VwGH Ra 2018/14/0178

VwGHRa 2018/14/017828.2.2019

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Thienel, den Hofrat Mag. Eder und die Hofrätin Dr.in Lachmayer als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Schweinzer, in den Revisionssachen 1. des A B, 2. der C D, beide in X, beide vertreten durch Mag. Johannes Frank, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Dr. Karl Lueger-Platz 5, gegen die Erkenntnisse vom 7. September 2018, 1) Zl. W192 2203707-1/5E und

2) Zl. W192 2203708-1/5E, des Bundesverwaltungsgerichts, jeweils betreffend Zurückweisung eines Antrags auf internationalen Schutz nach dem AsylG 2005 und Anordnung einer Außerlandesbringung nach dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Normen

B-VG Art133 Abs4;
VwGG §28 Abs3;
VwGG §34 Abs1;

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2019:RA2018140178.L00

 

Spruch:

Die Revisionen werden zurückgewiesen.

Begründung

1 Die Revisionswerber sind verheiratet und Staatsangehörige der Russischen Föderation. Die Zweitrevisionswerberin stellte am 19.11.2017 einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich. Dieses Verfahren wurde am 21.11.2017 zugelassen. Am 8.1.2018 stellte der Erstrevisionswerber einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich. Eine Abfrage im Visa-Informationssystem ergab, dass er im Besitz eines im Zeitpunkt der Antragstellung in Österreich noch gültigen tschechischen Visums gewesen war. In weiterer Folge wurden Aufnahmegesuche betreffend zunächst den Erstrevisionswerber und sodann auch betreffend die Zweitrevisionswerberin an Tschechien gestellt, denen - nach Abklärung des tatsächlichen Bestehens einer Ehe - seitens der tschechischen Behörde am 2.3.2018 (für den Erstrevisionswerber) und am 29.6.2018 (für die Zweitrevisionswerberin) zugestimmt wurde.

2 Mit Bescheiden je vom 31. Juli 2018 wurden die Anträge auf internationalen Schutz gemäß § 5 Abs. 1 AsylG 2005, ohne in die Sache einzutreten, zurückgewiesen, die Außerlandesbringung angeordnet und die Abschiebung nach Tschechien für zulässig erklärt.

3 Begründend führte die Behörde aus, dass sich für den Erstrevisionswerber die Zuständigkeit der Tschechischen Republik gemäß Art. 12 Abs. 2 Dublin III-VO ergebe, nachdem dieser zum Zeitpunkt der erstmaligen Asylantragstellung in einem Mitgliedstaat im Besitz eines aufrechten tschechischen Visums gewesen sei.

4 Für die Zweitrevisionswerberin habe sich vorerst im Zuge ihrer Asylantragstellung kein sonstiger zuständiger Mitgliedsstaat ergeben, sodass aufgrund der Bestimmung des Art. 3 Abs. 2 Dublin III-VO zunächst die potentielle Zuständigkeit Österreichs zur Durchführung ihres Asylverfahrens gegeben gewesen sei. Aufgrund der bestehenden Ehe der Revisionswerber sei jedoch die Bestimmung des Art. 11 der Dublin III-VO zu berücksichtigen gewesen, da diese Familienangehörige im Sinne der Dublin III-VO seien. Die beiden Antragstellungen würden ca. eineinhalb Monate auseinander liegen, dies entspreche jedenfalls den geforderten Bedingungen des Art. 11 Dublin III-VO, um die Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedsstaates gemeinsam durchführen zu können. Die Tschechische Republik sei in beiden Fällen der zuständige Mitgliedstaat, weil sich aufgrund der Bestimmung des Art. 11 lit a Dublin III-VO kein einzelner zuständiger Mitgliedstaat eruieren lasse und sich aufgrund der Bestimmung des Art. 11 lit. b Dublin III-VO die Tschechische Republik als jener Mitgliedstaat ergebe, welcher für die oder den älteren der Familie zuständig sei.

5 Gegen diese Bescheide wurden am 13. August 2018 Beschwerden erhoben. Die Zweitrevisionswerberin brachte vor, dass sie bei einer Überstellung nach Tschechien Gefahr laufe, im Zuge einer Kettenabschiebung weiter in die Russische Föderation überstellt zu werden. Sie sei eine erklärte politisch aktive "Putin-Gegnerin". Sie sei überzeugt davon, dass die russische Regierung bereits erste Maßnahmen eingeleitet habe, damit ihre Abschiebung aus Tschechien in die Russische Föderation möglichst rasch erfolge.

6 Die Beschwerden wurden mit den in Revision gezogenen Erkenntnissen des Bundesverwaltungsgerichts (BVwG) vom 7. September 2018 als unbegründet abgewiesen. Die Revisionen wurden gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG für nicht zulässig erklärt.

7 Die außerordentlichen Revisionen bringen aufs Wesentliche zusammengefasst zu ihrer Zulässigkeit vor, dass das Ermittlungsverfahren des BVwG mit Mängeln behaftet sei, weil keine aktuellen, fallbezogenen Länderberichte als Grundlage für die Entscheidung herangezogen worden seien. Die Revisionswerber wären im Recht auf Parteiengehör verletzt worden. Sie hätten keine Möglichkeit gehabt, zu dem Ergebnis der Beweisaufnahme Stellung zu nehmen. Hinsichtlich der Verfolgungsgefahr und der Annahme einer begründeten Furcht vor Verfolgung sei näher bezeichnete Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht beachtet worden. Es bestehe ein Verbot der Ungleichbehandlung Fremder untereinander, insbesondere weil, wie dargestellt, auch die Glaubwürdigkeit der Revisionswerber nicht anhand der neuesten Länderberichte überprüft worden sei. Es sei sohin entgegen "vorgeschriebener Verfahrensrichtlinien im Asylverfahren" entschieden worden. Bereits in der Beschwerde sei auf näher bezeichnete Berichte verwiesen worden. Im Mitgliedsstaat Tschechien würden die Revisionswerber keinesfalls "entsprechend behandelt" werden, weil sogar ihre Ehe aus unerfindlichen Gründen dort nicht anerkannt werde.

