Normen
AÜG §3 Abs1
AÜG §4
AÜG §4 Abs2 Z1
AÜG §4 Abs2 Z2
AÜG §4 Abs2 Z3
AÜG §4 Abs2 Z4
EURallg
VwGG §42 Abs2 Z1
12010E056 AEUV Art56
12010E058 AEUV Art58 Abs1
31996L0071 Entsende-RL
31996L0071 Entsende-RL Art1 Abs3
31996L0071 Entsende-RL Art1 Abs3 litc
31996L0071 Entsende-RL Art2 Abs1
62013CJ0586 Martin Meat VORAB
62018CJ0016 Dobersberger VORAB
62018CJ0815 Federatie Nederlandse Vakbeweging VORAB
62019CC0428 Rapidsped Schlussantrag
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2021:RA2017090005.L00
Spruch:
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von € 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1 Mit Straferkenntnis der im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht belangten Behörde vom 24. Juli 2015 wurde der Revisionswerber schuldig erkannt, als handelsrechtlicher Geschäftsführer und somit zur Vertretung nach außen berufenes Organ der D KG in E zu verantworten zu haben, dass das genannte Unternehmen als Arbeitgeber namentlich genannte ausländische Staatsangehörige am oben genannten Standort als LKW‑Fahrer vom jeweiligen Eintrittsdatum bis zum 8. Mai 2014 beschäftigt habe, indem sie Fahrten im innerösterreichischen und grenzüberschreitenden Güterverkehr vom Betriebsstandort in E aus mit Sattelfahrzeugen und den damit wechselweise gezogenen Auflegern durchführten, obwohl für die betroffenen Ausländer keine der im Einzelnen aufgezählten arbeitsmarktrechtlichen Bewilligungen erteilt oder Bestätigungen ausgestellt gewesen seien. Der Revisionswerber habe dadurch eine Verwaltungsübertretung nach § 28 Abs. 1 Z 1 lit. a iVm § 3 Abs. 1 Ausländerbeschäftigungsgesetz (AuslBG) begangen, weshalb Geldstrafen in der Höhe von insgesamt € 591.000,‑‑ (Ersatzfreiheitsstrafe 20.815 Stunden) ausgesprochen wurden.
2 Mit dem angefochtenen Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Oberösterreich wurde nach Durchführung mehrerer mündlicher Verhandlungen einer dagegen vom Revisionswerber erhobenen Beschwerde teilweise Folge gegeben, als hinsichtlich einiger namentlich genannter LKW‑Fahrer der Schuld- und Strafausspruch aufgehoben und das Verfahren diesbezüglich eingestellt wurde. Im Übrigen wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen und die Erhebung einer Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG für nicht zulässig erklärt.
3 In seiner rechtlichen Beurteilung führte das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich ‑ nach Zitierung der für es maßgeblichen Bestimmungen des AuslBG, des Verwaltungsstrafgesetzes (VStG) und des Arbeitskräfteüberlassungsgesetzes (AÜG) ‑ aus, dass eine Auseinandersetzung mit dem in der Beschwerde erstatteten Vorbringen, es handle sich bei der Leistungserbringung des ungarischen Unternehmens F aufgrund von Transportaufträgen, die rechtlich als Sonderform von Werkverträgen einzustufen seien und bei denen die geschuldeten Leistungen im nationalen Raum erbracht worden seien, sodass weder Arbeitskräfteüberlassung noch Entsendung der Fahrer nach Österreich vorläge, unterbleiben habe können, weil der Verwaltungsgerichtshof in näher dargestellter Rechtsprechung ausgesprochen habe, dass bei Erfüllung auch nur eines der in § 4 Abs. 2 Z 1 bis 4 AÜG genannten Tatbestandsmerkmale jedenfalls dem wirtschaftlichen Gehalt nach Arbeitskräfteüberlassung im Sinn des § 3 Abs. 1 AÜG durch den Werkunternehmer als Überlasser im Sinn des § 3 Abs. 2 AÜG an den Werkbesteller als Beschäftiger im Sinn des § 3 Abs. 3 AÜG vorliege. Selbst im Fall zivilrechtlich als Werkvertrag einzustufender Vereinbarungen zwischen Unternehmer und „Subunternehmer“ liege danach eine Arbeitskräfteüberlassung vor, wenn eine der Ziffern des § 4 Abs. 2 AÜG anwendbar sei. Einer Gesamtbeurteilung des Sachverhalts im Sinn des § 4 Abs. 1 AÜG bedürfe es nur dann, wenn durch den Tatbestand keine der vier Ziffern des § 4 Abs. 2 AÜG zur Gänze erfüllt sei. Es sei zunächst zu prüfen, ob hier gemäß § 4 Abs. 2 AÜG von einer Arbeitskräfteüberlassung auszugehen sei. Vorfrage dazu sei, ob beim vorliegenden Sachverhalt von in Ungarn erbrachten Dienstleistungen auszugehen sei, oder ob diese grenzüberschreitend in Österreich erbracht worden und damit die österreichischen Gesetze unionskonform im Sinn der Entsenderichtlinie 96/71/EG anzuwenden seien.
