Normen
GewO 1994 §111 Abs4 Z4
GewO 1994 §111 Abs4 Z4 idF 2013/I/125
GewO 1994 §376 Z14b Abs2
ÖffnungszeitenG 2003 §1 Abs1
ÖffnungszeitenG 2003 §2 Z2
ÖffnungszeitenG 2003 §3
VwRallg
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2019:RA2018110139.L00
Spruch:
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufgehoben.
Der Antrag auf Zuerkennung von Aufwandersatz wird abgewiesen.
Begründung
1 Mit Straferkenntnis des Revisionswerbers vom 15. Februar 2018 wurde die Mitbeteiligte als gewerberechtliche Geschäftsführerin der B GmbH schuldig erkannt, sie habe es zu verantworten, dass eine näher genannte Verkaufsstelle an einem näher genannten Standort in G am Sonntag, dem 19. November 2017, zumindest von 09:20 bis 09:25 Uhr offen gehalten und verschiedene Waren wie z.B. "Aufstriche, alkoholische und nichtalkoholische Getränke in verschlossenen Gefäßen, Leberkäsesemmel, Kekse, frische Semmeln, Brot, Zigaretten, Red Bull, Fleisch und Wurst, Tiefkühlgemüse, 6er Mineralwasserflasche, usw." zum Verkauf angeboten worden seien, obwohl Verkaufsstellen an Sonntagen geschlossen zu halten seien. Die Mitbeteiligte habe dadurch § 368 der Gewerbeordnung 1994 (GewO 1994) iVm § 11, § 3, § 4 Abs. 1 und § 5 Abs. 1 des Öffnungszeitengesetzes 2003 verletzt. Über sie wurde deswegen eine Verwaltungsstrafe bzw. eine Ersatzfreiheitsstrafe verhängt und sie zur Zahlung eines Beitrags zu den Kosten des Strafverfahrens verpflichtet.
2 Begründend führte der Revisionswerber aus, die Mitbeteiligte habe nicht bestritten, dass sie zum besagten Zeitpunkt ihre Verkaufsstelle offengehalten habe, sei jedoch der Ansicht, dass sie dies aufgrund § 111 Abs. 4 Z 4 GewO 1994 und der darin angeführten Nebenrechte auch dürfe, weil sie eine Gastgewerbeberechtigung in der Betriebsart "Caferestaurant" besitze. Dem sei jedoch entgegenzuhalten, dass durch einen näher genannten genehmigten Plan (betreffend einen Umbau der Betriebsanlage) sowie die dienstliche Wahrnehmung vom 19. November 2017 erwiesen sei, dass im gegenständlichen Fall die Verkaufsstelle bzw. der Handelsbetrieb eindeutig vom Gastgewerbebetrieb getrennt gewesen sei. Der Gastgewerbebetrieb habe außerdem einen anderen Namen und auch einen deutlich getrennten Eingang von der gegenständlichen Verkaufsstelle. Zum Zeitpunkt der Erhebungen habe der Handelsbetrieb subjektiv nicht den Eindruck eines Gastgewerbebetriebes hinterlassen. Vom gegenständlichen Geschäftslokal komme man nur durch eine nicht versperrte Brandschutztüre oder durch einen extra angeschriebenen Eingang, der sich auf der Hauptstraße befinde, in den Gastgewerbebetrieb. Daher seien die angeführten Nebenrechte in diesem Fall nicht anzuwenden. Die Verkaufsstelle "hätte am Sonntag ohnehin geschlossen halten müssen".
Im gegenständlichen Fall sei der Charakter des Gastgewerbebetriebs nicht gewahrt worden, weil es sich um zwei verschiedene Lokale bzw. Räume gehandelt habe, die baulich komplett voneinander getrennt gewesen seien. Durch die dienstliche Wahrnehmung sei eindeutig erwiesen, dass sämtliche Waren und Gegenstände angeboten worden seien, die in einem Markt dieser Art angeboten würden und die Verkaufsstelle den Eindruck eines Handelsgewerbebetriebes aufgewiesen habe. Ob manche Waren, die nicht unter den § 111 Abs. 4 Z 4 GewO 1994 fallen, zum Tatzeitpunkt abgesperrt gewesen seien, sei nicht relevant, da die Ausnahmebestimmung für die Nebenrechte gar nicht anzuwenden gewesen sei.
3 In der gegen dieses Straferkenntnis erhobenen Beschwerde brachte die Mitbeteiligte insbesondere vor, sie hätte alle Waren, die nicht üblichen Reisebedarf gemäß § 111 Abs. 4 GewO darstellten, mit einer Kette sowie mit Regalen abgesperrt und nicht zum Verkauf angeboten. Zudem sei unrichtig, dass es sich bei ihrem Gastgewerbebetrieb sowie der Verkaufsstelle um zwei getrennte Betriebe gehandelt habe. Vielmehr ergebe sich, dass auf Grund des uneingeschränkt möglichen Betretens durch eine Tür die Berechtigung für den Gastgewerbebetrieb räumlich für den gesamten Bereich gelte. Die Betriebsanlagenteile seien als Einheit gemäß § 74 GewO zu betrachten, wobei die Verkaufsstelle nur eine untergeordnete Nebentätigkeit darstelle. Der Verweis der Behörde auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 7. Juni 2017, Ra 2016/11/0063, wo ausgesprochen worden sei, dass der Verkauf aller, in einem Markt dieser Art üblicherweise erhältlicher Waren an Sonntagen gegen § 3 des Öffnungszeitengesetzes verstoße, sei nicht zielführend. Die Behörde übersehe in diesem Zusammenhang, dass die Revisionswerberin an Sonntagen aus diesem Grund ausschließlich nur ein sehr eingeschränktes Warensortiment, nämlich Reiseproviant, anbiete. Der Begriff des Reiseproviants sei schließlich sehr weit auszulegen (umfasse mithin auch Frischfleisch, Straßenkarten und Reiseliteratur), alle verkauften Waren seien aus diesem Grund unzweifelhaft unter obige Ausnahmebestimmung des § 111 Abs. 4 GewO 1994 zu subsumieren. 4 Mit dem nunmehr angefochtenen, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung ergangenen Erkenntnis wurde der Beschwerde Folge gegeben, das Straferkenntnis des Revisionswerbers aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt. Unter einem wurde gemäß § 25a VwGG ausgesprochen, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nicht zulässig sei.
