VwGH Ra 2018/18/0159

VwGHRa 2018/18/01592.5.2018

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer sowie die Hofrätin Mag. Dr. Maurer-Kober und den Hofrat Dr. Sutter als Richterinnen und Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Wech, über die Revision des S D in W, vertreten durch Dr. Farhad Paya, Rechtsanwalt in 9020 Klagenfurt, Herrengasse 12/I, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 12. Februar 2018, Zl. I403 2017640- 1/18E, betreffend eine Asylangelegenheit (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Normen

AsylG 2005 §18;
AsylG 2005 §3 Abs1;
AVG §46;
BFA-VG 2014 §9 Abs2;
BFA-VG 2014 §9;
EMRK Art8;

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2018:RA2018180159.L00

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Der Revisionswerber, ein Staatsangehöriger von Guinea, stellte am 28. Jänner 2014 einen Antrag auf internationalen Schutz. Als Fluchtgrund brachte der Revisionswerber zusammengefasst vor, dass es in Guinea nach dem Tod eines bekannten Fußballspielers zu Demonstrationen und Ausschreitungen gekommen sei, im Zuge derer er von den Sicherheitsbehörden verletzt worden sei. Nun werde er von den Sicherheitsbehörden gesucht, weil diese ihn verdächtigen würden, die Demonstrationen organisiert bzw. im Rahmen der Ausschreitungen Waffen aus einer Polizeistation entwendet zu haben. Daher sei er aus Guinea geflohen.

2 Mit Bescheid vom 7. Jänner 2015 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) den Antrag ab (Spruchpunkte I. und II.), erteilte keinen Aufenthaltstitel gemäß §§ 55 und 57 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005), erließ eine Rückkehrentscheidung, stellte fest, dass eine Abschiebung des Revisionswerbers nach Guinea zulässig sei und sprach aus, dass für die freiwillige Ausreise eine Frist von vierzehn Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung bestehe (Spruchpunkt III.).

3 Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung mit dem angefochtenen Erkenntnis vom 12. Februar 2018 mit der Maßgabe ab, dass Spruchpunkt III. erster Satz des angefochtenen Bescheides zu lauten habe: "Ein Aufenthaltstitel besonderer Schutz gemäß § 57 AsylG 2005 wird Ihnen nicht erteilt." Die Revision erklärte es für nicht zulässig.

4 Begründend führte das BVwG im Wesentlichen aus, der Revisionswerber habe das Fluchtvorbringen aufgrund von Widersprüchen sowie teilweise unplausiblen und nicht nachvollziehbaren Angaben nicht glaubhaft machen können. Im Fall einer Rückkehr würde er nicht dauerhaft in eine aussichtslose Lage geraten, zumal er noch in Kontakt zu seinem Cousin und seiner Halbschwester stehe, sodass er im Herkunftsstaat über familiäre Anknüpfungspunkte verfüge. Der gesunde Revisionswerber könne zudem als Gelegenheitsarbeiter oder als Händler ein - wenn auch geringes - Einkommen erwirtschaften. Zur Rückkehrentscheidung führte es aus, dass der Revisionswerber das Bestehen eines Familienlebens glaubhaft dargelegt habe. Er sei seit dem 11. Juni 2016 mit einer österreichischen Staatsbürgerin verheiratet, mit der er auch in der Zeit vom 21. April 2015 bis zum 13. Juni 2017 und vom 13. November 2017 bis zum 17. Jänner 2018 im gemeinsamen Haushalt gelebt habe. Im Zeitraum vom 5. Juli 2017 bis zum 14. September 2017 habe der Revisionswerber in einem gemeinsamen Haushalt mit einer aufenthaltsberechtigten Staatsangehörigen von Burkina Faso zusammengelebt, mit welcher er auch ein Kind gezeugt habe, welches am 24. November 2017 in Österreich zur Welt gekommen sei. Ein Eingriff in das nach Art. 8 EMRK geschützte Familienleben sei jedoch nicht unverhältnismäßig. Das Familienleben sei zu einem Zeitpunkt entstanden, als sich der Revisionswerber über seinen unsicheren Aufenthaltsstatus habe bewusst sein müssen. Zudem bestehe zum Entscheidungszeitpunkt weder ein gemeinsamer Haushalt mit der Ehefrau noch mit dem Kind des Revisionswerbers oder dessen Mutter. Der Kontakt zur Ehefrau könne durch moderne Kommunikationsmittel und Besuche aufrechterhalten werden. Überdies bestehe für den Revisionswerber die Möglichkeit, einen Aufenthaltstitel nach dem NAG zu beantragen. Vor dem Hintergrund des Alters des Kindes könne nicht von einer ausgeprägten Bindung zum Revisionswerber ausgegangen werden. Es seien auch keine Umstände hervorgebracht worden, warum das Familienleben mit dem Kind und dessen Mutter, welche beide Staatsangehörige von Burkina Faso seien, nicht in Guinea oder Burkina Faso fortgesetzt werden könne. Betreffend das Privatleben würden aufgrund des kurzen Inlandsaufenthalts von etwa vier Jahren die öffentlichen Interessen an einer Aufenthaltsbeendigung überwiegen.

5 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

6 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

7 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

8 Die Revision wendet sich zunächst gegen die Beweiswürdigung des BVwG, wonach die vom Revisionswerber vorgebrachten Fluchtgründe als nicht glaubhaft angesehen wurden.

9 Im Zusammenhang mit der Beweiswürdigung liegt eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung nur dann vor, wenn das Verwaltungsgericht die Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hätte (vgl. etwa VwGH 18.3.2016, Ra 2015/01/0255).