4 Der Betriebszweck der österreichischen D sei mit dem der ungarischen F in dem Bereich, in dem die drittstaatsangehörigen Fahrer eingesetzt würden (Abarbeitung von Transportaufträgen), ident. Zwar sei der jeweilige Transportauftrag der ungarischen F eindeutig zuordenbar, dieser sei zumindest nur mit Hilfestellung von Dienstnehmern der österreichischen D, z.B. durch Vorgabe der idealen Fahrtroute oder bei den sich aus während der Fahrten ergebenden Problemen, bewerkstelligt worden, sodass die erteilten Fahrtaufträge nur im Zusammenwirken der drittstaatsangehörigen Fahrer mit Dienstnehmern der österreichischen D aufgearbeitet worden seien und eine klare Zuordnung des Erfolgs der vertragsgemäßen Erledigung der ungarischen F nicht vorgenommen werden könne. Die Transportaufträge seien durch die ungarische F ausschließlich mit im Eigentum der österreichischen D stehenden und von dieser angemieteten oder geleasten Zugmaschinen, die größtenteils in Ungarn zugelassen worden seien, und mit dem im Eigentum der österreichischen D stehenden Aufliegern, deren Zulassung in Österreich erfolgt sei und deren Benützung über die Verrechnung der zurückgelegten Kilometer eingepreist gewesen sei, erbracht worden. Bei dem Aufliegerwechsel seien wiederum nur Auflieger der österreichischen D bei Fahrten der ungarischen F genutzt worden, die ungarische F verfüge über keine eigenen Auflieger und sie sei zur Erfüllung der von ihr von der österreichischen D erteilten Transportaufträge auf die Bereitstellung deren Auflieger angewiesen. Die Wartung und Instandsetzung der Kraftfahrzeuge erfolge hauptsächlich in der am Gelände der österreichischen D befindlichen Werkstätte, die ausschließlich für Fahrzeuge aus dem Konzern des Revisionswerbers zur Verfügung stehe. Reparatur und Service der Auflieger, die von der ungarischen F verwendet würden, erfolge durch die österreichische D. Zudem seien von D die Tankkarten zur Verfügung gestellt worden. Es sei somit von einem überwiegenden Einsatz der der D zuordenbaren Werkzeuge auszugehen und es sei somit auch Z 2 des § 4 Abs. 1 AÜG erfüllt. Zu Z 3 leg. cit. sei auszuführen, dass die organisatorische Eingliederung in den Betrieb der D und die Unterstellung unter deren Dienst‑ und Fachaufsicht sich aus dem Betriebsablauf, beginnend mit der Erteilung der Dispositionsaufträge, ergebe. Denn diese würden von Dispatchern der D in E, die die Aufträge der Disponenten der D übersetzten, direkt per Knopfdruck an die drittstaatsangehörigen Fahrer weitergeleitet werden. Zwar erfolge gleichzeitig auch die Verständigung der F, sie aber prüfe nur, ob der Fahrer den Auftrag noch abarbeiten könne. Die allfällige Ablehnung eines Auftrags erfolge vom Fahrer über die Konzernsoftware selbst durch Übermittlung an die D. Mit dem Fahrtauftrag seien von der D auch Weisungen hinsichtlich der Fahrtroute an die Fahrer erteilt worden und die Einhaltung dieser Weisungen könne über die Konzernsoftware überwacht werden. Die drittstaatsangehörigen Fahrer der F meldeten sich in E beim Dispatcher der D, bevor sie eine Tour beginnen würden. Jeden Morgen müssten sie über das „Truck‑Nav“ eine Nachricht schicken, die die Grundlage für die weitere Disposition durch die D bilde. Auch bei Problemen, die bei der Erledigung des Fahrtauftrags auftreten würden, würden sie sich an die Dispatcher der D wenden. Zwar seien Urlaube der Fahrer, die nur wochenweise konsumiert werden könnten, von der F genehmigt worden, die Entscheidung darüber, ob der Fahrer ein verlängertes Wochenende konsumieren könne, erfolge aber durch Einteilung der Fahrtrouten durch den Disponenten der D. Nach Rückkehr von einer Tour hätten die Fahrer Papiere auch bei den Bediensteten der D abgegeben und teilweise vor Fahrtantritt die Auftragspapiere persönlich von diesen bekommen. Zwar werde der F eine „Terminalgebühr“ verrechnet, die Fahrer der F könnten aber die sanitären Einrichtungen, die Kantine etc. in der Niederlassung der D ebenso wie deren Bedienstete benützen. Es seien auch Container zum Übernachten auf dem Betriebsgelände der D zur Verfügung gestellt worden, ebenso wie Abstellplätze für die Kfz. Die Steuerung der Erteilung und Abwicklung der Transportaufträge erfolge damit zur Gänze durch die Bediensteten der D, während von der F die Einstellung der drittstaatsangehörigen Fahrer, die personalverrechnungstechnischen Belange und Urlaubsgenehmigungen wahrgenommen worden seien. Durch ineinandergreifende Arbeitsvorgänge der Bediensteten der D und jener der F werde die Abarbeitung der Transportaufträge bewerkstelligt, wobei die Dispatcher der D, die die Aufträge der Disponenten der D übersetzen und sowohl mit den drittstaatsangehörigen Fahrern als auch mit den ungarischen Fahrervertretern kommunizieren und Informationen weiterleiten, eine zentrale Schnittstelle in der Kommunikation und Betreuung der Fahrer der D darstellen.
5 Das Verwaltungsgericht führte weiters aus, dass auch bei Prüfung des Sachverhalts an den vom EuGH vorgegebenen Kriterien (Urteil vom 18. Juni 2015, Martin Meat, C‑586/13) beim gegebenen Sachverhalt von Arbeitskräfteüberlassung auszugehen sei. Die Voraussetzung der entgeltlichen Erbringung einer Dienstleistung, bei der der entsandte Arbeitnehmer im Dienst des Überlassers bleibe, sei erfüllt, bleibe doch die F vertraglicher Arbeitgeber der drittstaatsangehörigen Fahrer, die sich in Ungarn rechtmäßig aufhalten und dort zur Sozialversicherung gemeldet seien. Es sei auch von der Erfüllung des zweiten vom EuGH angeführten Kriteriums, dass der Wechsel der Arbeitnehmer in den Aufnahmemitgliedstaat der eigentliche Gegenstand der erbrachten Dienstleitung des Überlassers sei, auszugehen. Vorliegend würden die drittstaatsangehörigen Fahrer, aber auch ungarische Fahrer, der D von der F ohne zeitliche Beschränkung zur Verfügung gestellt werden. Ca. 80 % der Fahrer der F seien ausschließlich im Einsatz für die D. Dazu komme, dass der Bestand der Fahrer der F seit 2013 durch Drittstaatsangehörige ausgeweitet worden sei, jener der D jedoch nicht. Weil ca. die Hälfte der Gesamtbelegschaft der F ständig für die D im Einsatz sei, sei anzunehmen, dass die Überlassung der Fahrer an die D ein wesentlicher Teil des Betriebszweckes der F sei. Hinsichtlich des dritten vom EuGH genannten Kriteriums, wonach der Arbeitnehmer unter der Aufsicht und Leitung des Beschäftigers arbeiten müsse, werde auf die Ausführungen zu § 4 Abs. 2 Z 3 AÜG verwiesen.
6 Weil damit Arbeitskräfteüberlassung von der F an die D vorliege, sei die D, deren handelsrechtlicher Geschäftsführer und somit gemäß § 9 Abs. 1 VStG strafrechtlicher Verantwortlicher der Revisionswerber sei, Beschäftiger der an ihn überlassenen drittstaatsangehörigen Fahrer. Weil dieser die Fahrer ohne die dafür nötigen arbeitsmarktrechtlichen Genehmigungen beschäftigt habe, habe er damit das Tatbild der vorgeworfenen Strafnorm erfüllt.
7 Hinsichtlich des Verschuldens des Revisionswerbers führte das Verwaltungsgericht aus, dass dieser hinsichtlich der Rechtmäßigkeit des Einsetzens der Fahrer der F zur Aufarbeitung der Transportaufträge der D keine Bedenken gehabt habe, er sei also einem Rechtsirrtum unterlegen, der ihm aber vorwerfbar sei. Es sei ihm anzulasten, es unterlassen zu haben, Erkundigungen bei der zuständigen Behörde einzuholen, ob eine Beschäftigung von Drittstaatsangehörigen in der festgestellten Form rechtskonform sei. Der Revisionswerber habe damit fahrlässig gehandelt und auch die subjektive Tatseite der vorgeworfenen Verwaltungsübertretung erfüllt. Weil er sich im Bereich der grenzüberschreitenden Arbeitskräfteüberlassung um eine sehr komplexe Rechtsmaterie handle, bei der auf den konkreten Betriebsablauf abzustellen sei, wäre die Einholung von Auskünften bei der zuständigen Behörde geradezu geboten gewesen, sodass nicht von einer minderen leichten Fahrlässigkeit durch Unterlassung auszugehen sei. Abweichend von dem von der belangten Behörde festgestellten Milderungsgrund des Nichtvorhandenseins von einschlägigen Vorstrafen werde auch vom Strafmilderungsgrund der absoluten verwaltungsstrafrechtlichen Unbescholtenheit ausgegangen. Die Beschäftigung einer großen Anzahl von drittstaatsangehörigen Fahrern ohne die entsprechenden arbeitsmarktrechtlichen Genehmigungen und die systematische Vorgangsweise bei deren Beschäftigung werde straferschwerend gewertet.
8 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die rechtzeitige, Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend machende außerordentliche Revision. Die vor dem Verwaltungsgericht belangte Behörde erstattete in dem vom Verwaltungsgerichtshof durchgeführten Vorverfahren eine Revisionsbeantwortung.
9 Der Revisionswerber begründet die Zulässigkeit seiner Revision im Hinblick auf das Vorliegen eines grenzüberschreitenden Sachverhalts damit, das Verwaltungsgericht sei bei der Beurteilung der Frage, ob im vorliegenden Fall von Arbeitskräfteüberlassung oder von einem Subfrachtvertrag auszugehen sei, unter anderem von dem Urteil des EuGH in der Rechtssache C‑586/13, Martin Meat, sowie weiterer näher genannter unionsrechtlicher Rechtsprechung abgewichen.