5 Begründend führte das Verwaltungsgericht dabei, auf das Wesentliche zusammengefasst, aus, ein Blick auf die Genesis des § 111 Abs. 4 GewO 1994 in der (hier) maßgeblichen Fassung der GewO-Novelle 2013 zeige, dass die Formulierung hinsichtlich der Ausübung von Verkaufsrechten der Gastgewerbetreibenden auf die GewO 1973 (§ 187 Abs. 3) zurückgehe und aus dem dort verankerten Gebot, dass bei der Ausübung dieser Rechte "der Charakter des Betriebes als Gastgewerbebetrieb gewahrt bleiben muss und zusätzlich keine zusätzlichen Hilfskräfte und keine zusätzlichen Räumlichkeiten verwendet werden dürfen", abzuleiten sei, dass die Wahrung des "Charakters des Betriebes als Gastgewerbebetrieb" nicht davon abhängig sei, dass zusätzliche Hilfskräfte bzw. zusätzliche Räumlichkeiten verwendet würden. Anderenfalls hätte der damalige Gesetzgeber in diesem Zusammenhang diese beiden weiteren Erfordernisse nicht anführen müssen. Bei der im Beschwerdefall maßgebenden Rechtslage komme es daher nur mehr darauf an, dass beim Verkauf von Waren gemäß § 111 Abs. 4 Z 4 lit. a bis c GewO 1994 der "Charakter des Betriebes als Gastgewerbebetrieb" gewahrt bleibe. Bei dieser historischen Interpretation der Gesetzesbestimmung sei nicht zu erkennen, dass es dabei - wie behördlicherseits offenbar gefordert - auf die Ausübung des Gastgewerbes in (nur) einem Raum ankomme. Ein separater Raum vermöge vor diesem Hintergrund dem "Charakter des Betriebes als Gastgewerbebetrieb" nicht entgegenzustehen. Der Gesetzgeber stelle im Zusammenhang mit der wiedereingeführten "Wahrungsklausel" auch nicht mehr (wie noch § 1 Abs. 6 GewO 1994) auf das "Erscheinungsbild eines einschlägigen Gewerbebetriebes" ab. Der Charakter des Betriebs sei daher auch nicht mit diesem gleichzusetzen, sondern dieses sei eines von mehreren zu berücksichtigenden Kriterien. Betrachte man fallbezogen den "Gesamtbetrieb", und nicht, wie die Behörde, isoliert einen untergeordneten Verkaufsbereich unter Außerachtlassung des überwiegenden "Restbetriebes", so erweise sich schon anhand des Vergleiches des Flächenausmaßes des Verkaufsbereiches mit jenem des Verabreichungs- bzw. Ausschankbereiches im benachbarten Gastgewerbebetrieb, dass auch vom Gesamterscheinungsbild "durchaus ein solches eines einschlägigen Gastgewerbebetriebes" vorliegend sei. Daraus sowie im Zusammenhang mit der hohen Anzahl an Plätzen zur Verabreichung und zum Ausschank, welche die Beschäftigung von 17 Arbeitnehmern im Gastgewerbebetrieb gegenüber nur zwei Arbeitnehmern im Shopbereich bedingten, sei zweifelsfrei zu ersehen, dass der wirtschaftliche Schwerpunkt des in Rede stehenden Betriebes klar im Bereich der Gastronomie angesiedelt sei. Dafür spreche auch, dass der Verkauf der Waren im Rahmen des Gastgewerbes auch in jenen Räumlichkeiten stattfinde, welche betriebsanlagenrechtlich für die Ausübung des Gastgewerbes genehmigt seien. Bezüglich der Wahrung des Charakters des Gastgewerbebetriebes könne es nicht ausschließlich darauf ankommen, dass im Verkaufsbereich ein Verabreichungsplatz eingerichtet sei bzw. ein Ausschank stattfinde - wiewohl im gegenständlichen Fall im Verkaufsbereich die Möglichkeit bestanden habe, Kaffee aus dem Kaffeeautomaten "im gesamten Shopbereich zu konsumieren".
Weiters sei auszuführen, dass rechtlich nicht zwei getrennte Betriebsanlagen vorlägen, sondern gewerbebehördlich eine Betriebsanlage mit Gastronomie- und Verkaufsbereich genehmigt worden sei, welche als einheitliche Betriebsanlage anzusehen sei. Es sei fallbezogen eine gastgewerbliche Betriebsanlage durch Hinzunahme eines Restaurants sowie eines Verkaufsbereiches geändert worden und die in Rede stehende Betriebsanlage sei daher als gastgewerbliche Betriebsanlage anzusehen, weshalb keinerlei Indizien ersichtlich seien, dass der in Rede stehende Verkaufsbereich betriebsanlagenrechtlich nicht zur Ausübung des Gastgewerbes, wozu im Ergebnis auch die Nebenrechte gehörten, genehmigt worden sei. Im Lichte dessen könne fallbezogen kein Zweifel bestehen, dass auch während des Tatzeitraums beim Verkauf der der Mitbeteiligten vorgehaltenen Waren, welche unter die Regelung des § 111 Abs. 4 Z 4 lit. a GewO 1994 zu subsumieren seien, unter Ausübung des Gastgewerbes der Charakter des Betriebes als Gastgewerbebetrieb gewahrt gewesen sei. Dass auch andere als die unter die genannte Bestimmung zu subsumierenden Waren angeboten bzw. verkauft worden seien, sei durch das Verwaltungsgericht nicht festzustellen bzw. nachweisbar gewesen. 6 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende Revision.
