Normen
ABGB §932
AÜG §17 Abs2
AÜG §4 Abs1
AÜG §4 Abs2
EURallg
31996L0071 Entsende-RL Art1 Abs3
32014L0067 Durchsetzung-RL Entsendung Arbeitnehmern Art4 Abs1
62009CJ0307 Vicoplus VORAB
62013CJ0586 Martin Meat VORAB
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2018:RA2018110061.L00
Spruch:
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wurde - in Bestätigung eines entsprechenden Straferkenntnisses der belangten Behörde - dem Revisionswerber als Geschäftsführer und damit zur Vertretung nach außen berufenem Organ der C GmbH (im Folgenden auch: Ca) angelastet, es zu verantworten, dass seitens der Ca, die inländische Beschäftigerin von acht näher genannten, von der C Kft. (im Folgenden auch: Cs) als Arbeitgeberin grenzüberschreitend überlassenen ungarischen Arbeitnehmern gewesen sei, entgegen § 7d Abs. 1 und 2 AVRAG die Lohnunterlagen betreffend diese Arbeitnehmer nicht am Einsatzort bereitgehalten worden seien, wie anlässlich der finanzpolizeilichen Kontrolle am 14. Juli 2015 auf der Baustelle in F festgestellt worden sei. Über den Revisionswerber wurden deshalb gemäß § 7i Abs. 4 Z 3 iVm § 7d Abs. 1 und 2 AVRAG acht Geldstrafen in Höhe von jeweils EUR 2.000,-
- bzw. Ersatzfreiheitsstrafen verhängt. Die ordentliche Revision wurde nicht zugelassen.
2 Dieser Entscheidung legte das Verwaltungsgericht folgende Feststellungen zu Grunde:
3 Die Ca habe im Auftrag der G GmbH im Zuge der Neuerrichtung eines Firmengebäudes für einen Produktionsbetrieb in F die Lüftungs-, Sanitär-, Heizungs- und Kälteanlage errichtet.
4 Die Cs mit Sitz in Budapest habe auf der Baustelle, wie bei einer Kontrolle durch die Finanzpolizei am 14. Juli 2015 festgestellt worden sei, im Auftrag der Ca die Montage der Rohrleitungen für die Lüftungs-, Sanitär-, Heizungs- und Kälteanlage durchgeführt. Die Arbeitnehmer der Cs, näher genannte ungarische Staatsangehörige, jeweils seit 15. Juni bzw. 29. Juni 2015 bei der Cs beschäftigt, seien mit der Durchführung der Montagearbeiten befasst gewesen.
5 Der Auftrag sei mit Auftragsschreiben der Ca an die Cs vom 12. Juni 2015 erteilt worden. Als Entgeltgrundlage sei eine Abrechnung laut Aufmaß sowie als Vertragsgrundlage die Bedingungen laut Verhandlungsprotokoll vom 2. Juni 2015 vereinbart worden. Diesem Protokoll sei zu entnehmen, dass als Liefer- und Leistungsumfang die Montage gemäß Einheitspreisen nach Aufmaß gemäß dem Angebot einer Beilage 1 vereinbart worden sei. Als Auftragsgrundlagen seien weiters die besonderen Einkaufsbedingungen der Ca für Subunternehmerleistungen, deren Allgemeine Einkaufsbedingungen und das Leistungsverzeichnis vereinbart worden. Im Verhandlungsprotokoll vom 2. Juni 2015 sei ausdrücklich festgehalten, dass Hebebühnen und Spezialwerkzeug von der Ca zur Verfügung gestellt würden. In den Allgemeinen Einkaufsbedingungen sei unter Punkt 10.2 festgehalten, dass der Auftragnehmer (also die Cs) für sämtliche Lieferungen und Leistungen auf die Dauer von mindestens drei Jahren - vorbehaltlich längerer gesetzlicher oder vertraglicher Fristen - die volle und uneingeschränkte Garantie für die auftragsgemäße Ausführung und Mängelfreiheit übernehme.
6 Die Hauptleitung für die Anlage sei von der Ca montiert worden, alle weiteren Rohrleitungen durch die Arbeitnehmer der Cs. Dabei sei das Material durch die Ca zur Verfügung gestellt worden, ebenso das komplette Werkzeug wie Hebebühnen, Schweißgeräte, Richtmaschinen und Kleinwerkzeug wie Winkelschleifer, Elektrokabel usw.
