VwGH Ra 2016/11/0140

VwGHRa 2016/11/014011.10.2016

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldstätten und die Hofräte Dr. Schick und Dr. Grünstäudl als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Soyer, über die Revision des Dr. K B in G, vertreten durch Dr. Thomas Treichl und Mag. Dr. Bernhard Buchauer, Rechtsanwälte in 6330 Kufstein, Josef-Egger-Straße 5, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Tirol vom 4. August 2016, Zl. LVwG- 2015/46/0909-10, betreffend Entziehung der zahnärztlichen Berufsberechtigung (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Österreichische Zahnärztekammer), den Beschluss gefasst:

Normen

ÄrzteG 1998 §4 Abs2 Z2;
PsychotherapieG §11 Z4;
ZahnärzteG 2006 §6 Abs1 Z2;
ÄrzteG 1998 §4 Abs2 Z2;
PsychotherapieG §11 Z4;
ZahnärzteG 2006 §6 Abs1 Z2;

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 1.1. Mit Bescheid vom 12. Jänner 2015 entzog die belangte Behörde dem Revisionswerber gemäß § 45 Abs. 1 Z. 1 iVm. § 6 Abs. 1 Z. 2 des Zahnärztegesetzes (ZÄG) die Berufsberechtigung. Unter einem wurde einer allfälligen dagegen erhobenen Beschwerde die aufschiebende Wirkung aberkannt.

2 1.2. Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde wurde vom Landesverwaltungsgericht Tirol mit - nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung ergangenem - Erkenntnis vom 4. August 2016 abgewiesen. In Abänderung des Spruches des Bescheids der belangten Behörde wurde die Rechtsgrundlage auf "§ 45 Abs 1 Z 2 Zahnärztegesetz (ZÄG)" abgeändert. Unter einem wurde gemäß § 25a VwGG ausgesprochen, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof unzulässig sei.

3 Das Verwaltungsgericht legte seiner Entscheidung zugrunde, dass der Revisionswerber mit (Berufungs)Urteil des Landgerichtes München I vom 18. April 2012 wegen einer mit Vorsatz begangenen strafbaren Handlung zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt worden sei, wobei die Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt worden sei. Bei der Verurteilung sei es um vorsätzliche Insolvenzverschleppung und Betrug gegangen. Wegen Bewährung und Ablaufes der Bewährungszeit sei die bedingte Freiheitsstrafe mit Beschluss des Amtsgerichtes München vom 11. Mai 2015 erlassen worden.

4 Ein Bescheid der Regierung von Oberbayern, mit dem die Approbation des Revisionswerbers als Zahnarzt widerrufen worden sei, sei in letzter Instanz vom Bayrischen Verwaltungsgerichtshof (Urteil o.D.) bestätigt worden. Der Revisionswerber dürfe die Tätigkeit als selbständiger Zahnarzt in Bayern noch nicht wieder ausüben.

5 Anlässlich seines Antrags auf Eintragung in die Zahnärzteliste am 7. Februar 2012 habe der Revisionswerber angegeben, dass weder justizstrafrechtliche Verurteilungen

bzw. Vorerhebungen, disziplinarrechtliche Verurteilungen

bzw. Vorerhebungen, verwaltungsstrafrechtliche Verurteilungen mit Aussprache einer Geldstrafe von über EUR 5.000.--, noch laufende zivilgerichtliche Verfahren im Zusammenhang mit der ärztlichen Berufsausübung vorlägen. Zu diesem Zeitpunkt sei bereits eine rechtskräftige Verurteilung durch das Amtsgericht Berlin-Tiergarten vom 20. Dezember 2010 wegen Subventionsbetrugs sowie das nicht rechtskräftige Urteil des Amtsgerichtes München vom 4. Oktober 2011 wegen vorsätzlicher Insolvenzverschleppung iZm. Betrug mit Bankrott in zwei tateinheitlichen Fällen vorgelegen.

6 Auch in einer Stellungnahme zur Einleitung des Verfahrens zur Entziehung der Berufsberechtigung mit Schreiben der belangten Behörde vom 3. November 2014, zu einem Zeitpunkt, in dem das erwähnte Urteil des Bayrischen Verwaltungsgerichtshofes bereits vorgelegen sei, habe der Revisionswerber nur das Urteil des Landesverwaltungsgerichtes München vom 24. September 2013 angegeben, mit dem zunächst der verwaltungsbehördliche Widerruf der Approbation als Zahnarzt aufgehoben worden sei.

7 In rechtlicher Hinsicht führte das Verwaltungsgericht, auf das Wesentliche zusammengefasst, aus, angesichts der Straftaten des Revisionswerbers sowie seiner wahrheitswidrigen Angaben sowohl im Verfahren zur Eintragung in die Zahnärzteliste als auch im Entziehungsverfahren sei davon auszugehen, dass der Revisionswerber nicht über die nach § 6 Abs. 1 Z. 2 iVm. Abs. 2 ZÄG geforderte Vertrauenswürdigkeit verfüge.

