VwGH Ra 2016/21/0177

VwGHRa 2016/21/017726.1.2017

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer und den Hofrat Dr. Pelant sowie die Hofrätin Dr. Julcher als Richterinnen und Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Halm-Forsthuber, über die Revision des K J F G in K, vertreten durch Mag. Norbert Langmayr, Rechtsanwalt in 6322 Kirchbichl, Rofanstraße 6, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 31. März 2016, Zl. G313 2106618-1/2E, betreffend Ausweisung (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Normen

NAG 2005 §51 Abs1 Z1;
NAG 2005 §51 Abs1 Z2;
NAG 2005 §51 Abs2 Z1;
NAG 2005 §51 Abs1 Z1;
NAG 2005 §51 Abs1 Z2;
NAG 2005 §51 Abs2 Z1;

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde des Revisionswerbers, eines deutschen Staatsangehörigen, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) vom 9. April 2015, mit dem der Revisionswerber gemäß § 66 Abs. 1 FPG iVm § 55 Abs. 3 NAG aus dem Bundesgebiet ausgewiesen worden war, als unbegründet ab.

2 Begründend stellte das Bundesverwaltungsgericht fest, dass der Revisionswerber seit 12. November 2012 durchgehend in Österreich gemeldet sei. Er habe sich in Österreich nie in einem sozialversicherungspflichtigen Dienstverhältnis befunden. Er beziehe aus Deutschland eine Rente wegen voller Erwerbsminderung in Höhe von EUR 220,32. Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Kufstein sei ihm für den Monat November 2013 eine einmalige Unterstützung für Miete in Höhe von EUR 450,-- gewährt worden. Für denselben Zeitraum sei ihm eine einmalige Unterstützung zur Sicherung des Lebensunterhalts in Höhe von EUR 619,10 gewährt worden. Abgesehen von seiner Ehefrau (ebenfalls eine deutsche Staatsangehörige) habe er keine sozialen oder familiären Anknüpfungspunkte im Bundesgebiet. Er sei im Besitz einer am 17. Dezember 2012 ausgestellten Anmeldebescheinigung und habe einen Antrag auf Mindestsicherung gestellt. Er habe in Österreich das Gewerbe als Marktfahrer angemeldet, die Gewerbeberechtigung sei mit 1. März 2013 gelöscht worden. Er leide an Diabetes und fallweisem Vorhofflimmern infolge eines Thoraxtraumas.

3 In rechtlicher Hinsicht führte das Bundesverwaltungsgericht aus, dass der Revisionswerber über keine ausreichenden Existenzmittel im Sinn des § 51 Abs. 1 Z 2 NAG verfüge. Dass er vorbringe, einen Auftrag für Gartenarbeiten erhalten zu haben, könne nicht zu seinen Gunsten berücksichtigt werden, weil es sich um eine bloße Behauptung handle, die nicht etwa durch die Vorlage einer Einstellungszusage untermauert worden sei. Es fehle ihm an Integrationsmomenten und in großem Umfang an finanziellen Grundmitteln zur Bestreitung seines Lebensunterhalts. Soweit er vorbringe, auf Grund seines Gesundheitszustands weder in Österreich noch in Deutschland eine Arbeit finden zu können, sei einzuwenden, dass die aus einem in Österreich erfolgten Unfall resultierenden gesundheitlichen Beschwerden und eine etwaige dadurch bedingte (vorübergehende) Arbeitsunfähigkeit zu keiner für ihn günstigeren Entscheidung führen könnten, weil er in Österreich zu keinem Zeitpunkt als Arbeitnehmer oder Selbständiger erwerbstätig gewesen sei. Etwaige sonstige soziale Anknüpfungspunkte im Bundesgebiet habe der Revisionswerber nicht vorgebracht, und der kurze Aufenthalt vermöge an sich keine hinreichende Integration zu indizieren.

4 Nach Abwägung aller widerstreitenden Interessen sei jenem der öffentlichen Ordnung in Form eines geregelten Fremdenwesens der Vorzug gegenüber jenen des Revisionswerbers zu geben, weshalb sich angesichts des zuvor Gesagten und auf Grund des Fehlens der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 NAG die Ausweisung des Revisionswerbers als rechtmäßig erweise.

5 Da der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheine, habe gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG eine mündliche Verhandlung unterbleiben können.

6 Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG sprach das Bundesverwaltungsgericht aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig sei.

7 Nach der genannten Verfassungsbestimmung ist gegen das Erkenntnis eines Verwaltungsgerichtes die Revision (nur) zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich (u.a.) wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG "nicht zur Behandlung eignen", ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

8 An den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision nicht gebunden (§ 34 Abs. 1a VwGG). Zufolge § 28 Abs. 3 VwGG hat allerdings die außerordentliche Revision gesondert die Gründe zu enthalten, aus denen entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird. Im Rahmen dieser in der Revision vorgebrachten Gründe hat der Verwaltungsgerichtshof dann die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zu überprüfen (§ 34 Abs. 1a zweiter Satz VwGG).