7 Auf der Baustelle hätten die Arbeitnehmer der Cs vom Bauleiter der Ca täglich in der Früh einen Plan bekommen, in dem die Leitungsführung eingezeichnet gewesen sei. Daraufhin hätten die Arbeitnehmer die im Plan eingezeichneten Rohrleitungen montiert. Den Plan habe der Vorarbeiter der Cs vom Bauleiter der Ca erhalten, daraufhin hätten die Arbeitnehmer der Cs die Arbeiten selbständig durchgeführt. Die täglich zu verrichtenden Arbeiten habe der Bauleiter der Ca bestimmt. Die Arbeitnehmer der Cs hätten nicht selbst bestimmen können, welche Arbeiten sie an einem beliebigen Tag verrichten. Der Bauleiter der Ca habe die Arbeiten der Arbeitnehmer der Cs kontrolliert. Er habe dabei darauf geachtet, ob die schweren Rohrleitungen auch richtig überall auf den Polsterhölzern montiert worden seien, was besonders wichtig gewesen sei, weil es sich um einen Holzriegelbau gehandelt habe. Er habe zumindest einmal am Tag die durchgeführten Arbeiten kontrolliert; habe er dabei entdeckt, dass eine Rohrleitung nicht auf einem Polsterholz montiert gewesen sei, habe er den Vorarbeiter der Cs auf die falsche Montage hingewiesen, und sei das dann geändert, also richtig montiert worden. Die Arbeitszeiten der Arbeitnehmer der Ca und der Cs seien ident gewesen. Die Zahl der von der Cs auf der Baustelle in Erfüllung des Auftrags zum Einsatz gebrachten Arbeitnehmer sei zuvor nicht vertraglich festgelegt worden. Die Arbeitnehmer der Cs seien in Ungarn zur Sozialversicherung angemeldet gewesen. Einstellung, Kündigung, Krankenstand und Lohnverrechnung seien durch die Cs in Ungarn abgewickelt worden. Am Einsatzort in Inland seien für die ungarischen Arbeitskräfte der Cs keine Lohnunterlagen gemäß § 7d AVRAG bereitgehalten worden.
8 Im Rahmen der Beweiswürdigung verwies das Verwaltungsgericht im Wesentlichen auf die im Rahmen der Beschwerdeverhandlung durchgeführte Einvernahme des Bauleiters der Ca, des Geschäftsführers der Cs, des Einkaufsleiters der Ca und der die Erhebungen vor Ort durchführenden Mitarbeiterin der Finanzpolizei in Verbindung mit den im Akt liegenden Unterlagen. Konträre Beweisergebnisse habe es lediglich zur Frage der Zurverfügungstellung des Werkzeugs seitens der Ca an die Cs gegeben, wobei diesbezüglich - wonach also das "komplette" Werkzeug von der Ca der Cs zur Verfügung gestellt worden sei - der Erstaussage des Baustellenleiters gefolgt worden sei, weil anzunehmen sei, er hätte bei seinen diesbezüglichen detaillierten Angaben vor Ort jedenfalls auf weiteres, nicht durch Ca beigestelltes Kleinwerkzeug verwiesen, hätte es solches gegeben.
9 Im Rahmen der rechtlichen Beurteilung führte das Verwaltungsgericht im Wesentlichen Folgendes aus:
10 Nach "bisheriger ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs" sei bei Erfüllung auch nur eines der im § 4 Abs. 2 Z 1 bis 4 AÜG genannten Tatbestandsmerkmale jedenfalls dem wirtschaftlichen Gehalt nach Arbeitskräfteüberlassung und nicht ein Werkvertrag vorgelegen. Einer Gesamtbeurteilung des Sachverhalts iSd § 4 Abs. 1 AÜG habe es nur dann bedurft, wenn der Tatbestand keiner der vier Ziffern des § 4 Abs. 2 AÜG zur Gänze erfüllt gewesen sei.
