Normen
32014R0165 KontrollgeräteV;
EURallg;
KFG 1967 §102a Abs4;
KFG 1967 §134 Abs1;
VStG §22;
VStG §45 Abs1 Z4;
VStG §45 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z1;
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2018:RA2017020247.L00
Spruch:
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Antrag der revisionswerbenden Partei auf Zuspruch von Aufwandersatz wird abgewiesen.
Begründung
1 Mit Straferkenntnis vom 6. Juli 2017 der Bezirkshauptmannschaft Krems wurde dem Mitbeteiligten Folgendes vorgeworfen:
"Anhaltezeit: 25.7.2016, gegen 12.56 Uhr
Anhalteort: Ortsgebiet von G.
Fahrzeug: LKW, MAN mit Anhänger
behördliches Kennzeichen: (...)
Tatbeschreibung:
Sie haben als Lenker (Fahrer) des angeführten Kraftfahrzeuges, welches zur Güterbeförderung im Straßenverkehr eingesetzt ist und dessen höchst zulässiges Gesamtgewicht einschließlich Anhänger oder Sattelanhänger 3,5 t übersteigt, folgende Übertretungen begangen:
1. Sie haben bei der Lenker- und Fahrzeugkontrolle, obwohl das Fahrzeug mit einem Kontrollgerät gemäß Anhang I B der VO (EWG) 3821/85 (digitales Kontrollgerät) ausgerüstet war, auf Verlangen, dem Organ der öffentlichen Straßenaufsicht, die Bestätigung des Arbeitgebers, welche den Mindestanforderungen des von der Kommission gemäß Artikel 11 Abs. 3 der Richtlinie 2006/22/EG erstellten Formblattes entsprechen müssen, für die, auf der Fahrerkarte fehlenden einzelnen Arbeitstage nicht ausgehändigt. Es fehlte die Bestätigung über die lenkfreien Tage vom 27.6.2016, 00.01 Uhr bis 1.7.2016, 23.59.
2. Bei der Lenker- und Fahrzeugkontrolle, obwohl das Fahrzeug mit einem Kontrollgerät gemäß Anhang I B der VO (EWG) 3821/85 (digitales Kontrollgerät) ausgerüstet war, wurde festgestellt, dass Sie am 11.7.2016, 17.26 Uhr auf 12.7.2016, 05.58 Uhr, am 12.7.2016, 17.34 Uhr bis 13.7.7.2016, 07.00 Uhr, am 15.7.2016 von 14.20 Uhr bis 18.7.2016, 07.34 Uhr, am 20.7.2016, 16.46 Uhr bis 21.7.2016, 05.48 Uhr, am 21.7.2016,
17.50 Uhr, bis 22.7.2016, 06.38 Uhr, am 22.7.2016, 12.52 Uhr bis 25.7.2016, 06.46 Uhr, in dem Sie sich nicht im Fahrzeug aufgehalten haben und daher nicht in der Lage waren, das in das Fahrzeug eingebaute Gerät zu betätigen, die anderen Tätigkeiten sowie Ruhezeiten, nicht mittels der manuellen Eingabevorrichtung des Fahrtenschreibers auf der Fahrerkarte eingetragen haben. Es wurden die angegebenen Zeiten nicht aufgezeichnet und wurden diese von Ihnen auch nicht mittels der manuellen Eingabevorrichtung des Fahrtenschreibers auf der Fahrerkarte eingetragen.
Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschriften verletzt:
zu 1. § 134 Abs. 1 i.V.m. § 102a Abs. 4 KFG 1967 i.V.m. VO (EU) Nr. 165/2014 Art. 34 und Art. 36, VO (EG) Nr. 561/2006, Richtlinie 2006/22/EG
zu 2. § 134 Abs 1 KFG 1967 iVm VO (EU) Nr. 165/2014 Art 34 Abs 5 lit b und Abs 3 lit b"
2 Über den Mitbeteiligten wurde gemäß § 134 Abs. 1 i.V.m. Abs. 1b KFG zu 1. eine Geldstrafe von EUR 300,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 36 Stunden) sowie zu 2. eine Geldstrafe von EUR 550,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 66 Stunden) verhängt.
3 Der dagegen vom Mitbeteiligten erhobenen Beschwerde gab das Verwaltungsgericht hinsichtlich des Spruchpunktes 1. insoweit statt, als unter Anwendung des § 45 Abs. 1 Z 4 VStG dem Mitbeteiligten "unter Hinweis auf die Rechtswidrigkeit seines Verhaltens mit Bescheid eine Ermahnung erteilt wird, zumal dies geboten erscheint, um ihn von der Begehung strafbarer Handlungen gleicher Art abzuhalten". Hinsichtlich des Spruchpunktes 2. hob das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid auf und stellte das Verwaltungsstrafverfahren diesbezüglich ein. Die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof erklärte das Verwaltungsgericht für unzulässig.
