VwGH Ra 2018/03/0027

VwGHRa 2018/03/00275.9.2018

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Thienel und die Hofräte Dr. Handstanger und Mag. Samm als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Dr. Zeleny, über die Revision des F G in A, vertreten durch Denkmayr Schwarzmayr Schnötzlinger Rechtsanwaltspartnerschaft in 4910 Ried im Innkreis, Bahnhofstraße 43, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Tirol vom 9. Jänner 2018, Zl. LVwG‑2017/45/1304‑5, betreffend Übertretung des Tiroler Landes‑Polizeigesetzes (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Innsbruck), zu Recht erkannt:

Normen

LPolG Tir 1976 §1 Abs1
LPolG Tir 1976 §5 Abs3
VwRallg

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2018:RA2018030027.L00

 

Spruch:

Die Revision wird als unbegründet abgewiesen.

Der Revisionswerber hat dem Land Tirol Aufwendungen in der Höhe von € 553,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 I. Gegenstand

2 A. Mit der in Revision gezogenen (im Rechtszug ergangenen) verwaltungsgerichtlichen Entscheidung wurde dem Revisionswerber Folgendes zur Last gelegt:

„Tatzeit: 12.06.2015, ca. 23.00 Uhr bis 13.06.2015, ca. 03.00 Uhr

Tatort: A, D 4

Sie haben es als Pächter und Betreiber/Bewirtschafter des ‚J‑Hofes‘ unterlassen, die Durchführung von Silierarbeiten am 12.06.2015 von ca. 23:00 Uhr bis zum 13.06.2015 bis 03:00 Uhr in A, D 4 abzustellen, obwohl Ihnen das möglich gewesen wäre. Während die Mitarbeiter der Firma ‚L‘ C W und F P jeweils mit einem Traktor inklusive Anhänger Silage lose zum ‚J‑Hof‘ gebracht und dort abgeladen haben, hat A G die Silage mit einem Traktor im Fahrsilo verdichtet und anplaniert. Um 00:30 Uhr wurde den einschreitenden Polizeibeamten mitgeteilt, dass noch 2 Fuhren Silage eingebracht werden. Das Anplanieren und Verdichten der Silage im Fahrsilo dauerte in der Folge noch bis 03:00 Uhr an. Durch diese Tätigkeit, insbesondere durch die dadurch entstehenden sehr lauten Motoren‑ und Maschinengeräusche, wurde lautstarker Lärm erregt und die unmittelbaren Nachbaren in ihrer Nachtruhe gestört. Sie haben dadurch ungebührlicherweise störenden Lärm erregt. Es bestand weder eine betriebliche Notwendigkeit für die Durchführung der Silierarbeiten in der Nacht, noch gab es unvorhergesehene Ereignisse, welche ein Silieren in der Nacht notwendig machten.“

3 Dadurch habe der Revisionswerber § 1 Abs. 1 des Tiroler Landes‑Polizeigesetzes, LGBl. Nr. 60/1976 idF LGBl. Nr. 1/2014 (TLPG), übertreten. Über ihn wurde deshalb gemäß § 4 Abs. 1 leg. cit. eine Geldstrafe in der Höhe von € 100,‑ ‑ (Ersatzfreiheitsstrafe: 23 Stunden) verhängt.

4 Begründend wurde in sachverhaltsmäßiger Hinsicht im Wesentlichen festgehalten, dass der Revisionswerber Bewirtschafter bzw. Betreiber des „J‑Hofes“ in A sei. Die Leitung und Führung des Betriebes obliege ihm gemeinsam mit seiner Ehefrau, grundbücherlicher Eigentümer sei der Vater des Revisionswerbers. Der in Rede stehende Betrieb umfasse ungefähr 200 Stück Vieh, er fokussiere auf Milchwirtschaft mit teilweiser Vermarktung und Veredelung am Hof und auf Jungviehaufzucht. Das bewirtschaftete Grün- und Ackerland sei teilweise im Besitz, teilweise würden Felder zugepachtet und befänden sich in einem Umkreis bis knapp 20 km. Auf dem Hof des Revisionswerbers gebe es zwei Fahrsilos (mit 600 bzw. 400 m³), diese befänden sich südlich des neu errichteten Stallgebäudes mit Abstand zu einem nachbarlichen Wohnhaus von ca. 10 m.

