Normen
AVG §19 Abs1;
AVG §19;
BFA-VG 2014 §33 Abs4;
FrÄG 2011;
FrÄG 2015;
FrPolG 2005 §108 Abs4;
FrPolG 2005 §46 Abs2;
FrPolG 2005 §46 Abs2a idF 2011/I/038;
FrPolG 2005 §46 Abs2a idF 2015/I/070;
FrPolG 2005 §46;
VwRallg;
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2018:RA2018210012.L00
Spruch:
Die Revision wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
1 Die Mitbeteiligte, eine Staatsangehörige der Republik Ghana, stellte nach ihrer Einreise in Österreich am 29. Februar 2016 einen Antrag auf internationalen Schutz, der mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) vom 14. November 2016 sowohl in Bezug auf die Gewährung von Asyl als auch in Bezug auf die Gewährung von subsidiärem Schutz abgewiesen wurde. Unter einem wurde gegen die Mitbeteiligte eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt, dass ihre Abschiebung nach Ghana zulässig sei. Der Mitbeteiligten wurde keine Frist für die freiwillige Ausreise eingeräumt und einer Beschwerde gegen die den Antrag auf internationalen Schutz abweisende Entscheidung wurde gemäß § 18 Abs. 1 Z 1 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt, weil die Mitbeteiligte aus einem sicheren Herkunftsstaat stamme. Dies galt gemäß § 18 Abs. 1 letzter Satz BFA-VG auch als Aberkennung der aufschiebenden Wirkung einer Beschwerde gegen die Rückkehrentscheidung.
2 Der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde wurde mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichtes (BVwG) vom 14. Dezember 2016 gemäß § 18 Abs. 5 BFA-VG die aufschiebende Wirkung zuerkannt. Dieser Entscheidung lag gemäß der genannten Bestimmung die Annahme des BVwG zugrunde, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung der Mitbeteiligten in ihren Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK, Art. 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für sie als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde. Über die Beschwerde hat das BVwG bislang nicht entschieden.
3 Mit Ladungsbescheid des BFA vom 3. Oktober 2017 wurde die Mitbeteiligte gemäß § 19 AVG und § 46 Abs. 2a FPG aufgefordert, am 17. Oktober 2017 zu einem näher angeführten Zeitpunkt zur genannten Behörde, Regionaldirektion Wien, zu kommen, um bei den notwendigen Handlungen zur Erlangung eines Ersatzreisedokumentes als Partei persönlich mitzuwirken. Für den Fall der Nichtbefolgung der Ladung "ohne wichtigen Grund (Krankheit, Behinderung, andere wichtige Gründe)" wurde der Mitbeteiligten angedroht, dass die Festnahme gemäß § 34 Abs. 3 Z 4 BFA-VG angeordnet werde. Unter einem wurde die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde gegen diesen Bescheid gemäß § 13 Abs. 2 VwGVG ausgeschlossen. Unstrittig ist, dass es dabei um die Ladung zu einer Amtshandlung des BFA ging, bei der die Mitbeteiligte zwecks Ausstellung eines Ersatzreisedokumentes einer (aus Genf angereisten) Delegation der Botschaft der Republik Ghana zur Identitätsfeststellung vorgeführt werden sollte. Die Mitbeteiligte leistete der Ladung unentschuldigt keine Folge.
4 Der gegen diesen Ladungsbescheid erhobenen Beschwerde hat das BVwG mit dem angefochtenen Erkenntnis vom 29. November 2017 stattgegeben und den bekämpften Bescheid ersatzlos aufgehoben. Weiters sprach das BVwG aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei. Diese Entscheidung begründete das BVwG unter Bezugnahme auf die in § 46 Abs. 1 FPG genannten Voraussetzungen im Wesentlichen damit, dass im vorliegenden Fall angesichts seines Beschlusses vom 14. Dezember 2016 (siehe Rn. 2) noch keine durchsetzbare Rückkehrentscheidung vorliege, weshalb mit "etwaigen Vorbereitungen für die Abschiebung" der Mitbeteiligten bis zum Abschluss des Beschwerdeverfahrens betreffend den Antrag auf internationalen Schutz zuzuwarten sei.