4 Das Verwaltungsgericht stellte im angefochtenen Erkenntnis kurz den Verfahrensgang und das Beschwerdevorbringen dar. Unter dem Punkt "Feststellungen und Beweiswürdigung" führte das Verwaltungsgericht sodann aus (Schreibweise im Original, Anonymisierung durch den Verwaltungsgerichtshof):
"Aufgrund des durchgeführten verwaltungsgerichtlichen Verfahrens sowie auch aufgrund des im Verwaltungsakt der Bezirkshauptmannschaft Krems, Zl. (...) dokumentierten behördlichen Ermittlungsverfahrens ist erwiesen: Der Beschwerdeführer Mag. S. war am 25.7.2016, gegen 12.56 Uhr im Ortsgebiet von G. (...) als Lenker des Sattelkraftfahrzeuges mit den Kennzeichen (...) durch Beamte der Landespolizeidirektion NÖ (...) einer Kontrolle unterzogen worden, im Verlauf welcher die angezeigten Übertretungen festgestellt werden konnten."
Danach zitierte das Verwaltungsgericht mehrere Rechtsvorschriften und hielt unter dem Punkt "Erwägungen" fest, dass der der Rechtssache zugrundeliegende Sachverhalt im Grundsatz aufgrund der Ergebnisse des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens sowie aufgrund der aus dem Aktengeschehen getroffenen Feststellungen erwiesen sei. Zu Spruchpunkt 1. des Straferkenntnisses führte das Verwaltungsgericht sodann nach Zitierung des § 45 Abs. 1 Z 4 VStG wörtlich aus wie folgt:
"Nach Auffassung des Gerichtes liegen die Voraussetzungen für die Anwendung der oa. Gesetzesstelle im gegenständlichen Fall vor, zumal nicht grundsätzlich keine Bestätigungen ausgestellt worden waren und die gesetzliche Verpflichtung hinsichtlich der in Rede stehenden Bescheinigungen zum überwiegenden Teil den Arbeitgeber trifft".
Zu Spruchpunkt 2. des Straferkenntnisses stellte das Verwaltungsgericht ausführlich allgemein die rechtliche Lage sowie die hg. Rechtsprechung zum fortgesetzten Delikt dar. Sodann hielt es fest wie folgt:
"Vorliegend ist vielmehr von einem wiederholten gleichartigen deliktischen Tun auszugehen. Wenn durch die Begehung von gleichen Übertretungshandlungen zu verschiedenen Zeitpunkten jeweils eine Verwaltungsübertretung begangen wird, sohin kein fortgesetztes Delikt vorliegt, hat die Behörde für jedes Delikt gemäß § 22 Abs. 1 VStG eine gesonderte Strafe auszusprechen (VwGH 15.04.2005, 2005/02/0015). Es war daher von jeweils gesondert zu bestrafenden Delikten je Tatzeitraum auszugehen.
Da die Behörde entgegen der Bestimmungen des § 22 VStG für zwei verschiedene Delikte eine einheitliche Geldstrafe verhängt hat, war das Straferkenntnis zu beheben (vgl. VwGH 28.9.1988, 88/02/0078). Es ist festzustellen, daß im Falle des Vorliegens mehrerer Verwaltungsübertretungen durch die Nichtanwendung des § 22 VStG dem Beschuldigten die Möglichkeit genommen wird, sich gegen die strafrechtliche Verfolgung jedes einzelnen der ihm zur Last gelegten Delikte zur Wehr zu setzen.
Es war spruchgemäß zu entscheiden".
5 Dagegen richtet sich die vorliegende Amtsrevision der Bezirkshauptmannschaft Krems mit dem Antrag, der Verwaltungsgerichtshof möge das angefochtene Erkenntnis wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufheben. Weiters beantragte die Bezirkshauptmannschaft Krems Kostenzuspruch.
Revisionsbeantwortung wurde keine erstattet.
6 Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
7 In der Zulässigkeitsbegründung wird geltend gemacht, die Voraussetzungen für die Anwendbarkeit des § 45 Abs. 1 Z 4 VStG zu Spruchpunkt 1. des Straferkenntnisses seien im gegenständlichen Fall nicht gegeben gewesen. Weiters wird hinsichtlich des Spruchpunktes 2. im Wesentlichen die Ansicht des Verwaltungsgerichtes bekämpft, wonach jeweils gesondert zu bestrafende Delikte vorgelegen hätten.