5 Am 12. Juni 2015 hätten gegen 23 Uhr Silierarbeiten am Hof des Revisionswerbers begonnen. Dabei seien durch zwei Traktoren samt Kurzschnittladewagen Anlieferungen der Grassilage von den Feldern des Revisionswerbers erfolgt. Die anschließende Verdichtung bzw. das Anplanieren sei dann unter Einsatz des hofeigenen Traktors sowie des Hoftrucks erfolgt. Ab der Anlieferung der ersten Fuhre sei durchgehend gearbeitet worden, die Silage sei entweder angeliefert oder gewalzt worden. Die Arbeiten hätten bis kurz vor 3 Uhr in der Früh am 13. Juni 2015 gedauert, wobei die letzte Fuhre gegen 2 Uhr angeliefert und danach noch verdichtet worden sei. Gegen 23 Uhr hätten Nachbarn des Revisionswerbers den Beginn der Arbeiten wahrgenommen und nach Mitternacht die Polizei verständigt.

6 Die wesentliche Rechtsfrage im vorliegenden Verfahren sei gewesen, ob es sich bei den am Hof des Revisionswerbers am 12. bzw. am 13. Juni 2015 durchgeführten Arbeiten um „Tätigkeiten im Rahmen der jeweils üblichen Wirtschaftsführung in der Land‑ und Forstwirtschaft“ im Sinne des § 5 Abs. 3 TLPG gehandelt habe. Neben dem Gutachten eines Amtssachverständigen seien auch Gutachten bzw. ergänzende Gutachten von Seiten des Revisionswerbers vorgelegt worden. Dazu sei u.a. Folgendes festzustellen:

„Die Wetterprognose der ZAMG für Freitag, den 12.06.2015 lautete wie folgt: ‚Sonnig, föhnig, warm. [...] Es wird warme und vorübergehend etwas stabilere Luft herbeigeführt. Restwolken und Nebelfelder verschwinden rasch, es wird bin in den Nachmittag hinein in ganz Tirol überwiegend sonnig, in Nordtirol föhnig. Nachmittags entwickeln sich wieder größere Quellwolken, Gewitter oder Regenschauer sollten gegen Abend aber nur vereinzelt vorkommen und am ehesten in den Dolomiten, in Osttirol und am Alpennordrand. Es wird sommerlich warm.‘ Die Wettervorhersage für den 13.06.2015 lautete: ‚Föhnig und schwülwarm, im Tagesverlauf teilweise gewittrig. [...] Mit südwestlicher Anströmung wird feucht‑labile Luft hereingeführt. Am Montag trifft eine Kaltfront ein. Es wechseln heute in ganz Tirol sonnige Phasen mit teils dichteren Wolken. In Nordtirol ist es dabei föhnig. Die Luft ist aber recht schwül, so dass vor allem in Süd‑ und Osttirol sowie am Alpennordrand einzelne Gewitter schon um Mittag entstehen können, nachmittags/abends sind sie nirgends ausgeschlossen. Am wenigsten gewitteranfällig dürfte es in den Föhnregionen sein.‘ Für Sonntag, den 14.06.2015 lautete die Prognose dann ‚Trüb, feucht und nicht mehr so warm‘.

In der Nacht vom 11. auf den 12.06.2015 gab es über sechs Stunden andauernden nächtlichen Niederschlag.“

