VwGH Ra 2017/19/0118

VwGHRa 2017/19/01188.8.2017

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Robl sowie den Hofrat Mag. Eder und die Hofrätin Mag. Rossmeisel als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Tanzer, über die Revision des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl in 1030 Wien, Modecenterstraße 22, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 17. Februar 2017, W191 2135139-1/4E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 (mitbeteiligte Partei: M R S in W, vertreten durch Dr. Lennart Binder, Rechtsanwalt in 1030 Wien, Rochusgasse 2), zu Recht erkannt:

Normen

32011L0095 Status-RL Art8 ;
AsylG 2005 §11 Abs1;
AsylG 2005 §11 Abs2;
AsylG 2005 §8 Abs1;
EURallg;
MRK Art3;

 

Spruch:

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Begründung

1 Der Mitbeteiligte ist afghanischer Staatsangehöriger, stammt aus der Provinz Maidan Wardak ("Herkunftsprovinz") und stellte am 14. Juni 2015 einen Antrag auf internationalen Schutz. Dazu führte er aus, er sei von den Taliban aufgefordert worden, eine Bombe in einer Polizeidienststelle zu deponieren. Da er aber die Polizisten darüber informiert habe und diese die Bombe in der Folge entschärft hätten, werde er nun von den Taliban mit dem Tod bedroht.

Sein Vater sei ermordet worden, als der Mitbeteiligte ein bis zwei Jahre alt gewesen sei. Seine Mutter habe nach dem Tod des Vaters nochmals geheiratet und drei weitere Söhne geboren. Die Familie lebe im Distrikt Jalrez in der Herkunftsprovinz des Mitbeteiligten und verdiene ihren Lebensunterhalt mit Landwirtschaft. Nach der Ermordung des Vaters habe der Großvater des Mitbeteiligten psychische Probleme bekommen und vor 16 Jahren ein Mädchen vergewaltigt. Damit dieser nicht gesteinigt werde, hätten die Dorfältesten entgegen dem Willen des Mitbeteiligten beschlossen, dass dieser das Mädchen heiraten solle. Er könne nicht nach Kabul flüchten, weil der Bruder jenes Mannes, der den Vater des Mitbeteiligten getötet habe, ebenfalls getötet worden sei, und dessen in Kabul lebende Familie nun die Familie des Mitbeteiligten dafür beschuldige.

2 Mit Bescheid vom 23. August 2016 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (die revisionswerbende Partei) den Antrag des Mitbeteiligten auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) sowie hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten (Spruchpunkt II.) ab, erteilte ihm keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigenden Gründen, erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung und stellte fest, dass seine Abschiebung nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt III.). Die revisionswerbende Partei legte eine Frist für die freiwillige Ausreise des Mitbeteiligten von 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung fest (Spruchpunkt IV.).

3 Begründend führte die Behörde im Wesentlichen - soweit für das Revisionsverfahren von Interesse - aus, das Fluchtvorbringen des Mitbeteiligten sei nicht glaubwürdig. Er sei eine gesunde, erwachsene, männliche und arbeitsfähige Person, die über familiäre Anknüpfungspunkte in Afghanistan verfüge. Ihm sei im Fall der Rückkehr jedenfalls zumutbar, insbesondere in Kabul, selbst für sein Auskommen zu sorgen. Es drohe ihm daher im Herkunftsstaat keine Gefahr, die die Erteilung von subsidiärem Schutz rechtfertigen würde.

4 Dagegen erhob der Mitbeteiligte fristgerecht Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht (BVwG), mit der er den gegenständlichen Bescheid zur Gänze bekämpfte und unrichtige Feststellungen, Mangelhaftigkeit des Verfahrens und unrichtige rechtliche Beurteilung geltend machte. Dazu legte er zahlreiche Berichte zur allgemeinen Lage in Afghanistan vor und führte im Wesentlichen aus, es herrsche zwischen den Taliban und der afghanischen Regierung Krieg und der Staat "funktioniere nicht".

