aufenthaltstitels nach § 57 AsylG 2005 und Erlassung einer Rückkehrentscheidung (samt Ausspruch über das Nichtbestehen einer Frist für die freiwillige Ausreise und Aberkennung der aufschiebenden Wirkung einer gegen die Rückkehrentscheidung erhobenen Beschwerde; auch dazu enthält die Revision nichts)) war die Revision daher mangels Aufzeigen einer grundsätzlichen Rechtsfrage im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG als unzulässig zurückzuweisen.
11 Im Übrigen erweist sich die Revision aber als zulässig und berechtigt, weil insofern die Durchführung der vom Revisionswerber in seiner Beschwerde beantragten Beschwerdeverhandlung geboten gewesen wäre.
12 Was zunächst das erlassene unbefristete Einreiseverbot anlangt, so ist allerdings vorrangig von Bedeutung, dass ein solches schon von vornherein nicht hätte erlassen werden dürfen. Die Erlassung eines unbefristeten Einreiseverbotes kommt nämlich gemäß dem dritten Absatz des § 53 FPG nur dann in Betracht, wenn einer der Tatbestände der Z 5 bis 9 dieses Absatzes verwirklicht ist. Das ist indes nicht der Fall. Zwar ging das BFA in seinem Bescheid davon aus, dass der Revisionswerber durch das Landesgericht I. zu einer unbedingten Freiheitsstrafe in der Dauer von vier Jahren - womit der Tatbestand des § 53 Abs. 3 Z 5 FPG (rechtskräftige Verurteilung zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als drei Jahren) erfüllt wäre - verurteilt worden sei. Das ist allerdings aktenwidrig und wurde vom BVwG dann dergestalt korrigiert, dass es die tatsächlichen Verurteilungen des Revisionswerbers anführte, die (insbesondere) § 53 Abs. 3 Z 5 FPG allesamt nicht erfüllen. Darüber ist das BVwG im Rahmen seiner rechtlichen Beurteilung jedoch hinweg gegangen. Es hat nicht die Dauer des Einreiseverbotes im Rahmen der zulässigen Höchstdauer nach § 53 Abs. 3 FPG von zehn Jahren neu bemessen, sondern es bestätigte die Verhängung eines unbefristeten Einreiseverbotes, was sich freilich nach dem Gesagten als rechtswidrig erweist.
13 Auch in Bezug auf die Feststellung nach § 52 Abs. 9 FPG über die Zulässigkeit der Abschiebung des Revisionswerbers nach Afghanistan ist das angefochtene Erkenntnis mit (prävalierender) Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet.
14 Denn das BVwG hat nicht beachtet, dass es eine rechtskräftige Feststellung über die Unzulässigkeit (insbesondere) einer Abschiebung des Revisionswerbers nach Afghanistan gibt (Bescheid des Bundesasylamtes vom 22. November 2013). Eine gegenteilige Feststellung, wie sie nunmehr vorgenommen wurde, würde voraussetzen, dass sich nach Erlassung der rechtskräftigen Vorentscheidung der Sachverhalt oder die Rechtsvorschriften wesentlich geändert hätten, sodass eine neue Sache vorliegt (siehe - vor dem Hintergrund eines vergleichbaren Falles - zuletzt VwGH 24.1.2019, Ro 2018/21/0011, insbesondere Rn. 15 ff).
15 Eine derartige Änderung zeigt das BVwG nicht auf und sie lässt sich auch den von ihm wiedergegebenen Feststellungen zur Situation in Afghanistan nicht ohne weiteres entnehmen. In Anbetracht dessen ist der Ausspruch nach § 52 Abs. 9 FPG über die Zulässigkeit der Abschiebung des Revisionswerbers nach Afghanistan, wie schon erwähnt, inhaltlich rechtswidrig. Zusammenfassend war das angefochtene Erkenntnis somit in punkto Einreiseverbot sowie in punkto Feststellung nach § 52 Abs. 9 FPG - die Rückkehrentscheidung wird damit nach der seit dem FrÄG 2017 maßgeblichen Rechtslage nicht (mehr) tangiert - gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
16 Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG, insbesondere auf § 50 VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.
Wien, am 7. März 2019
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)