11 Aus den Feststellungen ergebe sich, dass bei der zu errichtenden Anlage die Ca die Hauptleitung und die Cs alle weiteren Rohrleitungen dieser Anlage errichtet und verlegt habe. Insgesamt betrachtet könne daher von keinem unterscheidbaren Werk gesprochen werden, weil beide Unternehmen Rohrleitungen für die Lüftungs-, Sanitär-, Heizungs- und Kälteanlage verlegt hätten und die Anlagen weder ohne Haupt- noch ohne Nebenleitungen funktionierten. Es liege daher kein von den Produkten und Dienstleistungen des Werkbestellers abweichendes, unterscheidbares Werk vor. § 4 Abs. 2 Z 1 AÜG sei daher im Wesentlichen erfüllt. Daraus allein könne aber noch nicht abgeleitet werden, dass Arbeitskräfteüberlassung vorliege. Der Umstand, dass ein Unternehmer eine Leistung, die er auch selbst erbringen könnte, an einen anderen auslagere, bedeute nicht zwingend, dass er diesen anderen wie einen eigenen Arbeitnehmer einsetze.
12 Das Kriterium nach § 4 Abs. 2 Z 2 AÜG sei erfüllt, weil das Material durch die Ca beigestellt worden sei, ebenso wie das verwendete Werkzeug.
13 Zum Kriterium des § 4 Abs. 2 Z 3 AÜG, also der organisatorischen Eingliederung der Arbeitskräfte in den Betrieb des Werkbestellers und deren Unterstehen dessen Dienst- und Fachaufsicht, sei auf die identen Arbeitszeiten der Arbeitnehmer der Ca und der Cs hinzuweisen. Der Bauleiter der Ca habe die Arbeitseinteilung vorgegeben und angewiesen, welche Arbeiten täglich zu verrichten seien. Auch wenn die diesbezüglichen Anweisungen nur an den Vorarbeiter der Cs erteilt worden seien, müsse davon ausgegangen werden, dass sämtliche Arbeitnehmer der Cs unter der Arbeitseinteilung des Baustellenleiters der Ca gestanden hätten. Die von ihnen durchgeführten Arbeiten seien durch den Baustellenleiter der Ca auch täglich kontrolliert und vorgefundene Montagefehler korrigiert worden. Man könne daher von einer laufenden begleitenden Kontrolle und Fachaufsicht der Arbeitskräfte der Cs durch den Bauleiter der Ca sprechen, die über eine bloße (abschließende) Kontrolle eines Werks auf dessen fachgerechte Erfüllung bzw. über bloße Koordinationsaufgaben hinausgegangen sei. § 4 Abs. 2 Z 3 AÜG, sei daher, abgesehen von der Ausübung der Dienstaufsicht, die in den Händen der Cs selbst gelegen sei, die Einstellung, Kündigung und die Abwicklung von Krankenstand und Lohnverrechnung durchgeführt habe, erfüllt.
14 Das Kriterium des § 4 Abs. 2 Z 4 AÜG sei unstrittig nicht erfüllt, weil die Cs für den Erfolg der Werkleistung gegenüber der Ca hafte.
15 Im Rahmen einer Gesamtbeurteilung des wahren wirtschaftlichen Gehalts überwögen die Merkmale, die auf eine Arbeitskräfteüberlassung hindeuten, zumal kein vom Werkbesteller unterscheidbares Werk durch die Arbeitnehmer der Cs hergestellt worden sei, die Material- und Werkzeugbeistellung durch den Auftraggeber erfolgt sei, ebenso wie die Arbeitseinteilung und Erfolgskontrolle, und lediglich die Haftung des Werkunternehmers für den Erfolg der Werkleistung gegeben sei.
16 Nach der "nunmehr jüngsten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (VwGH 22.8.2017, Ra 2017/11/0068)" sei bei der Frage, ob es sich um einen echten Werkvertrag oder um grenzüberschreitende Arbeitskräfteüberlassung handle, aber auch die Judikatur des EuGH und somit das Unionsrecht zu berücksichtigen.
17 Nach den vom EuGH in seinem Urteil Rs C-307-309/09 geprägten Kriterien läge Arbeitskräfteüberlassung iSd Art. 1 Abs. 3 lit. c der Richtlinie 96/71 dann vor, wenn es sich erstens um eine gegen Entgelt erbrachte Dienstleistung handle, bei der der Arbeitnehmer im Dienst des die Dienstleistung erbringenden Unternehmens bleibe, ohne dass ein Arbeitsvertrag mit dem verwendenden Unternehmen geschlossen werde, wenn zweitens der Wechsel des Arbeitnehmers in den Aufnahmemitgliedstaat der eigentliche Gegenstand der Dienstleistung sei und wenn drittens der Arbeitnehmer seine Aufgabe unter Aufsicht und Leitung des verwendenden Unternehmens wahrnehme.