10 Der Verwaltungsgerichtshof hat das Verfahren aus Anlass des Vorabentscheidungsersuchens des Hoge Raad der Nederlanden (C‑815/18) ausgesetzt. Dieses Vorlageverfahren wurde durch das Urteil des EuGH vom 1. Dezember 2020 abgeschlossen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
11 Die Revision ist zulässig, sie ist auch begründet.
12 Die maßgeblichen Bestimmungen des Ausländerbeschäftigungsgesetzes (AuslBG), BGBl. Nr. 218/1975, in der Fassung BGBl. I Nr. 72/2013, lauten (auszugsweise):
„§ 2. (2) Als Beschäftigung gilt die Verwendung
...
e) überlassener Arbeitskräfte im Sinne des § 3 Abs. 1 und 4 des Arbeitskräfteüberlassungsgesetzes, BGBl. Nr. 196/1988, und des § 5a Abs. 1 des Landarbeitsgesetzes 1984, BGBl. Nr. 287.
...
(4) Für die Beurteilung, ob eine Beschäftigung im Sinne des Abs. 2 vorliegt, ist der wahre wirtschaftliche Gehalt und nicht die äußere Erscheinungsform des Sachverhaltes maßgebend. ...
§ 3. (1) Ein Arbeitgeber darf, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, einen Ausländer nur beschäftigen, wenn ihm für diesen eine Beschäftigungsbewilligung oder Entsendebewilligung erteilt oder eine Anzeigebestätigung ausgestellt wurde oder wenn der Ausländer eine für diese Beschäftigung gültige ‚Rot‑Weiß‑Rot ‑ Karte‘, ‚Blaue Karte EU‘ oder ‚Aufenthaltsbewilligung ‑ Künstler‘ oder eine ‚Rot‑Weiß‑Rot ‑ Karte plus‘, eine ‚Aufenthaltsberechtigung plus‘, einen Befreiungsschein (§ 4c) oder einen Aufenthaltstitel ‚Familienangehöriger‘ oder ‚Daueraufenthalt ‑ EU‘ besitzt.
...
§ 28. (1) Sofern die Tat nicht den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet (§ 28c), begeht eine Verwaltungsübertretung und ist von der Bezirksverwaltungsbehörde zu bestrafen,
1. wer
a) entgegen §3 einen Ausländer beschäftigt, für den weder eine Beschäftigungsbewilligung erteilt noch eine Anzeigebestätigung ausgestellt wurde oder der keine für diese Beschäftigung gültige ‚Rot‑Weiß‑Rot ‑ Karte‘, ‚Blaue Karte EU‘ oder ‚Aufenthaltsbewilligung ‑ Künstler‘ oder keine ‚Rot‑Weiß‑Rot ‑ Karte plus‘, keine ‚Aufenthaltsberechtigung plus‘, keinen Befreiungsschein (§4c) oder keinen Aufenthaltstitel ‚Familienangehöriger‘ oder ‚Daueraufenthalt ‑ EU‘ besitzt,
...
bei unberechtigter Beschäftigung von höchstens drei Ausländern für jeden unberechtigt beschäftigten Ausländer mit Geldstrafe von 1 000 Euro bis 10 000 Euro, im Falle der erstmaligen und weiteren Wiederholung von 2 000 Euro bis 20 000 Euro, bei unberechtigter Beschäftigung von mehr als drei Ausländern für jeden unberechtigt beschäftigten Ausländer mit Geldstrafe von 2 000 Euro bis 20 000 Euro, im Falle der erstmaligen und weiteren Wiederholung von 4 000 Euro bis 50 000 Euro; ...“
13 Die Richtlinie 96/71/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 1996 über die Entsendung von Arbeitnehmern im Rahmen der Erbringung von Dienstleistungen („Entsenderichtlinie“) lautet (auszugsweise):
„Artikel 1
Anwendungsbereich
(1) Diese Richtlinie gilt für Unternehmen mit Sitz in einem Mitgliedstaat, die im Rahmen der länderübergreifenden Erbringung von Dienstleistungen Arbeitnehmer gemäß Absatz 3 in das Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats entsenden.
(2) Diese Richtlinie gilt nicht für Schiffsbesatzungen von Unternehmen der Handelsmarine.
(3) Diese Richtlinie findet Anwendung, soweit die in Absatz 1 genannten Unternehmen eine der folgenden länderübergreifenden Maßnahmen treffen:
a) einen Arbeitnehmer in ihrem Namen und unter ihrer Leitung in das Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats im Rahmen eines Vertrags entsenden, der zwischen dem entsendenden Unternehmen und dem in diesem Mitgliedstaat tätigen Dienstleistungsempfänger geschlossen wurde, sofern für die Dauer der Entsendung ein Arbeitsverhältnis zwischen dem entsendenden Unternehmen und dem Arbeitnehmer besteht, oder
b) einen Arbeitnehmer in eine Niederlassung oder ein der Unternehmensgruppe angehörendes Unternehmen im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats entsenden, sofern für die Dauer der Entsendung ein Arbeitsverhältnis zwischen dem entsendenden Unternehmen und dem Arbeitnehmer besteht, oder
c) als Leiharbeitsunternehmen oder als einen Arbeitnehmer zur Verfügung stellendes Unternehmen einen Arbeitnehmer in ein verwendendes Unternehmen entsenden, das seinen Sitz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats hat oder dort seine Tätigkeit ausübt, sofern für die Dauer der Entsendung ein Arbeitsverhältnis zwischen dem Leiharbeitunternehmen oder dem einen Arbeitnehmer zur Verfügung stellenden Unternehmen und dem Arbeitnehmer besteht.