7 Der Sohn des Revisionswerbers habe einige Tage vorher den Wetterbericht verfolgt und abgefragt, ferner habe er mit einem näher genannten Unternehmen telefoniert und angefragt, ob diese am 12. Juni 2015 zum Silieren Zeit hätten. An diesem Tag sollten Felder des Revisionswerbers im Ausmaß von ca. 11 bis 12 ha gemäht werden. Mit dem Unternehmen sei für den Beginn des Auftrags ca. 20 Uhr vereinbart worden. Es sei mit insgesamt sechs Fuhren gerechnet worden, wobei für eine Fuhre ca. 1 Stunde benötigt würde (gemeint vom Hof zum Feld und dann wieder zum Hof). Am 12. Juni 2015 sei es zu einem neuerlichen Gespräch mit dem Unternehmen dahin gekommen, dass heute gemäht werden und gegen Abend das Einsilieren stattfinden sollte. Da es in der Nacht vom 11. auf den 12. Juni 2015 geregnet hätte, seien die Wiesen erst gegen Mittag gemäht worden, die Arbeiten mit dem Unternehmen hätten sich dann noch (was näher dargestellt wird) verzögert. Der Revisionswerber sei nach einem schweren Arbeitsunfall bis Ende März 2015 in langer stationärer Behandlung an der Universitätsklinik Innsbruck gewesen, danach auf Rehabilitation und bis zum 12. Juni 2015 wieder an der Klinik behandelt worden. Am 12. Juni 2015 sei er nach Hause zurückgekehrt, zum Zeitpunkt der Arbeiten am Hof anwesend gewesen und habe auch den Beginn der Arbeiten wahrgenommen. Ihm sei bekannt gewesen, welche Arbeiten konkret verrichtet würden und wie lang diese in etwa dauern würden, er habe zuvor am 12. Juni 2015 auch ein Telefonat mit dem besagten Unternehmen geführt. Zum Ende der Arbeiten habe er bereits geschlafen.

8 Die gegenständlichen Arbeiten gehörten prinzipiell zur üblichen Wirtschaftsführung in der Land‑ und Forstwirtschaft. Die Erledigung der Arbeiten zu den verfahrensgegenständlichen Zeiten sei davon allerdings nicht mehr umfasst. Dies vor dem Hintergrund, dass bei entsprechendem Betriebsmanagement eine Einhaltung der Nachtruhe und die Vermeidung der Erregung ungebührlicherweise störenden Lärms möglich gewesen wäre. Durchgehende Arbeiten unter Zuhilfenahme von bis zu vier Maschinen (darunter schwere Traktoren) zur Nachtstunde (23 Uhr bis 3 Uhr in der Früh) am Hof vor unmittelbar angrenzenden Wohnhäusern verstießen gegen die Anforderungen an das Verhalten, wie es im Zusammenleben mit anderen verlangt werden könne, und erfüllten daher das Tatbestandselement des ungebührlichen Verhaltens idS § 1 Abs. 1 TLPG. Ebenso seien solche Arbeiten zu dieser Zeit jedenfalls als störend zu qualifizieren, zumal unter Zugrundelegung eines objektiven Maßstabs, wonach diese geeignet erscheinen, Anrainer in ihrer Nachtruhe zu stören. Entgegen dem Vorbringen des Revisionswerbers, es handle sich bei Motorgeräuschen eines Traktors bei ordnungsgemäßem Betrieb nicht um Lärm, sei das ständige Laufen von mehreren Motoren derart schwerer Maschinen ohne Zweifel geeignet, störenden Lärm zu erregen. Dies verdeutliche § 1 Abs. 2 lit. a Z 1 TLPG, wonach bereits das Laufenlassen von Kraftfahrzeugmotoren bei stehendem Fahrzeug verboten sei. Permanente Motorgeräusche, die im konkreten Fall von bis zu vier Maschinen gekommen seien, die zudem teilweise immer wieder vor- und zurückgefahren worden seien, seien in den Nachtstunden jedenfalls geeignet, als unangenehm und störend empfunden zu werden.

9 Da die konkreten am Hof des Revisionswerbers zur Tatzeit vorgenommenen Arbeiten nicht von der üblichen Wirtschaftsführung gedeckt gewesen seien, komme diesem die Ausnahmebestimmung des § 5 Abs. 3 TLPG nicht zugute. Entgegen dem Revisionswerber bedeutet die Wendung „im Rahmen der jeweils üblichen Wirtschaftsführung“ in der genannten gesetzlichen Regelung nicht, dass jeder Betrieb seine eigene Wirtschaftsführung vorgeben und damit die Anwendung der damit verbundenen Ausnahmeregelung selbst bestimmen könnte. Vielmehr verlange die Anwendung dieser Wendung immer einen Vergleich zu ähnlichen Arbeiten in ähnlich gelagerten Betrieben, die etwa in unterschiedlicher Weise von der Witterung und äußeren Bedingungen oder auch von der Größe eines Betriebes abhängig seien. Mit Blick auf § 5 Abs. 1 VStG hätte ein einsichtiger und besonnener Landwirt die Silierarbeiten so geplant, dass sie nicht von vornherein bis weit über den Beginn der Nachtruhe hinaus reichten bzw. bei Anzeichen, dass sich die Arbeiten noch zusätzlich verzögern würden, zumindest versucht, Abhilfe zu schaffen. Dies wäre dem Revisionswerber im konkreten Fall jedenfalls möglich gewesen, er habe nachweislich am selben Tag betriebsbedingte Telefonate geführt. Im Revisionsfall läge daher sowohl objektive als auch subjektive Sorgfaltswidrigkeit vor. Auch der Erfolg sei sowohl in subjektiver als auch in objektiver Hinsicht vorhersehbar gewesen. Dem Revisionswerber sei bekannt gewesen, welche konkreten Arbeiten an diesem Tag verrichtet würden, wann sie begonnen hätten und wie lang sie dauern würden. Dass die Arbeiten bis weit in die Nacht hinein reichten, sei dem Revisionswerber somit bekannt gewesen.