18 Entsprechend dem Urteil Rs C-586/13 sei dabei jeder Anhaltspunkt zu berücksichtigen, ob der Wechsel des Arbeitnehmers in den Aufnahmemitgliedstaat der eigentliche Gegenstand der Dienstleistung des erbringenden Unternehmens sei. Dabei sei insbesondere zu berücksichtigen, ob der Dienstleistungserbringer die Folgen der nichtvertragsgemäßen Ausführung der im Vertrag vereinbarten Leistung trage, sowie ob es dem Dienstleistungserbringer freistehe, die Zahl der Arbeitnehmer zu bestimmen, deren Entsendung er für sachgerecht halte. Eine Kontrolle der Vertragsgemäßheit der erbrachten Leistungen oder allgemeine Anweisungen an die Arbeitnehmer des Dienstleistungserbringers durch den Dienstleistungsempfänger rechtfertigten hingegen nicht die Schlussfolgerung, es liege Arbeitskräfteüberlassung vor.
19 Im Revisionsfall sei zu berücksichtigen, dass die Arbeitnehmer der Cs arbeitsvertraglich an diese gebunden seien und dass kein Arbeitsvertrag mit der Ca bestehe. Zur Frage, ob der Wechsel des Arbeitnehmers in den Aufnahmemitgliedstaat der eigentliche Gegenstand der Dienstleistung sei, sei auszuführen, "dass der Ortswechsel nach Österreich Voraussetzung dafür ist, dass die Arbeitsaufträge erfüllt werden können und ist daher ein wesentlicher Gegenstand der Dienstleistung der Cs gegeben".
20 Auch wenn die Cs die Haftung für die vertraglich vereinbarte Leistung trage, sei darauf hinzuweisen, dass die Vergütung des Dienstleistungserbringers nur von der Menge der erbrachten Leistung (Vergütung nach Einheitspreisen bzw. Abrechnung nach Aufmaß) abhänge und nicht auch von der Qualität der erbrachten Leistung. Es sei auch nicht erforderlich gewesen, die Vergütung von der Qualität der erbrachten Dienstleistung abhängig zu machen, weil eine laufende Kontrolle und nicht bloß eine abschließende Kontrolle eines Werks auf fachgerechte Erfüllung erfolgt sei. Wegen der täglichen laufenden Kontrolle der erbrachten Dienstleistung könne man im Revisionsfall auch von einer Fachaufsicht durch den Beschäftiger sprechen. Die genaue Zahl der entsendeten Arbeitskräfte sei vertraglich nicht festgelegt gewesen, jedoch habe eine vorvertragliche Kalkulation durch den Überlasser ziemlich genau ergeben müssen, welche Zahl an Arbeitskräften für die Erbringung der festgelegten Dienstleitung erforderlich gewesen sei. Das zweite Kriterium des EuGH für das Vorliegen einer Arbeitskräfteüberlassung sei demnach erfüllt.
21 Auch das dritte Kriterium sei erfüllt, weil die Arbeitnehmer ihre Tätigkeit unter der Leitung, Fachaufsicht und Kontrolle der Ca verrichtet hätten. Auch bei unionsrechtskonformer Auslegung der österreichischen Gesetze liege daher Arbeitskräfteüberlassung vor.
22 Da bei einer grenzüberschreitenden Arbeitskräfteüberlassung die Verpflichtung zur Bereithaltung der Lohnunterlagen den inländischen Beschäftiger treffe (§ 7d Abs. 2 AVRAG), sei der Revisionswerber als Geschäftsführer der Ca somit verwaltungsstrafrechtlich verantwortlich. Glaubhaft zu machen, dass ihn an der gegenständlichen Verwaltungsübertretung kein Verschulden treffe, sei ihm nicht gelungen, weshalb zumindest von Fahrlässigkeit auszugehen sei (§ 5 Abs. 1 VStG).
23 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende, zusammen mit den Verfahrensakten vorgelegte - außerordentliche - Revision.
24 Die belangte Behörde hat eine Revisionsbeantwortung erstattet:
25 Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
26 Im Revisionsfall wurde dem Revisionswerber angelastet, entgegen § 7d Abs. 2 AVRAG die Lohnunterlagen der auf der Baustelle eingesetzten ungarischen Arbeitskräfte nicht bereitgehalten zu haben. Das Vertragsverhältnis zwischen der Ca und der Cs sei nicht als Werkvertrag zu qualifizieren, sondern als (grenzüberschreitende) Arbeitskräfteüberlassung, weshalb die Ca als inländische Beschäftigerin anzusehen sei, welche die Verpflichtung zur Bereithaltung der Lohnunterlagen betreffend die ihr überlassenen Arbeitskräfte treffe.
