VwGH Ra 2017/21/0133

VwGHRa 2017/21/013331.8.2017

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer als Richterin sowie die Hofräte Dr. Pelant und Dr. Sulzbacher als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Honeder, über die Revision des A D, vertreten durch Mag. Robert Bitsche, Rechtsanwalt in 1050 Wien, Nikolsdorfergasse 7-11/15, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 27. April 2017, G313 2130324-1/11E, betreffend (u.a.) Erlassung einer Rückkehrentscheidung samt befristetem Einreiseverbot, und über einen Wiedereinsetzungsantrag (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Normen

AsylG 2005 §54 Abs5;
AsylG 2005 §55;
AsylG 2005 §57;
FrPolG 2005 §2 Abs4 Z11;
FrPolG 2005 §52 impl;
FrPolG 2005 §53 impl;
FrPolG 2005 §66;
FrPolG 2005 §67;

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Das Verfahren über den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Revisionsfrist wird eingestellt.

Begründung

1 Der 1986 geborene Revisionswerber, ein Staatsangehöriger der Republik Kosovo, hält sich seit Anfang 2013 durchgehend in Österreich auf. Die Einreise und der weitere Aufenthalt waren unrechtmäßig, weil vom Revisionswerber (seit 2006 mehrfach) gestellte Anträge auf Erteilung von Aufenthaltstiteln erfolglos geblieben waren. In Österreich halten sich der Vater des Revisionswerbers, der im Jahr 2002 hierhergekommen war, und seit 2009 auch seine 1978 geborene Schwester auf. Sowohl der Vater als auch die genannte Schwester unterstützen den einkommenslosen Revisionswerber finanziell. Der Revisionswerber ist verheiratet und hat zwei minderjährige Kinder, die sich bei der Mutter/Ehefrau im Kosovo befinden.

2 Mit Bescheid vom 1. Juli 2016 sprach das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) aus, dass dem Revisionswerber ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nach § 57 AsylG 2005 nicht erteilt werde, und es erließ gegen ihn wegen seines unrechtmäßigen Aufenthalts gemäß § 52 Abs. 1 Z 1 FPG eine Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt I.) sowie wegen seiner Mittellosigkeit gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z 6 FPG ein auf die Dauer von 18 Monaten befristetes Einreiseverbot (Spruchpunkt IV.). Unter einem stellte das BFA gemäß § 52 Abs. 9 FPG fest, dass die Abschiebung des Revisionswerbers in den Kosovo zulässig sei (Spruchpunkt II.), und es räumte für die freiwillige Ausreise eine Frist von 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung ein (Spruchpunkt III.).

3 Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) mit dem angefochtenen Erkenntnis vom 27. April 2017 als unbegründet ab. Weiters sprach das BVwG nach § 25a Abs. 1 VwGG aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

4 Nach der genannten Verfassungsbestimmung ist gegen das Erkenntnis eines Verwaltungsgerichtes die Revision (nur) zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

5 An den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes nach § 25a Abs. 1 VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision unter dem genannten Gesichtspunkt nicht gebunden (§ 34 Abs. 1a VwGG). Zufolge § 28 Abs. 3 VwGG hat allerdings die außerordentliche Revision gesondert die Gründe zu enthalten, aus denen entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird. Im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe hat der Verwaltungsgerichtshof dann die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zu überprüfen (§ 34 Abs. 1a zweiter Satz VwGG).

6 Unter diesem Gesichtspunkt macht der Revisionswerber geltend, es sei "unstrittig", dass sein Vater österreichischer Staatsbürger sei und von seinem Freizügigkeitsrecht Gebrauch gemacht habe. Damit bezieht sich der Revisionswerber auf sein gegenüber dem BVwG mit Schriftsatz vom 3. November 2016 erstattetes Vorbringen, wonach der Vater "sowohl in der Schweiz (ca. von 1983 bis 1990), als auch in Deutschland (ca. von 1992 bis 1999)" gearbeitet habe. Der Revisionswerber habe "somit" (gemeint: in Verbindung mit der Unterhaltsgewährung durch den Vater) als Angehöriger eines freizügigkeitsberechtigten österreichischen Staatsbürgers ein Aufenthaltsrecht und es wäre die Anwendung des § 57 AsylG 2005 und der §§ 52, 53 FPG nicht in Frage gekommen. "Wenn überhaupt", wäre die Frage der Zulässigkeit eines Aufenthaltsverbotes am Maßstab des § 67 FPG zu beurteilen gewesen. Damit sei die bekämpfte Entscheidung "auf einer vollkommen falschen Rechtsgrundlage getroffen" worden.

