VwGH Ra 2017/21/0252

VwGHRa 2017/21/025226.4.2018

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer als Richterin sowie die Hofräte Dr. Pelant und Dr. Sulzbacher als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Samonig, über die Revision des B Z in L, vertreten durch Mag. Ronald Frühwirth, Rechtsanwalt in 8020 Graz, Grieskai 48, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 12. Dezember 2017, W247 2178409-1/7E, betreffend Schubhaft (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), zu Recht erkannt:

Normen

BFA-VG 2014 §22a Abs1 Z3;
B-VG Art135 Abs2;
B-VG Art83 Abs2;
BVwGG 2014 §15;
Geschäftsverteilung BVwG §22 Abs4 Z3;
Geschäftsverteilung BVwG §6 Abs2;
VwGG §42 Abs2 Z2;

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2018:RA2017210252.L00

 

Spruch:

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit des Verwaltungsgerichtes aufgehoben.

Der Bund hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 Der Revisionswerber ist Staatsangehöriger von Algerien. Er befindet sich - zuletzt seit Februar 2017 - in Österreich, wo er mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 14. Juli 2017 zu einer zwölfmonatigen Freiheitsstrafe verurteilt wurde. Diese verbüßt er seit 24. August 2017 in der Justizanstalt Leoben.

2 Mit Bescheid vom 17. Oktober 2017 ordnete das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Steiermark, gegen den Revisionswerber gemäß § 76 Abs. 2 Z 1 FPG Schubhaft zum Zweck der Sicherung seiner Abschiebung an, wobei es ergänzend aussprach, dass die Rechtsfolgen dieses Bescheides nach Beendigung der Gerichtshaft eintreten. Gegen diesen Bescheid "sowie gegen die Anordnung der Schubhaft" erhob der Revisionswerber mit beim Bundesverwaltungsgericht (BVwG) am 1. Dezember 2017 eingelangtem Schriftsatz Beschwerde gemäß § 22a BFA-VG. Diese Beschwerde wurde der der "Kammer A (Asyl- und Fremdenrecht)" zugehörigen Gerichtsabteilung "W 247" zugewiesen; deren Leiter ist Mag. R.- P.H. mit Dienstort am Hauptsitz des BVwG in Wien.

3 Der genannte Richter wies die Beschwerde mit Erkenntnis vom 12. Dezember 2017 gemäß § 22a Abs. 1 BFA-VG iVm § 76 Abs. 2 Z 1 FPG als unbegründet ab, verpflichtete den Revisionswerber zu Aufwandersatz an den Bund und wies dessen Antrag auf Aufwandersatz ab. Gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG wurde eine Revision für nicht zulässig erklärt.

 

4 Über die gegen dieses Erkenntnis erhobene Revision hat der Verwaltungsgerichtshof nach Aktenvorlage und Durchführung eines Vorverfahrens - Revisionsbeantwortungen wurden nicht erstattet - in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

5 In der Zulässigkeitsbegründung der Revision wird vorrangig geltend gemacht, die bekämpfte Entscheidung sei von einem nach der Geschäftsverteilung des BVwG hiefür nicht zuständigen Richter getroffen worden. Das trifft zu, weshalb sich die Revision unter dem Gesichtspunkt des Art. 133 Abs. 4 B-VG schon deshalb als zulässig und auch als berechtigt erweist.

6 Auszugehen ist von der Geschäftsverteilung des BVwG für das Jahr 2017 in der bei Einlangen der gegenständlichen Schubhaftbeschwerde am 1. Dezember 2017 maßgeblichen Fassung des Beschlusses des beim BVwG eingerichteten Geschäftsverteilungsausschusses vom 20. Oktober 2017.

7 Gemäß § 20 dieser Geschäftsverteilung umfassen die Geschäftsbereiche der Kammern die ihnen in der Anlage 2 der Geschäftsverteilung jeweils zugeordneten Zuweisungsgruppen; die Zuständigkeit einer Gerichtsabteilung erstreckt sich grundsätzlich auf den gesamten Geschäftsbereich jener Kammer, der sie angehört.

