VwGH 2013/07/0076

VwGH2013/07/007624.5.2016

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bumberger und die Hofrätin Dr. Hinterwirth sowie die Hofräte Dr. N. Bachler, Dr. Lukasser und Mag. Haunold als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Schubert-Zsilavecz, über die Beschwerde der M G.m.b.H. in G, vertreten durch Dr. Martin Eisenberger, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Hilmgasse 10, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Steiermark vom 6. März 2013, Zl. ABT13-39.40-38/2011-21, betreffend Feststellung nach § 10 ALSAG (mitbeteiligte Partei:

Bund, vertreten durch das Zollamt Graz in 8011 Graz, Conrad von Hötzendorf-Straße 14-18), zu Recht erkannt:

Normen

AVG §58 Abs2;
AVG §59 Abs1;
AVG §60;
AVG §63 Abs3;
AVG §66 Abs4;
VwGG §42 Abs2 Z2;
VwRallg;
AVG §58 Abs2;
AVG §59 Abs1;
AVG §60;
AVG §63 Abs3;
AVG §66 Abs4;
VwGG §42 Abs2 Z2;
VwRallg;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde aufgehoben.

Der Bund hat der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 Mit Eingabe vom 18. August 2010 stellte die mitbeteiligte Partei bei der Bezirkshauptmannschaft Graz-Umgebung gemäß § 10 Abs. 1 Z. 1, 2 und 4 Altlastensanierungsgesetz (ALSAG) den Antrag auf Erlassung eines Feststellungsbescheides betreffend die bei der Stahlerzeugung im Stahl- und Walzwerk der beschwerdeführenden Partei "anfallenden Stahl- und Ofenschlacken".

2 Begründend hielt die mitbeteiligte Partei fest, dass die beschwerdeführende Partei eine Anlage zur Stahlerzeugung nach dem Elektrostahlverfahren unter Einsatz eines Lichtbogenofens betreibe. In dieser Anlage werde kein flüssiges Roheisen aus dem Hochofen, sondern Schrott eingesetzt. In der Folge würden Pfannen abgestochen und diese im Pfannenofen weiter erhitzt und mit Legierungen versehen. Durch Steuerung der Verfahrensparameter und durch Zusatz von Borax/borhaltigen Stoffen werde die Qualität der Schlacke hinsichtlich ihrer Zusammensetzung und Raumbeständigkeit beeinflusst. Die Schlacke werde mit Wasser bedüst und schlagartig gekühlt, sodass eine Vorgranulierung der Schlacke entstehe. Die Schlacken würden in der Folge an ein anderes Unternehmen weitergeliefert. Es werde daher um Feststellung ersucht, ob die bei der Stahlerzeugung im Stahl- und Walzwerk der beschwerdeführenden Partei "anfallenden Stahl- und Ofenschlacken Abfall sind, damit dem Altlastenbeitrag unterliegen und welche Abfallkategorie gem. § 6 Abs. 1 ALSAG vorliegt".

3 Dieser Antrag wurde von der Bezirkshauptmannschaft Graz-Umgebung zuständigkeitshalber an den Bürgermeister der Landeshauptstadt Graz weitergeleitet.

4 Mit Bescheid vom 6. Oktober 2011 stellte der Bürgermeister der Landeshauptstadt Graz gemäß § 10 Abs. 1 Z. 1, 2 und Z. 4 iVm Art. I § 3 Abs. 1a Z. 11 ALSAG, BGBl. 299/1989 idF BGBl. I 15/2011 fest, "dass es sich bei den Stahl- und Ofenschlacken, welche bei der Stahlerzeugung im Stahl- und Walzwerk der ...

(beschwerdeführenden Partei) ..., anfallen, nicht um einen Abfall iSd § 2 Abs. 4 ALSAG handelt, sondern um ein Nebenprodukt der Stahlproduktion (das als Hüttenschotter bezeichnet wird), welches als qualitätsgesichertes Material in der Bauwirtschaft eingesetzt wird".

5 In der Begründung seines Bescheides beruft sich der Bürgermeister der Landeshauptstadt Graz unter anderem auf die Stellungnahme des abfallwirtschaftstechnischen Amtssachverständigen vom 13. Oktober 2010. Dort heißt es unter anderem wörtlich:

"In der gegenständlichen Betriebsanlage sind auf Basis der Zahlen (siehe Beilage), welche mir übergeben wurden, von Jänner 2010 bis September 2010

75.088,66 t EAF (=Elektroofenschlacke)

3.821,83 t LF (=Pfannenofenschlacke)

der Firma S. Schotter- und Betonwerk GmbH übergeben worden. Diese Stahlwerkschlacke wird in noch heißem Zustand in Container gefüllt und für die Abholung durch die Firma S. bereitgestellt. Die Firma S. holt die anfallende Schlacke von Montag bis Samstag. Somit ist die längstmögliche Lagerung von Samstag 17 Uhr bis Montag 6 Uhr. Aufgrund der hohen Schlackentemperatur muss der Container mindestens 8 Stunden auskühlen, um auf der Straße transportiert werden zu können."

6 Gegen diesen Bescheid erhob die mitbeteiligte Partei Berufung an die belangte Behörde.

7 Die belangte Behörde ergänzte das Ermittlungsverfahren und führte unter anderem am 23. Jänner 2013 eine mündliche Verhandlung durch.

8 Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 6. März 2013 behob die belangte Behörde den Bescheid des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Graz vom 6. Oktober 2011 und stellte fest, "dass es sich bei den von 1. 1. 2006 bis 31. 12. 2009 bei der Stahlerzeugung der ...(beschwerdeführende Partei)... angefallenen Stahl- und Ofenschlacken um Abfall handelt und diese der Abfallkategorie ‚übrige Abfälle' gemäß § 6 Abs. 1 Z. 2 des Altlastensanierungsgesetzes unterliegen".