8 Weiters bringen die Revisionen vor, dass der Anwendungsbereich des Art. 11 lit. b Dublin III-VO deswegen nicht erfüllt sei, weil im Verfahren der Zweitrevisionswerberin das Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedsstaates bereits durchgeführt und abgeschlossen gewesen sei, als der Erstrevisionswerber nach Österreich eingereist sei. Das BFA habe das Verfahren seiner Ehefrau unter Anwendung von Art. 3 Abs. 2 Dublin III-VO zugelassen, weil sich anhand der Kriterien der Dublin-VO der zuständige Mitgliedsstaat nicht habe bestimmen lassen. Das Zulassungsverfahren sei mit Ausstellung der Aufenthaltsberechtigungskarte abgeschlossen gewesen. Die Zweitrevisionswerberin habe sich im Zeitpunkt, in dem ihr Ehemann eingereist sei, bereits im inhaltlichen Verfahren befunden.

9 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

10 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

11 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen. Da der Verwaltungsgerichtshof gemäß § 34 Abs. 1a zweiter Satz VwGG die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG (nur) im Rahmen der dafür in der Revision (gemäß § 28 Abs. 3 VwGG gesondert) vorgebrachten Gründe zu überprüfen hat, ist er weder verpflichtet, solche anhand der übrigen Revisionsausführungen gleichsam zu suchen, noch berechtigt, von Amts wegen erkannte Gründe, die zur Zulässigkeit der Revision hätten führen können, aufzugreifen. Dementsprechend erfolgt nach der Rechtsprechung die Beurteilung der Zulässigkeit der Revision durch den Verwaltungsgerichtshof ausschließlich anhand des Vorbringens in der Zulassungsbegründung (vgl. VwGH 27.11.2018, Ra 2018/14/0069).

12 Insoweit die Revisionen Verfahrensmängel, wie fehlende aktuelle Länderberichte oder die Verletzung des Parteiengehörs, rügen, ist auf die ständige Rechtsprechung zu verweisen, wonach es nicht ausreicht, die Außerachtlassung von Verfahrensvorschriften zu behaupten, ohne die Relevanz der behaupteten Verfahrensmängel aufzuzeigen (vgl. VwGH 27.11.2018, Ra 2018/14/0187, mwN). Werden Verfahrensmängel als Zulassungsgründe ins Treffen geführt, so muss auch schon in der abgesonderten Zulässigkeitsbegründung die Relevanz dieser Verfahrensmängel, weshalb also bei Vermeidung des Verfahrensmangels in der Sache ein anderes, für den Revisionswerber günstigeres Ergebnis hätte erzielt werden können, dargetan werden. Dies setzt voraus, dass - auch in der gesonderten Begründung für die Zulässigkeit der Revision zumindest auf das Wesentliche zusammengefasst - jene Tatsachen dargestellt werden, die sich bei Vermeidung des Verfahrensfehlers als erwiesen ergeben hätten (vgl. VwGH 2.8.2018, Ra 2018/19/0225, mwN). Eine solche Relevanzdarlegung ist den vorliegenden Revisionen jedoch nicht zu entnehmen, weshalb in dieser Hinsicht keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung aufgezeigt wird.

13 Insofern sich die Revisionen gegen die Beweiswürdigung richten, ist auf die ständige Rechtsprechung zu verweisen, wonach der Verwaltungsgerichtshof als Rechtsinstanz tätig und im Allgemeinen nicht zur Überprüfung der Beweiswürdigung im Einzelfall berufen ist. Im Zusammenhang mit der Beweiswürdigung liegt eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung nur dann vor, wenn das Verwaltungsgericht die Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hat (vgl. etwa VwGH 5.11.2018, Ra 2018/14/0166, mwN). Eine solche Unvertretbarkeit der Beweiswürdigung vermögen die Revisionswerber nicht aufzuzeigen.

14 Auch mit dem Vorbringen, das Verfahren der Zweitrevisionswerberin sei bereits zugelassen worden und damit sei die Zuständigkeit Österreichs festgestanden, wird keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung aufgezeigt. Schon nach dem klaren Gesetzeswortlaut des § 28 Abs. 1 letzter Satz AsylG 2005 ergibt sich, dass die Zulassung eines Verfahrens einer späteren zurückweisenden Entscheidung nicht entgegensteht. Auch der Verwaltungsgerichtshof hat in seiner Rechtsprechung bereits hinreichend dazu Stellung genommen, ob nach der auch hier maßgeblichen Rechtslage auch noch nach Zulassung eines Verfahrens eine auf § 5 Abs. 1 AsylG 2005 gestützte Zurückweisung erfolgen könne (vgl. VwGH 28.9.2016, Ra 2016/20/0070; 23.9.2014, Ra 2014/01/0121; sowie grundlegend 25.11.2008, 2006/20/0624). Vor diesem Hintergrund ist dem Vorbringen in den Revisionen, aufgrund der erfolgten Zulassung des Verfahrens sei die Zuständigkeit Österreichs nach der Dublin III-VO bereits fest gestanden, der Boden entzogen.

15 Die Revisionen waren daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung zurückzuweisen.

Wien, am 28. Februar 2019

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte