VwGH Ra 2018/03/0136

VwGHRa 2018/03/01368.4.2019

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Thienel und die Hofräte Dr. Handstanger und Dr. Lehofer als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Dr. Zeleny, über die Revision der Bezirkshauptmannschaft Hollabrunn, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Niederösterreich vom 23. November 2018, Zl. LVwG-AV-661/001-2018, betreffend Waffenbesitzkarte (mitbeteiligte Partei: J S in A, vertreten durch Mag. Gunter Österreicher, Rechtsanwalt in 2020 Hollabrunn, Hauptplatz 10/1. Stock), zu Recht erkannt:

Normen

AVG §52
AVG §58
AVG §58 Abs2
AVG §60
VwGVG 2014 §17
VwGVG 2014 §29
VwGVG 2014 §29 Abs1

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2019:RA2018030136.L00

 

Spruch:

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Begründung

1 I. Gegenstand

2 A. Mit Bescheid der revisionswerbenden Partei (BH) wurde der Antrag der mitbeteiligten Partei vom 15. Jänner 2018 auf Erweiterung des Berechtigungsumfanges seiner Waffenbesitzkarte von neun Waffen auf 19 Waffen (in der Folge eingeschränkt auf 17 Waffen) im Ergebnis mangels Glaubhaftmachung einer entsprechenden Rechtfertigung gemäß § 23 Abs. 2 WaffG abgewiesen.

3 B.  Mit dem nunmehr bekämpften Erkenntnis hat das Verwaltungsgericht der Beschwerde der mitbeteiligten Partei gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG Folge gegeben und die in der Waffenbesitzkarte der mitbeteiligten Partei ausgewiesene Berechtigung zum Erwerb und zum Besitz von neun Schusswaffen der Kategorie B gemäß § 20 Abs. 1 iVm § 23 Abs. 1 und 2 WaffG auf 17 Schusswaffen der Kategorie B ausgeweitet (Spruchpunkt 1.). Die ordentliche Revision dagegen wurde nicht zugelassen (Spruchpunkt 2.).

4 Nach Wiedergabe des den Antrag abweisenden Bescheides der nunmehr revisionswerbenden BH sowie der dagegen gerichteten Beschwerde und einem Hinweis auf die durchgeführte mündliche Verhandlung stellte das VwG begründend fest, dass die mitbeteiligte Partei entsprechend dem bisherigen Berechtigungsumfang ihrer Waffenbesitzkarte neun Waffen der Kategorie B angeschafft habe, und zwar vier Waffen für die Ausübung des Schießsportes und fünf Waffen für Sammelzwecke. Der Antrag der mitbeteiligten Partei, der mit der weiteren Ausübung des Schießsportes und zur beabsichtigten Sammlung von Ordonanzwaffen aus Europa und Nordamerika von 1900 bis heute begründet worden sei, sei einem waffentechnischen Amtssachverständigen zur Begutachtung übermittelt worden, welcher den Antrag der mitbeteiligten Partei zum Teil befürwortet habe und entsprechend der Begründung seiner Stellungnahme zusammengefasst zu dem Ergebnis gelangt sei, dass derzeit ein Bedarf der mitbeteiligten Partei von maximal sieben Stück (vier und drei Stück) Schusswaffen der Kategorie B zur Ausübung des Schießsports erkannt werden könne, dies insbesondere, weil einige Bewerbe, an welchen die mitbeteiligte Partei teilnehmen würde, ohne bestimmte Waffen und Kalibervorgabe bestritten werden könnten, und die mitbeteiligte Partei zum Teil auch nur jährlich einmal an derartigen Bewerben teilgenommen hätte. Zudem könnte er durch den Verkauf von vorhandenen Waffen die Anschaffung von für den Schießsport besser geeigneten Sportgeräten ermöglichen. Für sammlerische Zwecke hingegen sei ein Bedarf von zehn Stück (fünf und fünf Stück) Schusswaffen der Kategorie B erkannt worden, wobei allerdings von einer allfälligen weiteren Erweiterung der Waffenbesitzkarte durch die Behörde zur prüfen wäre, ob die für das Sammelthema "Ordonanzwaffen des deutschsprachigen Raums" konkret genannten Waffenmodelle erworben worden seien, weil dies die Grundlage einer vorangegangenen Erweiterung darstellen würden. Die BH sei dieser Stellungnahme des Amtssachverständigen nicht gefolgt, sondern habe den Antrag der mitbeteiligten Partei zur Gänze abgewiesen.

5 Im Gegensatz dazu sehe das VwG das vom Amtssachverständigen auf Grund seiner Fachkunde erstellte Gutachten als logisch und inhaltlich nachvollziehbar an, sowie auch als dazu geeignet, als Entscheidungsgrundlage für seine, die Sache erledigende, Entscheidung zu dienen; dies im Zusammenhang mit dem gesamten Akteninhalt und dem von der mitbeteiligten Partei vor dem VwG getätigten Vorbringen, sowie der von dieser vorgelegten Bestätigung betreffend seine regelmäßige Teilnahme an Schießübungen.

6 Gemäß § 23 Abs. 2 iVm § 21 Abs. 1 WaffG bestehe ein subjektives Recht auf Ausstellung einer Waffenbesitzkarte unter der Voraussetzung einer Rechtfertigung nach § 21 Abs. 1 WaffG für nicht mehr als zwei Stück genehmigungspflichtige Schusswaffen, während die Festsetzung einer darüber hinausgehenden Anzahl im Ermessen der Behörde stehe, wobei den Antragsteller diesbezüglich eine umfangreiche Darlegungs- und Behauptungslast treffe. Voraussetzung der von § 19 Abs. 2 WaffG vorgesehenen Ermessensübung für die Bewilligung des Besitzes einer größeren Anzahl von Faustfeuerwaffen sei das Vorliegen berücksichtigungswürdiger Umstände. Auch die Ausweitung einer schon bestehenden Berechtigung zum Besitz für eine größere Anzahl von Waffen (etwa zur Ausübung des Schießsportes bzw. zur Sammlung von Waffen) setze - vor Ausübung des eingeräumten Ermessens - das Vorliegen eines gerechtfertigten und nachvollziehbaren Interesses voraus, zur Ausübung des Schießsportes weitere Waffen zu benötigen und auch die Sammlung um weitere Objekte ausweiten zu wollen, sowie ferner die glaubwürdige Darlegung, dass mit dem bisher gewährten Berechtigungsumfang nicht mehr das Auslangen gefunden habe werden können.

7 Nach der Rechtslage reiche die bloße Ausübung des Schießsportes noch nicht für die Erweiterung des Berechtigungsumfanges der Waffenbesitzkarte aus, weil der Schießsport in der Regel bereits mit ein oder zwei Waffen ausgeübt werden könne. Eine Rechtfertigung der Erweiterung des Berechtigungsumfanges auf Grund der Ausübung des Schießsportes liege daher nur dann vor, wenn für die effiziente Ausübung dieses Sportes mehr als zwei genehmigungspflichtige Schusswaffen benötigt würden. Ausgehend davon habe der besagte Amtssachverständige betreffend die Ausübung des Schießsportes durch die mitbeteiligte Partei dargelegt, dass diese zwar nicht die von dieser beantragten fünf Schusswaffen der Kategorie B benötigen würde, sondern sie für die Ausübung des Schießsportes, und zwar für die von ihr bekanntgegebenen Disziplinen, mit drei zusätzlich angeschafften Schusswaffen der Kategorie B das Auslangen finden könne. Dies, weil es ihr zumutbar sei, durch den Verkauf einiger ihrer bisherigen Waffen für die Ausübung ihres Sportes auch erforderliche andere Waffen anzuschaffen, sodass eine Ausweitung des Berechtigungsumfanges im beantragten Ausmaß nicht erforderlich erscheine. Die mitbeteiligte Partei habe sich den Argumenten des Amtssachverständigen angeschlossen und ihren Antrag entsprechend eingeschränkt. Auch hinsichtlich des von der mitbeteiligten Partei dargelegten und im Verfahren konkretisierten und verbesserten "Waffensammelkonzeptes" sei der Schluss zulässig, dass sich die mitbeteiligte Partei tatsächlich fachlich und wissenschaftlich mit der Thematik auseinandersetze und die von ihr als Begründung zur Erweiterung der Waffenbesitzkarte auf Grund der Ausweitung ihrer Sammlung begehrten Schusswaffen, eingeschränkt auf Ordonanzwaffen des deutschsprachigen Raumes, ein "abgerundetes Bild" ergeben würde, zumal die mitbeteiligte Partei auch erst am Beginn der Anlegung der Waffensammlung stehe, und der von ihr begehrte erweiterte Berechtigungsumfang bezüglich des Sammelns von Waffen mit dem vom Amtssachverständigen erstatteten Gutachten korrespondiere.