5 Dagegen richtet sich die vorliegende Amtsrevision des BFA, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Aktenvorlage erwogen hat:
6 In der Revision wird der in Rn. 4 wiedergegebenen Auffassung des BVwG entgegengetreten. Das Bestehen einer durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme sei keine zwingende Voraussetzung für eine Ladung im Zusammenhang mit der Beschaffung eines Ersatzreisedokumentes. Das sei aus § 33 Abs. 4 erster Fall BFA-VG zu folgern, wonach die Übermittlung personenbezogener Daten eines Asylwerbers an den Herkunftsstaat bereits dann zulässig sei, wenn eine - wenn auch nicht rechtskräftige - vollinhaltliche Ab- oder Zurückweisung des Antrags auf internationalen Schutz durch das BFA erfolgt ist.
7 Zu der angesprochenen Frage, deren Lösung über den Einzelfall hinaus Bedeutung zukommt, fehlt darauf ausdrücklich Bezug nehmende Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, weshalb sich die Revision unter dem Gesichtspunkt des Art. 133 Abs. 4 B-VG als zulässig erweist; sie ist jedoch nicht berechtigt.
8 § 19 AVG betreffend "Ladungen" lautet:
"§ 19. (1) Die Behörde ist berechtigt, Personen, die in ihrem Amtsbereich ihren Aufenthalt (Sitz) haben und deren Erscheinen nötig ist, vorzuladen.
(2) In der Ladung ist außer Ort und Zeit der Amtshandlung auch anzugeben, was den Gegenstand der Amtshandlung bildet, in welcher Eigenschaft der Geladene vor der Behörde erscheinen soll (als Beteiligter, Zeuge usw.) und welche Behelfe und Beweismittel mitzubringen sind. In der Ladung ist ferner bekanntzugeben, ob der Geladene persönlich zu erscheinen hat oder ob die Entsendung eines Vertreters genügt und welche Folgen an ein Ausbleiben geknüpft sind.
(3) Wer nicht durch Krankheit, Behinderung oder sonstige begründete Hindernisse vom Erscheinen abgehalten ist, hat die Verpflichtung, der Ladung Folge zu leisten und kann zur Erfüllung dieser Pflicht durch Zwangsstrafen verhalten oder vorgeführt werden. Die Anwendung dieser Zwangsmittel ist nur zulässig, wenn sie in der Ladung angedroht waren und die Ladung zu eigenen Handen zugestellt war; sie obliegt den Vollstreckungsbehörden.
(4) Eine einfache Ladung erfolgt durch Verfahrensanordnung."
9 § 46 Abs. 1 bis 2a FPG in der vom 1. Jänner 2014 bis 19. Juli 2015 geltenden Fassung des FNG hatte samt Überschrift folgenden Inhalt:
"Abschiebung
§ 46. (1) Fremde, gegen die eine Rückkehrentscheidung, eine
Anordnung zur Außerlandesbringung, eine Ausweisung oder ein
Aufenthaltsverbot durchsetzbar ist, sind von den Organen des
öffentlichen Sicherheitsdienstes im Auftrag des Bundesamtes zur
Ausreise zu verhalten (Abschiebung), wenn
1. die Überwachung ihrer Ausreise aus Gründen der
Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit
notwendig scheint,
2. sie ihrer Verpflichtung zur Ausreise nicht zeitgerecht
nachgekommen sind,
3. auf Grund bestimmter Tatsachen zu befürchten ist, sie
würden ihrer Ausreiseverpflichtung nicht nachkommen, oder
4. sie einem Einreiseverbot oder Aufenthaltsverbot zuwider
in das Bundesgebiet zurückgekehrt sind.