8 Bezüglich der Zuweisung von Rechtssachen normiert § 21 der Geschäftsverteilung zunächst, dass sich die für die Zuweisung der Rechtssachen vorgesehenen Rechtsbereiche und Zuweisungsgruppen sowie die in den einzelnen Zuweisungsgruppen zusammengefassten Rechtsgebiete und Rechtsgrundlagen (Rechtsvorschriften) aus der Anlage 1 der Geschäftsverteilung ergeben. Demnach gibt es im Rechtsbereich "Asyl- und Fremdenrecht" u.a. die Zuweisungsgruppe "Schubhaft und Maßnahmenbeschwerden" mit der Kurzbezeichnung "SCH", der insbesondere Rechtssachen nach § 22a BFA-VG angehören. Im Einzelnen sind die Zuweisungsgruppen "SCH-G", "SCH-I", "SCH-L" und "SCH-W" vorgesehen, wobei die Zuweisungsgruppe "SCH-G" die Rechtssachen der Zuweisungsgruppe "SCH" im örtlichen Zuständigkeitsbereich (Sprengel) der Landespolizeidirektionen Steiermark und Kärnten umfasst.

9 Gemäß § 22 Abs. 4 Z 3 der Geschäftsverteilung richtet sich die Zuweisung von Rechtssachen der Zuweisungsgruppe "SCH" (Bestimmung der konkreten Zuweisungsgruppe) u.a. bei Beschwerden nach § 22a Abs. 1 Z 3 BFA-VG, die sich gegen einen (noch) nicht vollstreckten Schubhaftbescheid richten, nach dem Sitz der bescheiderlassenden dezentralen Organisationseinheit des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (Regionaldirektion, Außenstelle, Erstaufnahmestelle).

10 Im vorliegenden Fall war eine derartige Beschwerde zu behandeln. Der der Beschwerde zu Grunde liegende Bescheid war von der Regionaldirektion Steiermark mit Sitz in Graz erlassen worden, weshalb die Beschwerde gemäß den obigen Ausführungen einer Gerichtsabteilung der Zuweisungsgruppe "SCH-G" hätte zugewiesen werden müssen. Wie sich aus der Anlage 2 der Geschäftsverteilung ergibt, sind für diese Zuweisungsgruppe aber nur die "Kammer G (Außenstelle Graz)" und demzufolge dort näher genannte Richter als Leiter von Gerichtsabteilungen zur Entscheidung zuständig, die dieser Kammer angehören. Eine Zuständigkeit der "Kammer A (Asyl- und Fremdenrecht)", der (u.a.) die Gerichtsabteilung "W 247" mit dem Leiter Mag. R.-P.H. angehört, der im vorliegenden Fall das angefochtene Erkenntnis erlassen hat, besteht hingegen nicht. Mithin wurde dieses Erkenntnis von einem nach der Geschäftsverteilung unzuständigen Richter gefällt, was zur Aufhebung der Entscheidung wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit des BVwG führen muss. Daran vermag auch der vom BVwG in seiner im Rahmen des Vorverfahrens erstatteten Stellungnahme gemachte Hinweis auf die "Heilungsmöglichkeit" nach § 6 Abs. 2 der Geschäftsverteilung nichts zu ändern (vgl. zum Ganzen - auch mit Darstellung der verfassungsrechtlichen und einfachgesetzlichen Grundlagen - VwGH 29.6.2017, Ra 2017/21/0032, Rn. 9 ff; zur im gegebenen Zusammenhang zu konstatierenden Irrelevanz des § 6 Abs. 2 der Geschäftsverteilung insbesondere Rn. 20).

11 Das angefochtene Erkenntnis war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 2 VwGG aufzuheben. Dass die Entscheidungsbegründung des BVwG insoweit widersprüchlich ist, als einerseits festgehalten wurde, die in der Schubhaftbeschwerde beantragte Verhandlung habe gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG iVm § 24 VwGVG auf Grund geklärten Sachverhalt unterbleiben können, während andererseits ausgeführt wurde, als zu klärender Sachverhalt ergebe sich aus der Beschwerde lediglich die Frage des Vorliegens einer familiären und sozialen Verankerung, ist vor dem Hintergrund dieses Ergebnisses nicht mehr entscheidungswesentlich.

12 Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am 26. April 2018

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