VwGH Ra 2016/03/0011

VwGHRa 2016/03/00112.3.2016

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Thienel und die Hofräte Dr. Handstanger und Mag. Nedwed als Richter, unter Beiziehung des Schriftführers Dr. Zeleny, über die Revision des M G in S, vertreten durch Mag. Egmont Neuhauser, Rechtsanwalt in 3270 Scheibbs, Rathausplatz 4, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Niederösterreich vom 18. November 2015, Zl LVwG-AV-121/001-2015, betreffend Verhängung eines Waffenverbots (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Scheibbs), im Umlaufweg zu Recht erkannt:

Normen

VwGG §42 Abs2 Z3 litb;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
VwRallg;
WaffG 1996 §12 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z3 litb;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
VwRallg;
WaffG 1996 §12 Abs1;

 

Spruch:

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.246,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Kostenmehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

I. Sachverhalt und Revisionsverfahren:

1 Mit Bescheid vom 21. Jänner 2015 erließ die Bezirkshauptmannschaft Scheibbs gegen den Revisionswerber ein Waffenverbot nach § 12 Abs 1 Waffengesetz 1996 (WaffG). Dagegen erhob der Revisionswerber Beschwerde an das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich (LVwG), die mit dem angefochtenen Erkenntnis abgewiesen wurde. Die Revision an den Verwaltungsgerichtshof erklärte das LVwG für nicht zulässig.

2 Das Verwaltungsgericht stellte fest, dass der Revisionswerber im Jahr 2010 im Zuge einer Unmutsäußerung zu einem Mitarbeiter der niederösterreichischen Landwirtschaftskammer gesagt habe, dass er mit einer Pistole vorbei komme. Am 10. Oktober 2014 habe er zweimal beim Lagerhaus R angerufen. Im ersten Gespräch mit einer Angestellten des Lagerhauses habe er sich über die Vorgangsweise (gemeint offenbar die Verrechnung von Verzugszinsen im Zusammenhang mit einer offenen Rechnung) beschwert und das Leid der Bauern beklagt. Das Gespräch sei anfangs sachlich gewesen, dann aber immer emotionaler geworden. Die Angestellte des Lagerhauses habe das Gespräch schließlich beendet, um die Emotionen zu beruhigen. Etwa zehn Minuten später habe der Revisionswerber nochmals angerufen und gegenüber der Angestellten lediglich mitgeteilt, dass er einen Abschiedsbrief geschrieben habe und die Angestellte schuld daran sei, dass ein Menschenleben zerstört werden würde. Der Revisionswerber habe auch gesagt, dass er sich nunmehr erschießen werde.

3 Rechtlich folgerte das LVwG, das Verhalten des Revisionswerbers, der mehrmals gegenüber der Behörde als aggressiv aufgefallen sei (im Jahr 2010 habe er sogar gedroht, mit einer Pistole zur niederösterreichischen Landwirtschaftskammer zu gehen) und gegenüber einer Bankangestellten mit dem Selbstmord durch Erschießen gedroht habe, sei als höchst bedenklich einzustufen. Schon allein der Umstand, dass er seine Drohungen damit unterstrichen habe, indem er auf einen Abschiedsbrief und die Zerstörung seiner Familie verwiesen habe, zeige, dass die Drohung durchaus ernst zu nehmen gewesen sei. In ihrer Gesamtheit rechtfertigten die Umstände die Annahme, dass der Revisionswerber durch missbräuchliche Verwendung von Waffen, die Gesundheit (vor allem gegen sich gerichtet) oder Freiheit von Menschen oder fremdes Eigentum gefährden könnte. Offensichtlich sei der Revisionswerber bei dem Telefonat derartig in Rage geraten oder zumindest so emotional belastet gewesen, dass er sein Fehlverhalten anschließend als übliche Redewendung habe darstellen wollen. Von einem einsichtigen Verhalten könne nicht gesprochen werden.

4 Gegen diese Entscheidung wendet sich die vorliegende außerordentliche Revision, die im Wesentlichen geltend macht, das LVwG sei mit seiner Entscheidung von der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu den Voraussetzungen für ein Waffenverbot abgewichen.

5 Die Bezirkshauptmannschaft Scheibbs erstattete eine Revisionsbeantwortung, in der sie - zusammengefasst - vorbringt, aufgrund des Umstandes, dass der Revisionswerber im Jahr 2010 eine telefonische Drohung gegenüber einem Mitarbeiter der niederösterreichischen Landwirtschaftskammer ausgesprochen habe und nunmehr einer Mitarbeiterin des R-Lagerhauses gegenüber Selbstmorddrohungen und sehr emotionale Beschuldigungen ausgesprochen habe, sei ein hohes Aggressionspotential und eine mangelnde Konfliktbewältigungsstrategie des Revisionswerbers zu erkennen. Die im Ermittlungsverfahren erhobenen Tatsachen rechtfertigten nach Ansicht der Behörde die Annahme, dass der Revisionswerber durch missbräuchliches Verwenden von Waffen Leben, Gesundheit oder Freiheit von Menschen oder fremdes Eigentum gefährden könnte.