7 Mit diesem Vorbringen zielt der Revisionswerber darauf, dass ihm die Stellung eines "begünstigten Drittstaatsangehörigen" zukomme. Davon ausgehend wäre tatsächlich die vom BFA vorgenommene amtswegige Prüfung der Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 57 AsylG 2005 schon von vornherein nicht in Betracht gekommen, weil die genannte Bestimmung des 7. Hauptstücks gemäß § 54 Abs. 5 AsylG 2005 nicht für begünstigte Drittstaatsangehörige gilt. Richtig ist auch, dass gegen begünstigte Drittstaatsangehörige keine Rückkehrentscheidung samt Einreiseverbot nach dem

1. Abschnitt des 8. Hauptstücks des FPG erlassen werden darf. Es wären vielmehr die Bestimmungen des 4. Abschnitts des genannten Hauptstücks, die in den §§ 66 und 67 aufenthaltsbeendende Maßnahmen (unter anderem) gegen begünstigte Drittstaatsangehörige, nämlich Ausweisung und Aufenthaltsverbot, regeln, anzuwenden (vgl. das hg. Erkenntnis vom 23. März 2017, Ra 2016/21/0349, Rz 9).

8 Das trifft aber im vorliegenden Fall nicht zu, weil der Revisionswerber - entgegen seiner Ansicht - kein begünstigter Drittstaatsangehöriger ist. Nach der Legaldefinition des § 2 Abs. 4 Z 11 FPG ist (fallbezogen) ein begünstigter Drittstaatsangehöriger der eigene Verwandte eines Österreichers, der sein unionsrechtliches oder das ihm auf Grund des Freizügigkeitsabkommens EG-Schweiz zukommende Aufenthaltsrecht in Anspruch genommen hat, und zwar in gerader absteigender Linie über die Vollendung des 21. Lebensjahres hinaus, sofern ihm Unterhalt tatsächlich gewährt wird. Die erstgenannte Voraussetzung wird gegenständlich aber deshalb nicht erfüllt, weil der Vater des Revisionswerbers nach dessen eigenem Vorbringen die österreichische Staatsbürgerschaft erst am 7. Februar 2006 erlangte. Im Zeitraum des ins Treffen geführten Aufenthalts und der Berufstätigkeit in der Schweiz und in Deutschland in den Jahren 1983 bis 1990 und 1992 bis 1999 hatte der Vater des Revisionswerbers somit noch kein "unionsrechtliches Aufenthaltsrecht" und kein "auf Grund des Freizügigkeitsabkommens EG-Schweiz zukommendes Aufenthaltsrecht", das er damals hätte in Anspruch nehmen können.

9 Im Ergebnis bewirkte es somit keinen relevanten Begründungsmangel, dass sich das BVwG mit dem im Schriftsatz vom 3. November 2016 erstatteten Vorbringen des Revisionswerbers zu seiner (vermeintlichen) Stellung als begünstigter Drittstaatsangehöriger im angefochtenen Erkenntnis überhaupt nicht auseinandersetzte. Es war daher - entgegen dem Zulässigkeitsvorbringen in der Revision - auch nicht rechtswidrig, gegen den Revisionswerber im Grunde der §§ 52 und 53 FPG eine Rückkehrentscheidung und ein Einreiseverbot zu erlassen.

10 Soweit in der Revision auch noch die vom BVwG vorgenommene Abwägung der wechselseitigen Interessen kritisiert wird, genügt es darauf zu verweisen, dass der Aufenthalt des einkommenslosen Revisionswerbers von etwas mehr als vier Jahren zur Gänze unrechtmäßig war und er im Heimatstaat starke familiäre Bindungen aufweist. Außerdem bleibt in der Revision unberücksichtigt, dass der Revisionswerber wegen - im angefochtenen Erkenntnis auf nähere Weise beschriebenen - im Zeitraum Februar 2016 bis Oktober 2016, mithin auch während des anhängigen fremdenpolizeilichen Beschwerdeverfahrens, begangenen, (teilweise versuchten) gewerbsmäßigen schweren Diebstahls von Zigaretten und Bargeld in der Höhe von ca. EUR 80.000,-, die durch Einbruch in Zigarettenautomaten erlangt wurden, mit rechtskräftigem Urteil vom 6. Februar 2017 zu einer teilbedingten Freiheitsstrafe von 24 Monaten (davon 16 Monate bedingt) verurteilt wurde. Davon ausgehend erweist sich das Ergebnis der vom BVwG gemäß § 9 BFA-VG vorgenommenen Interessenabwägung sowohl in Bezug auf die Rückkehrentscheidung als auch in Bezug auf das Einreiseverbot jedenfalls als vertretbar, was nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes insoweit der Zulässigkeit einer (ao.) Revision entgegensteht (vgl. den Beschluss vom 25. April 2014, Ro 2014/21/0033, und zahlreiche daran anschließende Entscheidungen, aus der letzten Zeit etwa den Beschluss vom 29. Juni 2017, Ra 2017/21/0075, Rz 11, mwN).

11 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher schon deshalb gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung zurückzuweisen.

12 Demnach erübrigt sich die weitere Prüfung, ob die Revision rechtzeitig erhoben wurde und ob dem darauf bezogenen - in Reaktion auf den Verspätungsvorhalt eingebrachten - Wiedereinsetzungsantrag Folge zu geben wäre. Das Verfahren betreffend diesen Wiedereinsetzungsantrag war somit mangels rechtlichen Interesses des Revisionswerbers an einer diesbezüglichen Entscheidung in sinngemäßer Anwendung des § 33 Abs. 1 VwGG einzustellen (vgl. den hg. Beschluss vom 15. Mai 2014, Ro 2014/05/0043).

Wien, am 31. August 2017

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