VwGH 2013/03/0025

VwGH2013/03/002522.5.2013

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Handstanger und Dr. Lehofer als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Zeleny, über die Beschwerde des K R in L, vertreten durch Mag. Anton Wurzinger, Rechtsanwalt in 8403 Lebring, Stangersdorf-Gewerbegebiet 110/9, gegen den Bescheid der Landespolizeidirektion Steiermark vom 19. Dezember 2012, Zl E1 4286/2012, betreffend Erlassung eines Waffenverbots, zu Recht erkannt:

Normen

VwGG §42 Abs2 Z3 litb;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
WaffG 1996 §12 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z3 litb;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
WaffG 1996 §12 Abs1;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

A. Zum angefochtenen Bescheid

Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid wurde gegen den Beschwerdeführer gemäß § 12 Abs 1, Abs 3 Z 1, 2 und Abs 4 des Waffengesetzes 1996, BGBl I Nr 12/1997 (WaffG), ein unbefristetes Waffen- und Munitionsverbot erlassen.

Begründend wurde im Wesentlichen Folgendes festgehalten: Die Polizeiinspektion L habe am 30. September 2011 der Erstbehörde folgenden Vorfall mitgeteilt: Am 26. September 2011 um 20.09 Uhr habe die damalige Ehefrau des Beschwerdeführers telefonisch Anzeige erstattet, dass ihr Mann zu Hause "durchgedreht habe". Den eintreffenden Beamten habe sie mitgeteilt, ihr Mann sei gegen

19.15 Uhr nach Hause gekommen, sie hätten sich über ihren Scheidungstermin unterhalten. Ihr Mann sei dann "ausgeflippt" und habe sich von seinen Kindern verabschiedet. Seinem Sohn habe er mitgeteilt, dass er sich erschießen würde. Um 20.15 Uhr habe die Ehefrau telefonisch dem Journaldienst mitgeteilt, dass der Beschwerdeführer mit der gemeinsamen Tochter telefoniert und ihr mitgeteilt habe, er hätte ein Gewehr, die Tochter habe hören können, wie er abgedrückt habe. Um 21.09 Uhr habe F M telefonisch dem Journaldienst mitgeteilt, dass er nächst seinem Anwesen in S einen Schuss gehört habe. Er habe sich im Freien befunden und sei gerade damit beschäftigt gewesen, Pferde zu füttern. Er habe den Schussknall nächst des Anwesens wahrnehmen können und sich darüber gewundert, weil kein Jäger bei absoluter Dunkelheit auf die Jagd gehe. Er habe sich in Richtung des Schusses begeben und beobachten können, wie eine Person mit einem großen PKW von einem Waldweg (neben der Jägerkapelle) auf die Gemeindestraße gefahren und in weiterer Folge den PKW in einem Waldstück nächst eines Hochsitzes abgestellt habe. Die Person habe anschließend den PKW verlassen und sei in den Wald gelaufen, er habe noch wahrnehmen können, wie die Person telefoniert und immer wieder laut geschrien habe; er habe auch bemerkt, dass vermutlich eine zweite Person bei der erstgenannten gewesen sei. Gegen 22.15 Uhr habe der Beschwerdeführer telefonisch einen Polizeibeamten einer anderen Polizeiinspektion, der sich zu diesem Zeitpunkt außer Dienst befunden habe, mitgeteilt, dass er sich im Waldstück verstecke und die Polizei sehen könne, er würde aber nur aus seinem Versteck kommen, wenn der Beamte ihn persönlich abholen würde. Als dieser Beamte kurze Zeit später persönlich erschienen sei, sei der Beschwerdeführer aus dem Wald gekommen und habe sein Jagdgewehr, das er am Hochsitz versteckt gehabt habe, an den Polizeibeamten übergeben. Anschließend sei der Beschwerdeführer zur Polizeiinspektion L gebracht worden, ein um 22.53 Uhr durchgeführter Alkotest habe einen relevanten Messwert von 0,90 mg/l ergeben. Der Distriktsarzt habe um 23.45 Uhr eine Einlieferung des Beschwerdeführers in das Landesnervenklinik Siegmund Freud Graz veranlasst, weil die Voraussetzungen zur Unterbringung nach dem UbG bestanden hätten. Dorthin sei der Beschwerdeführer anschließend gebracht worden. Am 28. September 2011 sei er aus dem Krankenhaus entlassen worden, an diesem Tag sei um 13.30 Uhr ein vorläufiges Waffenverbot gegen den Beschwerdeführer ausgesprochen worden.