27 Der Verwaltungsgerichtshof hat im Erkenntnis vom 22. August 2017, Ra 2017/11/0068, unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des EuGH (u.a. Urteil vom 18.6.2015, C-586/13 , "Martin Meat") dargelegt, welche Kriterien unter Berücksichtigung des Unionsrechts für die Beurteilung der auch gegenständlich entscheidungsrelevanten Frage, ob ein Vertragsverhältnis als grenzüberschreitende Arbeitskräfteüberlassung oder als Werkvertrag zu beurteilen ist, maßgebend sind:
"Aus dem zitierten Urteil des EuGH, C-586/13 , ergibt sich somit, dass für die Beurteilung, ob ein Sachverhalt als grenzüberschreitende Arbeitskräfteüberlassung zu beurteilen ist und die in § 17 Abs. 2 AÜG genannte Meldepflicht nach sich zieht, aus unionsrechtlicher Sicht ¿jeder Anhaltspunkt' zu berücksichtigen ist und somit unter mehreren Gesichtspunkten (nach dem ¿wahren wirtschaftlichen Gehalt'; vgl. das zitierte hg. Erkenntnis Zl. 2012/09/0130 mit Bezugnahme auf das dem Urteil ¿Martin Meat' vorausgegangene Urteil des EuGH ¿Vicoplus', C-307/09 bis C-309/09 ) zu prüfen ist (vgl. zur ¿Gesamtbeurteilung aller Umstände' auch Art. 4 Abs. 1 der RL 2014/67/EU zur Durchsetzung der Richtlinie 96/71/EG über die Entsendung von Arbeitnehmern im Rahmen der Erbringung von Dienstleistungen, samt dortigem fünften Erwägungsgrund).
Im Speziellen sind dabei entsprechend dem Urteil ¿Martin Meat' die Fragen, ob die Vergütung/das Entgelt auch von der Qualität der erbrachten Leistung abhängt bzw. wer die Folgen einer nicht vertragsgemäßen Ausführung der vertraglich festgelegten Leistung trägt (Rn 35 ff des EuGH-Urteils), ob also der für einen Werkvertrag essenzielle ¿gewährleistungstaugliche' Erfolg vereinbart wurde (vgl. abermals das zitierte hg. Erkenntnis Zl. 2012/09/0130, mwN), wer die Zahl der für die Herstellung des Werkes jeweils konkret eingesetzten Arbeitnehmer bestimmt (Rn 38) und von wem die Arbeitnehmer die genauen und individuellen Weisungen für die Ausführung ihrer Tätigkeiten erhalten (Rn 40 des EuGH-Urteils), von entscheidender Bedeutung."
28 An diese Entscheidung anknüpfend hat der Verwaltungsgerichtshof jene Revisionsfälle, in denen bei der Beurteilung des Vorliegens von Arbeitskräfteüberlassung die nach dieser Judikatur maßgebenden Kriterien im Rahmen einer Gesamtbeurteilung herangezogen wurden bzw. in denen das Verwaltungsgericht einzelnen dieser Kriterien ein höheres, anderen aber ein geringeres Gewicht beigemessen hat, wegen ihrer einzelfallbezogenen Bedeutung als nicht revisibel angesehen (vgl. etwa VwGH 20.9.2017, Ra 2017/11/0024 bis 0029 und Ra 2017/11/0016, VwGH 3.1.2018, Ra 2017/11/0207, VwGH 8.2.2018, Ra 2017/11/0206, VwGH 23.4.2018, Ra 2017/11/0221, 0222, 16.5.2018, Ra 2018/11/0088, 20.7.2018, Ra 2018/11/0053, 20.9.2018, Ra 2018/11/0112, 25.9.2018, Ra 2018/11/0174).
29 Anders als in den soeben genannten Fällen und ebenso wie in den den Erkenntnissen des Verwaltungsgerichtshofs vom 22. Februar 2018, Ra 2018/11/0014, und vom 28. März 2018, Ra 2018/11/0026, zu Grunde liegenden Fällen erfolgte im Revisionsfall zwar eine ausdrückliche Bezugnahme auf VwGH Ra 2017/11/0068 samt einer Beurteilung unter mehreren Gesichtspunkten, es wurden aber die für die vorzunehmende Abwägungsentscheidung maßgeblichen Kriterien nicht bzw. nicht mängelfrei herangezogen.