7 Die Mitbeteiligte erstattete eine Revisionsbeantwortung.
8 Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Revision in dem gemäß § 12 Abs. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
9 1.1. Das Öffnungszeitengesetz 2003, BGBl. I Nr. 48/2003 idF
BGBl. I Nr. 62/2007, lautet (auszugsweise):
"Geltungsbereich
§ 1. (1) Die Bestimmungen dieses Bundesgesetzes gelten, sofern sich nicht nach § 2 anderes ergibt, für alle ständigen und nichtständigen für den Kleinverkauf von Waren bestimmten Betriebseinrichtungen (Läden und sonstige Verkaufsstellen) von Unternehmungen, die der Gewerbeordnung 1994 (GewO 1994) unterliegen.
...
§ 2. Von den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes sind ausgenommen
...
2. der Warenverkauf im Rahmen eines Gastgewerbes in dem im
§ 111 Abs. 4 Z 4 GewO 1994 bezeichneten Umfang und eines Konditorgewerbes in dem im § 150 Abs. 11 GewO 1994 bezeichneten Umfang;
...
§ 3. Die Bestimmungen dieses Bundesgesetzes regeln das Offenhalten der Verkaufsstellen (§ 1). An Samstagen nach 18 Uhr, an Sonntagen, an Feiertagen (§ 7 Abs. 2 des Arbeitsruhegesetzes) und an Montagen bis 6 Uhr sind die Verkaufsstellen, soweit sich nicht nach den folgenden Bestimmungen anderes ergibt, geschlossen zu halten.
...
Strafbestimmung
§ 11. Wer entgegen den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes oder der auf Grund dieses Bundesgesetzes erlassenen Verordnungen seine Verkaufsstelle nicht geschlossen hält, Waren verkauft, Bestellungen entgegennimmt oder die für seine Verkaufsstelle geltenden Ladenöffnungszeiten nicht kundmacht, ist nach den Bestimmungen der Gewerbeordnung 1994 zu bestrafen. Übertretungen von Verordnungen nach § 5 Abs. 3 sind nach den Bestimmungen des § 27 des Arbeitsruhegesetzes zu bestrafen.
..."
10 1.2.1. Die Gewerbeordnung 1994 (GewO 1994), BGBl. Nr. 194/1994 idF BGBl. I Nr. 94/2017, lautet (auszugsweise):
"1. Geltungsbereich
§ 1. (1) Dieses Bundesgesetz gilt, soweit nicht die §§ 2 bis 4 anderes bestimmen, für alle gewerbsmäßig ausgeübten und nicht gesetzlich verbotenen Tätigkeiten.
...
(6) Bei Vereinen gemäß dem Vereinsgesetz 1951 liegt die Absicht, einen Ertrag oder sonstigen wirtschaftlichen Vorteil zu erzielen, auch dann vor, wenn die Vereinstätigkeit das Erscheinungsbild eines einschlägigen Gewerbebetriebes aufweist und diese Tätigkeit - sei es mittelbar oder unmittelbar - auf Erlangung vermögensrechtlicher Vorteile für die Vereinsmitglieder gerichtet ist. Übt ein Verein gemäß dem Vereinsgesetz 1951 eine Tätigkeit, die bei Vorliegen der Gewerbsmäßigkeit in den Anwendungsbereich dieses Bundesgesetzes fiele, öfter als einmal in der Woche aus, so wird vermutet, daß die Absicht vorliegt, einen Ertrag oder sonstigen wirtschaftlichen Vorteil zu erzielen.
...