8 Die gegenständliche Revision ist zulässig und - im Ergebnis - auch begründet.
9 Nach ständiger Rechtsprechung zu § 45 Abs. 1 Z 4 VStG müssen die dort genannten Umstände - geringe Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsgutes, geringe Intensität der Beeinträchtigung dieses Rechtsgutes durch die Tat sowie geringes Verschulden - kumulativ vorliegen. Fehlt es an einer der in § 45 Abs. 1 Z 4 VStG genannten Voraussetzungen für die Einstellung des Strafverfahrens, kommt auch keine Ermahnung nach § 45 Abs. 1 letzter Satz VStG in Frage (vgl. etwa VwGH 7.4.2017, Ra 2016/02/0245 m.w.H.).
Das Verwaltungsgericht hat zu diesen - für die Beurteilung des Vorliegens der Voraussetzungen einer Ermahnung des Mitbeteiligten relevanten - Umständen keine Feststellungen getroffen. Ohne entsprechende Feststellungen erweist sich jedoch die vom Verwaltungsgericht im Ergebnis vertretene Rechtsanschauung, es lägen zu Spruchpunkt 1. die Voraussetzungen für eine Ermahnung vor, als rechtswidrig (vgl. VwGH 6.3.2018, Ra 2018/02/0009). Das angefochtene Erkenntnis ist im Spruchpunkt 1. somit bereits aus diesem Grund mit Rechtswidrigkeit belastet.
10 In diesem Zusammenhang ist auch an die Anforderungen an Form und Inhalt eines verwaltungsgerichtlichen Erkenntnisses zu erinnern, zu denen der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom 21.10.2014, Ro 2014/03/0076, grundlegend Stellung genommen hat. Demnach erfordert die Begründung der Entscheidung in einem ersten Schritt die eindeutige, eine Rechtsverfolgung durch die Partei ermöglichende und einer nachprüfenden Kontrolle durch die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts zugängliche konkrete Feststellung des der Entscheidung zugrunde gelegten Sachverhalts, in einem zweiten Schritt die Angabe jener Gründe, welche die Behörde im Falle des Vorliegens widerstreitender Beweisergebnisse in Ausübung der freien Beweiswürdigung dazu bewogen haben, gerade jenen Sachverhalt festzustellen, und in einem dritten Schritt die Darstellung der rechtlichen Erwägungen, deren Ergebnisse zum Spruch des Bescheides geführt haben. Die drei logisch aufeinander aufbauenden und formal zu trennenden Elemente einer ordnungsgemäß begründeten verwaltungsgerichtlichen Entscheidung bestehen sohin erstens in einer im Indikativ gehaltenen Tatsachenfeststellung, zweitens in der Beweiswürdigung und drittens in der rechtlichen Beurteilung. Lässt eine Entscheidung die Trennung dieser Begründungselemente in einer Weise vermissen, dass die Rechtsverfolgung durch die Partei oder die nachprüfende Kontrolle durch die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts maßgeblich beeinträchtigt wird, dann führt ein solcher Begründungsmangel zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung schon aus diesem Grund.
11 Das angefochtene Erkenntnis genügt diesen Anforderungen nicht, weil es weder einen getrennten Aufbau im obigen Sinn, noch eine Beweiswürdigung bzw. ausreichende Feststellungen zum konkreten Sachverhalt enthält. Aus diesem Grund ist unter anderem auch nicht nachvollziehbar, weshalb das Verwaltungsgericht im vorliegenden Fall zu Spruchpunkt 2. davon ausgeht, dass von jeweils gesondert zu bestrafenden Delikten je Tatzeitraum auszugehen war. Der Verwaltungsgerichtshof hat darüber hinaus bereits ausgesprochen, dass es sich bei der Unterlassung, Zeiten auf der Fahrerkarte einzutragen, in denen sich der Fahrer nicht im Fahrzeug aufgehalten habe, um Dauerdelikte handelt (vgl. VwGH 4.4.2017, Ra 2017/02/0044), weshalb sich die Ansicht des Verwaltungsgerichts, wonach von jeweils gesondert zu bestrafenden Delikten auszugehen sei, jedenfalls als rechtswidrig erweist.
12 Das angefochtene Erkenntnis war wegen vorrangig zu behandelnder inhaltlicher Rechtswidrigkeit gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.
13 Gemäß § 47 Abs. 4 VwGG hat die revisionswerbende Partei in dem hier vorliegenden Fall einer Amtsrevision gemäß Art 133 Abs. 6 Z 2 B-VG keinen Anspruch auf Aufwandersatz, weshalb der diesbezügliche Antrag der revisionswerbenden Partei abzuweisen war.
Wien, am 11. Mai 2018
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