...
Artikel 2
Begriffsbestimmung
(1) Im Sinne dieser Richtlinie gilt als entsandter Arbeitnehmer jeder Arbeitnehmer, der während eines begrenzten Zeitraums seine Arbeitsleistung im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats als demjenigen erbringt, in dessen Hoheitsgebiet er normalerweise arbeitet.
...“
14 Die maßgeblichen Bestimmungen des Arbeitskräfteüberlassungsgesetzes (AÜG), BGBl. Nr. 196/1988, lauten (auszugsweise):
„§ 3. (1) Überlassung von Arbeitskräften ist die Zurverfügungstellung von Arbeitskräften zur Arbeitsleistung an Dritte.
(2) Überlasser ist, wer Arbeitskräfte zur Arbeitsleistung an Dritte vertraglich verpflichtet.
(3) Beschäftiger ist, wer Arbeitskräfte eines Überlassers zur Arbeitsleistung für betriebseigene Aufgaben einsetzt.
(4) Arbeitskräfte sind Arbeitnehmer und arbeitnehmerähnliche Personen. Arbeitnehmerähnlich sind Personen, die, ohne in einem Arbeitsverhältnis zu stehen, im Auftrag und für Rechnung bestimmter Personen Arbeit leisten und wirtschaftlich unselbständig sind.
§ 4. (1) Für die Beurteilung, ob eine Überlassung von Arbeitskräften vorliegt, ist der wahre wirtschaftliche Gehalt und nicht die äußere Erscheinungsform des Sachverhaltes maßgebend.
(2) Arbeitskräfteüberlassung liegt insbesondere auch vor, wenn die Arbeitskräfte ihre Arbeitsleistung im Betrieb des Werkbestellers in Erfüllung von Werkverträgen erbringen, aber 1. kein von den Produkten, Dienstleistungen und Zwischenergebnissen des Werkbestellers abweichendes, unterscheidbares und dem Werkunternehmer zurechenbares Werk herstellen oder an dessen Herstellung mitwirken oder 2. die Arbeit nicht vorwiegend mit Material und Werkzeug des Werkunternehmers leisten oder 3. organisatorisch in den Betrieb des Werkbestellers eingegliedert sind und dessen Dienst-und Fachaufsicht unterstehen oder 4. der Werkunternehmer nicht für den Erfolg der Werkleistung haftet.“
15 Im Revisionsfall wurde dem Revisionswerber angelastet, entgegen § 3 Abs. 1 AuslBG drittstaatsangehörige Arbeitskräfte beschäftigt zu haben, ohne die entsprechenden arbeitsmarktrechtlichen Bewilligungen eingeholt zu haben. Das Verwaltungsgericht geht davon aus, dass der Revisionswerber durch Verwendung überlassener Arbeitskräfte (§ 2 Abs. 2 lit. e AuslBG iVm § 3 Abs. 1 und 4 AÜG) als Beschäftiger zu qualifizieren sei.
16 Das Verwaltungsgericht ist dabei einerseits unter Heranziehung der innerstaatlichen Rechtslage, insbesondere § 4 AÜG, wonach eine Beurteilung nach dem „wahren wirtschaftlichen Gehalt“ und nicht nach der äußeren Erscheinungsform des Sachverhalts maßgebend sei, und andererseits aus unionsrechtlicher Sicht unter Heranziehung der Kriterien des EuGH entsprechend dem Urteil Martin Meat zum Ergebnis gekommen, dass die für den Revisionswerber tätigen aus Ungarn beförderten Arbeitskräfte als „überlassen“ gelten.
17 Unstrittig liegt ein grenzüberschreitender Sachverhalt vor. Zur Klärung der Frage der Abgrenzung, ob das Vertragsverhältnis im vorliegenden Fall als Arbeitskräfteüberlassung im Sinn von Art. 1 Abs. 3 Buchstabe c der Richtlinie 96/71/EG (Entsenderichtlinie) einzustufen ist oder entsprechend dem Vorbringen des Revisionswerbers, es handle sich um ein Subfrachtverhältnis und somit um einen Werkvertrag, war vorab zu klären, ob die Entsenderichtlinie überhaupt auf Arbeitnehmer, die als Fahrer im internationalen Güterkraftverkehr tätig sind, Anwendung findet.
18 Mit Urteil vom 1. Dezember 2020, Federatie Nederlandse Vakbeweging, C‑815/18, hat der EuGH ausgesprochen, dass die Entsenderichtlinie auf die länderübergreifende Erbringung von Beförderungsleistungen anwendbar ist. Der Gerichthof führte aus, dass zwar der freie Dienstleistungsverkehr im Verkehrsbereich nicht durch Art. 56 AEUV geregelt werde, der den freien Dienstleitungsverkehr im Allgemeinen betreffe, sondern durch die Bestimmungen des Titels des AEU‑Vertrags über den Verkehr, auf die Art. 58 Abs. 1 AEUV verweise. Es sei aber darauf hinzuweisen, dass die Richtlinie 96/71 allgemeine Geltung habe. Außerdem bezwecke diese Richtlinie die Beseitigung der Hindernisse für den freien Personen‑ und Dienstleistungsverkehr zwischen den Mitgliedstaaten (Rn. 37, 38). Der Umstand, dass die Richtlinie 96/71 auf Bestimmungen des EG‑Vertrags über den freien Dienstleistungsverkehr gestützt sei, ohne dass ihre Rechtsgrundlage darüber hinaus Bestimmungen über den Verkehr umfasse, könne die länderübergreifende Erbringung von Dienstleitungen im Straßenverkehrssektor, insbesondere im Güterkraftverkehrssektor, nicht von ihrem Anwendungsbereich ausschließen (Rn. 40).
