VwGH Ra 2016/16/0084

VwGHRa 2016/16/008428.9.2016

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn und die Hofräte Dr. Mairinger und Dr. Thoma als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Baumann, über die Revision des Bundes, vertreten durch das Zollamt Graz, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Steiermark vom 15. Juni 2016, Zl. LVwG 46.1-1577/2016-3, betreffend Feststellung nach § 10 ALSAG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bürgermeister der Stadt Graz; mitbeteiligte Partei: M GesmbH in G, vertreten durch Dr. Martin Eisenberger, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Hilmgasse 10), den Beschluss gefasst:

Normen

B-VG Art133 Abs4;
VwGG §34 Abs1;
VwRallg;

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2016:RA2016160084.L00

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Mit Schriftsatz vom 18. August 2010 stellte der Revisionswerber den Antrag "auf Erlassung eines Feststellungsbescheides betreffend die bei der Stahlerzeugung im werk X anfallenden Stahl- und Ofenschlacken." Es werde um Feststellung ersucht, "ob die bei der Stahlerzeugung im werk X anfallenden Stahl und Ofenschlacken Abfall sind, damit dem Altlastenbeitrag unterliegen und welche Abfallkategorie gem. § 6 Abs. 1 AlSAG vorliegt."

2 Mit Schriftsatz vom 16. März 2011 nahm der Revisionswerber zu einem ihm vorgehaltenen Gutachten des abfallwirtschaftlichen Amtssachverständigen Stellung und räumte ein, es sei richtig, dass "die Abfalldefinition im Abfallwirtschaftsgesetz BGBl. I Nr. 9/2011 erweitert wurde, (gültig ab 16.2.2011)", im gegenständlichen Feststellungsverfahren gehe es "jedenfalls um jene Schlacken, die bei der Stahlerzeugung vor der Änderung des AWG 2002, (Zeitraum 2005 - 2009) angefallen sind."

3 Mit Bescheid vom 6. Oktober 2011 stellte der Bürgermeister der Stadt Graz fest, "dass es sich bei den Stahl- und Ofenschlacken, welche bei der Stahlerzeugung im werk X anfallen nicht um einen Abfall iSd § 2 Abs 4 AlSAG handelt, sondern um ein Nebenprodukt der Stahlproduktion (das als Hüttenschotter bezeichnet wird), welches als qualitätsgesichertes Material in der Bauwirtschaft eingesetzt wird."

4 Mit Schriftsatz vom 3. November 2011 erhob der Revisionswerber dagegen eine Berufung, worin er ausführte, für "Sachverhalte nach dem 16.2.2011" sei die im Feststellungsbescheid vertretene Auslegung, also "die fehlende Abfalleigenschaft der Schlacke unter gewissen, in § 2 Abs. 3a AWG 2002 geregelten Voraussetzungen," völlig zutreffend. Der verfahrensgegenständliche Feststellungsantrag beziehe sich jedoch auf den Zeitraum 2006 bis 2009, auf welchen nicht der erst im Jahr 2011 geänderte Abfallbegriff anzuwenden sei.

5 Mit Bescheid vom 6. März 2013 hob der Landeshauptmann der Steiermark den bekämpften Bescheid des Bürgermeisters der Stadt Graz auf und stellte fest, "dass es sich bei den vom 1.1.2006 bis 31.12.2009 bei der Stahlerzeugung der X angefallenen Stahl- und Ofenschlacken um Abfall handelt und diese der Abfallkategorie ¿übrige Abfälle' gemäß § 6 Abs. 1 Z 2 des Altlastensanierungsgesetzes unterliegen."