(2) Verfügt der Fremde über kein Reisedokument und kann die Abschiebung nicht ohne ein solches durchgeführt werden, hat das Bundesamt bei der für ihn zuständigen ausländischen Behörde ein Ersatzreisedokument für die Abschiebung einzuholen oder ein Reisedokument für die Rückführung von Drittstaatsangehörigen auszustellen. § 97 Abs. 1 gilt.
(2a) Das Bundesamt ist berechtigt, Personen, für die das Bundesamt ein Ersatzreisedokument bei der zuständigen ausländischen Behörde für die Abschiebung einzuholen hat, vorzuladen. § 19 Abs. 2 bis 4 AVG gilt."
10 § 46 FPG wurde durch das FrÄG 2015, das die bisherige Fassung des Abs. 1 unberührt ließ, dahin abgeändert, dass im Abs. 2 ein weiterer Satz angefügt und Abs. 2a zur Gänze neu formuliert wurde, sodass diese Absätze in der im vorliegenden Fall maßgeblichen, im Zeitraum vom 20. Juli 2015 bis 31. Oktober 2017 geltenden Fassung insgesamt lauteten:
"§ 46. (1) ...
(2) Verfügt der Fremde über kein Reisedokument und kann die Abschiebung nicht ohne ein solches durchgeführt werden, hat das Bundesamt bei der für ihn zuständigen ausländischen Behörde ein Ersatzreisedokument für die Abschiebung einzuholen oder ein Reisedokument für die Rückführung von Drittstaatsangehörigen auszustellen. § 97 Abs. 1 gilt. Der Fremde hat an den notwendigen Handlungen zur Erlangung eines Ersatzreisedokuments im erforderlichen Umfang mitzuwirken.
(2a) Die Verpflichtung zur Mitwirkung gemäß Abs. 2 kann auch mit Bescheid auferlegt werden, § 19 Abs. 2 bis 4 AVG gilt sinngemäß. Der Bescheid kann mit einer Ladung vor das Bundesamt oder zu einer Amtshandlung des Bundesamtes zur Erlangung eines Ersatzreisedokuments bei der zuständigen ausländischen Behörde, verbunden werden (§ 19 AVG)."
11 Bereits mit dem am 1. Juli 2011 in Kraft getretenen FrÄG 2011 wurde mit dem damals neuen Abs. 2a des § 46 FPG eine dem oben in Rn. 9 zitierten § 46 Abs. 2a FPG idF des FNG inhaltlich entsprechende Berechtigung für die Fremdenpolizeibehörde geschaffen, Personen, für die sie ein Ersatzreisedokument bei der zuständigen ausländischen Behörde für die Abschiebung einzuholen hat, vorzuladen. Dabei wurde - über § 19 Abs. 1 AVG hinausgehend - bestimmt, dass die Amtshandlung auch außerhalb des Amtsbereichs der zuständigen Behörde stattfinden könne.
