VwGH Ra 2018/01/0184

VwGHRa 2018/01/018414.12.2018

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Blaschek und die Hofräte Dr. Kleiser und Dr. Fasching als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Kienesberger, über die Revisionen der 1. H K und der 2. M A, beide in Wien und vertreten durch Mag. Ronald Frühwirth, Rechtsanwalt in 8020 Graz, Grieskai 48, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 26. Februar 2018, Zlen. W242 2119307- 1/11E und  W242 2175720-1/4E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Normen

B-VG Art135 Abs3;
BVwGG 2014 §17 Abs3;

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2018:RA2018010184.L00

 

Spruch:

Die Revisionen werden zurückgewiesen.

Begründung

Vorgeschichte

1 Die Revisionswerberinnen sind afghanische Staatsangehörige. Die Zweitrevisionswerberin ist die (nachgeborene) Tochter der Erstrevisionswerberin.

2 Gegen die Abweisung ihrer Anträge auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status als Asylberechtigte mit Bescheiden des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) vom 7. Dezember 2015 (Erstrevisionswerberin) bzw. 5. Oktober 2017 (Zweitrevisionswerberin) erhoben die Revisionswerberinnen Beschwerden an das Bundesverwaltungsgericht (BVwG).

3 Die Beschwerde der Erstrevisionswerberin langte beim BVwG am 11. Jänner 2016 ein. Die Beschwerde der Zweitrevisionswerberin langte beim BVwG am 3. November 2017 ein.

Angefochtenes Erkenntnis

4 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wurden (unter anderem) die Beschwerden der Revisionswerberinnen (nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung) als unbegründet abgewiesen und ausgesprochen, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

5 Begründend führte das BVwG zusammengefasst aus, das Vorbringen der Revisionswerberinnen, sie seien in Afghanistan bedroht, sei aufgrund näher dargelegter beweiswürdigender Überlegungen nicht glaubhaft. Die erstmals in der Verhandlung vor dem BVwG behauptete "Verwestlichung" sei ebenso nicht glaubhaft. So sei der zweimal wöchentlich ausgeübte Laufsport der Erstrevisionswerberin für sich betrachtet noch kein Grund, asylrechtlichen Schutz wegen eines westlichen Lebensstils zu gewähren.

6 Dagegen richten sich die vorliegenden außerordentliche

Revisionen.

Zulässigkeit

7 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

8 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

9 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen. Zuständigkeit des Einzelrichters

10 Die Revisionen bringen zunächst zu ihrer Zulässigkeit mit näherer Begründung vor, der erkennende Einzelrichter des BVwG sei wegen eines Verstoßes gegen die Geschäftsverteilung des BVwG unzuständig gewesen. Der erkennende Richter sei nach der Geschäftsverteilung für das Jahr 2017 für Asylangelegenheiten der Zuweisungsgruppe "AFR-W1" nicht berufen gewesen.

11 Vorliegend wurde die Rechtssache der Erstrevisionswerberin - wie sich aus einer vom Verwaltungsgerichtshof eingeholten Stellungnahme des BVwG und der ergänzenden Vorlage der entsprechenden Aktenteile ergeben hat - mit Verfügung des Geschäftsverteilungsausschusses des BVwG vom 4. Juli 2017 der Gerichtsabteilung "W174" wegen Überlastung abgenommen und dem nunmehr erkennenden Einzelrichter zugewiesen. Diese Verfügung erging auf der Grundlage des § 17 Abs. 3 Bundesverwaltungsgerichtsgesetz (BVwGG).