19 Zur Frage, unter welchen Voraussetzungen ein Arbeitnehmer, der im Rahmen eines Chartervertrages zwischen den ihm beschäftigenden Unternehmen und einem in einem anderen Mitgliedstaat tätigen Unternehmen eine Tätigkeit als Fahrer im internationalen Straßenverkehrssektor ausübt, als entsandter Arbeitnehmer im Sinne von Art. 1 Abs. 1 und 3 und Art. 2 Abs. 1 der Richtlinie 96/71 gelten könne, sprach der EuGH weiters aus, dass ein Arbeitnehmer im Hinblick auf die Richtlinie 96/71 nur dann als in das Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats entsandt angesehen werden könne, wenn seine Arbeitsleistung eine hinreichende Verbindung zu diesem Hoheitsgebiet aufweise, was eine Gesamtwürdigung aller Gesichtspunkte voraussetze, die die Tätigkeit des betreffenden Arbeitnehmers kennzeichne (Rn. 45 ff). Ein relevanter Gesichtspunkt für die Beurteilung des Vorliegens einer solchen Verbindung stelle auch die Art der Tätigkeiten dar, die dieser Arbeitnehmer im Hoheitsgebiet des betreffenden Mitgliedstaats verrichte (Rn. 46). Bei mobilen Arbeitnehmern, wie im grenzüberschreitenden Verkehr tätigen Kraftfahrern sei hierfür auch von Bedeutung, wie eng die Verbindung zwischen den Tätigkeiten, die ein solcher Arbeitnehmer im Rahmen der Erbringung der ihm zugewiesenen Beförderungsleistung verrichte, und dem Hoheitsgebiet jedes betroffenen Mitgliedstaats sei (Rn. 47). Das Gleiche gelte für den Anteil dieser Tätigkeiten an der Gesamtheit der betreffenden Dienstleistungen. Insoweit seien das Be- oder Entladen von Waren, die Instandhaltung oder die Reinigung von Transportfahrzeugen von Bedeutung, sofern sie tatsächlich von dem betreffenden Fahrer und nicht von Dritten durchgeführt werden (Rn. 48). Dagegen könne ein Arbeitnehmer, der in dem Hoheitsgebiet des Mitgliedstaats, in den er entsandt werde, Leistungen von sehr beschränktem Umfang erbringe, nicht als „entsandt“ im Sinne der Richtlinie 96/71 angesehen werden (Urteil vom 19. Dezember 2019, Dobersberger, C‑16/18) (Rn. 49).
20 Weiters führte der EuGH aus, dass die Richtlinie 96/71 auch ausdrücklich den Fall einer Entsendung innerhalb einer Unternehmensgruppe erfasst, die Eigenschaft als entsandter Arbeitnehmer aber davon abhängig gemacht werde, ob eine hinreichende Verbindung zwischen seiner Arbeitsleistung und dem Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats als demjenigen bestehe, in dessen Hoheitsgebiet er normalerweise arbeitet.
21 Auch im Schlussantrag des Generalanwalts in der Rechtssache C‑428/19, OL, PM, RO, vom 6. Mai 2021, wird auf diese Entscheidung des EuGH Bezug genommen und betont, dass ein Arbeitnehmer nur dann als in das Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats entsandt angesehen werden könne, wenn seine Arbeitsleistung eine hinreichende Verbindung zu diesem Hoheitsgebiet aufweise. So setze die Entsenderichtlinie eine Gesamtwürdigung aller Gesichtspunkte voraus, die die Tätigkeit des betreffenden Arbeitnehmers kennzeichnen (Punkt 24). Weiters führte der Generalanwalt in Punkt 25 aus, dass im besonderen Fall der im grenzüberschreitenden Straßenverkehr tätigen Kraftfahrer hierbei die Enge der Verbindung zwischen den Tätigkeiten, die ein solcher Arbeitnehmer im Rahmen der Erbringung der Beförderungsleistung verrichte, und dem Hoheitsgebiet jedes betroffenen Mitgliedstaats von besonderer Bedeutung sei. Das Gleiche gelte für den Anteil dieser Tätigkeiten an der Gesamtheit der betreffenden Dienstleistungen.