6 Der von der Mitbeteiligten mit Beschwerde dagegen angerufene Verwaltungsgerichtshof hob mit Erkenntnis vom 24. Mai 2016, 2013/07/0076, den Bescheid des Landeshauptmannes wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde auf. Der Verwaltungsgerichtshof hielt fest, es sei im Beschwerdefall nicht entscheidend, wann und in welchem Umfang eine Einschränkung und Präzisierung des verfahrenseinleitenden Antrages durch die (damals) mitbeteiligte Partei (Anm.: nunmehr den Revisionswerber) erfolgt sei. Ausschlaggebend sei vielmehr, was Gegenstand des Spruches der ersten Instanz gewesen sei. In diesem Zusammenhang könne bei undeutlichem Spruch die Begründung auch für die Klärung der Frage relevant sein, über welchen Zeitraum die Behörde abgesprochen habe. Im Beschwerdefall zitiere der Bürgermeister der Landeshauptstadt Graz in der Begründung seines Bescheides vom 6. Oktober 2011 das Gutachten des abfallwirtschaftstechnischen Amtssachverständigen vom 13. Oktober 2010. Darin beziehe sich der Amtssachverständige auf die Mengen an Elektroofen- und Pfannenofenschlacken, die der S. GmbH von Jänner 2010 bis September 2010 übergeben worden seien. Damit sei klar, dass Gegenstand des Spruches des Bescheides des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Graz vom 6. Oktober 2011 jene Stahl- und Ofenschlacken gewesen seien, welche bei der Stahlerzeugung im werk X von Jänner bis September 2010 angefallen seien. Nur diese konnten somit Sache des Rechtsmittelverfahrens sein. Der (damals) belangten Behörde sei es somit verwehrt gewesen, im angefochtenen Bescheid erstmals über den Zeitraum vom 1. Jänner 2006 bis 31. Dezember 2009 abzusprechen.

7 Mit dem nunmehr angefochtenen Erkenntnis wies das Landesverwaltungsgericht Steiermark die wieder offene, als Beschwerde behandelte Berufung als unbegründet ab und sprach aus, dass die Revision nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig sei.

8 Nach Schilderung des Verfahrensganges, Ausführungen zur Beweiswürdigung und Wiedergabe rechtlicher Bestimmungen erwog das Verwaltungsgericht, dass der entscheidende Punkt im vorliegenden Fall "die Novelle des Abfallwirtschaftsgesetzes 2011 (BGBl. I 2011/15)" betreffe, wodurch klargestellt werde, unter welchen Bedingungen ein Stoff, der Gegenstand eines Herstellungsverfahrens sei, als Nebenprodukt und nicht als Abfall angesehen werden könne. Es sei zu klären, ob erst durch diese Gesetzesnovelle die rechtlichen Voraussetzungen für die Qualifizierung des Hüttenschotters als Nebenprodukt geschaffen worden seien oder ob bereits auf Grundlage der bis dahin geltenden Gesetzeslage eine Abfalleigenschaft nicht anzunehmen gewesen sei.

9 Das Verwaltungsgericht gelangte zum Ergebnis, dass durch die "Gesetzesnovelle des AWG 2011" keine neue Rechtslage geschaffen, sondern lediglich eine "bereits bis dahin gängige Auslegung des AWG und des ALSAG präzisiert und nachvollzogen" worden sei. Nachdem die gegenständliche Schlacke die geforderten Voraussetzungen nach den nachvollziehbaren und schlüssigen Gutachten der beigezogenen Sachverständigen erfülle, sei die Beschwerde abzuweisen.

10 Die dagegen erhobene Revision legte das Verwaltungsgericht unter Anschluss der Akten des Verfahrens dem Verwaltungsgerichtshof vor.

11 Gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

12 Gemäß § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision nach Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes nicht gebunden und hat er die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

13 Die vorliegende Revision sieht ihre Zulässigkeit darin, dass das Verwaltungsgericht tragende Grundsätze des Verfahrensrechtes, insbesondere den Grundsatz des Parteiengehörs, verletzt habe und die Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen habe. Hätte das Verwaltungsgericht ein ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren durchgeführt, wäre es zu dem Ergebnis gelangt, dass der Bescheid des Bürgermeisters der Stadt Graz vom 6. Oktober 2011 aufzuheben gewesen wäre. Dieser Bescheid habe nämlich über eine Sache (im Hinblick auf den Zeitraum) abgesprochen, welche der Revisionswerber in seinem Antrag vom 18. August 2010, konkretisiert durch seine Stellungnahme vom 16. März 2011, nie beantragt habe.