5 In der am 6. Februar 2017 vor dem BVwG durchgeführten mündlichen Verhandlung erklärte der Vertreter des Mitbeteiligten, dass die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des Bescheides zurückgezogen werde.

6 Mit dem angefochtenen Erkenntnis erkannte das BVwG dem Mitbeteiligten den Status des subsidiär Schutzberechtigten zu (Spruchpunkt A I.) und erteilte ihm eine befristete Aufenthaltsberechtigung mit Gültigkeit bis zum 17. Februar 2018 (Spruchpunkt A II.). Die Revision an den Verwaltungsgerichtshof erklärte es für nicht zulässig (Spruchpunkt B).

7 Es stellte fest, der Vater des Mitbeteiligten sei "nach seinen Angaben" seit vielen Jahren tot, seine Mutter lebe mit seinen drei jüngeren Stiefgeschwistern im Heimatdorf. Der Mitbeteiligte habe glaubhaft gemacht, dass ihm im Fall seiner Verbringung nach Afghanistan aufgrund seiner individuellen Situation in Zusammenhang mit der Lage in seiner Herkunftsprovinz ein Eingriff in seine körperliche Unversehrtheit drohe. Er liefe bei einer Rückkehr nach Afghanistan und Ansiedelung außerhalb seiner Herkunftsprovinz, insbesondere in Kabul, Gefahr, grundlegende Lebensbedürfnisse wie Nahrung, Kleidung sowie Unterkunft nicht befriedigen zu können und in eine ausweglose bzw. existenzbedrohende Situation zu geraten.

8 Darüber hinaus legte das BVwG seinen Feststellungen Berichte zu Afghanistan, insbesondere zur Herkunftsprovinz des Mitbeteiligten, zugrunde. Weiters traf es Feststellungen zur Sicherheits- und Versorgungslage in Kabul, zur Frage der Inanspruchnahme einer innerstaatlichen Fluchtalternative, zur Stammes- und Clankultur in Afghanistan und Pakistan und zum internationalen Schutzbedarf afghanischer Asylsuchender.

9 Rechtlich kam das BVwG zu dem Ergebnis, es handle sich im Fall des Mitbeteiligten zwar um einen arbeitsfähigen und gesunden jungen Mann mit Schulbildung und Berufserfahrung als Landwirt, bei dem die grundsätzliche Teilnahme am Erwerbsleben vorausgesetzt werden könne. Es müsse demgegenüber aber maßgeblich berücksichtigt werden, dass der Mitbeteiligte in einem Dorf in der Provinz Maidan Wardak geboren und aufgewachsen sei und diese Region den Länderfeststellungen zufolge nicht hinreichend sicher erscheine. Das BVwG gehe daher davon aus, dass dem Mitbeteiligten bei einer Rückkehr in seine Herkunftsprovinz die reale Gefahr einer Verletzung des Art. 3 EMRK drohen würde, weshalb die Voraussetzungen für die Zuerkennung von subsidiärem Schutz gegeben seien.

10 Zur Inanspruchnahme einer innerstaatlichen Fluchtalternative führte das BVwG aus, es sei aus den angeführten Erkenntnisquellen ersichtlich, dass sich neben einer prekären Sicherheitslage die Versorgung mit Nahrungsmitteln und Wohnraum in Kabul, insbesondere für alleinstehende Rückkehrer ohne familiären Rückhalt sowie finanzielle Unterstützung, nur als unzureichend darstelle, weshalb diese mit großen wirtschaftlichen Schwierigkeiten konfrontiert sowie bei fehlender Bildung bzw. Fachausbildung in ernste Versorgungsschwierigkeiten geraten würden. Beim Mitbeteiligten handle es sich zwar um einen arbeitsfähigen und gesunden jungen Mann mit Schuldbildung und Berufserfahrung als Landarbeiter. Er sei jedoch in einem Dorf in seiner Herkunftsprovinz geboren und aufgewachsen, habe niemals außerhalb gewohnt und verfüge in anderen Landesteilen Afghanistans über keine sozialen oder familiären Anknüpfungspunkte. Er sei bei einer Rückkehr nach Afghanistan vorerst auf sich alleine gestellt und gezwungen, allenfalls in der Stadt Kabul, nach einem - wenn auch nur vorläufigen - Wohnraum zu suchen, ohne über die örtlichen oder infrastrukturellen Gegebenheiten zu verfügen. Da sein Vater schon lange tot sei, sei auch nicht davon auszugehen, dass die Mutter bzw. Familie des Mitbeteiligten in der Lage sei, diesen finanziell hinreichend zu unterstützen.