§ 32. (1) Gewerbetreibenden stehen auch folgende Rechte zu:
1. alle Vorarbeiten und Vollendungsarbeiten auf dem Gebiet
anderer Gewerbe vorzunehmen, die dazu dienen, die Produkte, die
sie erzeugen oder vertreiben, sowie Dienstleistungen, die sie
erbringen, absatzfähig zu machen;
2. die ausschließlich für die Erbringung von Leistungen des
eigenen Unternehmens bestimmten Maschinen, Werkzeuge und sonstigen
Werksvorrichtungen anzufertigen;
3. ihre Betriebseinrichtungen, Maschinen, Werkzeuge,
Betriebsmittel, sonstigen Betriebsbehelfe und Betriebsgebäude
instand zu halten und instand zu setzen;
4. die Beistellung des zu verwendenden Materials, wenn
Aufträge zur Herstellung von Waren erteilt werden;
5. die zum Verkauf der von ihnen erzeugten oder vertriebenen
Waren dienenden Verpackungen und Umhüllungen (Säcke, Kartonagen,
Tuben, Dosen, Kisten und ähnliche Gegenstände), Etiketten oder
sonstigen handelsüblichen Hilfsmittel herzustellen und zu
bedrucken;
6. das Aufstellen, die Montage, der Austausch schadhaft
gewordener Bestandteile, die Nachfüllung von Behältern, das
Anbringen von Zubehör und die regelmäßige Wartung der
hergestellten, verkauften oder vermieteten Gegenstände;
7. das Sammeln und Behandeln von Abfällen; abfallrechtliche
Regelungen bleiben hievon unberührt;
8. Arbeiten, die im zulässigen Umfang ihrer Gewerbeausübung
liegen, zu planen;
9. Gesamtaufträge zu übernehmen, sofern ein wichtiger Teil
des Auftrages ihrem Gewerbe zukommt, jedoch unter der
Voraussetzung, dass sie die Arbeiten, für deren Ausführung sie
keine Gewerbeberechtigung besitzen, durch befugte Gewerbetreibende
ausführen lassen;
10. Waren zurückzunehmen, zu kaufen, zu verkaufen, zu
vermieten und zu vermitteln, soweit diese Tätigkeiten nicht
Gegenstand eines reglementierten Gewerbes sind;
11. einfache Tätigkeiten von reglementierten Gewerben, deren
fachgemäße Ausübung den sonst vorgeschriebenen Befähigungsnachweis nicht erfordert, auszuüben;
12. Teilgewerbe (§ 31 Abs. 2 ff) und die in § 162 Abs. 1 genannten freien Gewerbe auszuüben, soweit diese in fachlichem Zusammenhang mit der hauptberuflich ausgeübten gewerblichen Tätigkeit stehen;
13. die Ausübung des nicht konzessionspflichtigen
Werkverkehrs mit Gütern;
14. die Ausübung des nicht konzessionspflichtigen, nicht
linienmäßigen Personenwerkverkehrs;
15. die unentgeltliche Ausschank von Getränken; hiefür darf
jedoch nicht geworben werden und dürfen keine zusätzlichen Hilfskräfte noch ausschließlich diesem Ausschank dienende Räume verwendet werden.
(1a) Gewerbetreibenden steht auch das Erbringen von Leistungen anderer Gewerbe zu, wenn diese Leistungen die eigene Leistung wirtschaftlich sinnvoll ergänzen. Dabei dürfen die ergänzenden Leistungen insgesamt bis zu 30 vH des im Wirtschaftsjahr vom Gewerbetreibenden erzielten Gesamtumsatzes nicht übersteigen. Innerhalb dieser Grenze dürfen auch ergänzende Leistungen reglementierter Gewerbe erbracht werden, wenn sie im Fall von Zielschuldverhältnissen bis zur Abnahme durch den Auftraggeber oder im Fall von Dauerschuldverhältnissen bis zur Kündigung der ergänzten eigenen Leistungen beauftragt werden und sie außerdem bis zu 15 vH der gesamten Leistung ausmachen.
(2) Bei Ausübung der Rechte gemäß Abs. 1 und Abs. 1a müssen der wirtschaftliche Schwerpunkt und die Eigenart des Betriebes erhalten bleiben. Soweit dies aus Gründen der Sicherheit notwendig ist, haben sich die Gewerbetreibenden entsprechend ausgebildeter und erfahrener Fachkräfte zu bedienen.
...
1. Reglementierte Gewerbe
§ 94. Folgende Gewerbe sind reglementierte Gewerbe:
...
3. Bäcker (Handwerk)
...
19. Fleischer (Handwerk)
...
26. Gastgewerbe
...
Gastgewerbe
§ 111. (1) Einer Gewerbeberechtigung für das Gastgewerbe
(§ 94 Z 26) bedarf es für
1. die Beherbergung von Gästen;
2. die Verabreichung von Speisen jeder Art und den Ausschank
von Getränken.
(2) Keines Befähigungsnachweises für das Gastgewerbe bedarf
es für
1. den Ausschank und den Verkauf von in handelsüblich
verschlossenen Gefäßen abgefüllten Getränken durch zur Ausübung
des mit Omnibussen betriebenen Mietwagen-Gewerbes berechtigte
Gewerbetreibende an ihre Fahrgäste;
2. die Beherbergung von Gästen, die Verabreichung von Speisen
jeder Art und den Verkauf von warmen und angerichteten kalten Speisen, den Ausschank von Getränken und den Verkauf dieser Getränke in unverschlossenen Gefäßen im Rahmen eines einfach ausgestatteten Betriebes, der in einer für den öffentlichen Verkehr nicht oder nur schlecht erschlossenen Gegend gelegen und auf die Bedürfnisse der Bergsteiger und Bergwanderer abgestellt ist (Schutzhütte);
3. die Verabreichung von Speisen in einfacher Art und den
Ausschank von nichtalkoholischen Getränken und von Bier in handelsüblichen verschlossenen Gefäßen, wenn hiebei nicht mehr als acht Verabreichungsplätze (zum Genuss von Speisen und Getränken bestimmte Plätze) bereitgestellt werden;
4. die Beherbergung von Gästen, wenn nicht mehr als zehn
Fremdenbetten bereitgestellt werden, und die Verabreichung des Frühstücks und von kleinen Imbissen und der Ausschank von nichtalkoholischen Getränken und von Bier in handelsüblichen verschlossenen Gefäßen sowie von gebrannten geistigen Getränken als Beigabe zu diesen Getränken an die Gäste;
5. die Verabreichung von Speisen und den Ausschank von
Getränken nach Maßgabe des § 143 Z 7 der Gewerbeordnung 1994 in der Fassung vor dem In-Kraft-Treten der Novelle BGBl. I Nr. 111/2002, wenn die Verabreichung von Speisen und der Ausschank von Getränken im Zusammenhang mit der Ausübung des Buschenschankes (§ 2 Abs. 9) nach Maßgabe landesgesetzlicher Vorschriften erfolgt;
6. den Ausschank von nichtalkoholischen Getränken und den
Verkauf dieser Getränke in unverschlossenen Gefäßen, wenn der Ausschank oder der Verkauf durch Automaten erfolgt.
