Normen
BFA-VG 2014 §9;
FrPolG 2005 §53 Abs1;
FrPolG 2005 §53 Abs2 Z7;
MRK Art8;
VwGG §42 Abs2 Z1;
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2018:RA2018210023.L00
Spruch:
1. den Beschluss gefasst:
Die Revision wird, soweit sie sich gegen die Nichterteilung eines Aufenthaltstitels nach § 57 AsylG 2005 sowie gegen die Erlassung einer Rückkehrentscheidung samt Festsetzung einer Ausreisefrist und Feststellung der Zulässigkeit der Abschiebung richtet, zurückgewiesen.
2. zu Recht erkannt:
Im Übrigen (Einreiseverbot) wird das angefochtene Erkenntnis wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1 Der 1987 geborene Revisionswerber ist serbischer Staatsangehöriger. Er weist seit Jänner 2013 eine Hauptwohnsitzmeldung im Bundesgebiet auf und wurde am 10. Juni 2017 in der Konditorei seiner Tante beim Verzieren einer Torte angetroffen.
2 Bei einer nachfolgenden Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) wurde ihm bezugnehmend darauf vorgehalten, dass er während der Ausübung einer Beschäftigung, ohne erforderliche Arbeitsgenehmigung bzw. ohne berechtigenden Aufenthaltstitel, betreten worden sei und sich illegal im Bundesgebiet aufhalte. Der Revisionswerber erwiderte hierauf, dass er nur gekommen sei, um seiner Tante zu helfen; er sei nur an Wochenenden in Österreich und halte sich nie länger hier auf, vielmehr lebe und arbeite er seit drei Jahren in der Slowakei; dort habe er einen Aufenthaltstitel beantragt, einen solchen jedoch noch nicht erhalten.
3 Mit Bescheid vom 6. Juli 2017 erließ das BFA sodann gegen den Revisionswerber eine auf § 52 Abs. 1 Z 1 FPG gestützte Rückkehrentscheidung und gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z 6 FPG (in der Begründung dieses Bescheides wird allerdings der Einreiseverbotstatbestand des § 53 Abs. 2 Z 7 FPG ins Treffen geführt) ein 18-monatiges Einreiseverbot. Außerdem sprach das BFA aus, dass ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt werde, stellte gemäß § 52 Abs. 9 FPG fest, dass die Abschiebung des Revisionswerbers nach Serbien zulässig sei und setzte die Frist für eine freiwillige Ausreise gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung fest.
4 Dagegen erhob der Revisionswerber Beschwerde, in der er darauf hinwies, in Slowenien und in der Slowakei zu arbeiten; er sei in Slowenien geboren worden und seine Familie lebe dort. Nach Wien sei er stets nur zu Besuchszwecken gereist, zwei bis dreimal monatlich je zwei Tage lang.
5 Mit dem nunmehr angefochtenen Erkenntnis vom 15. Dezember 2017 wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) diese Beschwerde als unbegründet ab. Dazu traf es die Feststellungen, dass der Revisionswerber Staatsangehöriger "der Republik Bosnien und Herzegowina" sei; er sei ledig, habe keine Kinder und habe in Serbien bis März 2012 eine Konditoreifachschule besucht; "im Anschluss" habe er dort zehn Jahre lang in einer Konditorei gearbeitet, sei jedoch "2014" zunächst nach Slowenien gezogen, um sich mit einer eigenen Firma selbstständig zu machen; nach Schließung des von ihm betriebenen Unternehmens habe er sich in die Slowakei begeben und dort "am 01.04.2013" eine Vollzeitbeschäftigung angenommen; seit Februar 2017 sei er bei einem näher genannten Unternehmen in Bratislava als Geschäftsführer und Direktor beschäftigt; allerdings könne nicht festgestellt werden, dass er zu einem Aufenthalt in der Slowakei auch tatsächlich berechtigt wäre bzw. über eine Aufenthaltsberechtigung verfüge. Im Bundesgebiet - so die Feststellungen des BVwG weiter - lebten zwei Tanten, eine betreibe in Wien eine Konditorei; diese Tante besuche der Revisionswerber nach eigenen Angaben zwei bis dreimal pro Monat, von Freitag bis Samstag, um ihr bei der Anfertigung von Torten zu helfen; darüber hinaus habe er eine in Wien lebende Freundin, sonstige Verbindungen könnten nicht festgestellt werden; im Herkunftsstaat Serbien lebten u.a. seine Eltern; in Slowenien lebten weitere Verwandte, insbesondere Brüder seiner Mutter; wann er zuletzt in den Herkunftsstaat zurückgekehrt sei, könne nicht festgestellt werden (an anderer Stelle heißt es, der Revisionswerber sei seit dem Jahr 2013 nicht wieder in den Herkunftsstaat zurückgekehrt); zumindest seit 1. Mai 2016 habe der Revisionswerber einen aufrechten Hauptwohnsitz in Bratislava, wo er auch einer nichtselbstständigen Erwerbstätigkeit nachgehe; auch in Wien habe der Revisionswerber eine Wohnung gemietet und sei hier gemeldet, ohne hier jedoch seinen Lebensmittelpunkt zu haben; trotz fehlender Berechtigung zum Aufenthalt im Bundesgebiet benütze er diese Wohnung regelmäßig; am 10. Juni 2017 sei er von Beamten der Landespolizeidirektion Wien in einer Konditorei beim Verzieren von Torten "betreten" worden, wobei er angegeben habe, dass er lediglich seiner Tante aushelfe und dafür auch kein Gehalt beziehe; er würde ca. zweimal pro Monat seiner Tante in der Konditorei aushelfen.
