Normen
StbG 1985 §10 Abs1 Z6;
StbG 1985 §10 Abs2 Z7;
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Die revisionswerbenden Parteien sind Staatsangehörige von Bosnien-Herzegowina. Die Zweitrevisionswerberin ist die Ehefrau, die Dritt- und Viertrevisionswerber sind die mj. Kinder des Erstrevisionswerbers.
2 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wurde - nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung - die Beschwerde der revisionswerbenden Parteien gegen den Bescheid der Landesregierung vom 3. Oktober 2016, mit dem der Antrag des Erstrevisionswerbers auf Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft und das Ansuchen der zweit- bis viertrevisionswerbenden Parteien auf Erstreckung der Verleihung gemäß § 10 Abs. 1 Z 6, 10 Abs. 2 Z 7 und § 11 bzw. § 18 Staatsbürgerschaftsgesetz 1985 (StbG) abgewiesen worden war, als unbegründet abgewiesen und ausgesprochen, dass die Revision unzulässig sei.
3 Begründend führte das Verwaltungsgericht im Wesentlichen aus, der Erstrevisionswerber sei von 2006 bis 2013 Obmann des Moschee-Vereines "I" in G gewesen. Nach dem - im angefochtenen Erkenntnis wiedergegebenen - Bericht des Landesamtes für Verfassungsschutz vom 11. Juli 2016 vertrete dieser Verein eine Ausprägung des salafistischen Islams, die zwar nicht als extremistisch einzustufen sei, jedoch grundsätzlich dem Gedanken der Völkerverständigung widerspreche und Gesellschaften fördere, die sich von der etablierten Gesellschaft distanzierten und parallele, trennende Formen errichteten. Der Verein habe ein Naheverhältnis zu terorristischen und extremistischen Gruppierungen. Die im Verein - vom Imam A.D. - verbreitete salafistische Lehre sei weder mit der westlich-liberalen demokratischen Weltvorstellung noch mit den europäischen Menschenrechten konform und fördere Ansichten, die die Religionsfreiheit von Menschen einschränkten, Andersdenkende ausgrenzten, Frauen in ihren Rechten benachteiligten und eine Spaltung der Gesellschaft hervorriefen. Nach der von A.D. verbreiteten Lehre werde der Scharia gegenüber dem österreichischen Recht der Vorrang eingeräumt. A.D. sehe sich lediglich in einem Vertragszustand mit dem österreichischen Staat, aufgrund seiner religiösen Einstellung sei er der Scharia als einzigem Gesetz verpflichtet.
4 Im Zuge von Ermittlungen gegen Dschihadisten für die in Syrien und Irak mordenden Terrororganisationen Jabat al Nusra, Islamischer Staat (IS) ua. wegen § 278b (Terroristische Vereinigung) und § 320 StGB (Verbotene Unterstützung von Parteien bewaffneter Konflikte) sei bekannt geworden, dass auch der Verein I unterstützend aktiv gewesen sei. Es könnten zumindest logistische Verbindungen und Unterstützungen von Einzelpersonen aus dem Verein zu Kontaktpersonen der angeführten Terrororganisationen angenommen werden. Nach Erkenntnissen des Verfassungsschutzes hätten sich fast alle bisher identifizierten Dschihadisten und Terroristen in salafistischen Milieus entwickelt. So habe sich zB. das Vereinsmitglied N.J. vom Verein I hin zum radikal-salafistischen Verein F. entwickelt, bis er sich im Herbst 2014 als Dschihadist nach Syrien begeben habe und seitdem dort als Kämpfer aktiv sei. Weiters sei im Jahr 2010 B.B. im Verein I aufgetreten; dieser sei mittlerweile in Bosnien rechtskräftig zu sieben Jahren Haft verurteilt, weil er mehrere Personen angestiftet habe, sich der Terrororganisation Islamischer Staat anzuschließen.
5 Der Erstrevisionswerber habe zwar angegeben, seit 2013 keinen Mitgliedsbeitrag mehr an den Verein I zu bezahlen, er habe aber keineswegs angeführt, sich von der Ideologie des salafistisch ausgerichteten Vereins distanziert zu haben, bzw. keine Kontakte mehr mit dem Verein zu haben. Die in der mündlichen Verhandlung verharmlosende, ausweichende bzw. unwissend dargestellte Haltung des Erstrevisionswerbers sei schlicht unglaubwürdig.
6 Das Landesamt für Verfassungsschutz sei davon ausgegangen, dass der Erstrevisionswerber als bedeutendes Mitglied des salafistischen Vereins I nach seinen Verhaltensweisen keine Gewähr dafür biete, dass er zur Republik Österreich bejahend eingestellt sei und eine Gefahr für die öffentliche Ordnung, Ruhe und Sicherheit darstelle. Aufgrund der bisherigen langjährigen Kontakte des Erstrevisionswerbers zu den genannten A.D., J.N. und B.B. könne die Schlussfolgerung der belangten Behörde, der Erstrevisionswerber sei zumindest Sympathisant von extremistischen und terroristischen Organisationen keineswegs als unschlüssig angesehen werden. Das diesbezügliche Naheverhältnis sei ausreichend, um das Verleihungshindernis des § 10 Abs. 2 Z 7 StbG als erfüllt anzusehen.