11 Ein von UNHCR in den Richtlinien geforderter "gesicherter" Zugang zu Unterkunft, wesentlichen Grundleistungen und Erwerbsmöglichkeiten sei daher nicht ersichtlich. Der Mitbeteiligte verfüge über keine sozialen und familiären Anknüpfungspunkte in Kabul oder sonstige finanzielle Unterstützung. Die von UNHCR dargelegten "bestimmten Umstände", nach welchen es alleinstehenden, leistungsfähigen Männern im berufsfähigen Alter ohne spezifische Vulnerabilität möglich wäre, ohne Unterstützung von Familie und Gemeinschaft in urbaner Umgebung zu leben, seien im Fall des Mitbeteiligten aus den darlegten Gründen nicht gegeben.

12 Gegen diese Entscheidung erhob das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Amtsrevision, welche sich ausdrücklich gegen die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten und Erteilung einer befristeten Aufenthaltsberechtigung richtet.

 

13 Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Amtsrevision nach Vorlage derselben und der Verfahrensakten durch das BVwG sowie nach Einleitung des Vorverfahrens und Erstattung einer Revisionsbeantwortung durch den Mitbeteiligten in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

14 Zur Begründung der Zulässigkeit macht die revisionswerbende Partei geltend, das BVwG sei von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu den Voraussetzungen für das Vorliegen einer extremen Gefahrenlage iSd Art. 3 EMRK und im Hinblick auf eine innerstaatliche Fluchtalternative abgewichen. Mangelnde Berufserfahrung und mangelnde Kenntnis der örtlichen und infrastrukturellen Gegebenheiten in Kabul würden für die Annahme der Unzumutbarkeit einer innerstaatlichen Fluchtalternative nicht ausreichen. Es lägen keine exzeptionellen Umstände vor, welche eine innerstaatliche Fluchtalternative in Kabul unzumutbar machen würden.

15 Des Weiteren sei das BVwG von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu den Anforderungen an die Begründung verwaltungsgerichtlicher Entscheidungen abgewichen. Die rechtliche Beurteilung über die Unmöglichkeit einer hinreichend finanziellen Unterstützung des Mitbeteiligten durch seine Familie basiere nicht auf entsprechenden Feststellungen. Es fehlten zudem Feststellungen zu einer möglichen Unterstützung durch einen im Distrikt Jalrez lebenden Onkel des Mitbeteiligten. Das Vorhandensein eines weiteren männlichen familiären Mitglieds stelle durchaus ein Faktum dar, welches bei der Prüfung der Zumutbarkeit einer innerstaatlichen Fluchtalternative von maßgeblicher Bedeutung sei.

16 Die Amtsrevision ist bereits aufgrund des aufgezeigten Abweichens des BVwG von der Rechtsprechung zu den Voraussetzungen der Zuerkennung von subsidiärem Schutz zulässig. Sie ist daher auch begründet.

Auf der Grundlage der vom Bundesverwaltungsgericht getroffenen Feststellungen zur Person des Mitbeteiligten und unter Einbeziehung der im angefochtenen Erkenntnis enthaltenen Feststellungen zum Herkunftsstaat teilt der Verwaltungsgerichtshof die Auffassung der Amtsrevision, dass die Schwelle des Art. 3 EMRK im vorliegenden Fall nicht erreicht ist.

17 Der Verwaltungsgerichtshof hat sich in jüngerer Zeit wiederholt zu den Kriterien bezüglich der Zuerkennung von subsidiärem Schutz - insbesondere auch zur spezifischen Situation in Afghanistan - geäußert. Zuletzt wurde zu dieser Thematik im hg. Erkenntnis vom 19. Juni 2017, Ra 2017/19/0095, Stellung genommen, so dass auf die dortigen Erwägungen samt Darstellung der dazu ergangenen Rechtsprechung einschließlich der Judikatur des EGMR gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG verwiesen werden kann.