6 In rechtlicher Hinsicht begründete das BVwG die Erlassung der Rückkehrentscheidung zusammenfassend damit, dass der Revisionswerber über keine Berechtigung zum Aufenthalt im Bundesgebiet verfüge und eine Berechtigung zum Aufenthalt "im Vertragsstaat Slowakei" nicht habe festgestellt werden können. Er halte sich zumindest seit dem 1. Mai 2016 in der Slowakei auf, sei fast wöchentlich für ein bis zwei Tage in das österreichische Bundesgebiet eingereist und es sei die Dauer des erlaubten visumfreien Aufenthalts schon abgelaufen. Der Befolgung der den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften komme aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung aber ein hoher Stellenwert zu. Das beharrliche unrechtmäßige Verbleiben eines Fremden im Bundesgebiet nach rechtskräftiger Abweisung eines Asylantrages bzw. ein länger dauernder unrechtmäßiger Aufenthalt stelle jedoch eine gewichtige Gefährdung der öffentlichen Ordnung im Hinblick auf die Aufrechterhaltung eines geordneten Fremdenwesens dar, was wiederum eine Aufenthaltsbeendigung als dringend geboten erscheinen lasse.
7 Zum Einreiseverbot führte das BVwG dann noch aus, dass der Revisionswerber bei der Ausübung einer Beschäftigung betreten worden sei, die er nach dem AuslBG nicht hätte ausüben dürfen; er habe weder über eine Aufenthaltsberechtigung noch über eine Beschäftigungsbewilligung verfügt. "Ungeachtet dessen" sei er dabei "betreten" worden, dass er seit dem Jänner 2013 bis laufend im Bundesgebiet aufrecht gemeldet sei, obwohl er hier nicht seinen Lebensmittelpunkt besitze. Wenn das BFA ausführe, dass sich der Revisionswerber illegal in Österreich aufgehalten habe, hier weder relevante familiäre noch relevante legale berufliche Bindungen bestünden, ein schützenswertes Privatleben nicht festgestellt worden sei und es auch nicht im Interesse Österreichs gelegen sei, dass der Aufenthalt entgegen den Einwanderungsvorschriften fortgesetzt werde, und sie deshalb gemäß § 53 Abs. 1 FPG ein 18- monatiges Einreiseverbot verhängt habe, so begegne dies keinen Bedenken.
8 Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG sprach das BVwG im Übrigen auch aus, dass eine Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.
9 Über die gegen dieses Erkenntnis erhobene Revision hat der Verwaltungsgerichtshof nach Aktenvorlage und Durchführung eines Vorverfahrens, in dessen Rahmen keine Revisionsbeantwortungen erstattet wurden, erwogen:
10 Hat das Verwaltungsgericht - so wie hier das BVwG - im Erkenntnis ausgesprochen, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig ist, hat die Revision zufolge § 28 Abs. 3 VwGG auch gesondert die Gründe zu enthalten, aus denen entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird (außerordentliche Revision). Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof dann im Rahmen dieser vorgebrachten Gründe zu überprüfen (§ 34 Abs. 1a zweiter Satz VwGG).
11 In Bezug auf die Entscheidung nach § 57 AsylG 2005 fehlt es gänzlich an einem entsprechenden Vorbringen in der vorliegenden Revision. Zur Rückkehrentscheidung beschränkt sie sich der Sache nach auf die Kritik, das BVwG hätte bei ordnungsgemäßer Verfahrensführung davon ausgehen müssen, dass der Revisionswerber in der Slowakei wohne und arbeite.