12 Nach § 17 Abs. 3 BVwGG kann der Geschäftsverteilungsausschuss einem Einzelrichter oder Senat eine ihm zufallende Rechtssache durch Verfügung abnehmen, wenn der Einzelrichter oder Senat verhindert oder wegen des Umfangs seiner Aufgaben an deren Erledigung innerhalb einer angemessenen Frist gehindert ist. Diese einfachgesetzliche Regelung findet ihre verfassungsrechtliche Grundlage in Art. 135 Abs. 3 B-VG (vgl. zu Art. 135 Abs. 3 B-VG und den Grundsatz der festen Geschäftsverteilung VwGH 29.6.2017, Ra 2017/21/0032). Das Revisionsvorbringen ist nicht geeignet, Bedenken hinsichtlich der Gesetzmäßigkeit dieser Verfügung zu begründen.

13 Die Rechtssache der Zweitrevisionswerberin wurde dem erkennenden Einzelrichter wegen Annexität zum Verfahren der Erstrevisionswerberin zugeteilt. Diese Zuteilung kann sich auf § 24 der zum Zeitpunkt der Einbringung der Beschwerde in Kraft stehenden Geschäftsverteilung des BVwG 2017 (in der Fassung vom 10. Oktober 2017) stützen (vgl. VwGH 26.4.2018, Ra 2017/21/0252, mwN, wonach die jeweilige Geschäftsverteilung des BVwG bei Einlangen der Beschwerde beim BVwG maßgeblich ist). Danach liegt Annexität vor, wenn sich eine Rechtssache nach dem AsylG 2005 auf ein Familienmitglied einer Person bezieht, auf die sich ein anderes anhängiges Verfahren nach dem AsylG 2005 bezieht (Bezugsperson). Familienmitglieder in diesem Sinne sind unter anderem die Nachkommen der Bezugsperson.

14 Die behauptete Unzuständigkeit liegt sohin nicht vor. "Westlicher" Lebensstil

15 Darüber hinaus bringen die Revisionen zu ihrer Zulässigkeit vor, das BVwG sei von näher bezeichneter Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zum "westlich" orientierten Lebensstil abgewichen, indem es nicht ausreichende Feststellungen getroffen habe.

16 Zur behaupteten westlichen Orientierung ist zunächst auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hinzuweisen, wonach nicht jede Änderung der Lebensführung einer Asylwerberin während ihres Aufenthalts in Österreich, die im Fall einer Rückkehr in den Herkunftsstaat nicht mehr aufrecht erhalten werden könnte, dazu führt, dass ihr deshalb internationaler Schutz gewährt werden müsste (vgl. VwGH 5.9.2018, Ra 2018/01/0179-0181, und 3.5.2018, Ra 2018/19/0191-0195, jeweils mwN).

17 Darüber hinaus übersehen die Revisionswerberinnen, dass das BVwG nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung, unter näheren beweiswürdigenden Überlegungen dem Vorbringen bezüglich einer "westlichen" Orientierung die Glaubwürdigkeit absprach.

18 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes soll sich das Revisionsmodell nach dem Willen des Verfassungsgesetzgebers an der Revision nach den §§ 500 ff ZPO orientieren (vgl. RV 1618 BlgNR 24. GP , 16). Ausgehend davon ist der Verwaltungsgerichtshof als Rechtsinstanz tätig, zur Überprüfung der Beweiswürdigung ist er im Allgemeinen nicht berufen. Auch kann einer Rechtsfrage nur dann grundsätzliche Bedeutung zukommen, wenn sie über den konkreten Einzelfall hinaus Bedeutung besitzt (vgl. VwGH 24.4.2014, Ra 2014/01/0010; vgl. aus jüngerer Zeit etwa VwGH 5.9.2018, Ra 2018/01/0179, mwN).

19 Eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung im Zusammenhang mit der Beweiswürdigung liegt nur dann vor, wenn das Verwaltungsgericht die im Einzelfall vorgenommene Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hat (vgl. VwGH 15.2.2018, Ra 2018/01/0061, mwN). Eine derart krasse Fehlbeurteilung des BVwG im Rahmen der Beweiswürdigung wird in der Revision nicht dargetan. Ergebnis

20 In den Revisionen werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revisionen waren daher zurückzuweisen.

Wien, am 14. Dezember 2018

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