18 Festzuhalten ist weiters, dass die Prüfung des Vorliegens einer realen Gefahr im Sinn des § 8 Abs. 1 AsylG 2005 eine rechtliche Beurteilung darstellt, die auf Basis der getroffenen Feststellungen zu erfolgen hat.

19 Im Revisionsfall hat der Mitbeteiligte vorwiegend Vorbringen zu seiner familiären Situation und zur Sicherheitslage in Afghanistan erstattet. Es ist ihm nicht gelungen, vor dem Hintergrund der einschlägigen Rechtsprechung das Vorliegen von in seiner Person gelegenen, konkreten exzeptionellen Umständen im Hinblick auf eine drohende Verletzung von Art. 3 EMRK durch seine Rückführung in seinen Herkunftsstaat darzutun.

20 Das BVwG geht zunächst davon aus, dass dem Mitbeteiligten im Fall seiner Rückkehr in seine Herkunftsprovinz und der dort vorherrschenden prekären Sicherheitslage die reale Gefahr einer Verletzung seiner durch Art. 3 EMRK geschützten Rechte droht. Zutreffend prüft das BVwG in der Folge, ob dem Mitbeteiligten eine innerstaatliche Fluchtalternative in Kabul offensteht. Es gelangt zum Ergebnis, dass ihm eine Neuansiedlung in Kabul nicht zugemutet werden könne und ihm somit der Status des subsidiär Schutzberechtigten zustehe. Diese rechtliche Beurteilung stützt das BVwG - neben Länderberichten und gutachterlichen Stellungnahmen eines länderkundigen Sachverständigen - auf die seinen Feststellungen zugrunde gelegten UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender vom 19. April 2016, HCR/EG/AFG/16/02 ("UNHCR-Richtlinien vom April 2016") und die dazu ergangenen Anmerkungen von UNHCR zur Situation in Afghanistan auf Anfrage des deutschen Bundesministeriums des Innern vom Dezember 2016 ("Anmerkungen vom Dezember 2016"). Insbesondere sei - nach den Schlussfolgerungen des BVwG - für ihn kein "gesicherter" Zugang zu Unterkunft, wesentlichen Grundleistungen und Erwerbsmöglichkeiten gegeben.

21 Die Annahme einer innerstaatlichen Fluchtalternative erfordert im Hinblick auf das ihr u.a. innewohnende Zumutbarkeitskalkül insbesondere nähere Feststellungen über die zu erwartende konkrete Lage des Asylwerbers in dem in Frage kommenden Gebiet sowie dessen sichere und legale Erreichbarkeit (vgl. zuletzt das hg. Erkenntnis vom 8. September 2016, Ra 2016/20/0063, mwN).

22 Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist UNHCR-Richtlinien besondere Beachtung zu schenken (vgl. hg. den Beschluss vom 22. November 2016, Ra 2016/20/0259, mwN). Diese Rechtsprechung geht auf eine Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes zurück, in welchem dieser erkannt hat, dass Empfehlungen internationaler Organisationen zweifelsohne Gewicht zukommt, wenn es um die Beurteilung der allgemeinen Verhältnisse vor Ort geht. Sie ersparen jedoch nicht eine nähere Auseinandersetzung mit dem Sachverhalt (vgl. das hg. Erkenntnis vom 13. November 2001, 2000/01/0453).