10 Die Frage der üblichen land‑ und forstwirtschaftlichen Wirtschaftsführung sei zwar unter Berücksichtigung der jeweils konkret vorliegenden Faktoren zu beurteilen. Landwirtschaftliche Tätigkeiten seien stark von nicht beeinflussbaren Faktoren (vor allem dem Wetter) abhängig, außerdem hätten gewisse Arbeitsabläufe, gerade im Zusammenhang mit der Futterkonservierung, vorgegebenen Regeln zu folgen. Vor diesem Hintergrund sei die in § 5 Abs. 3 TLPG normierte Ausnahme zu verstehen. Ausgehend davon müssten Nachbarn gewisse Beeinträchtigungen, die mit diesen wirtschaftlichen Tätigkeiten verbunden seien, hinnehmen.

11 Im konkreten Fall seien aber die Arbeiten von Beginn an so angelegt gewesen, dass sie bis deutlich nach 22 Uhr gereicht hätten. Auch als sich abgezeichnet hätte, dass es zu weiteren Verzögerungen kommen würde, sei nichts unternommen worden, um Abhilfe dagegen zu schaffen, etwa in dem Sinn, dass versucht worden wäre, kurzfristig eine anderweitige Unterstützung zu erhalten. Auf Grund der massiven Überschreitung der Nachtruhe und Lärmerregung infolge von fehlendem Management könne im vorliegenden Fall nicht mehr von einer „üblichen Wirtschaftsführung“ gesprochen werden.

12 Die verfahrensgegenständlichen Arbeiten zählten zwar prinzipiell zur üblichen Wirtschaftsführung in der Land‑ und Forstwirtschaft. Auf dem Boden der vorliegenden Sachverständigengutachten sei auch die grundsätzliche Entscheidung des Sohnes des Revisionswerbers, an dem in Rede stehenden Tag zu mähen und anschließend die Silage einzubringen, im Hinblick auf die abgefragte Wetterprognose fachlich nachvollziehbar. Zudem deckten sich die Gutachten darin, dass das grundsätzliche Ziel einer „Eintagessilage“ sei, dass nämlich versucht werde, möglichst einen Schnitt in einem Zug zu silieren. Allerdings könne es dabei auch zu Unterbrechungen kommen.

13 Der Amtssachverständige habe aber in seinem Gutachten bzw. im Rahmen der mündlichen Verhandlung ausgeführt, dass es bei entsprechender Disposition ‑ nämlich bei Heranziehung eines anderen Lohnunternehmens, einer früheren Anfrage oder auch dem Einsatz von mehr Maschinen ‑ vermeidbar gewesen wäre, so lange in die Nacht hineinzuarbeiten. Es sei auch nicht überraschend gewesen, dass der Revisionswerber selbst (worauf der von diesem herangezogene Sachverständige hinweist) auf Grund seines Unfalles nicht an den Arbeiten habe teilnehmen können. Es gäbe auch keinen Anhaltspunkt dafür, dass der Sohn des Revisionswerbers zur Durchführung der Mahd nicht durch ein herangezogenes Unternehmen unterstützt hätte werden können. Bezüglich der Verzögerung durch das herangezogene Unternehmen seien auch dann keine Bemühungen um eine Verstärkung durchgeführt worden, als sich abgezeichnet habe, dass die Arbeiten bis weit in die Nacht hinein dauern würden. Bei entsprechender Betriebsorganisation wäre es aber möglich gewesen, zumindest um mehr Unterstützung anzufragen, was aber nicht geschehen sei. Vielmehr sei in Kauf genommen worden, dass sich die Arbeiten (die von vornherein schon deutlich über den Zeitpunkt 22 Uhr hinaus geplant gewesen seien) noch weiter in die Nacht verschieben würden. Zwar könne es im Zuge von landwirtschaftlichen Arbeiten zu Änderungen von Abläufen (technische oder organisatorische Probleme, unsichere Wetterprognosen etc.) bzw. zur Veränderung der geplanten Abläufe in der Futterkonservierung kommen. In einem solchen Fall müssten gerade größere Betriebe im Rahmen ihres Zeit- und Betriebsmanagements rasch versuchen, Lösungswege zu finden. Dies gerade auch für den Fall, dass die einzubringenden Felder wie gegenständlich relativ weit entfernt vom Hof gelegen seien.