9 Der Revisionswerber bringt unter diesem Gesichtspunkt vor, dass das Bundesverwaltungsgericht eine mündliche Verhandlung hätte durchführen müssen. Er zeigt aber nicht auf, inwieweit der entscheidungswesentliche Sachverhalt einer weiteren Klärung bedurft hätte, sodass das Absehen von der Verhandlung nicht auf Grund des § 21 Abs. 7 BFA-VG gerechtfertigt gewesen wäre.

10 Gemäß § 51 Abs. 1 NAG käme dem Revisionswerber das unionsrechtliche Aufenthaltsrecht nur zu, wenn er entweder in Österreich Arbeitnehmer oder Selbständiger wäre (Z 1) oder wenn er für sich und seine Familienangehörigen über ausreichende Existenzmittel und einen umfassenden Krankenversicherungsschutz verfügte, sodass sie während ihres Aufenthalts weder Sozialhilfeleistungen noch die Ausgleichszulage in Anspruch nehmen müssten (Z 2).

Hinsichtlich der Voraussetzung des § 51 Abs. 1 Z 1 NAG bringt der Revisionswerber nur vor, dass er (vorübergehend) das Gewerbe eines Marktfahrers angemeldet hätte. Dies wurde vom Bundesverwaltungsgericht aber ohnedies festgestellt; dass er - was für die Annahme seiner Eigenschaft als Selbständiger im Sinn des § 51 Abs. 1 Z 1 NAG erforderlich wäre - einer entsprechenden Erwerbstätigkeit auch tatsächlich nachgegangen ist, hat er hingegen nie konkret behauptet. Schon deswegen bedurfte es keiner weiteren Klärung, ob die Erwerbstätigeneigenschaft allenfalls gemäß § 51 Abs. 2 NAG auch nach Niederlegung der Gewerbeberechtigung aufrecht geblieben war (wofür im Übrigen nach der fallbezogen allein in Betracht kommenden Z 1 der genannten Bestimmung eine bloß vorübergehende Arbeitsunfähigkeit erforderlich wäre).

Hinsichtlich der Voraussetzung des § 51 Abs. 1 Z 2 NAG verweist der Revisionswerber im Wesentlichen darauf, dass mit Bescheid der Pensionsversicherungsanstalt vom 7. Juli 2015 sein Anspruch auf Ausgleichszulage in Höhe von EUR 1.038,89 ab 1. April 2015 anerkannt worden sei und er nun keine Mindestsicherung mehr beziehe. Nach der genannten Bestimmung sind aber ausdrücklich Existenzmittel gefordert, die bewirken, dass der betreffende EWR-Bürger und seine Familienangehörigen während ihres Aufenthalts weder Sozialhilfeleistungen noch die Ausgleichszulage in Anspruch nehmen müssen. Das ist in einem Fall wie dem vorliegenden, in dem der Revisionswerber an Eigenmitteln für sich und seine Ehefrau lediglich über eine Rente wegen voller Erwerbsminderung in Höhe von EUR 220,32 verfügt, auch aus unionsrechtlicher Sicht nicht zu beanstanden (vgl. zu einer ähnlichen Konstellation - die Mindestsicherung betreffend - das hg. Erkenntnis vom 9. August 2016, Ro 2015/10/0050, mit Hinweis auf das zum Anspruch auf Ausgleichszulage ergangene Urteil des Obersten Gerichtshofes vom 10. Mai 2016, 10 ObS 15/16b). Auch eine bereits zuerkannte Ausgleichszulage ist für das Vorhandensein von ausreichenden Existenzmitteln im Sinn des § 51 Abs. 1 Z 2 NAG nicht zu berücksichtigen.

11 Auch im Hinblick auf die nach § 66 FPG in Verbindung mit § 9 BFA-VG vorzunehmende Interessenabwägung durfte das Bundesverwaltungsgericht im vorliegenden Fall von einem geklärten Sachverhalt ausgehen. Der Revisionswerber bringt insoweit im Wesentlichen vor, dass er und seine Ehefrau in Österreich ihren Lebensabend verbringen möchten. Dieser Umstand steht einer Ausweisung aber jedenfalls nicht entgegen. Ein Eingriff in das Familienleben des Revisionswerbers liegt indes nicht vor, weil er mit seiner Ehefrau gemeinsam ausgewiesen wurde (vgl. zu der sie betreffenden Entscheidung den hg. Beschluss vom heutigen Tag, Ra 2016/21/0176). Entgegen dem Revisionsvorbringen schadet es dabei nicht, dass die Verfahren nicht zur gemeinsamen Entscheidung verbunden wurden.

12 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG zurückzuweisen.

Wien, am 26. Jänner 2017

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