23 Den Ausführungen des BVwG zur Verneinung einer innerstaatlichen Fluchtalternative in Kabul gestützt auf die UNHCR-Richtlinien ist zunächst entgegenzuhalten, dass weder in den Richtlinien vom April 2016 noch in den dazu ergangenen Anmerkungen vom Dezember 2016 an irgendeiner Stelle die Rede von einem "gesicherten" Zugang zu den genannten Kriterien ist und völlig offen bleibt, worin ein solcher besteht oder von wem ein solcher nach Ansicht des BVwG erteilt werden könnte. Weiters mag es zutreffen, dass alleinstehende Rückkehrer ohne familiären Rückhalt sowie finanzieller Unterstützung in Kabul (anfangs) mit wirtschaftlichen Schwierigkeiten konfrontiert sind. Wie das BVwG jedoch feststellt, handelt es sich beim Mitbeteiligten um einen jungen und gesunden Mann, der über eine Schulbildung und Berufserfahrung verfügt, ledig ist und keine Kinder hat. Eine Beurteilung dahingehend, dass ihm eine Neuansiedlung in Kabul nicht zugemutet werden kann, lässt sich aus den getroffenen Feststellungen aber letztlich nicht ableiten. Abgesehen davon hat der Mitbeteiligte auch kein entsprechendes Vorbringen erstattet, aus dem sich die vom BVwG gezogenen Schlüsse auf die konkrete Situation des Mitbeteiligten ergeben würden. Vielmehr entsprechen die konkret auf die Person des Mitbeteiligten bezogenen Feststellungen den von UNHCR geforderten "bestimmten Umständen", nach denen es alleinstehenden, leistungsfähigen Männern im berufsfähigen Alter ohne spezifische Vulnerabilität möglich sei, auch ohne Unterstützung durch die Familie in urbaner Umgebung zu leben.

24 Zusammenfassend hat das BVwG mit seinen Feststellungen im angefochtenen Erkenntnis zwar die Möglichkeit einer schwierigen Lebenssituation für den Mitbeteiligten im Fall seiner Rückführung in den Herkunftsstaat aufgezeigt, dies bei der Arbeitsplatz- und Wohnraumsuche sowie in wirtschaftlicher Hinsicht. Die Annahme des BVwG, im gegenständlichen Fall könne daher unter Berücksichtigung der den Mitbeteiligten betreffenden individuellen Umstände nicht mit der erforderlichen Sicherheit ausgeschlossen werden, dass er im Fall der Rückkehr nach Afghanistan einer realen Gefahr iS des Art. 3 EMRK - auf das gesamte Staatsgebiet bezogen - ausgesetzt wäre, ist aber eine rechtliche Beurteilung, die in den Feststellungen keine Deckung findet (vgl. dazu die teils schon zitierten hg. Erkenntnisse vom 25. Mai 2016, Ra 2016/19/0036, vom 8. September 2016, Ra 2016/20/0063, und vom 25. April 2017, Ra 2017/01/0016 sowie zur Frage einer innerstaatlichen Fluchtalternative für einen gesunden und arbeitsfähigen afghanischen Staatsangehörigen auch den hg. Beschluss vom 13. September 2016, Ra 2016/01/0096).

25 Letztlich verweist die Revision zutreffend auch darauf, dass die rechtliche Beurteilung des BVwG, von einer hinreichenden finanziellen Unterstützung des Mitbeteiligten durch seine Familie sei nicht auszugehen, nicht auf entsprechenden Feststellungen aufbaut. Der Mitbeteiligte führte in der mündlichen Verhandlung selbst aus, "er habe vor seiner Ausreise seinen Lebensunterhalt" mit Landwirtschaft verdient, und er gab in der Einvernahme vor der revisionswerbenden Partei an, dass seine Familie von dieser lebe. Weiters brachte er vor dem BVwG vor, seine Mutter sowie drei jüngere Stiefgeschwister lebten nach wie vor in seinem Heimatdorf und ein Onkel mütterlicherseits in der Herkunftsprovinz. Es bleibt in der Folge unklar, auf welchen Sachverhalt das BVwG die rechtliche Beurteilung über die nicht hinreichende finanzielle Unterstützung durch die Familie stützt. Es hat damit gegen die Pflicht zur nachvollziehbaren Begründung verwaltungsgerichtlicher Entscheidungen gemäß § 29 VwGVG verstoßen (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 22. März 2017, Ra 2016/19/0350, mwN).

26 Das angefochtene Erkenntnis war nach dem oben Gesagten wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

Wien, am 8. August 2017

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