14 Der Verwaltungsgerichtshof habe im Erkenntnis vom 24. Mai 2016, 2013/07/0076, nämlich festgestellt, dass Gegenstand des Spruches des Bescheides vom 6. Oktober 2011 jene Stahl- und Ofenschlacken gewesen seien, welche bei der Stahlerzeugung von Jänner bis September 2010 angefallen seien. Der Revisionswerber habe aber die Feststellung im Hinblick auf jene Schlacken, die bei der Stahlerzeugung "vor der Änderung der AWG 2002-Novelle BGBl. I Nr. 9/2011 (Zeitraum 2005 bis 2009) angefallen sind," beantragt.

15 Dazu ist festzuhalten, dass der ursprüngliche Antrag des Revisionswerbers vom 18. August 2010 jedenfalls keinerlei Aussagen über den Zeitraum enthielt, über den der Feststellungsbescheid hätte absprechen sollen. Die wiedergegebene Formulierung im Schriftsatz vom 16. März 2011 spricht einerseits vom Zeitraum von 2005 bis 2009, andererseits von einem Anfall der Schlacken vor der Änderung des AWG 2002 durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 9/2011, wodurch auch der Zeitraum der Monate des Jahres 2010 erfasst ist.

16 Der Verwaltungsgerichtshof hat im erwähnten Erkenntnis vom 24. Mai 2016 festgehalten, dass der bekämpfte Bescheid des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Graz vom 6. Oktober 2011 den Zeitraum Jänner bis September 2010 angesprochen habe. Vor dem Hintergrund des § 63 Abs. 1 VwGG erfasst der Spruch des nunmehr angefochtenen Erkenntnisses, womit die gegen diesen Bescheid erhobene, als Beschwerde behandelte Berufung abgewiesen wurde, denselben Zeitraum.

17 Soweit der Revisionswerber mit seinem Antrag (auch) Sachverhalte der Jahre 2006 bis 2009 abdecken wollte, steht ihm die Möglichkeit offen, zu seinem seiner Ansicht nach insoweit unerledigten Antrag eine Säumnisbeschwerde einzubringen.

18 Die vertretbare Auslegung eines Antrages, insbesondere welchen Zeitraum dieser Antrag im gegebenen Zusammenhang erfasst, und damit verknüpft die Auslegung eines ergänzenden Schriftsatzes (im Revisionsfall ob auch der Zeitraum Jänner bis September 2010 vom Antrag erfasst ist) geht aber in seiner Bedeutung über den Einzelfall nicht hinaus und vermag sohin keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG aufzuwerfen (vgl. auch die hg. Beschlüsse vom 16. März 2016, Ra 2016/04/0024, mwN, und vom 26. Juni 2014, Ra 2014/04/0013).

19 Eventualiter, wenn entgegen der Ansicht des Revisionswerbers ein Antrag auch über den abgesprochenen Zeitraum der Monate des Jahres 2010 gestellt worden wäre, begründet der Revisionswerber die Zulässigkeit seiner Revision damit, dass das Parteiengehör nicht gewahrt worden sei, weil ihm keine Gelegenheit geboten worden sei, zu dem im angefochtenen Erkenntnis auszugsweise wiedergegebenen Gutachten des Amtssachverständigen vom 4. September 2015 aus einem "parallelen Verfahren" Stellung zu nehmen.

20 Der Revisionswerber unterlässt es allerdings, die Relevanz des solcherart gerügten Verfahrensfehlers aufzuzeigen und darzulegen, was er gegen den ihm im angefochtenen Erkenntnis zumindest auszugsweise bekannt gewordenen Gutachtensinhalt vorgebracht hätte (vgl. auch den hg. Beschluss vom 25. Februar 2016, Ra 2015/16/0127).

21 Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

Wien, am 28. September 2016

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