Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
2 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
3 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
4 Mit dem in Revision gezogenen Erkenntnis hat das Verwaltungsgericht in Abänderung des Bescheides der belangten Behörde vom 15. Juni 2012 ausgesprochen, dass die Erstmitbeteiligte auf Grund ihrer Tätigkeit für die revisionswerbende Partei vom 1. April 2006 bis laufend als Dienstnehmerin gemäß § 4 Abs. 1 Z 1 ASVG in der Voll-(Kranken-, Unfall-, Pensions-)versicherung und gemäß § 1 Abs. 1 lit. a AlVG in der Arbeitslosenversicherung pflichtversichert sei.
5 Die Erstmitbeteiligte sei für die revisionswerbende Partei - ein selbständiges Ambulatorium ("Institut") für physikalische Medizin - (iSd § 12 Wiener Krankenanstaltengesetz) als ärztliche Leiterin und als Fachärztin für physikalische Medizin in den Betriebsräumlichkeiten am Sitz der revisionswerbenden Partei bei flexiblen Arbeitszeiten gegen ein fixes monatliches Entgelt tätig gewesen. (Mindest‑)Anwesenheitszeiten seien für Dienstag und Donnerstag jeder Woche von 8 h bis 10 h festgelegt gewesen. Darüber hinaus seien eine tägliche Anwesenheit ohne Zeitangabe sowie eine Rufbereitschaft erforderlich gewesen. Die Erstmitbeteiligte habe die medizinisch-fachärztliche Verantwortung getragen, die Aufsicht über das medizinisch-technische Personal geführt und das Personal in Erster Hilfe geschult. Als Fachärztin habe die Erstmitbeteiligte selbst Untersuchungen vorgenommen, Patienten begutachtet und Therapiepläne erstellt und überwacht. Eine eigenmächtige, jederzeitige Vertretung durch eine beliebige Person sei nicht möglich gewesen. Eine Vertretung sei auch nicht in Anspruch genommen worden. Urlaube seien während der Schließungszeiten des Instituts konsumiert worden. Ihr Haupteinkommen habe die Erstmitbeteiligte nicht an diesem Institut, sondern an der Wiener Privatklinik erwirtschaftet. Ein (schriftlicher) Dienstvertrag sei nicht abgeschlossen worden.
6 In rechtlicher Hinsicht führte das Verwaltungsgericht aus, es sei unbeschadet dessen, dass persönliche Weisungen tatsächlich nicht erteilt worden seien, von einer "stillen Autorität" (personenbezogenen Weisungs- und Kontrollrechten) der revisionswerbenden Partei (bzw. deren Geschäftsführung) auszugehen. Die Erstmitbeteiligte habe sich den Gegebenheiten des Betriebes angepasst. Die sachliche Weisungsfreiheit im medizinischen Bereich, die schon auf Grund des § 2 Abs. 2 ÄrzteG bestehe, schließe eine Pflichtversicherung (als abhängig Beschäftigte) ebensowenig aus wie der Umstand, dass die Erstmitbeteiligte (im gegenständlichen Zeitraum) nach dem FSVG (pensions)versichert gewesen sei. In einer Gesamtbetrachtung iSd § 4 Abs. 2 ASVG würden die Merkmale einer abhängigen Beschäftigung überwiegen.
7 Die revisionswerbende Partei bringt zur Zulässigkeit der Revision vor, dass die Kriterien für die Annahme einer persönlichen Unabhängigkeit der Erstmitbeteiligten überwögen und sie keine abhängige Beschäftigte iSd § 4 Abs. 2 ASVG sei. Der Erstmitbeteiligten komme - unabhängig davon, ob sie davon Gebrauch gemacht habe - ein generelles Vertretungsrecht zu, ihr fehle die persönliche Arbeitspflicht und damit die persönliche Abhängigkeit von der revisionswerbenden Partei. Das Verwaltungsgericht habe zu Unrecht das Vorliegen einer stillen Autorität der revisionswerbenden Partei festgestellt. Es sei ohne Beweiswiederholung und ohne eine mündliche Verhandlung von den Feststellungen der belangten Behörde abgewichen, wonach die Erstmitbeteiligte keinen Weisungen und Kontrollen durch die revisionswerbende Partei unterlegen ist.