7 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
8 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
9 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
10 Im vorliegenden Fall hat das Verwaltungsgericht (wie bereits die belangte Behörde) die Abweisung des Verleihungsantrages des Erstrevisionswerbers der Sache nach sowohl auf § 10 Abs. 1 Z 6 als auch auf § 10 Abs. 2 Z 7 StbG gestützt.
11 Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist bei der Prüfung der Verleihungsvoraussetzung des § 10 Abs. 1 Z 6 StbG auf das Gesamtverhalten des Verleihungswerbers Bedacht zu nehmen und eine Prognose anzustellen, ob der Verleihungswerber Gewähr dafür bietet, keine Gefahr für die öffentlichen Interessen darzustellen. Vor allem vom Verleihungswerber begangene Straftaten haben in diese Beurteilung einzufließen. Daraus lässt sich aber nicht der Umkehrschluss ziehen, dass die strafrechtliche Unbescholtenheit eines Einbürgerungswerbers in jedem Fall zu einer für ihn positiven Prognose zukünftigen Wohlverhaltens führen muss. Die Gefährlichkeit eines Verleihungswerbers im Sinn des § 10 Abs. 1 Z 6 StbG kann sich nämlich auch aus besonderen Umständen in seiner Person ergeben, die bislang noch zu keinem Konflikt mit dem Strafgesetz geführt haben.
12 § 10 Abs. 2 Z 7 StbG enthält (neben § 10 Abs. 1 Z 6 StbG) ein spezielles Verleihungshindernis, das dann gegeben ist, wenn der Verleihungswerber ein Naheverhältnis zu einer extremistischen oder terroristischen Gruppierung hat und im Hinblick auf deren bestehende Strukturen oder auf zu gewärtigende Entwicklungen in deren Umfeld extremistische oder terroristische Aktivitäten derselben nicht ausgeschlossen werden können. Ein Naheverhältnis liegt bei Personen vor, die - neben der aktiven Mitgliedschaft bei solchen Gruppen - (wenn auch nicht öffentlich) bekennende Sympathisanten, Geldgeber oder andere Unterstützer, wie Verteiler von Propagandamaterial, sind (vgl. zu all dem das hg. Erkenntnis vom 26. Mai 2015, Ro 2014/01/0035, sowie die Beschlüsse vom 11. Oktober 2016, Ra 2016/01/0124, und vom 20. Juni 2017, Ra 2016/01/0278).
13 Das Verwaltungsgericht ist - beweiswürdigend gestützt auf die Ausführungen im Bericht der Sicherheitsbehörde (Landesamt für Verfassungsschutz) - zu dem Schluss gelangt, dass für den Erstrevisionswerber die Prognose erstellt werden müsse, er sei eine Gefahr für die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit. Dabei handelt es sich um eine Beurteilung des Einzelfalles, die sich im Rahmen der vom Verwaltungsgerichtshof hiezu aufgestellten Leitlinien zu bewegen hat (vgl. den erwähnten hg. Beschluss Ra 2016/01/0124). Soweit die Revision in diesem Zusammenhang ein Abweichen von der hg. Rechtsprechung behauptet, weil durch die Einvernahme des Erstrevisionswerbers und näher genannter Zeugen in der mündlichen Verhandlung klargelegt worden sei, dass sich der Erstrevisionswerber im Sinne des § 11 StbG an den gesellschaftlichen und kulturellen Werten der Republik Österreich orientiere, wird damit eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung im Sinn des Art 133 Abs. 4 B-VG schon deshalb nicht aufgezeigt, weil der Verwaltungsgerichtshof - als Rechtsinstanz - zur Überprüfung der Beweiswürdigung im Allgemeinen nicht berufen ist. Im Zusammenhang mit der Beweiswürdigung liegt eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung nur dann vor, wenn das Verwaltungsgericht die Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hat (vgl. aus der ständigen hg. Rechtsprechung etwa den Beschluss vom 10. April 2017, Ra 2017/01/0088). Dass dem Verwaltungsgericht ein derartiger krasser Fehler bei der Beweiswürdigung unterlaufen wäre, ist im Revisionsfall nicht ersichtlich, zumal es die Gefährlichkeitsprognose - wie erwähnt - auf den (eindeutigen) Bericht des Landesamtes für Verfassungsschutz gestützt hat.
14 Der Revision gelingt es - in den allein maßgeblichen Zulässigkeitsgründen - sohin nicht, ein Abweichen der Entscheidung des Verwaltungsgerichts von der hg. Rechtsprechung zu § 10 Abs. 1 Z 6 StbG aufzuzeigen.
15 Auf die von der Revision in den Zulässigkeitsgründen weiters aufgeworfene Frage, ob hinsichtlich des Erstrevisionswerbers auch das Verleihungshindernis des § 10 Abs. 2 Z 7 StbG vorliegt, muss daher nicht eingegangen werden (vgl. auch dazu den erwähnten hg. Beschluss Ra 2016/01/0124).
16 In der Revision werden sohin keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.
Wien, am 19. September 2017
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