Der Verwaltungsgerichtshof hatte schon für die davor geltende Rechtslage judiziert, dass Ladungen von Fremden zum Zweck der Klärung ihrer Identität im Zusammenhang mit einer Ausreiseverpflichtung grundsätzlich zulässig seien. Auch Ladungen eines Fremden zum Zweck einer Befragung durch Vertreter des Herkunftsstaates seien zulässig, wenn die weiteren Voraussetzungen des dafür als Rechtsgrundlage - damals - allein in Frage kommenden § 19 AVG erfüllt seien. Stets müsse es sich demnach um eine Ladung zu einer behördlichen Amtshandlung handeln, in deren Rahmen die beabsichtigte Befragung stattfinden soll. Um sie als "behördlich" verstehen zu können, sei die Leitung durch ein Organ der Behörde unverzichtbar (vgl. etwa VwGH 19.4.2012, 2010/21/0221, mwH, insbesondere auch auf VwGH 5.7.2011, 2010/21/0316 bis 0320). Allerdings hatte der Verwaltungsgerichtshof mit näherer Begründung auch dargelegt, dass § 19 AVG keine Rechtsgrundlage für die Ladung einer Person zur Mitwirkung bei einer nicht von dieser Behörde und nicht innerhalb ihres Amtssprengels vorzunehmenden Amtshandlung biete (VwGH 21.12.2010, 2010/21/0401, Punkt 3.2. der Entscheidungsgründe). Daher sah sich der Gesetzgeber - wie eingangs dieser Rn. erwähnt - veranlasst, hierfür im § 46 Abs. 2a FPG eine eigene Rechtsgrundlage zu schaffen, wobei dann in der Fassung des FNG die Bezugnahme auf die Amtsbereiche im Hinblick auf die bundesweite Zuständigkeit des mit 1. Jänner 2014 insoweit an die Stelle der bisherigen Fremdenpolizeibehörden tretenden BFA entfallen konnte.
Der Verwaltungsgerichtshof ging nach diesen gesetzlichen Änderungen weiterhin davon aus, dass auch vor dem Hintergrund des § 46 Abs. 2a FPG zwecks Erlangung eines Ersatzreisedokumentes die Ladung zur Klärung der Identität im Rahmen einer Befragung durch Angehörige der Botschaft oder des Konsulates des Herkunftsstaates zulässig sei, sofern eine Amtshandlung unter Leitung durch ein Behördenorgan stattfinde. Dies wurde mit dem FrÄG 2015 durch eine entsprechende Änderung des § 46 Abs. 2a FPG auch noch ausdrücklich klargestellt (siehe VwGH 20.12.2016, Ra 2016/21/0354, Rn. 7, mit dem Hinweis auf VwGH 11.6.2013, 2013/21/0097).
12 Der in Rede stehende Ladungsbescheid vom 3. Oktober 2017 stützte sich auf § 19 AVG und § 46 Abs. 2a FPG (in der Fassung des FrÄG 2015). Zur letztgenannten, oben in der Rn. 10 zitierten Bestimmung hat der Verwaltungsgerichtshof bereits festgehalten, es bestehe schon nach dem klaren Wortlaut dieser Bestimmung (arg.: "kann") kein Zweifel, dass ein Bescheid im Sinne des ersten Satzes betreffend die Auferlegung einer Mitwirkungsverpflichtung nicht zwingend mit einer Ladung im Sinne des zweiten Satzes zu verbinden sei, sondern dass dazu nur eine Möglichkeit eingeräumt werden solle (VwGH 23.3.2017, Ra 2017/21/0035, Rn. 13). Die angesprochene Regelung könnte zwar auch dahin verstanden werden, dass die dort umschriebene Ladung vor das Bundesamt oder zu einer Amtshandlung des Bundesamtes zur Erlangung eines Ersatzreisedokuments bei der zuständigen ausländischen Behörde nur zulässig sei, wenn sie mit einem Bescheid verbunden wird, mit dem die Verpflichtung zur Mitwirkung gemäß § 46 Abs. 2 FPG auferlegt wurde. Zu diesem Bescheid gemäß § 46 Abs. 2a erster Satz FPG hat der Verwaltungsgerichtshof aber bereits klargestellt, dass er die damit auferlegte Mitwirkungsverpflichtung in Form eines konkret umschreibenden Auftrags enthalten müsse (vgl. VwGH 23.3.2017, Ro 2017/21/0005, Rn. 12, sowie VwGH 23.3.2017, Ra 2017/21/0035, Rn. 15), also nicht generell erlassen werden darf. Ein Verständnis des § 46 Abs. 2a FPG in dem Sinn, dass eine Ladung zur Vorbereitung der Ausreise nur (mehr) in Verbindung mit einem solchen Bescheid ergehen dürfte, hätte demnach eine deutliche Einschränkung gegenüber der - gemäß der oben in Rn. 9 und 11 dargestellten Rechtslage vor dem FrÄG 2015 - bisher bestehenden Möglichkeit, Personen, für die das BFA ein Ersatzreisedokument für die Abschiebung einzuholen hat, zum BFA, allenfalls auch zur Befragung durch Vertreter des Herkunftsstaates, vorzuladen. Nun ist aber nicht erkennbar, dass mit dem FrÄG 2015 die Rechtslage derart geändert werden sollte. Vielmehr bleibt nach wie vor die Möglichkeit, eine solche Ladung gestützt auf § 19 AVG auch allein zu verfügen.