14 Die ordentliche Revision sei unzulässig, da keine Rechtsfrage iSd Art. 133 Abs. 4 B‑VG zu beurteilen gewesen sei. Insbesondere die Frage, ob eine konkret durchgeführte Arbeit der üblichen Wirtschaftsführung in der Land‑ und Forstwirtschaft entspreche, stelle jeweils eine Einzelfallentscheidung dar, bei der ausschließlich auf die konkreten Umstände abzustellen sei. Die vorliegende Entscheidung weiche nicht von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs ab, weder fehle eine solche Rechtsprechung, noch sei diese uneinheitlich.

15 B. Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende Revision, mit der insbesondere dessen Aufhebung begehrt wird.

16 Die vor dem Verwaltungsgericht belangte Bezirkshauptmannschaft legte eine Revisionsbeantwortung vor, mit der sie der Revision entgegen tritt.

17 II. Rechtslage

18 Die vorliegend maßgeblichen Bestimmungen des TLPG lauten:

1. Abschnitt

Schutz vor Störungen durch Lärm

§ 1

Verbot

(1) Es ist verboten, ungebührlicherweise störenden Lärm zu erregen.

(2) Soweit dadurch ungebührlicherweise störender Lärm erregt wird, ist insbesondere verboten:

a) auf Verkehrsflächen, die nicht Straßen mit öffentlichem Verkehr im Sinne des § 1 Abs. 1 der Straßenverkehrsordnung 1960, BGBl. Nr. 159, zuletzt geändert durch das Gesetz https://www.ris.bka.gv.at/eli/bgbl/I/2013/39 , sind,

1. das Laufenlassen von Kraftfahrzeugmotoren bei stehendem Fahrzeug,

2. das Schließen von Fahrzeugtüren,

3. die Abgabe von Schallzeichen mittels Hupe;

b) das Befahren von Toreinfahrten, Hausvorplätzen und Höfen von Wohnhäusern, soweit es sich hiebei nicht um Straßen mit öffentlichem Verkehr handelt, mit Motorrädern und Motorfahrrädern bei laufendem Motor;

c) das Öffnen und Schließen von Türen und Rolläden;

d) die Benützung von Rundfunk‑ und Fernsehgeräten, Lautsprechern und Tonwiedergabegeräten.“

§ 4

Strafbestimmung

(1) Wer ungebührlicherweise störenden Lärm erregt (§ 1), insbesondere einer Verordnung nach § 2, zuwiderhandelt, begeht, sofern die Tat nicht nach einer anderen Rechtsvorschrift strafbar ist, eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe bis zu 1.450,‑ Euro zu bestrafen.

...“

§ 5

Geltungsbereich

...

(3) Durch die Bestimmungen dieses Abschnittes werden Tätigkeiten im Rahmen der jeweils üblichen Wirtschaftsführung in der Land‑ und Forstwirtschaft nicht berührt.“

19 III. Erwägungen

20 A. Entgegen dem formelhaft im Wesentlichen bloß die Textierung des Art. 133 Abs. 4 B‑VG wiederholenden (und damit nicht iSd § 25 a VwGG gesetzmäßig begründeten) Ausspruch des Verwaltungsgerichtes sowie der Auffassung der BH erweist sich die Revision auf dem Boden ihres Zulassungsvorbringens (gerade zum Fehlen von Judikatur zu § 5 Abs. 3 TLPG) als zulässig, um dem Verwaltungsgericht die zur Handhabung des § 5 Abs. 3 TLPG erforderlichen Leitlinien vorzugeben. Abgesehen von den Fällen, in denen die Rechtslage (ausnahmsweise) als völlig klar und eindeutig anzusehen ist (vgl. dazu etwa VwGH 22.11.2017, Ra 2017/03/0014), könnte ohne diese Leitlinien auch gar nicht beurteilt werden, ob das Verwaltungsgericht in seiner Entscheidung von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes iSd Art. 133 Abs. 4 B‑VG abgewichen ist.