8 1.3. Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende, vom Verwaltungsgericht mit den Akten des Verfahrens vorgelegt (außerordentliche) Revision.

9 2.1. Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Auf Beschlüsse der Verwaltungsgerichte ist Art. 133 Abs. 4 B-VG sinngemäß anzuwenden (Art. 133 Abs. 9 B-VG).

10 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen. Diesem Erfordernis wird insbesondere nicht schon durch nähere Ausführungen zur behaupteten Rechtswidrigkeit der bekämpften Entscheidung (§ 28 Abs. 1 Z 5 VwGG) oder zu den Rechten, in denen sich der Revisionswerber verletzt erachtet (§ 28 Abs. 1 Z 4 VwGG), Genüge getan (vgl. die hg. Beschlüsse vom 25. März 2014, Zl. Ra 2014/04/0001 und vom 18. Februar 2015, Zl. Ra 2015/08/0008).

11 2.2. Die Revision führt zur Zulässigkeit im Wesentlichen nur aus, es fehle Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zum Begriff der "Vertrauenswürdigkeit" nach ZÄG und zur Frage, ob die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu diesem auch im ÄrzteG 1998 enthaltenen Begriff auch für das ZÄG einschlägig sei.

12 Damit werden jedoch keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme.

13 2.3.1.1. Das ZÄG, BGBl. I Nr. 126/2005 idF. BGBl. I Nr. 8/16, lautet (auszugsweise):

"Berufsberechtigung

Erfordernisse der Berufsausübung

§ 6. (1) Zur selbständigen Ausübung des zahnärztlichen Berufs sind Personen berechtigt, die folgende Erfordernisse erfüllen:

...

2. die zur Ausübung des zahnärztlichen Berufs erforderliche Vertrauenswürdigkeit,

...

(2) Die Vertrauenswürdigkeit im Sinne des Abs. 1 Z 2 liegt jedenfalls nicht vor

1. bei Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe wegen einer oder mehrerer mit Vorsatz begangener strafbarer Handlungen, solange die Verurteilung nicht getilgt ist, und

2. wenn nach der Eigenart der strafbaren Handlung die Begehung der gleichen oder einer ähnlichen strafbaren Handlung bei Ausübung des zahnärztlichen Berufs zu befürchten ist.

...

Eintragung in die Zahnärzteliste

§ 12.

...

(3) Zum Nachweis der Vertrauenswürdigkeit (§ 6 Abs. 1 Z 2) sind

1. eine Strafregisterbescheinigung oder ein vergleichbarer Nachweis des Heimat- oder Herkunftsstaats und

2. sofern dies die Rechts- und Verwaltungsvorschriften des Heimat- oder Herkunftsstaats vorsehen, eine Disziplinarstrafregisterbescheinigung oder ein vergleichbarer Nachweis vorzulegen, die zum Zeitpunkt der Anmeldung zur Eintragung nicht älter als drei Monate sein dürfen.

...

Entziehung der Berufsberechtigung

§ 45. (1) Die Österreichische Zahnärztekammer hat die Berechtigung zur Ausübung des zahnärztlichen Berufs zu entziehen, wenn

1. mindestens eine der Voraussetzungen zur Berufsausübung gemäß § 6 Abs. 1 Z 1 bis 5 weggefallen ist oder

2. hervorkommt, dass eine für die Eintragung in die Zahnärzteliste erforderliche Voraussetzung schon ursprünglich nicht bestanden hat.

(2) Anlässlich der Entziehung der Berufsberechtigung gemäß Abs. 1 sind

1. die Streichung aus der Zahnärzteliste durchzuführen,

..."

14 Vor der Schaffung des ZÄG war die Ausübung des zahnärztlichen Berufes im ÄrzteG 1998 geregelt. Dessen § 18 lautete idF. vor dem Inkrafttreten des ZÄG am 1. Jänner 2006 (auszugsweise):

"Erfordernisse zur Berufsausübung

§ 18. (1) Zur selbständigen Ausübung des zahnärztlichen Berufes bedarf es, unbeschadet der §§ 19, 19a, 32 bis 34, 36 und 37, des Nachweises der Erfüllung der nachfolgend angeführten allgemeinen und besonderen Erfordernisse sowie der Eintragung in die Ärzteliste.

(2) Allgemeine Erfordernisse im Sinne des Abs. 1 sind

...

3. die Vertrauenswürdigkeit,

..."

15 2.3.1.2. Das ÄrzteG 1998, BGBl. I Nr. 169/1998 idF.