13 Der Ladungsbescheid vom 3. Oktober 2017 ist daher nicht schon deshalb rechtswidrig, weil er nicht mit einem die Mitwirkungsverpflichtung auferlegenden Bescheid verbunden wurde. Bei der - unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit zu lösenden (vgl. VwGH 20.12.2016, Ra 2016/21/0354, Rn. 9, mit dem Hinweis auf VwGH 5.7.2012, 2010/21/0081; siehe auch VwGH 28.8.2012, 2012/21/0096) - Frage, ob die Ladung im vorliegenden Zusammenhang "nötig" iSd § 19 Abs. 1 AVG war, ist allerdings auf die für die Beschaffung eines Ersatzreisedokumentes bestehenden speziellen Regelungen des Fremdenrechts Bedacht zu nehmen.
14 In diesem Sinn wird in der Amtsrevision - deren Begründung in erster Linie tragend - vor allem auf § 33 Abs. 4 BFA-VG verwiesen, aus dem sich ableiten lasse, dass ein Ersatzreisedokument für Asylwerber bereits dann eingeholt werden dürfe, wenn der Antrag auf internationalen Schutz (in erster Instanz) zurück- oder abgewiesen worden sei, und zwar auch dann, wenn der Beschwerde aufschiebende Wirkung zukomme.
15 Die besagte Bestimmung lautete in der hier maßgeblichen
Fassung vor dem FrÄG 2017 samt Überschrift:
"Internationaler Datenverkehr
§ 33.
(4) Die Übermittlung personenbezogener Daten eines Asylwerbers an den Herkunftsstaat ist, unbeschadet Abs. 5, nicht zulässig. Daten, die erforderlich sind, um die zur Einreise notwendigen Bewilligungen zu beschaffen, dürfen jedoch übermittelt werden, wenn der Antrag - wenn auch nicht rechtskräftig - ab- oder zurückgewiesen worden ist oder dem Asylwerber ein faktischer Abschiebeschutz nicht zukommt. Der Umstand, dass ein Antrag auf internationalen Schutz gestellt wurde, darf bei einer solchen Übermittlung keinesfalls hervorkommen."
16 In diesem Zusammenhang ist aber auch noch auf § 108 Abs. 4 FPG Bedacht zu nehmen, der samt Überschrift wie folgt lautet:
"Internationaler Datenverkehr
§ 108.
(4) Die Übermittlung personenbezogener Daten eines Fremden an den Herkunftsstaat ist nicht zulässig. Daten, die erforderlich sind, um ein Ersatzreisedokument zu beschaffen, dürfen übermittelt werden."