21 B.a. Nach den Gesetzesmaterialien (GM) wird das in § 1 Abs. 1 TLPG normierte Verbot der ungebührlicher Weise erfolgenden Erregung störenden Lärms der Wichtigkeit der Lärmbekämpfung geschuldet (vgl. die Erläuternden Bemerkungen zur Regierungsvorlage sowie den Bericht und Antrag des Rechts- und Gemeindeausschusses). § 1 Abs. 1 leg. cit. erfasst (kurz gesagt) Lärmerregungen, die als „Rücksichtslosigkeiten des täglichen Lebens“ bezeichnet werden können.

22 Nach den GM sind unter störendem Lärm die wegen ihrer Lautstärke für das menschliche Empfindungsvermögen unangenehm in Erscheinung tretenden Geräusche zu verstehen, ob sie nun vom Täter unmittelbar durch Betätigung der menschlichen Sprechorgane oder durch Verwendung von Lautsprechern, Werkzeugen und dergleichen oder dadurch hervorgerufen werden, dass sich der Täter eines willenlosen, wenn auch lebenden Werkzeuges (etwa eines bellenden Hundes) bedient. Lärm ist damit dann störend, wenn er wegen seiner Art und/oder seiner Intensität geeignet ist, das Wohlbefinden normal empfindender Menschen zu stören, wobei die Erfahrungen des täglichen Lebens ausreichen, dies zu beurteilen (vgl. VwGH 9.9.2015, Ra 2015/03/0040).

23 Eine Lärmerregung ist nach den GM sowie der ständigen Judikatur (vgl. nochmals VwGH 9.9.2015, Ra 2015/03/0040, sowie VwGH 11.10.2017, Ra 2017/03/0072) dann als ungebührlich anzusehen, wenn das Tun oder Unterlassen, das zur Erregung des Lärmes führt, gegen ein Verhalten verstößt, wie es im Zusammenleben mit anderen verlangt werden muss, und jene Rücksichtnahme vermissen lässt, die die Umwelt verlangen kann. Bei der Frage der Ungebührlichkeit kommt es nicht nur auf die Lautstärke, sondern auch auf deren Dauer und Heftigkeit an.

24 Entscheidend ist, dass die Lärmerregung nach einem objektiven Maßstab geeignet erscheint, von nicht beteiligten Personen als ungebührlich und störend empfunden zu werden (vgl. etwa VwGH 13.3.1978, 2790/76). Dies gilt insbesondere für den Zeitraum von 22 Uhr in der Nacht bis 6 Uhr in der Früh, in der die Bevölkerung ihrem Anspruch auf Ruhebedürfnis zufolge vorwiegend Nachtruhe in Anspruch nimmt (vgl. idZ etwa VwGH 20.10.1976, 2136/76; OGH 23.7.2014, 3 Ob 93/14v; VwGH 11.10.2017, Ra 2017/03/0172). Für die Zeit, für die nach allgemeinem Brauch Anspruch auf Ruhe besteht, sind Tätigkeiten, die störenden und ungebührlichen Lärm bewirken, grundsätzlich zu unterlassen (vgl. VwGH 18.2.1975, 468/74, VwSlg 8766 A). Der objektive Maßstab ist unter Zugrundelegung der tatsächlichen Gegebenheiten in jedem Fall nach seinen konkreten Begleitumständen und nicht etwa bloß nach Ö‑Normen und Flächenwidmungen zu finden (vgl. dazu VwGH 18. 2.2015, Ra 2015/03/0013; VwGH 9.9.2015, Ra 2015/03/0040; VwGH 22.6.2016, Ra 2016/03/0062).