BGBl. I Nr. 9/2016, lautet (auszugsweise):

"Erfordernisse zur Berufsausübung

§ 4. (1) Zur selbständigen Ausübung des ärztlichen Berufes als approbierter Arzt, als Arzt für Allgemeinmedizin oder als Facharzt bedarf es, unbeschadet der §§ 34 bis 37, des Nachweises der Erfüllung der nachfolgend angeführten allgemeinen und besonderen Erfordernisse sowie der Eintragung in die Ärzteliste.

(2) Allgemeine Erfordernisse im Sinne des Abs. 1 sind

...

2. die zur Erfüllung der Berufspflichten erforderliche Vertrauenswürdigkeit,

...

Ärzteliste und Eintragungsverfahren

§ 27.

...

(5) Der Nachweis der Vertrauenswürdigkeit ist vom Eintragungswerber durch

1. eine Strafregisterbescheinigung oder einen vergleichbaren Nachweis des Heimat- oder Herkunftsstaates und

2. sofern dies die Rechts- und Verwaltungsvorschriften des Heimat- oder Herkunftsstaates vorsehen, durch eine Disziplinarstrafregisterbescheinigung oder einen vergleichbaren Nachweis

zu erbringen. In der Bescheinigung (den Bescheinigungen) darf keine Verurteilung enthalten sein, die eine verlässliche Berufsausübung nicht erwarten lässt. Die Bescheinigung (Bescheinigungen) darf (dürfen) zum Zeitpunkt der Anmeldung zur Eintragung nicht älter als drei Monate sein.

...."

16 2.3.1.3. Das Psychotherapiegesetz, BGBl. Nr. 361/1990 idF.

BGBl. I Nr. 9/2016, lautet (auszugsweise):

"Voraussetzungen für die selbständige Ausübung der Psychotherapie

§ 11. Zur selbständigen Ausübung der Psychotherapie ist berechtigt, wer

...

4. die zur Erfüllung der Berufspflichten erforderliche gesundheitliche Eignung und Vertrauenswürdigkeit sowie die für die Berufsausübung erforderlichen Kenntnisse der deutschen Sprache (§ 17 Abs. 3a) nachgewiesen hat und

...

Psychotherapeutenliste

§ 17.

...

(3) Der Nachweis der für die Erfüllung der Berufspflichten eines Psychotherapeuten erforderlichen gesundheitlichen Eignung ist durch ein ärztliches Zeugnis zu erbringen. Der Nachweis der Vertrauenswürdigkeit ist durch eine Strafregisterbescheinigung zu erbringen, in der keine Verurteilung aufscheint, die eine verläßliche Berufsausübung nicht erwarten läßt. Das ärztliche Zeugnis und die Strafregisterbescheinigung dürfen im Zeitpunkt der Anmeldung zur Eintragung nicht älter als drei Monate sein.

..."

17 2.3.2. Zur "Vertrauenswürdigkeit" als Voraussetzung für die ärztliche und psychotherapeutische Berufsausübung besteht langjährige Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. zum ÄrzteG 1998 z.B. die hg. Entscheidungen vom 17. Dezember 1998, Zl. 97/11/0317, vom 24. Februar 2005, Zl. 2003/11/0252, vom 20. April 2010, Zl. 2010/11/0047, vom 24. Juli 2013, Zl. 2010/11/0075, und vom 8. September 2016, Zl. Ra 2015/11/0117; zum Psychotherapiegesetz vgl. das hg. Erkenntnis vom 10. Juni 2015, Zl. 2013/11/0210).

18 Vor dem dargestellten Hintergrund - § 6 Abs. 1 Z. 2 ZÄG gleicht im Wesentlichen § 4 Abs. 2 Z. 2 ÄrzteG 1998 und § 11 Z. 4 des Psychotherapiegesetzes; dass anlässlich der Schaffung eines eigenen Zahnärztegesetzes das Begriffsverständnis der "Vertrauenswürdigkeit" gegenüber dem des ÄrzteG 1998 verändert werden sollte, ist nicht ersichtlich - hat das Verwaltungsgericht zur Auslegung des § 6 Abs. 1 ZÄG zu Recht die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs zu den genannten Vorschriften herangezogen. Von der Revision wird unter Zulässigkeitserwägungen auch nicht aufgezeigt, dass die angefochtene Entscheidung von den Grundlinien dieser Judikatur (vgl. dazu etwa auch das hg. Erkenntnis vom 25. November 2015, Zl. Ra 2015/09/0045) abwiche. Die Anwendung dieser Grundsätze auf den Einzelfall hat im Übrigen regelmäßig - von einer im Interesse der Rechtssicherheit aufzugreifenden krassen Fehlbeurteilung abgesehen - keine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung (vgl. den hg. Beschluss vom 20. April 2016, Zl. Ra 2016/11/0049).

19 2.4. Der erkennende Senat hat aus diesen Erwägungen beschlossen, die Revision zurückzuweisen.

Wien, am 11. Oktober 2016

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