8 Die von der mitbeteiligten Partei dargelegte Begründung zwecks Erweiterung ihrer Waffenbesitzkarte um die begehrten Schusswaffen der Kategorie B ergebe sohin ein nachvollziehbares Bild, welches in sachlicher und rechtlicher Hinsicht den Schluss zulasse, dass der von ihr geltend gemachte Bedarf an einer größeren Anzahl von Schusswaffen als glaubhaft anzusehen sei und sie daher die Voraussetzungen für eine Erweiterung der Waffenbesitzkarte nach § 23 Abs. 2 WaffG erfülle. Auch betreffend eine ordnungsgemäße Verwahrung der größeren Anzahl von Waffen bestehe auf Grund der Darlegungen der mitbeteiligten Partei gegenüber der BH keine Bedenken. In Behebung des vor dem VwG angefochtenen Bescheides der BH sei daher dem Vorbringen der mitbeteiligten Partei zu folgen und ihrem Antrag zu entsprechen. Die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof sei unzulässig, weil keine Rechtsfrage iSd Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen gewesen sei, der grundsätzliche Bedeutung zukomme.

9 C.  Gegen diese Entscheidung richtet sich die vorliegende außerordentliche Amtsrevision, mit der die Aufhebung des angefochtenen Erkenntnisses wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften, in eventu wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes begehrt wird.

10 Die mitbeteiligte Partei verwies in ihrer Revisionsbeantwortung der Sache nach auf das in Revision gezogene Erkenntnis.

11 II. Erwägungen

12 Zur Zulässigkeit

13 A.  Die Revision ist entgegen dem begründungslosen und damit nicht gesetzmäßig ausgeführten Zulässigkeitsausspruch im angefochtenen Erkenntnis zulässig, weil die angefochtene Entscheidung (wie die Revision aufzeigt) von der maßgebenden Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht. In einem solchen Fall ist eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG gegeben, es bleibt kein Raum dafür, die Revision gegen die Entscheidung des Verwaltungsgerichts für unzulässig anzusehen (vgl. VwGH 13.11.2018, Ra 2018/03/0099).

14 Zur Sache

15 B.  Die Begründung einer Entscheidung eines Verwaltungsgerichts hat auf dem Boden des § 29 VwGVG mit Blick auf § 17 VwGVG den Anforderungen zu entsprechen, die sich aus den §§ 58 und 60 AVG ergeben (vgl. aus der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes etwa VwGH 21.10.2014,

Ro 2014/03/0076, VwSlg. 18.953 A; VwGH 17.12.2014,

Ra 2014/03/0038, VwSlg. 19.002 A; VwGH 18.2.2015, Ra 2014/03/0045;

VwGH 13.12.2018, Ra 2018/11/0057, mwH).

16 Nach dieser Rechtsprechung bestehen die drei logisch aufeinander aufbauenden und formal zu trennenden Elemente einer ordnungsgemäß begründeten verwaltungsgerichtlichen Entscheidung

1. in einer im Indikativ gehaltenen Tatsachenfeststellung, 2. in der Beweiswürdigung und 3. in der rechtlichen Beurteilung. Lässt eine Entscheidung die Trennung dieser Begründungselemente in einer Weise vermissen, dass die Rechtsverfolgung durch die Partei über die nachprüfende Kontrolle durch die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts maßgeblich beeinträchtigt wird, dann führt ein solcher Begründungsmangel zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung schon aus diesem Grund (vgl. etwa VwGH 14.12.2017, Ra 201707/0089; VwGH 27.1.2017, Ra 2015/03/0059).