17 Der zitierte § 108 Abs. 4 FPG stellt somit die generelle, für alle Fremden geltende Norm dar, aus der sich ergibt, dass deren personenbezogene Daten (ausnahmsweise) an den Herkunftsstaat übermittelt werden dürfen, wenn sie für die Beschaffung eines Ersatzreisedokumentes erforderlich sind. Eine ausdrückliche zeitliche Einschränkung für die Vornahme von die Beschaffung eines Ersatzreisedokumentes vorbereitenden Handlungen lässt sich daraus nicht ableiten. Allerdings ist jedenfalls im Zusammenhang mit Ladungen unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit der sich aus § 46 FPG ergebende Zweck eines Ersatzreisedokumentes, nämlich die - das Bestehen einer durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme voraussetzende - Abschiebung zu ermöglichen, einzubeziehen. In diesem Sinn ist der Verwaltungsgerichtshof in Bezug auf die Frage der Notwendigkeit von solchen Ladungsbescheiden in zahlreichen Entscheidungen der Sache nach vom Erfordernis des Vorliegens einer (zumindest) durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme ausgegangen (vgl. VwGH 5.7.2012, 2012/21/0081, und VwGH 20.12.2016, Ra 2016/21/0354, Rn. 9, sowie im Anschluss an das erstgenannte Erkenntnis auch noch VwGH 28.8.2012, 2012/21/0096, und aus der Zeit davor VwGH 16.5.2012, 2010/21/0023). Das war auch in mehreren anderen in der Amtsrevision erwähnten Erkenntnissen des Verwaltungsgerichtshofes betreffend Ladungen im Zusammenhang mit der Sicherung der Ausreise der Fall (siehe dazu etwa VwGH 4.8.2016, Ra 2016/21/0149, Rn. 18, und die dort enthaltenen Judikaturnachweise).
18 Über § 108 Abs. 4 FPG hinaus besteht für Asylwerber gemäß § 33 Abs. 4 BFA-VG die Einschränkung, dass zur Beschaffung von notwendigen Einreisebewilligungen erforderliche personenbezogene Daten nur dann an den Herkunftsstaat übermittelt werden dürfen, wenn der Antrag auf internationalen Schutz ab- oder zurückgewiesen worden ist oder wenn dem Asylwerber ein faktischer Abschiebeschutz nicht zukommt. Die Zulässigkeit der Übermittlung personenbezogener Daten von Asylwerbern zur Beschaffung eines Ersatzreisedokumentes setzt somit der angeführten Bestimmung zufolge nicht zwingend und generell voraus, dass bereits eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme vorliegt. Insofern ist dem Standpunkt in der Amtsrevision beizupflichten. Dazu ist allerdings anzumerken, dass die Ausnahmeregelung des zweiten Satzes des § 33 Abs. 4 BFA-VG grundsätzlich nur die Voraussetzungen für die "Übermittlung" personenbezogener Daten eines Asylwerbers an den Herkunftsstaat regelt, nicht jedoch für die Erlangung von Daten aufgrund unmittelbarer und persönlicher Befragung eines Asylwerbers durch Botschaftsvertreter seines Herkunftsstaates. Diesbezüglich ist jedenfalls ergänzend zu beachten, dass es einem Asylwerber - außer es handelt sich um einen Folgeantrag - in der Regel nicht zumutbar sein wird, während des noch nicht rechtskräftig beendeten Verfahrens auf Gewährung von internationalem Schutz Vertretern des Herkunftsstaates gegenübergestellt und von diesen zu seinen persönlichen und familiären Verhältnissen befragt zu werden.
19 Vor diesem in den vorstehenden Rn. dargestellten (rechtlichen) Hintergrund kann bei fallbezogener Betrachtung der vorliegenden Konstellation nicht gesehen werden, dass die Ladung zum Interview durch Vertreter der Botschaft des Herkunftsstaates der Mitbeteiligten ausnahmsweise auch schon in diesem Stadium des Verfahrens betreffend ihren Antrag auf internationalen Schutz (erstinstanzliche Abweisung) verhältnismäßig gewesen wäre, zumal das BVwG davor im Beschluss vom 14. Dezember 2016 der Sache nach das Vorliegen der Voraussetzungen für die Gewährung von subsidiärem Schutz angenommen hatte. Damit erweist sich das angefochtene Erkenntnis des BVwG im Ergebnis als zutreffend.
20 Da somit schon der Inhalt der Amtsrevision erkennen lässt, dass die behauptete Rechtswidrigkeit nicht vorliegt, war sie gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.
Wien, am 15. März 2018
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