(3) Unter Verabreichung und unter Ausschank ist jede Vorkehrung oder Tätigkeit zu verstehen, die darauf abgestellt ist, dass die Speisen oder Getränke an Ort und Stelle genossen werden.
(4) Unbeschadet der den Gastgewerbetreibenden gemäß § 32 zustehenden Rechte stehen ihnen noch folgende Rechte zu:
1. das Einstellen von Fahrzeugen ihrer Gäste,
2. das Halten von Spielen,
3. soweit Gäste beherbergt werden, das Anbieten und die
Veranstaltung von Pauschalreisen sowie das Anbieten und die
vertragliche Zusage von verbundenen Reiseleistungen, jeweils
bestehend aus der Unterbringung im eigenen Betrieb und dem
Anbieten folgender sonstiger touristischer Leistungen: Ski- und
Liftkarten, Verleih von Sportausrüstung, Sport- und
Wanderführungen, Eintrittskarten für Veranstaltungen und
Freizeiteinrichtungen, Wellnessbehandlungen, Veranstaltung von
Tagesausflügen.
3a. die Ausübung von Tätigkeiten der Massage (§ 94 Z 48) an
den Beherbergungsgästen im Rahmen der Beherbergung, wenn die
Leistung durch facheinschlägig ausgebildete Fachkräfte, die
zumindest auf dem Niveau der Massage-Verordnung,
BGBl. II Nr. 68/2003 in der Fassung BGBl. II Nr. 20/2017,
ausgebildet sind, erbracht wird,
4. während der Betriebszeiten des Gastgewerbebetriebes der
Verkauf folgender Waren:
a) die von ihnen verabreichten Speisen und ausgeschenkten
Getränke, halbfertige Speisen, die von ihnen verwendeten
Lebensmittel sowie Reiseproviant;
b) Waren des üblichen Reisebedarfes (zB Treib- und
Schmierstoffe, Toiletteartikel, Badeartikel,
Fotoverbrauchsmaterial, Ansichtskarten, Lektüre, übliche
Reiseandenken);
c) Geschenkartikel.
Beim Verkauf von Waren gemäß lit. a bis c muss der Charakter des Betriebes als Gastgewerbebetrieb gewahrt bleiben. Liegt auch eine Berechtigung nach § 94 Z 3 oder Z 19 vor, genügt es, dass der Charakter des Betriebes als Bäcker oder Fleischer gewahrt bleibt, hiebei müssen Verabreichungsplätze bereit gestellt werden.
...
§ 368. Eine Verwaltungsübertretung, die mit einer Geldstrafe bis zu 1 090 Euro zu bestrafen ist, begeht, wer andere als in den §§ 366, 367 und 367a genannte Gebote oder Verbote dieses Bundesgesetzes oder der auf Grund dieses Bundesgesetzes erlassenen Verordnungen oder der Bescheide, die auf Grund der Bestimmungen dieses Bundesgesetzes oder auf Grund dieses Bundesgesetzes erlassener Verordnungen ergangen sind, nicht einhält.
...
§ 376.
...
14b (Gastgewerbe:)
...
(2) Gastgewerbetreibenden, die in den letzten sechs Monaten vor Inkrafttreten des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 85/2013 die Rechte des § 111 Abs. 4 Z 4 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 85/2012 ununterbrochen zulässigerweise an einem bestimmten Standort ausgeübt haben, stehen diese Rechte an diesem Standort weiterhin zu.
..."
11 1.2.2. Zur Entwicklung der in § 111 Abs. 4 Z 4 vorletzter Satz GewO 1994 für das Gastgewerbe enthaltenen "Wahrungsklausel":
12 § 191 Abs. 1 der Gewerbeordnung 1973, BGBl. Nr. 50/1974, berechtigte Gastgewerbetreibende auch dazu, Waren des üblichen Reisebedarfs und bestimmte Druckwerke zu verkaufen. Ebenso waren sie gemäß § 191 Abs. 2 GewO 1973 auch zum Verkauf von nichtangerichteten kalten Speisen, von halbfertigen Speisen, von Lebensmitteln, die in ihrem Gastgewerbebetrieb verwendet wurden, und von Reiseproviant berechtigt. Bei der Ausübung dieser Nebenrechte musste gemäß § 191 Abs. 3 GewO 1973 der Charakter des Betriebs als Gastgewerbebetrieb gewahrt bleiben. Gleichartige Verkaufsrechte sah § 96 Abs. 1 GewO 1973 für die Fleischer vor. Auch für Fleischer galt gemäß § 96 Abs. 2 GewO 1973, dass bei der Ausübung der Nebenrechte der Charakter des Betriebs als Erzeugungsbetrieb gewahrt bleiben musste.
13 Die Materialien zu § 191 GewO 1973 (RV 395 Blg NR 13. GP, 215) sind, was den Betriebscharakter anlangt, unergiebig. Zu § 96 GewO 1973 wird ausgeführt, die Vorlage vermeide die Ausdrücke "in untergeordnetem" oder "in nebensächlichem Umfang", die zu Auslegungsschwierigkeiten führen könnten. Um zum Ausdruck zu bringen, dass die Verkaufsrechte nicht die Haupttätigkeit des Fleischers bilden dürften, werde auf den Charakter des Betriebs als Erzeugungsbetrieb abgestellt (aaO, 177).