12 Von letzterem ist das BVwG, ungeachtet im Einzelnen nicht nachvollziehbarer Feststellungen, im Ergebnis aber ohnedies ausgegangen. Es hat weiter - von der Revision unbekämpft - ausgeführt, es könne nicht festgestellt werden, dass der Revisionswerber über einen slowakischen Aufenthaltstitel verfüge. Vor diesem Hintergrund bestehen gegen die erkennbare Annahme des BVwG, der Revisionswerber verwirkliche einen Rückkehrentscheidungstatbestand nach § 52 Abs. 1 FPG, keine Bedenken. Fallbezogen käme ein rechtmäßiger Aufenthalt des Revisionswerbers im Bundesgebiet nämlich von vornherein nur nach Maßgabe von § 31 Abs. 1 Z 1 oder Z 3 FPG in Betracht, beide Tatbestände sind aber nicht erfüllt. Einerseits kann eben nicht zugrunde gelegt werden, der Revisionswerber verfüge über einen von einem Vertragsstaat ausgestellten Aufenthaltstitel (§ 31 Abs. 1 Z 3 FPG) und andererseits fehlt es angesichts des Art. 20 SDÜ, wonach sich sichtvermerksfreie Drittausländer - ein solcher ist der Revisionswerber als serbischer Staatsangehöriger mit biometrischem Reisepass - höchstens 90 Tage je Zeitraum von 180 Tagen im Hoheitsgebiet der Vertragsparteien frei bewegen können, schon (jedenfalls zuletzt) an einer rechtmäßigen Einreise ins Bundesgebiet (§ 31 Abs. 1 Z 1 FPG); denn auch die Aufenthaltszeiten im Schengen-Vertragsstaat Slowakei muss sich der Revisionswerber anrechnen lassen.
13 Soweit sich die vorliegende Revision gegen die Entscheidung nach § 57 AsylG 2005 sowie gegen die Rückkehrentscheidung und die damit im Zusammenhang stehenden Aussprüche nach § 52 Abs. 9 FPG und nach § 55 Abs. 1 bis 3 FPG richtet, vermag sie somit keine grundsätzliche Rechtsfrage im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG aufzuzeigen, weshalb sie insofern gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG als unzulässig zurückzuweisen war.
14 Was allerdings das Einreiseverbot anlangt, so erweist sich die Revision - letztlich eine maßgebliche Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit durch den Revisionswerber in Abrede stellend - als zulässig und berechtigt.
15 Das Einreiseverbot wurde nämlich maßgeblich darauf gestützt, dass der Revisionswerber am 10. Juni 2017 bei der Ausübung einer Beschäftigung betreten worden sei, die er nach dem AuslBG nicht hätte ausüben dürfen. Das BVwG ging also (wie das BFA in der Begründung seines Bescheides) im Ergebnis davon aus, dass der Revisionswerber den Einreiseverbotstatbestand des § 53 Abs. 2 Z 7 FPG erfüllt habe. Das ist allerdings am Boden der Behauptungen des Revisionswerbers (und auch auf Basis der dazu getroffenen Feststellungen) nicht indiziert; vielmehr wäre im Hinblick darauf, insbesondere angesichts des familiären Naheverhältnisses, zu prüfen gewesen, ob es sich bei den Tätigkeiten des Revisionswerbers für seine Tante um Gefälligkeitsdienste handelte, die nicht als eine dem AuslBG unterliegende Beschäftigung zu qualifizieren sind (vgl. etwa VwGH 2.7.2010, 2007/09/0267, VwSlg. 17.936 A). Dem hat das BVwG nicht Rechnung getragen. Darüber hinaus hat es nicht beachtet, dass die privaten Bindungen des Revisionswerbers zur Slowakei, ebenso wie allfällige Bezugspunkte zu Slowenien, im Rahmen der Interessenabwägung nach § 9 BFA-VG - Überlegungen im Sinne dieser Bestimmung sind dem angefochtenen Erkenntnis von vornherein nur rudimentär zu entnehmen - zu berücksichtigen gewesen wären (siehe VwGH 15.12.2011, 2011/21/0237, VwSlg. 18.295 A, Punkt 3. der Entscheidungsgründe, oder VwGH 30.6.2015, Ra 2015/21/0002, Punkt 2. der Entscheidungsgründe).
16 Insgesamt ist das angefochtene Erkenntnis daher im Punkt Einreiseverbot - in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat - gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
17 Von der Durchführung der vor dem Verwaltungsgerichtshof beantragten Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 1 und 4 VwGG abgesehen werden.
18 Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.
Wien, am 15. März 2018
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