II. Rechtslage:

6 § 12 Abs 1 Waffengesetz 1996, BGBl I Nr 12/1997 idF

BGBl I Nr 161/2013 (WaffG) lautet:

"Waffenverbot

§ 12. (1) Die Behörde hat einem Menschen den Besitz von Waffen und Munition zu verbieten (Waffenverbot), wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, daß dieser Mensch durch mißbräuchliches Verwenden von Waffen Leben, Gesundheit oder Freiheit von Menschen oder fremdes Eigentum gefährden könnte.

(...)"

III. Erwägungen:

7 Die Revision ist im Sinne ihrer Zulassungsbegründung zulässig und sie ist auch begründet.

8 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes dient die Verhängung eines Waffenverbotes der Verhütung einer missbräuchlichen Verwendung von Waffen. Dabei genügt es, wenn konkrete Umstände vorliegen, die die Besorgnis erwecken, dass von der Waffe ein gesetz- oder zweckwidriger ("missbräuchlicher") Gebrauch gemacht und dadurch eine Gefährdung im Sinne des § 12 Abs 1 WaffG herbeigeführt werden könnte. Hierbei ist nach dem dem WaffG allgemein innewohnenden Schutzzweck bei der Beurteilung der mit dem Besitz von Schusswaffen verbundenen Gefahr ein strenger Maßstab anzulegen. Der Verbotstatbestand des § 12 Abs 1 WaffG setzt voraus, dass auf Grund objektiver Sachverhaltsmerkmale eine qualifiziert rechtswidrige Verwendung von Waffen (nämlich durch gesetz- oder zweckwidrigen Gebrauch) zu befürchten ist. Liegt diese Voraussetzung vor, so hat die Behörde gemäß § 12 Abs 1 WaffG vorzugehen und ein Waffenverbot auszusprechen, ohne dass ein bisher untadeliges Vorleben dem entgegenstünde. Wesentlich ist, dass dem Betroffenen die missbräuchliche Verwendung von Waffen zuzutrauen ist. Die Erlassung eines Waffenverbotes liegt somit nicht im Ermessen der Behörde; sind die in § 12 WaffG normierten Voraussetzungen für die Erlassung eines Waffenverbots gegeben, hat die Behörde nach § 12 Abs 1 leg cit vorzugehen und ein Waffenverbot auszusprechen (vgl etwa VwGH vom 26. Juni 2014, Ro 2014/03/0063, mwN).

9 Der Verwaltungsgerichtshof hat auch wiederholt erkannt, dass ernsthafte Selbstmordabsichten die Verhängung eines Waffenverbots rechtfertigen. Derartige Absichten müssten sich aber nicht nur bezogen auf einen bestimmten Zeitpunkt in der Vergangenheit, sondern auch noch bei Erlassung des Waffenverbots durch die entscheidende Behörde feststellen lassen, um die Gefährdungsprognose im Sinne des § 12 Abs 1 WaffG nachvollziehbar zu machen (vgl etwa VwGH vom 24. Juli 2012, 2012/03/0071, vom 27. Februar 2013, 2012/03/0123, und vom 22. Mai 2013, 2013/03/0025).

10 Im vorliegenden Fall geht das LVwG davon aus, dass der Revisionswerber aufgrund des festgestellten Sachverhalts vor allem seine eigene Gesundheit, aber auch jene von fremden Personen durch missbräuchliche Verwendung von Waffen gefährden könnte.

11 Aus den Feststellungen des LVwG lässt sich jedoch nicht ableiten, dass beim Revisionswerber ernsthafte Selbstmordabsichten (auch noch) zum maßgeblichen Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Erkenntnisses zu befürchten waren. Soweit das LVwG eine mögliche Fremdgefährdung aus dem Umstand ableiten möchte, dass der Revisionswerber im Jahr 2010 "im Zuge einer Unmutsäußerung zu einem Mitarbeiter der niederösterreichischen Landwirtschaftskammer gesagt (hatte), dass er mit einer Pistole vorbei komme", ist ihm entgegen zu halten, dass allein diese Feststellung nicht (mehr) geeignet ist, ein fünf Jahre später verhängtes Waffenverbot zu rechtfertigen, lässt sich doch allein daraus die Gefahrenprognose im Sinne des § 12 WaffG (hier insbesondere in Bezug auf eine allfällige Fremdgefährdung durch den Revisionswerber) nicht (mehr) nachvollziehbar begründen.

12 Da die Gefährdungsprognose des LVwG somit auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen keinen Bestand haben kann und das LVwG in Verkennung der Rechtslage keine weiteren Ermittlungen bzw Feststellungen insbesondere zu allfälligen Selbstmordabsichten des Revisionswerbers im Zeitpunkt seiner Entscheidung getroffen hat, die ein Waffenverbot nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes rechtfertigen würden, war das angefochtene Erkenntnis - in einem gemäß § 12 Abs 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat - gemäß § 42 Abs 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufzuheben. Diese Entscheidung konnte gemäß § 15 Abs 4 VwGG im Umlaufweg getroffen werden.

13 Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014. Da ein (gesonderter) Ersatz der Umsatzsteuer in diesen Vorschriften nicht vorgesehen ist, war das über die Pauschalbeträge hinausgehende Kostenbegehren abzuweisen. Wien, am 2. März 2016

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