14 Nach der Wiederverlautbarung der GewO 1973 als GewO 1994 war die "Wahrungsklausel" für das Gastgewerbe in § 144 Abs. 3 enthalten. Im Zuge der Novelle BGBl. I Nr. 111/2002 wurde sie abgeschafft. Die Nebenrechte für das Gastgewerbe sind seither in § 111 GewO 1994 geregelt.
15 Mit der Novelle BGBl. I Nr. 85/2013 wurde die "Wahrungsklausel" für das Gastgewerbe in § 111 Abs. 4 Z 4 GewO 1994 wieder eingeführt (vgl. die Wiedergabe unter Pkt. 1.2.1.). Diese Wiedereinführung geht zurück auf einen im Plenum des Nationalrats gestellten Abänderungsantrag, dessen Begründung wie folgt lautete (200. Sitzung NR 24. GP, 184f):
"Zu § 111 Abs. 4 Z 4:
Derzeit stehen Gastgewerbetreibenden umfangreiche Verkaufsrechte zu. Auf den Charakter des Gastgewerbebetriebes nimmt der Gesetzgeber seit 2002 keinen Bezug mehr. Mit der Wiedereinführung des ‚Charakters des Betriebes' wird klargestellt, dass die Verkaufsrechte der lit. a) bis c) nur jenen Gastgewerbebetrieben zustehen, die tatsächlich einen gastgewerblichen Charakter aufweisen. ‚Charakter des Betriebes als Gastgewerbe' bedeutet, dass das Erscheinungsbild des Betriebes dem eines Gastgewerbebetriebes entspricht und der wirtschaftliche Schwerpunkt im Standort auf dem Gastgewerbe liegt.
Die erwähnten Handwerksbetriebe (Bäcker, Fleischer), die zugleich über eine Gastgewerbeberechtigung verfügen, haben diese Verkaufsrechte gemäß § 111 Abs. 4 Z 4 GewO 1994 ausgeübt, ohne den Charakter eines Gastgewerbes haben zu müssen. Diese Rechte sollen weiter erhalten bleiben. ‚Scheinbetriebe' sollen ausgeschlossen werden; Bäcker und Fleischer müssen daher Verabreichungsplätze nachweisen, um die Verkaufsrechte in Anspruch nehmen zu können. Hinsichtlich des Betriebscharakters wird es auch bei diesen Handwerken auf das Erscheinungsbild und den wirtschaftlichen Schwerpunkt ankommen."
16 2.1. Die Revision bringt zu ihrer Zulässigkeit vor, es fehle Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 111 Abs. 4 Z 4 GewO 1994 (idF BGBl. I Nr. 85/2013). Das Verwaltungsgericht sei auch vom (Vor‑)Erkenntnis VwGH 7.6.2017, Ra 2016/11/0063, insofern abgewichen, als kaum Augenmerk auf das angebotene Warensortiment gelegt worden sei. Zur Auslegung der in § 111 Abs. 4 Z 4 lit. a bis c GewO 1994 genannten (taxativ aufgezählten) Begriffe sei zu bemerken, dass es sich bei diesen Nebenrechten um Ausnahmebestimmungen handle, welche ihrem Wesen nach restriktiv auszulegen seien. Es sei daher nach Ansicht des Revisionswerbers eine "typisierende Einschränkung" vorzunehmen, bei der nicht nur der Charakter der einzelnen feilgebotenen Waren und deren Sortiment etc., sondern etwa auch die Lage der Betriebsanlage zu berücksichtigen sei und auch die Art und Weise der Warenpräsentation. Das umfangreiche Warensortiment eines Supermarktes, der an einem Ort liege, an dem gewöhnlich kein Reisender vorbeikomme, entspreche diesem Begriffsverständnis keinesfalls.
Ähnliches gelte für die gastgewerblich verwendeten Lebensmittel. Auch hier würde eine großzügige Auslegung zu einem grenzenlos zulässigen Angebot an Lebensmitteln führen. So entferne sich etwa "in Schutzatmosphäre verpacktes Faschiertes" sowie "Erzeuger-Originalpackungen von Tiefkühlgemüse, wie etwa Iglo-Creme-Spinat und Ähnliches" nach Ansicht des Revisionswerbers jedenfalls zu weit von dem gebotenen Begriffsverständnis.
In Bezug auf die Ausübung eines Nebenrechtes nach § 111 Abs. 4 Z 4 GewO 1994 sei zu fordern, dass dieses organisatorisch eng verbunden sei mit dem Hauptbetrieb und in Unterordnung unter diesen erfolge. Die Frage der Wahrung des Betriebscharakters könne sich erst und nur dann stellen, wenn das behauptete Nebenrecht überhaupt im Rahmen des Hauptbetriebes ausgeübt werde, also in Unterordnung und in organisatorischer und betrieblicher Einbindung in den Hauptbetrieb. Auf der Basis eines Nebenrechtes könne ein selbständiger Betrieb zulässigerweise nicht geführt werden. Im vorliegenden Fall seien auch die Leitlinien des Verwaltungsgerichtshofes zu Ermittlungspflichten im verwaltungsgerichtlichen Verfahren verlassen worden. Ein initiatives Ermittlungsverfahren zum Thema, ob der Warenverkauf während der Betriebszeiten des Gastgewerbebetriebes erfolgt sei, sei vollständig unterlassen worden. Die offen angebrachten unterschiedlichen Öffnungszeiten der beiden Betriebe seien unbeachtet geblieben, wobei das Verwaltungsgericht allein bei Beachtung dieses Umstands zu dem Ergebnis hätte kommen müssen, dass der Warenverkauf nicht dem § 111 Abs. 4 Z 4 GewO 1994 unterstellt werden könne, weil der Warenverkauf nach dieser Bestimmung ausdrücklich nur während der Betriebszeiten des Gastgewerbebetriebes stattfinden dürfe. Der Supermarkt öffne aber schon drei Stunden vor dem Gasthaus.
