VwGH Ra 2017/21/0035

VwGHRa 2017/21/003523.3.2017

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer als Richterin sowie die Hofräte Dr. Pelant und Dr. Sulzbacher als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Tanzer, über die Revision des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 28. Dezember 2016, W182 1261737- 2/2E, betreffend § 46 Abs. 2a FPG (mitbeteiligte Partei: Z Z, vertreten durch Mag. Andreas Lepschi, Rechtsanwalt in 1090 Wien, Währinger Straße 26/1/3), den Beschluss gefasst:

Normen

AVG §19;
B-VG Art133 Abs4;
FrPolG 2005 §46 Abs2a idF 2015/I/070;
VwGG §34 Abs1;
VwRallg;

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2017:RA2017210035.L00

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Die Mitbeteiligte, eine chinesische Staatsangehörige, stellte nach ihrer Einreise am 23. Mai 2005 einen Asylantrag. Dieser Antrag wurde letztlich mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 31. August 2011 zur Gänze rechtskräftig abgewiesen; unter einem wurde die Ausweisung der Mitbeteiligten aus dem österreichischen Bundesgebiet in die Volksrepublik China verfügt.

2 Die Mitbeteiligte verblieb in Österreich. Bei einer mit dem Zweck "Sicherung der Ausreise" durchgeführten Vernehmung vor der Fremdenpolizeibehörde am 3. April 2013 gab die Mitbeteiligte - wie schon im Asylverfahren - an, kein Reisdokument zu besitzen. Anschließend weigerte sie sich allerdings auch, ein Formular zur Erlangung eines sogenannten "Heimreisezertifikates" auszufüllen.

3 In der Folge ersuchte die Behörde mit Schreiben vom 17. April 2013 die Botschaft der Volksrepublik China um Ausstellung dieses Ersatzreisedokumentes. In diesem Ersuchen wurden die Daten der Mitbeteiligten (Name, Geburtsdatum, Geburtsort, Heimatadresse und Vornamen der Eltern) so angegeben, wie sie sich aus einem in den Verwaltungsakten befindlichen, auf Chinesisch und Deutsch ausgefüllten, jedoch nicht wie vorgesehen von der Mitbeteiligten unterfertigten "Fragebogen zur Bestätigung der Bürgerschaft der Volksrepublik China" ergeben.

4 Dieses Ersuchen wurde von der chinesischen Botschaft mit Note vom 20. Mai 2013 dahingehend beantwortet, dass sie die übermittelten Personaldaten an die "zuständige Polizei in China" weitergeleitet habe; nach deren Überprüfung "existiert die obgenannte Person in der angegebenen Adresse nicht". Daher könne "nicht bewiesen werden", dass diese Person chinesische Staatsbürgerin sei. Es werde um Übermittlung der "richtigen und näheren Personaldaten" gebeten, um diese nochmals in China überprüfen zu lassen.

5 In der Folge wurde der Mitbeteiligten mit einer mit 20. Oktober 2016 datierten, auch ihrem rechtsfreundlichen Vertreter zugestellten Ladung aufgetragen, zu einer Einvernahme "bezgl. Durchsetzung und Effektuierung" (offenbar gemeint: der mit der erwähnten Ausweisung auferlegten Ausreiseverpflichtung) beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) am 15. November 2016 um 09.00 Uhr persönlich zu erscheinen. Dieser Ladung leistete die Mitbeteiligte keine Folge, nachdem sie sich mit Schreiben ihres Rechtsvertreters vom 14. November 2016 unter Hinweis auf einen zeitgleichen Arzttermin entschuldigt und um Verschiebung der Einvernahme ersucht hatte.

6 Hierauf erließ das BFA einen an die Mitbeteiligte gerichteten, mit 16. November 2016 datierten Bescheid, dessen Spruchpunkt I. wie folgt lautet:

"Gemäß § 46 Absatz 2a Fremdenpolizeigesetz 2005, BGBl I Nr. 100/2005, idgF (FPG) wird Ihnen aufgetragen, mit Ihrer zuständigen ausländischen Behörde Ihres Herkunftsstaates (Botschaft, Konsulat) Kontakt aufzunehmen und (an) den notwendigen Handlungen zur Erlangung eines Ersatzreisedokuments mitzuwirken.

Diesem Auftrag haben Sie innerhalb 2 Wochen ab Durchsetzbarkeit dieses Bescheides nachzukommen und dies dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl nachzuweisen.

Wenn sie diesem Auftrag ohne wichtigen Grund (Krankheit, Behinderung, andere wichtige Gründe) nicht Folge leisten, müssen sie damit rechnen, dass eine Haftstrafe von 14 Tagen verhängt wird."

Mit Spruchpunkt II. dieses Bescheides wurde sodann noch die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde gemäß § 13 Abs. 2 VwGVG ausgeschlossen.

7 Der dagegen erhobenen Beschwerde hat das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) mit dem angefochtenen Erkenntnis vom 28. Dezember 2016 gemäß § 28 Abs. 1 und 2 VwGVG stattgegebenen und den bekämpften Bescheid des BFA vom 16. November 2016 ersatzlos aufgehoben. Weiters sprach das BVwG gemäß § 25a Abs. 1 VwGG aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

8 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende (außerordentliche) Revision des BFA, über deren Zulässigkeit unter dem Gesichtspunkt des Art. 133 Abs. 4 B-VG der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

9 Nach der genannten Verfassungsbestimmung ist gegen das Erkenntnis eines Verwaltungsgerichtes die Revision (nur) zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

10 An den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes nach § 25a Abs. 1 VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision unter dem genannten Gesichtspunkt nicht gebunden (§ 34 Abs. 1a VwGG). Zufolge § 28 Abs. 3 VwGG hat allerdings die außerordentliche Revision gesondert die Gründe zu enthalten, aus denen entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird. Im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe hat der Verwaltungsgerichtshof dann die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zu überprüfen (§ 34 Abs. 1a zweiter Satz VwGG).

11 Die im vorliegenden Fall maßgebliche Bestimmung des § 46 Abs. 2 und 2a FPG in der seit 20. Juli 2015 geltenden Fassung des FrÄG 2015 lautet:

"§ 46. (1) ...

(2) Verfügt der Fremde über kein Reisedokument und kann die Abschiebung nicht ohne ein solches durchgeführt werden, hat das Bundesamt bei der für ihn zuständigen ausländischen Behörde ein Ersatzreisedokument für die Abschiebung einzuholen oder ein Reisedokument für die Rückführung von Drittstaatsangehörigen auszustellen. § 97 Abs. 1 gilt. Der Fremde hat an den notwendigen Handlungen zur Erlangung eines Ersatzreisedokuments im erforderlichen Umfang mitzuwirken.

(2a) Die Verpflichtung zur Mitwirkung gemäß Abs. 2 kann auch mit Bescheid auferlegt werden, § 19 Abs. 2 bis 4 AVG gilt sinngemäß. Der Bescheid kann mit einer Ladung vor das Bundesamt oder zu einer Amtshandlung des Bundesamtes zur Erlangung eines Ersatzreisedokuments bei der zuständigen ausländischen Behörde, verbunden werden (§ 19 AVG)."

12 In der Amtsrevision wird die Begründung des angefochtenen Erkenntnisses dahin verstanden, dass nach Auffassung des BVwG § 46 Abs. 2a FPG (lediglich) eine "Ladungsermächtigung für die Behörde" darstelle. Die Behörde könne - so die in der Amtsrevision enthaltene zusammenfassende Wiedergabe der Begründung des BVwG - den Fremden zwecks Beschaffung eines Ersatzreisedokuments (nur) vor die Behörde oder zu einer Amtshandlung der Behörde (unter Leitung eines Amtsorgans) bei der zuständigen ausländischen Vertretungsbehörde laden. Da der vorliegende Auftrag keine Ladung sei, widerspreche er der Ermächtigung des § 46 Abs. 2 und 2a FPG, weshalb er rechtswidrig sei.

Davon ausgehend folgerte das BFA dann in der Zulässigkeitsbegründung, das BVwG leite aus der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Fassung des § 46 Abs. 2a FPG vor dem FrÄG 2015 ab, dass die genannte Bestimmung "lediglich eine Ladungsermächtigung sei oder zumindest die Mitwirkung nur bei Ladung schlagend werde". Das BVwG habe seine Entscheidung daher nur "auf das Fehlen einer Ladung/eines Einvernahmetermins bzw. einer konkreten Amtshandlung des BFA" gestützt. Dabei verkenne es die "umfangreichen gesetzlichen Änderungen durch das FrÄG 2015", wonach eine Ladung mit einem "Bescheid über die Mitwirkung" verbunden sein "kann"; daraus ergebe sich der Umkehrschluss, dass ein solcher Bescheid nicht mit einer Ladung verbunden sein "muss". Es fehle aber eine "explizite" Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu der - in der Amtsrevision daran anschließend als grundsätzlich iSd Art. 133 Abs. 4 B-VG erachteten - Rechtsfrage, ob ein "Mitwirkungsbescheid" auch erlassen werden dürfe, "wenn er nicht mit einer Ladung verbunden ist oder kein konkreter Botschaftstermin angegeben ist".

13 Schon nach dem klaren Wortlaut des zitierten Abs. 2a des § 46 FPG kann es keinem Zweifel unterliegen, dass ein Bescheid im Sinne des ersten Satzes betreffend die Auferlegung einer - konkreten - Mitwirkungsverpflichtung nicht zwingend mit einer Ladung im Sinne des zweiten Satzes zu verbinden ist, sondern dass dazu nur eine Möglichkeit eingeräumt werden soll (arg.: "kann"). Dem entsprechend heißt es auch in den Gesetzesmaterialien zum FrÄG 2015 (RV 582 BlgNR 25. GP  18), die "Mitwirkung" (offenbar gemeint: die bescheidmäßige Auferlegung einer Mitwirkungsverpflichtung) werde "im Regelfall" - also nicht immer -

mit einer Ladung zu verbinden sein, weil die Anwesenheit des Fremden "regelmäßig" notwendig sei. Die in der Revision aufgeworfene Frage bedarf daher angesichts dieser eindeutigen Rechtslage keiner weiteren Klärung, was der Zulässigkeit der Revision entgegensteht (vgl. etwa den hg. Beschluss vom 30. Juni 2016, Ra 2016/21/0076, Rz 11, mwN).

14 Das BVwG hat eine gegenteilige Auffassung allerdings auch nicht in generalisierender Weise vertreten, sondern ist lediglich fallbezogen zu dem Ergebnis gekommen, dass der an die Mitbeteiligte erteilte Auftrag in dieser Form unzulässig sei. So hat das BVwG in diesem Zusammenhang auch darauf verwiesen, dass sich § 46 Abs. 2a (erster Satz) FPG auf die Verpflichtung des Fremden zur "Mitwirkung nach § 46 Abs. 2 FPG" beziehe, wobei die letztgenannte Bestimmung an eine Amtshandlung der Behörde anknüpfe. Nach dessen ersten Satz - so das BVwG weiter - "hat" nämlich ausdrücklich "das Bundesamt" bei der für den Fremden zuständigen ausländischen Behörde ein Ersatzreisedokument für die Abschiebung einzuholen. Wenn das BVwG angesichts dessen im Ergebnis davon ausging, dass ein Auftrag an die Mitbeteiligte zur Vorsprache bei der zuständigen Vertretungsbehörde zur selbständigen Erlangung eines Ersatzreisedokumentes in der vorliegenden Form nicht mittels eines Bescheides nach dem ersten Satz des § 46 Abs. 2a FPG erteilt werden könne, so ist das aber nicht zu beanstanden. Dazu kann gemäß § 43 Abs. 2 und 9 VwGG auf die Entscheidungsgründe des einen im Wesentlichen gleich gelagerten Fall betreffenden, ebenfalls über Amtsrevision des BFA ergangenen hg. Erkenntnisses vom heutigen Tag, Ro 2017/21/0005, verwiesen werden.

15 Im Übrigen ist noch anzumerken, dass die Amtsrevision dem vom BVwG ergänzend erhobenen - berechtigten (vgl. Rz 12 des genannten Erkenntnisses) - Vorwurf nicht entgegen tritt, dem in Rede stehenden Auftrag, dessen Nichterfüllung unter Strafdrohung gestellt wurde, mangle es "an einer hinreichend nachvollziehbaren Determinierung", zumal - so das BVwG - "völlig unklar" sei, an welchen konkreten Handlungen (zur Erlangung eines Ersatzreisedokumentes) die Mitbeteiligte mitzuwirken habe und in welcher Form sie dem Bundesamt von der Mitbeteiligten nachzuweisen wären.

16 Schließlich war es - entgegen der Meinung in der Amtsrevision - nicht rechtswidrig, dass das BVwG den bekämpften Bescheid des BFA zur Gänze, also auch hinsichtlich der Androhung einer Zwangsstrafe für den Fall der nicht fristgerechten (nachgewiesenen) Erfüllung des Auftrags, ersatzlos behoben hat, stehen doch die vorgenommenen Aussprüche in einem untrennbaren Zusammenhang.

17 In der Amtsrevision wird somit insgesamt keine - noch klärungsbedürftige - Rechtsfrage iSd Art. 133 Abs. 4 B-VG dargetan, sodass sie gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unzulässig zurückzuweisen war.

Wien, am 23. März 2017

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