17 Bei der Anwendung der in Rede stehenden Rechtsvorschriften ist die besondere Stellung der Verwaltungsgerichte zu berücksichtigen. Angesichts ihrer sich aus Art. 130 B-VG ergebenden Zuständigkeit werden die Verwaltungsgerichte ihrer Begründungspflicht nach § 29 VwGVG dann nicht gerecht, wenn sich die ihre Entscheidung tragenden Überlegungen zum maßgebenden Sachverhalt und zur Beweiswürdigung sowie die rechtliche Beurteilung in den wesentlichen Punkten nicht aus der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung selbst ergeben (vgl. VwGH 28.11.2014, Ra 2014/01/0085; VwGH 18.2.2015, Ra 2014/03/0045; VwGH 14.12.2017, Ra 2017/07/0089). Damit soll (auch) das VwG in die Lage versetzt werden, die Einsichtigkeit seiner Überlegungen in einleuchtender Weise detailliert darzustellen (vgl. VwGH 21.1.2019, Ra 2018/03/0130, mwH). In diesem Sinn trifft ein VwG auch die Verpflichtung, im Rahmen der Begründung seiner Entscheidung ein Gutachten eines Sachverständigen auf seine Richtigkeit, Vollständigkeit und Schlüssigkeit hin zu prüfen, weshalb es gehalten ist, sich im Rahmen der Begründung seiner Entscheidung mit dem Gutachten näher auseinander zu setzen und dieses entsprechend zu würdigen (vgl. wieder VwGH 21.1.2019, Ra 2018/03/0130).

18 C. Im vorliegenden Fall hat die vor dem VwG belangte BH ihre Entscheidung unter Bezugnahme auf das Gutachten eines Amtssachverständigen getroffen und ist dabei mit näherer Begründung diesem Gutachten nicht gefolgt, während das VwG in seiner Entscheidung dem von ihm als schlüssig erachteten Gutachten folgte.

19 Um diese Entscheidung nachvollziehen zu können, wäre es freilich erforderlich gewesen, in der Begründung der nunmehr in Revision gezogenen verwaltungsgerichtlichen Entscheidung zunächst dem entscheidungserheblichen Sachverhalt nachvollziehbar festzustellen und die dafür maßgeblichen beweiswürdigenden Überlegungen darzulegen.

20 Weiters ist die vor dem Verwaltungsgericht belangte BH in ihrer rechtlichen Beurteilung in Auseinandersetzung mit dem besagten Gutachten näher bezogen auf Elemente des konkreten Sachverhalts zu einer rechtlichen Beurteilung gelangt, ohne dass sich das VwG in seiner Entscheidungsbegründung mit diesen sachverhaltsbezogenen Überlegungen der Verwaltungsbehörde (etwa betreffend die konkrete Ausübung des Schießsportes) näher auseinandergesetzt hätte. Auch insofern bleibt die vorliegend angefochtene Entscheidung hinter den Anforderungen zurück, die sich aus der Verpflichtung der Verwaltungsgerichte ergeben, ihre Entscheidungen rechtskonform zu begründen. Das Verwaltungsgericht hat sich derart in seiner Entscheidung entgegen seiner Begründungspflicht nicht ausreichend mit den Argumenten aller Verfahrensparteien auseinandergesetzt.

21 Schließlich fehlen in der Entscheidungsbegründung die präzisen Feststellungen zur konkreten Sportausübung (insbesondere auch betreffend die aufgezeichnete Trainingstätigkeit) und zur konkreten Sammeltätigkeit der mitbeteiligten Partei (vgl. nochmals VwGH 21.1.2019, Ra 2018/03/0130, und VwGH 7.2.2018, Ra 2017/03/0101), wie sie als wesentliche Begründungselemente erforderlich sind, um eine Entscheidung wie die des VwG nachvollziehbar begründen zu können.

22 III. Ergebnis

23 Das angefochtene Erkenntnis war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Wien, am 8. April 2019

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