17 2.2. Die Revision ist schon deswegen zulässig, weil keine Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zur "Wahrungsklausel" des § 111 Abs. 4 Z 4 vorletzter Satz GewO 1994 vorliegt.
18 3. Die Revision ist auch begründet.
19 3.1. Im Revisionsfall ist strittig, ob sich die Mitbeteiligte auf die Ausnahmeregelung des § 2 Z 2 des Öffnungszeitengesetzes 2003 berufen kann. Danach ist der Warenverkauf im Rahmen eines Gastgewerbes in dem im § 111 Abs. 4 Z 4 GewO 1994 bezeichneten Umfang von den Bestimmungen des Öffnungszeitengesetzes 2003 und damit auch vom Gebot des § 3 leg. cit., an Sonntagen geschlossen zu halten, ausgenommen. 20 Die in § 111 Abs. 4 Z 4 GewO 1994 geregelte spezielle Nebenberechtigung (Verkaufsberechtigung) für das Gastgewerbe ist nicht unbeschränkt, sie steht nämlich nur den Gastgewerbetreibenden, nur während der Betriebszeiten des Gastgewerbebetriebes und letztlich nur hinsichtlich der taxativ aufgezählten Warengruppen zu (vgl. - jeweils noch zur Rechtslage vor der Novelle 2013 - VwGH 26.4.2013, 2011/11/0009; 2.3.2010, 2008/11/0126; vgl. auch zur im Revisionsfall maßgeblichen Rechtslage, die Mitbeteiligte betreffend, VwGH 7.6.2017, Ra 2016/11/0063). Da im Revisionsverfahren nicht strittig ist, dass der Betrieb erst nach dem für die Übergangsbestimmung des § 376 Z 14b Abs. 2 GewO 1994 maßgeblichen Stichtag aufgenommen wurde, weshalb § 111 Abs. 4 Z 4 GewO 1994 idF der Novelle 2013 anzuwenden ist, muss, damit sich die Mitbeteiligte auf diese Nebenrechte berufen kann, beim Warenverkauf zudem der Charakter des Betriebes als Gastgewerbebetrieb gewahrt bleiben. 21 Wird der damit vom Gesetz vorgegebene Rahmen überschritten, wird durch das Geöffnethalten von Verkaufsstellen an Sonntagen gegen § 3 des Öffnungszeitengesetzes 2003 verstoßen (vgl. erneut VwGH 7.6.2017, Ra 2016/11/0063).
22 3.2. Vor diesem Hintergrund erweist sich das angefochtene Erkenntnis schon aus folgenden Gründen als rechtswidrig:
23 3.2.1. Da § 2 Z 2 des Öffnungszeitengesetzes 2003 nur den Warenverkauf im Rahmen eines Gastgewerbes in dem in § 111 Abs. 4 Z 4 GewO 1994 bezeichneten Umfang von seinem Geltungsbereich ausnimmt und die in § 111 Abs. 4 Z 4 geregelte spezielle Verkaufsberechtigung den Gastgewerbetreibenden überdies nur zusteht, soweit beim Verkauf von Waren gemäß § 111 Abs. 4 Z 4 lit. a bis c GewO 1994 der Charakter des Betriebs als Gastgewerbebetrieb gewahrt bleibt, bedürfte das angefochtene Erkenntnis, das die Ausnahmebestimmung als erfüllt ansieht, hinsichtlich der Wahrung des Betriebscharakters als Gastgewerbebetrieb hinreichender begründeter Feststellungen. 24 3.2.2. Das Verwaltungsgericht legte seinem Erkenntnis die Angaben der Mitbeteiligten zugrunde, denen zufolge das Verhältnis des Gesamtumsatzes von Gastgewerbe zu Verkaufsbereich ca. 90 zu 10 betrage, und begründete seine Annahme, dass der Charakter als Gastgewerbebetrieb gewahrt worden sei, zusätzlich mit dem Verhältnis der Flächen im Verkaufsbereich zu denen im Verabreichungs- und Ausschankbereich sowie mit der großen Zahl der in letzterem beschäftigten Arbeitnehmer. Es seien keine Zweifel verblieben, dass der wirtschaftliche Schwerpunkt des Betriebs unzweifelhaft im Bereich des Gastgewerbes anzusiedeln sei. 25 Hinsichtlich der zum Kontrollzeitpunkt angebotenen Waren übernimmt das Verwaltungsgericht erkennbar die im Straferkenntnis angeführte Umschreibung "Waren wie Aufstriche, alkoholische und nichtalkoholische Getränke in verschlossenen Gefäßen, Leberkäsesemmel, Kekse, frische Semmeln, Brot, Zigaretten, Red Bull, Fleisch und Wurst, Tiefkühlgemüse, 6er Gebinde Mineralwasserflaschen etc.". Ergänzend führt es nichtalkoholische Getränke im Tetra Pak, Frankfurter, Krainerwürstel und Faschiertes in Verpackungen sowie "Kaffeepackungen, Geschenkartikel, wie kleine Marmeladen, kleine Stofftiere, kleine Getränkefläschchen etc." an. Diese Waren hätten sich in einem für Kunden zugänglichen Bereich befunden, während andere Waren zwischen Regalen mittels zweier Ketten derart abgesperrt gewesen seien, dass für Kunden ersichtlich gewesen sei, dass diese nicht zugänglich seien und auch nicht angeboten würden.