22 Im dortigen Anlassfall „seien die Kläger mit einem Kleinbus von Ungarn zu einem bestimmten Ziel in Frankreich befördert worden. Von dieser „Basis“ aus schienen sie Dienstleistungen im Straßenverkehr innerhalb Frankreichs zu erbringen. Unter bestimmten Umständen könne diese Tätigkeit auch grenzüberschreitende Beförderungen umfassen. Jedoch scheine ihre „Basis“ generell für alle von den Klägern während ihrer Entsendung ausgeführten Tätigkeiten dieselbe zu bleiben, bis sie nach Ungarn zurückkehren“. Dies weise ‑ so der Generalanwalt weiter ‑ auf eine enge Verbindung zwischen der in Rede stehenden Erbringung der Beförderungsleistung durch die Kläger und dem Hoheitsgebiet von Frankreich hin. Gegenteiliges führte der Generalanwalt zur Rechtssache Dobersberger aus, wonach der EuGH die dortigen mit dem Bordservice in Zügen tätigen Arbeitnehmer als „nicht entsandte Arbeitnehmer“ im Sinne des Art. 2 Abs. 1 der Entsenderichtlinie angesehen habe, weil es diesen ersichtlich an einer vergleichbaren festen „Basis“ von der aus die Arbeitsleistung erbracht worden wäre, gefehlt habe, zumal sie durch das Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats, der nicht ihr Heimat‑ oder Aufnahmemitgliedstaat gewesen sei, hindurch gefahren oder dort Güter entladen hätten.
23 Ob im vorliegenden Fall eine solch enge Verbindung zwischen der in Rede stehenden Erbringung der Beförderungsleistung durch die von der ungarischen F gebrachten Arbeitnehmer und dem Hoheitsgebiet von Österreich vorliegt, um von entsandten Arbeitnehmern sprechen zu können, kann jedoch, wie noch aufzuzeigen sein wird, noch nicht abschließend beurteilt werden.
24 Bezugnehmend auf die hier weiter zu klärende Frage, ob der fallbezogene Sachverhalt als grenzüberschreitende Arbeitskräfteüberlassung oder als Werkvertrag (Subfrachtvertrag) zu beurteilen ist, hat der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom 22. August 2017, Ra 2017/11/0068, ausgeführt, dass infolge des Anwendungsvorranges des Unionsrechts die bisherige Rechtsprechung zu § 4 AÜG im Sinn der Rechtsprechung des EuGH zu lesen sei, weshalb es einer Gesamtbeurteilung aller für die Abgrenzung zwischen Werkvertrag und Arbeitskräfteüberlassung maßgebenden Umstände bedarf und nicht (mehr) allein auf das Vorliegen einer der in § 4 Abs. 2 Z 1 bis 4 AÜG genannten Parameter abgestellt werden darf (vgl. auch VwGH 20.9.2017, Ra 2017/11/0016). Damit sind auch die Kriterien für die Arbeitskräfteüberlassung i.S.d. Art. 1 Abs. 3 lit. c der Richtlinie 96/71/EG entscheidend.
25 Im bereits mehrfach zitierten Urteil des EuGH vom 18. Juni 2015, Martin Meat, C‑586/13, führte der Gerichtshof dazu aus, dass für die Feststellung, ob ein Vertragsverhältnis als Arbeitskräfteüberlassung im Sinn von Art. 1 Abs. 3 Buchstabe c der Richtlinie 96/71 einzustufen ist, drei Voraussetzungen erfüllt sein müssen. Erstens muss es sich bei der Überlassung von Arbeitskräften um eine gegen Entgelt erbrachte Dienstleistung handeln, bei der der entsandte Arbeitnehmer im Dienst des die Dienstleistung erbringenden Unternehmens bleibt, ohne dass ein Arbeitsvertrag mit dem verwendenden Unternehmen geschlossen wird. Zweitens muss das wesentliche Merkmal dieser Überlassung darin bestehen, dass der Wechsel des Arbeitnehmers in den Aufnahmemitgliedstaat der eigentliche Gegenstand der Dienstleistung des erbringenden Unternehmens ist. Drittens muss der Arbeitnehmer im Rahmen einer solchen Überlassung seine Aufgaben unter der Aufsicht und Leitung des verwendenden Unternehmens wahrnehmen.
26 Bei der Analyse des eigentlichen Gegenstands der Dienstleistung sei jeder Anhaltspunkt dafür zu berücksichtigen, dass der Wechsel des Arbeitnehmers in den Aufnahmemitgliedstaat den Gegenstand der betreffenden Dienstleistung darstelle oder nicht darstelle. Hierbei sei zu beachten, dass ein Dienstleistungserbringer grundsätzlich eine Leistung erbringen müsse, die mit den Vorgaben des Vertrags übereinstimme, so dass die Folgen der Erbringung einer nicht vertragsgemäßen Leistung von dem Dienstleistungserbringer getragen werden müssen. Demzufolge sei bei der Feststellung, ob der eigentliche Gegenstand der Dienstleistung die Entsendung des Arbeitnehmers in den Aufnahmemitgliedstaat sei, insbesondere jeder Anhaltspunkt dafür zu berücksichtigen, dass der Dienstleistungserbringer nicht die Folgen einer nicht vertragsgemäßen Ausführung der vertraglich festgelegten Leistung trage. Ergebe sich daher aus dem Vertrag, dass der Dienstleistungserbringer verpflichtet sei, die vertraglich vereinbarte Leistung ordnungsgemäß auszuführen, sei es grundsätzlich weniger wahrscheinlich, dass es sich um eine Arbeitskräfteüberlassung handle, als wenn er die Folgen der nicht vertragsgemäßen Ausführung dieser Leistung nicht zu tragen habe (zum Ganzen Rn. 34 bis 36).
