VwGH Ra 2016/19/0031

VwGHRa 2016/19/003115.3.2016

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Robl, den Hofrat Mag. Feiel und die Hofrätin Mag. Rossmeisel als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Schmidt, in den Revisionssachen 1. des T N M Y, 2. der M N W B, 3. der F T N M Y, und 4. der H Y, alle in R, vertreten durch die Amann - Jehle - Juen Rechtsanwälte Partnerschaft in 6830 Rankweil, Brisera 12a, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 28. Dezember 2015, I403 2115983-1/9E (zu 1.), I403 2115984-1/8E (zu 2.), I403 2115978-1/7E (zu 3.) und I403 2115981-1/7E (zu 4.), jeweils betreffend Angelegenheiten nach dem Asylgesetz 2005 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwerden und Asyl), den Beschluss gefasst:

Normen

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3;
AsylG 2005 §3 Abs1;
AsylG 2005 §55;
AsylG 2005 §57;
AsylG 2005 §8 Abs1;
B-VG Art133 Abs4;
FrPolG 2005 §52 Abs2 Z2;
EMRK Art8;
VwGG §34 Abs1;
AsylG 2005 §10 Abs1 Z3;
AsylG 2005 §3 Abs1;
AsylG 2005 §55;
AsylG 2005 §57;
AsylG 2005 §8 Abs1;
B-VG Art133 Abs4;
FrPolG 2005 §52 Abs2 Z2;
EMRK Art8;
VwGG §34 Abs1;

 

Spruch:

Die Revisionen werden zurückgewiesen.

Begründung

1 Die revisionswerbenden Parteien sind Staatsangehörige von Ägypten. Der Erstrevisionswerber und die Zweitrevisionswerberin sind die Eltern der minderjährigen Dritt- und Viertrevisionswerberin.

2 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesverwaltungsgericht nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung die Beschwerden der revisionswerbenden Parteien gegen die Bescheide des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom 30. September 2015, mit welchen ihre Anträge auf internationalen Schutz vom 18. März 2013 bzw. 20. Jänner 2015 gemäß § 3 Abs. 1 und § 8 Abs. 1 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005) abgewiesen, Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß §§ 57 und 55 AsylG 2005 nicht erteilt und nach § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 Rückkehrentscheidungen erlassen worden waren sowie die Zulässigkeit der Abschiebung nach Ägypten festgestellt wurde, ab. Die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG erklärte es für nicht zulässig.

3 Dagegen richten sich die vorliegenden außerordentlichen Revisionen.

4 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichts die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs abweicht, eine solche fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs nicht einheitlich beantwortet wird. Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichts gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Er hat die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

5 Die revisionswerbenden Parteien bringen zur Zulässigkeit der Revisionen im Hinblick auf die verneinte asylrelevante Verfolgung gleichlautend vor:

"Zur Frage, welchen Einfluss eine tatsächlich bereits erfolgte und nach wie vor anhaltende religiös bedingte Verfolgung durch einen Extremisten bei gleichzeitiger Passivität der staatlichen Strafverfolgungsbehörden trotz einer Länderfeststellung, wonach die erforderliche Verfolgungsdichte für eine Gruppenverfolgung zu verneinen ist, und zwar bedingt durch die Größe der Minderheit, auf die Beurteilung der Sicherheit einer in Österreich hilfesuchenden Person im Herkunftsland und insbesondere auf innerstaatliche Fluchtalternativen hat, fehlt jedenfalls eine gesicherte Rechtsprechung bzw. weicht das Bundesverwaltungsgericht von der Judikatur des VwGH zum Nachteil des Revisionswerbers ab."

6 Mit diesem allgemein gehaltenen Vorbringen wird nicht konkret auf die vorliegenden Rechtssachen bezogen aufgezeigt, welche Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung der Verwaltungsgerichtshof in einer Entscheidung über die Revisionen zu lösen hätte, oder von welcher konkreten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs abgewichen worden sein soll (siehe etwa zur Frage der Verfolgungsgefahr das Erkenntnis vom 15. Dezember 2015, Ra 2014/18/0118, 0119, und den Beschluss vom 10. November 2015, Ra 2015/19/0185; zur Asylrelevanz einer von Privaten ausgehenden Verfolgung die Beschlüsse vom 8. September 2015, Ra 2015/18/0010, und vom 18. November 2015, Ra 2014/18/0162; zur innerstaatlichen Fluchtalternative die Erkenntnisse vom 8. Juni 2000, 99/20/0597, und vom 13. Dezember 2010, 2008/23/0976, je mwN). Eine mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit drohende asylrelevante Verfolgung wurde zudem vom Bundesverwaltungsgericht - nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung - auf Basis der vorliegenden Ermittlungsergebnisse verneint.

7 Wenn die revisionswerbenden Parteien die angefochtene Entscheidung im Widerspruch zum Erkenntnis vom 30. Juli 2015, Ra 2014/22/0055 (bis 0058), sehen, wonach nicht gesagt werden könne, dass eine in drei Jahren erlangte Integration in keinem Fall eine außergewöhnliche, die Erteilung eines Aufenthaltstitels rechtfertigende Konstellation begründen könne, ist ihnen zunächst zu erwidern, dass nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs eine unter Bedachtnahme auf die jeweiligen Umstände des Einzelfalls in Form einer Gesamtbetrachtung durchgeführte Interessenabwägung im Sinn des Art. 8 EMRK im Allgemeinen - wenn sie auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage erfolgte und in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wurde - nicht revisibel im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG ist (vgl. den Beschluss vom 23. Februar 2016, Ra 2015/01/0249, mwN).

8 Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs ist bei der Beurteilung, ob im Fall der Erlassung einer Rückkehrentscheidung in das durch Art. 8 EMRK geschützte Privat- und Familienleben des oder der Fremden eingegriffen wird, eine gewichtende Abwägung des öffentlichen Interesses an einer Aufenthaltsbeendigung mit den gegenläufigen privaten und familiären Interessen in Form einer Gesamtbetrachtung vorzunehmen, die auf alle Umstände des Einzelfalls Bedacht nimmt. Maßgeblich sind dabei etwa die Aufenthaltsdauer, das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens und dessen Intensität sowie die Schutzwürdigkeit des Privatlebens, weiters der Grad der Integration des Fremden, der sich in intensiven Bindungen zu Verwandten und Freunden, der Selbsterhaltungsfähigkeit, der Schulausbildung, der Berufsausbildung, der Teilnahme am sozialen Leben, der Beschäftigung und ähnlichen Umständen manifestiert sowie die Bindungen zum Heimatstaat (siehe zum Ganzen den Beschluss vom 15. Dezember 2015, Ra 2015/18/0265, mwN).

9 Der Verwaltungsgerichtshof hat allerdings auch bereits wiederholt zum Ausdruck gebracht, dass einer Aufenthaltsdauer von weniger als fünf Jahren für sich betrachtet noch keine maßgebliche Bedeutung für die durchzuführende Interessenabwägung zukommt (siehe etwa die Erkenntnisse vom 30. Juli 2015, Ra 2014/22/0055 bis 0058, vom 21. Jänner 2016, Ra 2015/22/0119, und in diesem Sinn auch jenes vom 15. Dezember 2015, Ra 2015/19/0247, mwN).

10 Dass das Bundesverwaltungsgericht bei seiner auf die Umstände des Einzelfalls Bedacht nehmenden Interessenabwägung von dieser Rechtsprechung abgewichen wäre, zeigen die revisionswerbenden Parteien nicht auf.

11 Die Revisionen waren daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung zurückzuweisen.

Wien, am 15. März 2016

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