26 Hinsichtlich der Öffnungszeiten hat das Verwaltungsgericht schließlich festgestellt, dass das Gastgewerbe im Kontrollzeitpunkt betrieben worden sei, der Verkauf mithin während der Betriebszeiten des Gastgewerbes stattgefunden habe. 27 3.2.3. Seit der Wiedereinführung der "Wahrungsklausel" mit der Novelle BGBl. I Nr. 85/2013 verlangt § 111 Abs. 4 Z 4 vorletzter Satz GewO 1994, dass beim "Verkauf von Waren gemäß lit. a bis c ... der Charakter des Betriebes als Gastgewerbebetrieb gewahrt bleiben" muss. Wie die unter Pkt. 1.2.2. wiedergegebenen Materialien zeigen, sollte die Wendung "Charakter des Betriebes als Gastgewerbebetrieb" bedeuten, dass einerseits das Erscheinungsbild des Betriebs dem eines Gastgewerbebetriebs entspricht und andererseits der wirtschaftliche Schwerpunkt im Standort auf dem Gastgewerbe liegt. Dass beide Voraussetzungen kumulativ vorliegen müssen, kann nicht ernsthaft bezweifelt werden.
28 Daraus folgt aber, dass eine Wahrung des Betriebscharakters bereits dann nicht vorliegt, wenn etwa nur der wirtschaftliche Schwerpunkt auf dem Gastgewerbe liegt.
29 Um die Wahrung des Betriebscharakters als Gastgewerbebetrieb bejahen zu können, bedarf es - ausgehend von den erlangten Beweisergebnissen - jedenfalls entsprechender Feststellungen zum Erscheinungsbild des Betriebs.
30 Solche enthält das angefochtene Erkenntnis nur unzureichend. Insbesondere fehlt ein Eingehen auf die anlässlich der Kontrolle gemachten Fotos (zB. AS 281), die darauf hinweisen dürften, dass im Kontrollzeitpunkt - nur auf diesen kommt es im Hinblick auf die behördliche Tatanlastung an - der Warenverkauf im Rahmen eines für den Kunden vom Gastgewerbebetrieb räumlich abgetrennten, unmittelbar von der Straße aus betretbaren Lebensmittelmarktes, wenn auch wie festgestellt nur auf einer Verkaufsfläche von ca 117 m2, erfolgte. Dass es sich (ausweislich der Fotos) nach dem Erscheinungsbild um einen kleineren Lebensmittelsupermarkt handelt, indiziert nicht nur der groß außen aufscheinende Name "N", sondern insbesondere das relativ umfangreiche Angebot an Getränkegebinden (nichtalkoholische ebenso wie Bier und Wein), an abgepackten Wurstwaren, Salzgebäck und Süßwaren, ebenso an Tiefkühlgemüse und Speiseeis, sowie ausweislich der genannten Fotos auch die unterschiedlichen Öffnungszeiten (im Verkaufsgeschäft 6 Uhr 30 bis 22 Uhr, im Lokalbereich 8 Uhr bis 24 Uhr).
31 Gegen die Annahme, dass das Erscheinungsbild des Betriebs ohne weiteres einem Gastgewerbebetrieb entspricht, spricht schließlich auch folgende Überlegung:
Das Verwaltungsgericht hat festgestellt, dass eine Reihe von Warengruppen (anders als noch in der dem Erkenntnis VwGH 7.6.2017, Ra 2016/11/0063, zugrundeliegenden Fallkonstellation) zum Kontrollzeitpunkt nicht angeboten wurden. Es geht aber offenkundig davon aus, dass diese Warengruppen, die sich keinesfalls unter die in § 111 Abs. 4 Z 4 GewO 1994 angeführten subsumieren lassen, während der nach dem Öffnungszeitengesetz 2003 erlaubten Verkaufszeiten für Verkaufsstellen (vgl. § 3 leg.cit.) sehr wohl, wenn auch im Rahmen der Ausübung eines Handelsgewerbebetriebs, angeboten werden. Daraus folgt aber, dass der in Rede stehende, von der Straße aus direkt begehbare Verkaufsbereich, der unzweifelhaft eine Verkaufsstelle iSd. Öffnungszeitengesetzes 2003 darstellt, zu diesen Zeiten nach seiner Aufmachung ungeachtet einer Verbindungstür zum Gastgewerbebereich als kleiner Supermarkt und nicht etwa als Teilbereich eines Gastgewerbebetriebs in Erscheinung tritt. Es ist nicht nachvollziehbar, dass durch die Unzugänglichmachung einzelner Waren durch Ketten dem Kriterium der Wahrung des Erscheinungsbildes als Gastgewerbebetrieb entsprochen wäre.
32 Es wäre nach den bisherigen Darlegungen Aufgabe des Verwaltungsgerichtes gewesen, im Rahmen einer sämtliche Beweismittel verwertenden Gesamtbetrachtung nachvollziehbare Feststellungen zum Erscheinungsbild des Verkaufsbereichs zu treffen und darzulegen, aus welchen Gründen es davon ausgeht, dass das Erscheinungsbild als Gastgewerbebetrieb (noch) gewahrt bleibt oder nicht (mehr) gewahrt bleibt.
33 3.3. Das angefochtene Erkenntnis, welches hinsichtlich der "Wahrungsklausel" auf einer unrichtigen Rechtsansicht beruht, war aus diesen Erwägungen gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben. 34 4. Aufwandersatz war nicht zuzusprechen, weil in den Fällen des Art. 133 Abs. 6 Z 2 bis 4 B-VG die belangte Behörde keinen Anspruch darauf hat.
Wien, am 2. August 2019
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