27 Damit sind vor dem Hintergrund dieser Ausführungen Feststellungen zum Vertragsverhältnis der hier involvierten Parteien, deren vertraglichen Grundlagen aber insbesondere dazu, ob das Entgelt auch von der Qualität der erbrachten Leistung abhängt bzw. wer die Folgen einer nicht vertragsgemäßen Ausführung der vertraglich festgelegten Leistung trägt, sohin ob der für einen Werkvertrag essentielle „gewährleistungstaugliche“ Erfolg vereinbart wurde, wer die Zahl der für die Herstellung des Werkes jeweils konkret eingesetzten Arbeitnehmer bestimmt und von wem die Arbeitnehmer die genauen und individuellen Weisungen für die Ausführung ihrer Tätigkeiten erhalten, von entscheidender Bedeutung.
28 Im angefochtenen Erkenntnis ist das Verwaltungsgericht davon ausgegangen, dass eine Auseinandersetzung mit dem Beschwerdevorbringen, wonach es sich um Transportaufträge, die rechtlich als Sonderform von Werkverträgen einzustufen seien, unterbleiben könne, weil es auf den tatsächlichen Betriebsablauf bei der Erfüllung der Verträge ankomme.
29 Wie bereits dargelegt, sind aber eindeutige Feststellungen zum konkret vereinbarten Leistungsgegenstand zwischen der österreichischen D und der ungarischen F zu treffen und davon ausgehend sind Feststellungen dazu erforderlich, ob ein gewährleistungstauglicher Erfolg vereinbart wurde.
30 Das Verwaltungsgericht hat lediglich festgestellt, „dass die ungarische F voll für Schäden hafte wie jeder Dritte, bei nicht ordnungsgemäßer Transportleistung die österreichische D aufgrund einer Warenversicherung vom Kunden geklagt werde und bei Kfz‑Schäden der Geschädigte immer an den Versicherer der ungarischen F herantrete. Bei einem Ladegutschaden werde der Dispatcher in Österreich kontaktiert und im Containerbüro ein Protokoll aufgenommen. Wenn es sich um einen Schaden handelt, für den der Fahrer verantwortlich sei und der Schadensbetrag ihm vom Gehalt abgezogen werde, werde das Schadensprotokoll in Ungarn erstellt“. Dazu ist auszuführen, dass, ohne die vertraglichen Grundlagen zu kennen, eine Zuordnung eines gewährleistungstauglichen Erfolgs mit diesen Sachverhaltsfeststellungen nicht vorgenommen werden kann.
31 Das Verwaltungsgericht wird im fortgesetzten Verfahren anhand der dargestellten Rechtslage eindeutige Sachverhaltsfeststellungen zu treffen haben, ob und welche der für die Arbeitskräfteüberlassung ausschlaggebenden Kriterien verwirklicht sind, um im Rahmen einer rechtlichen Gesamtbeurteilung fallbezogen das Vorliegen von grenzüberschreitender Arbeitskräfteüberlassung bejahen oder verneinen zu können (vgl. erneut VwGH 22.8.2017, Ra 2017/11/0068).
32 Nachdem die Sachverhaltsgrundlage noch nicht vollständig erhoben worden ist, wird sich das Verwaltungsgericht auch mit der eingangs erörterten Frage, wann ein als LKW‑Fahrer im internationalen Straßenverkehrssektor tätiger Arbeitnehmer als „entsandt“ gilt, um die Anwendbarkeit der Entsenderichtlinie 96/71/EG überhaupt bejahen zu können, auseinandersetzen müssen.
33 Es wird ausgehend von den vom EuGH aufgezeigten Gesichtspunkten (vgl. Rn. 46 bis 49 im Urteil des EuGH vom 1. Dezember 2020, Federatie Nederlandse Vakbeweging, C‑815/18) ‑ und auch hier können die noch nicht festgestellten Vertragsbeziehungen eine Rolle spielen ‑ entsprechende Feststellungen zu treffen sein, um eine Gesamtwürdigung sämtlicher dieser Aspekte vornehmen zu können. Dazu ist anzumerken, dass das Verwaltungsgericht zwar schon umfangreiche Feststellungen zum Betriebsablauf getroffen hat. Diese sind jedoch zur Beurteilung der vom EuGH vorgegebenen Kriterien (insbesondere zum zeitlichen und anteilsmäßigen Aspekt der Dienstleistungen) noch nicht umfassend und präzise genug, um die eben dargestellte Gesamtwürdigung vornehmen zu können.
34 Für den Fall, dass das Verwaltungsgericht zur Bejahung des Vorliegens von Arbeitskräfteüberlassung und davon ausgehend zu einer strafrechtlichen Verantwortung des Revisionswerbers als Beschäftiger im Sinn des § 3 Abs. 1 AuslBG kommt, wird im Hinblick auf die gegen den Revisionswerber verhängten Geldstrafen auf das Urteil des EuGH vom 12. September 2019, Maksimovic, C‑64/18, und der dazu ergangenen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs Bedacht zu nehmen sein (vgl. dazu VwGH 13.11.2020, Ra 2020/09/0052 mit Verweis auf VwGH 2.7.2020, Ra 2020/09/0025; siehe auch die insoweit auf das Ausländerbeschäftigungsgesetz umlegbaren Ausführungen in VwGH 6.5.2020, Ra 2020/17/0001).
35 Das angefochtene Erkenntnis war somit wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.
36 Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH‑Aufwandersatzverordnung 2014.
Wien, am 24. Juni 2021
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