30 Das Verwaltungsgericht hat die Auffassung vertreten, die Cs habe kein von den Leistungen der Ca abweichendes und unterscheidbares Werk geschaffen, was für Arbeitskräfteüberlassung und gegen die Qualifikation als Werkvertrag spreche. Zwar trifft es zu, dass eine mangelnde Unterscheidbarkeit des Werks zu den Gesichtspunkten zählt, die bei der erforderlichen Gesamtbeurteilung aller Umstände eine wesentliche Rolle spielen:
Könnte - mangels Unterscheidbarkeit - gar nicht festgestellt werden, welches "Werk" vom Werkunternehmer bzw. Dienstleistungserbringer hergestellt wurde, würde dies dafür sprechen, dass die vertragliche Leistungspflicht gar nicht auf die Erstellung eines Werks gerichtet war, sondern auf die Zurverfügungstellung von für die Werkherstellung erforderlichen Arbeitskräften. In diesem Fall käme auch einer dessen ungeachtet vereinbarten vertraglichen Haftung des Werkunternehmers nur untergeordnete Bedeutung zu, weil dann - Haftung bzw. Gewährleistung stellt letztlich die "Kehrseite der vertraglichen Leistungspflicht" dar (Mazal in Festschrift Krejci (2001), Arbeitskräfteüberlassung und Werkvertragserfüllung, 1593) -
regelmäßig gar nicht beurteilt werden könnte, ob die haftungsbegründenden Voraussetzungen erfüllt sind.
31 Die Argumentation des Verwaltungsgerichts zur fehlenden Unterscheidbarkeit (beide Unternehmen hätten Rohrleitungen für die Anlage verlegt, diese würde weder ohne Haupt- noch ohne Nebenleitungen funktionieren) ist aber nicht tragfähig: Der hervorgehobene notwendige Zusammenhang der jeweiligen Leistungen ist regelmäßig kennzeichnendes Element von Bauleistungen, die erst durch das notwendige Zusammenspiel unterschiedlicher Gewerke benützbar bzw. funktionsfähig werden.
32 Im gegebenen Zusammenhang entscheidend erscheint vielmehr, dass dann, wenn von Ca die Hauptleitung verlegt wurde, von Cs die übrigen (Neben)-Leitungen, eine Abgrenzung der jeweils erbrachten Leistungen (ebenso wie etwa bei einer abschnitts- oder geschoßweisen Herstellung) entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts ohne weiteres möglich ist (solange klar ist, was Haupt- und was Nebenleitung ist).
33 Der - grundsätzlich für Werkvertrag und gegen Arbeitskräfteüberlassung sprechende - Umstand, dass Cs die Haftung für die vereinbarte Leistung übernommen hat, wurde vom Verwaltungsgericht dadurch relativiert, dass die Vergütung des Dienstleistungserbringers (der Cs) "nur von der Menge der
erbrachten Leistungen ... nicht auch von (deren) Qualität"
abhängig gewesen sei; ein Abhängigmachen auch von der Qualität sei nicht erforderlich gewesen, weil "eine laufende und nicht eine abschließende Kontrolle eines Werkes auf fachgerechte Erfüllung" erfolgt sei.
34 Nun ist zwar die Frage, ob die Vergütung bzw. das Entgelt auch von der Qualität der erbrachten Leistung abhängt bzw. wer die Folgen einer nicht vertragsgemäßen Ausführung der Leistung trägt, ein wesentlicher Abgrenzungsgesichtspunkt (vgl. VwGH Ra 2017/11/0068, Rn. 33). Die tragende Annahme des Verwaltungsgerichts ist aber nicht schlüssig begründet: Die Abrechnung nach Ausmaß und Einheitspreisen ist charakteristisch für Bauleistungen, wie die Revision mit Recht betont. Dass die Vergütung (also der Entgeltanspruch des Werkunternehmers) entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts auch von der Qualität der erbrachten Leistung abhängt, ergibt sich schon aus den diesbezüglichen gesetzlichen Gewährleistungsbestimmungen, die dem Werkbesteller nicht nur ein Recht auf (teilweise) Zurückbehaltung des Werklohns zur Sicherung der Gewährleistungsansprüche, sondern gegebenenfalls auch ein Preisminderungsrecht einräumen (§ 932 ABGB). Dass die gesetzlichen Gewährleistungsregeln im Vertrag zwischen Ca und Cs etwa ausgeschlossen worden wären, wurde vom Verwaltungsgericht nicht festgestellt. Im Übrigen negiert die dargestellte Auffassung des Verwaltungsgerichts auch den Umstand, dass - der Aktenlage nach - auch insofern ein gewährleistungstauglicher Erfolg vereinbart wurde, als im "Verhandlungsprotokoll" näher genannte Ausführungstermine "pönalisiert" wurden.