25 B.b. Die in § 5 Abs. 3 TLPG enthaltene Regelung für Tätigkeiten im Rahmen der jeweils üblichen Wirtschaftsführung in der Land‑ und Forstwirtschaft, die offenbar aufgrund des genannten Ausschussberichtes (offenbar ohne weitere Erläuterungen dazu) in das Gesetz aufgenommen wurde, verdeutlicht nach dem Gesagten, das „Tätigkeiten im Rahmen der jeweils üblichen Wirtschaftsführung in der Land‑ und Forstwirtschaft“ selbst dann nicht als „ungebührlich“ iSd. § 1 Abs. 1 TLPG anzusehen sind, wenn sie störende Auswirkungen haben. Sie kann aber nicht als Ermächtigung gedeutet werden, Rücksichtslosigkeiten in Abweichung zu § 1 Abs. 1 TLPG zu setzen. Vielmehr ist diese Ausnahmebestimmung im Einklang mit der Rechtsprechung grundsätzlich restriktiv zu verstehen (vgl. dazu etwa VwGH 26.6.2014, Ro 2014/03/0063, VwSlg 18.886 A, sowie ferner VwGH 22.12.2011, 2008/07/0080, VwGH 23.1.2018, Ra 2017/05/0210, und VwGH 24.4.2018, Ra 2018/03/0039). Ausgehend davon kommt es nach dieser Ausnahme darauf an, ob (wiederum nach einem objektiven Maßstab) die für den jeweiligen Bereich übliche Wirtschaftsführung in der Land‑ und Forstwirtschaft eine Abweichung vom Verbot des § 1 Abs. 1 TLPG unbedingt erfordert. Die in § 5 Abs. 3 TLPG enthaltene Ausnahme darf daher gerade für den Zeitraum, in dem Anspruch auf Nachtruhe besteht, nur in einem unbedingt notwendigen Ausmaß in Anspruch genommen werden. Tätigkeiten im Rahmen der Betriebsführung iSd § 5 Abs. 3 TLPG sind derart nur so weit erlaubt, soweit sie bei Anlegen eines objektiven Maßstabes durch Maßnahmen der Planung und Organisation der betrieblichen Tätigkeiten nicht vermeidbar sind.

26 Das Verwaltungsgericht hat nachvollziehbar dargestellt, dass es dem Revisionswerber unter den konkreten Gegebenheiten seines Fall bei Orientierung an den für den einschlägigen landwirtschaftlichen Bereich üblichen Methoden der Arbeitsbewältigung möglich gewesen wäre, diese Tätigkeiten ohne Beeinträchtigung der Nachtruhe bzw. mit einer ungleich geringeren Beeinträchtigung durchzuführen. Die vorliegende massive Beeinträchtigung der Nachtruhe von 23 Uhr bis 3 Uhr kann daher von der in § 5 Abs. 3 TLPG normierten Ausnahmeregelung nicht mehr als gedeckt angesehen werden.

27 Vor diesem Hintergrund vermag die Revision mit dem Vorbringen, dass die Wetterprognose vorliegend schwierig gewesen sei, und dass der Ort, in dem der Hof des Revisionswerbers stehe, einen bäuerlichen und landwirtschaftlichen Charakter aufweise, nichts zu gewinnen. Gleiches gilt schon angesichts der beträchtlichen Beeinträchtigung der Nachtruhe für die Hinweise, dass es bezüglich der Frage, ob ein Lärm als störend zu qualifizieren ist, auf das Wohlbefinden normal empfindlicher Menschen und nicht auf eine besondere Lärmsensibilität angesichts eines gestörten Nachbarverhältnisses ankomme. Entgegen der Stoßrichtung der Revision ist für die Beurteilung des Falles ferner nicht die Betriebsüblichkeit beim Revisionswerber samt der dort ortsüblichen Geräusche, sondern die im Bereich der einschlägigen Landwirtschaft allgemein etablierte Betriebsführung ausschlaggebend. Auf dieser Grundlage vermag die Revision schließlich mit dem Hinweis keine relevante Rechtswidrigkeit aufzuzeigen, dass sich das Verwaltungsgericht mit den Aussagen der vom Revisionswerber beauftragten Sachverständigen nicht hinreichend auseinandergesetzt habe.

28 IV. Ergebnis

29 A. Die Revision war daher nach § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

30 B. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet auf §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am 5. September 2018

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