10 Einen derartigen krassen Fehler der Beweiswürdigung zeigt die Revision nicht auf:

11 Die Revision macht als Verfahrensfehler geltend, das Bundesverwaltungsgericht habe den entscheidungsrelevanten Sachverhalt nicht ausreichend erhoben, etwa indem mehrere - in der Revision genannte - Personen in Guinea durch eine beauftragte Vertrauensperson zu dem Fluchtvorbringen befragt worden wären. Ebenso wenig habe das BVwG Erhebungen dahingehend vorgenommen, ob gegen den Revisionswerber in Guinea ein Strafverfahren anhängig sei oder ein Haftbefehl ausgestellt worden sei.

12 Dazu ist zunächst darauf hinzuweisen, dass nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ein Beweisantrag des Asylwerbers, bestimmte Auskunftspersonen im Herkunftsstaat durch eine Vertrauensperson befragen zu lassen, nicht zulässig ist (vgl. dazu ausführlich VwGH 15.12.2015, Ra 2015/18/0100, 0101). Damit ist aber auch dem gegen die Beweiswürdigung vorgebrachten Vorwurf, das Vorbringen des Revisionswerbers hätte durch Nachforschungen im Herkunftsstaat überprüft werden müssen, der Boden entzogen (vgl. VwGH 23.3.2017, Ra 2016/20/0074; 18.3.2016, Ra 2015/01/0255).

13 Dem Vorbringen, das BVwG habe den Aussagen des Revisionswerbers in der Erstbefragung zu großes Gewicht beigemessen, ist zu entgegnen, dass das BVwG einerseits im Rahmen der Beweiswürdigung berücksichtigte, dass sich die Erstbefragung gemäß § 19 Abs. 1 AsylG 2005 nicht auf die näheren Fluchtgründe zu beziehen hat und es sich andererseits auch nicht allein tragend auf die gegenüber der Erstbefragung gesteigerten Angaben stützte (vgl. in diesem Sinn VwGH 31.1.2018, Ra 2017/19/0615).

14 Da das BVwG dem Fluchtvorbringen somit in nicht als unvertretbar zu erkennender Weise die Glaubhaftigkeit versagte, ging es folgerichtig davon aus, dass dem Revisionswerber in Guinea keine Verhaftung drohe. Damit geht das Revisionsvorbringen, wonach sich das BVwG bei der Prüfung der Voraussetzungen für die Zuerkennung von subsidiärem Schutz mit den inhumanen und lebensbedrohlichen Haftbedingungen in Guinea hätte auseinandersetzen müssen, ins Leere.

15 Soweit die Revision die vom BVwG vorgenommene Interessenabwägung nach Art. 8 EMRK beanstandet, ist festzuhalten, dass nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes eine unter Bedachtnahme auf die jeweiligen Umstände des Einzelfalls in Form einer Gesamtbetrachtung durchgeführte Interessenabwägung im Sinn des Art. 8 EMRK im Allgemeinen - wenn sie auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage erfolgte und in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wurde - nicht revisibel ist (VwGH 22.2.2018, Ra 2018/18/0037).

16 Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kommt der Bindung eines Fremden an einen österreichischen Ehepartner im Rahmen der Abwägung nach Art. 8 EMRK große Bedeutung zu, was auch in der Bestimmung des § 9 Abs. 3 letzter Satz BFA-VG Ausdruck findet. In einem solchen Fall müssen nähere Feststellungen zu den Lebensverhältnissen des Fremden und seines Ehepartners, insbesondere zu den Wohnverhältnissen, der Art ihrer Beschäftigungen und den erzielten Einkommen, aber etwa auch zur Frage der Deutschkenntnisse sowie zu den Bindungen zum Heimatstaat und zur Möglichkeit und Zumutbarkeit der Führung eines Familienlebens außerhalb Österreichs getroffen werden (VwGH 15.12.2015, Ra 2015/19/0247).

17 Im gegenständlichen Fall bejahte das BVwG aufgrund der Eheschließung des Revisionswerbers und dessen nicht aus der Ehe stammenden in Österreich lebenden Kindes das Vorliegen eines Familienlebens nach Art. 8 EMRK, erachtete den Eingriff in dasselbe aber nicht als unverhältnismäßig. Das BVwG traf im Sinn der oben zitierten Judikatur konkrete Feststellungen zum Eheleben des Revisionswerbers und setzte sich darüber hinaus auch mit der familiären Beziehung zu seinem Kind auseinander. Die Revision verweist lediglich auf das vom BVwG ohnehin berücksichtigte Familienleben und bringt darüber hinaus vor, das BVwG habe sich "nicht in ausreichendem Maße" mit den Folgen der Trennung von seiner Tochter auseinandergesetzt. Damit vermag die Revision nicht aufzuzeigen, dass diesbezüglich eine vom Verwaltungsgerichtshof wahrzunehmende Fehlbeurteilung vorläge und die vorgenommene Interessenabwägung im Sinne des Art. 8 EMRK unvertretbar wäre. Vor diesem Hintergrund wird mit dem Revisionsvorbringen, das BVwG hätte sich mit in Guinea zu erwartende Schwierigkeiten beim Zugang zu einer Beschäftigung oder zu Sozialleistungen beschäftigen müssen, nicht aufgezeigt, dass die Berücksichtigung dieser Umstände im Rahmen der Interessenabwägung zu einem anderen Ergebnis hätte führen können (vgl. idS VwGH 14.11.2017, Ra 2017/21/0188).

18 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

Wien, am 2. Mai 2018

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