35 Verfehlt ist auch das Argument des Verwaltungsgerichts, eine qualitätsabhängige Entgeltfestlegung sei schon wegen der laufenden und nicht bloß abschließenden Kontrolle der Leistungen der Cs auf fachgerechte Erfüllung nicht notwendig gewesen, fehlt doch schon jeder Beleg dafür, dass die festgestellte laufende Kontrolle (der Lage der Leitungen auf Polsterhölzern) durchgehend war und ein Auftreten bzw. Bestehenbleiben von Mängeln verlässlich ausschloss. Zudem schließt eine laufende Kontrolle die Gewährleistung nicht aus.
36 Nicht nachvollziehbar ist auch die Argumentation des Verwaltungsgerichts hinsichtlich der Festlegung der Anzahl der letztlich entsandten Arbeitskräfte: Wenn diese Zahl das Ergebnis der "vorvertraglichen Kalkulation durch den Überlasser" (die Cs) ist, also davon abhängt, wie viele dieser für die Erbringung der festgelegten Dienstleistungen für erforderlich hält, spricht dies (vgl. Rn. 38 von Martin Meat) deutlich für Entsendung und damit für einen Werkvertrag, nicht aber für Arbeitskräfteüberlassung.
37 Entgegen der rechtlichen Beurteilung des Verwaltungsgerichts schließlich erlauben die von ihm getroffenen Feststellungen auch nicht ohne weiteres das Bejahen einer Aufsichts- und Leitungsbefugnis der Ca gegenüber den Arbeitnehmern der Cs: Wie der EuGH dazu (vgl. Rn. 40 von Martin Meat) ausgeführt hat, ist zwischen der Beaufsichtigung und Leitung der Arbeitnehmer selbst und der vom Kunden durchgeführten Überprüfung der ordnungsgemäßen Erfüllung eines Dienstleistungsvertrags zu unterscheiden. Zudem kann der Kunde bei der Erbringung von Dienstleistungen den Arbeitnehmern des Dienstleistungserbringers bestimmte allgemeine Anweisungen erteilen, ohne dass damit in Bezug auf diese Arbeitnehmer die Ausübung einer Leitungs- und Aufsichtsbefugnis verbunden ist.
38 Die (fallbezogen) Festlegung der Anordnung der zu verlegenden Leitungen durch Übergabe eines Planes samt begleitender Kontrolle der fachgerechten Arbeitsausführung und damit verbundener Aufforderung zur umgehenden Behebung dabei festgestellter Mängel geht nicht wesentlich über die - werkvertragstypisch - vom Werkbesteller "üblicherweise" (Rn. 40 von Martin Meat) vorgenommenen Kontrollmaßnahmen hinaus. Die Identität der Arbeitszeiten der Arbeitnehmer der Ca und der Cs wiederum mag dem "Sachzwang" auf der Baustelle geschuldet sein, der nicht nur die Tätigkeit der Arbeitnehmer der Cs vor Ort erfordert (sodass also deren Wechsel in den Aufnahmemitgliedstaat mit der Erfüllung der vertraglich vereinbarten Leistung einhergeht, aber nicht den eigentlichen Leistungsgegenstand bildet; vgl. Rn. 38 von Martin Meat), sondern auch - wegen eines notwendigen Zusammenspiels der jeweiligen Leistungen - gegebenenfalls deren gleichzeitige Anwesenheit.
39 Das Verwaltungsgericht hat somit die wesentlichen Kriterien für das Vorliegen grenzüberschreitender Arbeitskräfteüberlassung unrichtig beurteilt.
40 Das angefochtene Erkenntnis war daher wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.
41 Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung.
Wien, am 13. Dezember 2018
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