9 Begründend führte die belangte Behörde unter anderem aus, dass der verfahrenseinleitende Antrag der mitbeteiligten Partei vom 18. August 2010 zeitlich nicht begrenzt gewesen sei. Die Abgrenzung bzw. Konkretisierung des verfahrenseinleitenden Antrages sei erst mit Schriftsatz vom 16. März 2011 (Zeitraum 2005 bis 2009) erfolgt. In weiterer Folge sei dieser Antragszeitraum von der mitbeteiligten Partei in der Verhandlung vom 23. Jänner 2013 auf die Jahre 2006 bis 2009 weiter eingeschränkt worden.

10 Daraus folge, dass der Feststellungszeitraum den 1. Jänner 2006 bis 31. Dezember 2009 umfassen sollte.

11 Die Änderung, das heißt auch die Einschränkung eines Antrages sei in jeder Lages des Verfahrens zulässig (§ 13 Abs. 8 AVG). Da die erste Einschränkung des ursprünglich zeitlich unbeschränkten Antrages auf die Jahre 2005 bis 2009 erfolgt sei, sei der Bescheid des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Graz, dem die Rechtslage, die mit BGBl. I Nr. 15/2011 geschaffen worden sei, zugrunde gelegt worden sei, jedenfalls rechtswidrig. Der Bescheid des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Graz sei bereits aus diesem Grund abzuändern gewesen.

12 Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.

13 Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte.

14 Auch die mitbeteiligte Partei erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde abzuweisen.

15 Zu diesen Gegenschriften der belangten Behörde und der mitbeteiligten Partei erstattete die beschwerdeführende Partei eine Replik.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

16 Auf den vorliegenden, mit Ablauf des 31. Dezember 2013 beim Verwaltungsgerichtshof anhängigen Beschwerdefall sind nach § 79 Abs. 11 letzter Satz VwGG die bis zum Ablauf des 31. Dezember 2013 geltenden Bestimmungen weiter anzuwenden.

17 Gemäß § 66 Abs. 4 erster Satz AVG hat die Berufungsbehörde in der Regel in der Sache selbst zu entscheiden. "Sache" in diesem Sinn ist die Angelegenheit, die den Inhalt des Spruches des Bescheides der Unterbehörde gebildet hat (vgl. das hg. Erkenntnis vom 21. Oktober 2005, Zl. 2005/12/0115, mwN). Entscheidet eine Behörde zweiter Instanz in einer Angelegenheit, die überhaupt noch nicht oder in der von der Rechtsmittelentscheidung in Aussicht genommenen rechtlichen Art nicht Gegenstand des erstinstanzlichen Verfahrens gewesen war, in Form eines (im Ergebnis erstmaligen) Sachbescheides, so fällt eine solche Entscheidung nicht in die funktionelle Zuständigkeit der Berufungsbehörde und der Berufungsbescheid ist in diesbezüglichem Umfang mit Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit belastet (vgl. das hg. Erkenntnis vom 26. Juli 2012, Zl. 2010/07/0215, mwN).

18 Entgegen der Ansicht der belangten Behörde ist im vorliegenden Beschwerdefall nicht entscheidend, wann und in welchem Umfang eine Einschränkung und Präzisierung des verfahrenseinleitenden Antrages durch die mitbeteiligte Partei erfolgte. Ausschlaggebend ist vielmehr, was Gegenstand des Spruches der ersten Instanz gewesen ist (vgl. dazu auch die hg. Erkenntnisse vom 19. Mai 2004, Zl. 2003/18/0081, und vom 24. April 2007, Zl. 2006/11/0090, jeweils mwN).

19 In diesem Zusammenhang kann bei undeutlichem Spruch die Begründung auch für die Klärung der Frage relevant sein, über welchen Zeitraum die Behörde abgesprochen hat (vgl. Hengstschläger/Leeb, AVG, 2. Teilband, 2005, § 60, Rz 111 und das hg. Erkenntnis vom 19. März 2003, Zl. 98/08/0145).

20 Im Beschwerdefall zitiert der Bürgermeister der Landeshauptstadt Graz in der Begründung seines Bescheides vom 6. Oktober 2011 das Gutachten des abfallwirtschaftstechnischen Amtssachverständigen vom 13. Oktober 2010. Darin bezieht sich der Amtssachverständige auf die Mengen an Elektroofen- und Pfannenofenschlacke, die der S. Schotter- und Betonwerk GmbH von Jänner 2010 bis September 2010 übergeben worden sind. Damit ist klar, dass Gegenstand des Spruches des Bescheides des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Graz vom 6. Oktober 2011 jene Stahl- und Ofenschlacken waren, welche bei der Stahlerzeugung im Stahl- und Walzwerk der beschwerdeführenden Partei von Jänner bis September 2010 anfielen.

21 Nur diese konnten somit "Sache" gemäß § 66 Abs. 4 erster Satz AVG sein. Der belangten Behörde war es somit verwehrt, im angefochtenen Bescheid erstmals über den Zeitraum vom 1. Jänner 2006 bis 31. Dezember 2009 abzusprechen.

22 Aus den dargestellten Gründen belastete sie den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit, weshalb dieser gemäß § 42 Abs. 2 Z. 2 VwGG aufzuheben war.

23 Der Ausspruch über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm § 79 Abs. 11 VwGG und § 3 der VwGH-Aufwandersatzverordnung, BGBl. II Nr. 518/2013 idF BGBl. II Nr. 8/2014, iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

Wien, am 24. Mai 2016

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