8 Damit zeigt die revisionswerbende Partei keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung auf.
9 Ein "generelles Vertretungsrecht" der Erstmitbeteiligten läge nur dann vor, wenn diese jederzeit nach Gutdünken beliebige Teile ihrer Verpflichtung auf Dritte überbinden könnte. Sie müsste - unbeschadet einer allfälligen Pflicht, ihren Vertragspartner zu verständigen - berechtigt sein, irgendeinen geeigneten Vertreter zur Erfüllung der von ihr übernommenen Arbeitspflicht heranzuziehen bzw. eine Hilfskraft beizuziehen. Die bloße Befugnis, sich im Fall der Verhinderung in bestimmten Einzelfällen vertreten zu lassen (z.B. im Fall einer Krankheit oder eines Urlaubs; bei bestimmten Arbeiten innerhalb der umfassenderen Arbeitspflicht), oder eine wechselseitige Vertretungsbefugnis mehrerer vom selben Vertragspartner beschäftigter Personen (Vertretungsregelungen und Mitspracherechte im Rahmen einer flexiblen Diensteinteilung bzw. Dienstplanerstellung) würde keine generelle Vertretungsbefugnis darstellen. Selbst wenn ein generelles Vertretungsrecht im oben umschriebenen Umfang vereinbart worden wäre, könnte dies - unter dem Gesichtspunkt der Beurteilung von Sachverhalten in wirtschaftlicher Betrachtungsweise (§ 539a ASVG) - die persönliche Arbeitspflicht nur dann ausschließen, wenn diese Befugnis entweder in der Durchführung des Beschäftigungsverhältnisses auch tatsächlich gelebt worden wäre oder wenn die Parteien bei Vertragsabschluss nach den Umständen des Einzelfalles zumindest ernsthaft damit hätten rechnen können, dass von der generellen Vertretungsbefugnis auch tatsächlich Gebrauch gemacht werden würde und die Einräumung dieser Vertretungsbefugnis nicht mit anderen vertraglichen Vereinbarungen im Widerspruch stünde (VwGH 1.10.2015, Ro 2015/08/0020; 12.10.2016, Ra 2016/08/0095). Dass eine ärztliche Leiterin und Fachärztin über den Kopf der revisionswerbenden Partei hinweg ihre Aufgaben an einen von ihr frei gewählten Arzt oder eine frei gewählte Ärztin (uU auf Dauer) auf eigene Kosten delegieren könnte, ergibt weder aus ärztlicher noch aus betriebswirtschaftlicher Sicht einen Sinn. Ein solcher wurde auch von der Revision nicht ins Treffen geführt. Das Verwaltungsgericht hat die persönliche Arbeitspflicht der Erstmitbeteiligten zu Recht bejaht.
10 Die Entscheidung über das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung iSd § 4 Abs. 2 ASVG ist das Ergebnis einer im Einzelfall vorzunehmenden Gesamtabwägung der maßgeblich für bzw. gegen das Vorliegen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses sprechenden Umstände und Merkmale. Wurde diese auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage und in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen, so ist eine solche einzelfallbezogene Beurteilung im Allgemeinen nicht revisibel. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung läge nur dann vor, wenn das Verwaltungsgericht diese Gesamtabwägung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hätte (vgl. etwa VwGH 18.2.2015, Ra 2015/08/0003). Die revisionswerbende Partei zeigt die Unvertretbarkeit der Gesamtabwägung durch das Verwaltungsgericht nicht auf. Gegen diese bestehen insbesondere im Hinblick auf die im Rahmen der rechtlichen Beurteilung angenommene "stille Autorität" (persönliches Kontroll- und Weisungsrecht) der revisionswerbenden Partei, die sich aus der beschriebenen und von der revisionswerbenden Partei nicht bestrittenen Einbindung der Erstmitbeteiligten in den Betrieb des Ambulatoriums ergibt, keine Bedenken (vgl. zur Tätigkeit von ärztlichen Leitern in persönlicher Abhängigkeit VwGH 27.10.2016, Ra 2016/08/0153, 0154 und Ra 2016/08/0155, 0156).
11 Der entscheidungsrelevante Sachverhalt war geklärt. Die Entscheidung hing einzig von der Lösung rein rechtlicher Fragestellungen ab. Das Vorbringen der Revisionswerberin vor dem Verwaltungsgericht war nicht geeignet, irgendeine Tatsachen- oder Rechtsfrage aufzuwerfen, die eine mündliche Verhandlung erforderlich gemacht hätte. Das Verwaltungsgericht war gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG berechtigt, von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung Abstand zu nehmen.
12 In der Revision werden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.
Wien, am 9. November 2017
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