Für die Erstbehörde sei auch ausschlaggebend gewesen, dass der Beschwerdeführer in der Anamnese zu seinem Alkohol-Konsumverhalten unrichtige Angaben gemacht habe. Im Zuge der Ermittlungen habe sich herausgestellt, dass dem Beschwerdeführer die Lenkberechtigung für die Dauer von sechs Monaten entzogen und am 4. Mai 2012 befristet bis zum 4. Mai 2013 mit der Auflage, in Abständen von vier Monaten einen "CDT-Wert und Leberwerte" vorzulegen, wieder ausgefolgt worden sei. Im Zuge des Lenkberechtigung-Entzugsverfahrens habe der Beschwerdeführer auf amtsärztliche Anordnung einen CDT-Wert vom 26. März 2012 vorgelegt, welcher den Wert von 2,83 % aufgewiesen habe, und einen Kontroll-CDT-Wert vom 20. April 2012, welcher den Wert von 3,42 % aufgewiesen habe. Der Referenzbereich des CDT-Wertes liege bei 0 bis 2,5 %.

Für die belangte Behörde stehe fest, dass es laut Bericht der Polizeiinspektion L vom 27. September 2011 zu dem angeführten Vorfall gekommen sei. Fest stehe auch das Geschehen betreffend die Übergabe des Jagdgewehrs an den herbeigerufenen Polizeibeamten sowie der Messwert des Alkotests und die Einlieferung des Beschwerdeführers in die Landesnervenklinik Sigmund Freud Graz. Aus einem Aktenvermerk vom 26. September 2011 gehe hervor, dass die damalige Ehefrau des Beschwerdeführers gegenüber den Polizeibeamten angegeben habe, ihr Ehemann sei zum besagten Zeitpunkt nach Hause gekommen, auf Grund der Aussprache über den Scheidungstermin dann "ausgeflippt" und habe sich von den beiden Kindern verabschiedet . Zur Tochter habe er "ba, ba" gesagt, zum Sohn habe er gesagt, dass er sich erschießen würde. Der Sohn habe daraufhin gesagt: "Papa tu es bitte nicht! Papa tu es bitte nicht!". Daraufhin habe der Beschwerdeführer die Wohnung verlassen und sei mit seinem PKW davongefahren. Er sei zu diesem Zeitpunkt sichtlich betrunken und sehr weinerlich gewesen.

Schon das Führen einer Waffe in alkoholisiertem Zustand (wobei es unerheblich sei, ob diese Waffe geladen gewesen sei oder nicht) sei ein Indiz für die Gefahr einer missbräuchlichen Verwendung der Waffe. Die Erstbehörde habe vom Beschwerdeführer ein psychologisches Gutachten eingefordert. Dies sei aber nicht erforderlich gewesen, weil bei der Prüfung der Voraussetzungen für die Verhängung eines Waffenverbots nicht von einer Verlässlichkeitsprüfung auszugehen sei, zumal der Mangel an waffenrechtlicher Verlässlichkeit nach § 8 WaffG nicht zu den Tatbestandsvoraussetzungen des § 12 Abs 1 WaffG zähle. Die Verlässlichkeit sei also nicht zu prüfen gewesen, freilich schließe eine in § 12 Abs 1 WaffG zu unterstellende Verhaltensprognose auch die waffenrechtliche Verlässlichkeit aus.

Angesichts des festgestellten Sachverhalts, dass der Beschwerdeführer durch seine Aussagen auch gegenüber den Kindern ein missbräuchliches oder zweckwidriges Verwenden der Waffe in Aussicht gestellt habe, sowie der zum Vorfallzeitpunkt festgestellte starke Alkoholisierung, sei die Annahme begründet, dass dem Beschwerdeführer im Affekt eine Gefährdung der durch § 12 Abs 1 WaffG geschützten Rechtsgüter durch missbräuchliche Verwendung von Waffen zuzutrauen sei. Die belangte Behörde sei daher gemäß § 12 Abs 1 WaffG verpflichtet, das Waffenverbot zu verhängen. Angesichts des festgestellten Verhaltens des Beschwerdeführers sei die Annahme gerechtfertigt, dass eine Gefährdung der durch § 12 leg cit geschützten Rechtsgüter durch missbräuchliche Verwendung im alkoholisierten Zustand im Bereich der Möglichkeit liege, zumindest aber nicht ausgeschlossen werden könne.

B. Zum Beschwerdeverfahren

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes oder wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, sah jedoch von der Erstattung einer Gegenschrift ab.

C. Erwägungen

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

1. Gemäß § 12 Abs 1 Waffengesetz 1996 (WaffG) hat die Behörde einem Menschen den Besitz von Waffen und Munition zu verbieten (Waffenverbot), wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass dieser Mensch durch missbräuchliches Verwenden von Waffen Leben, Gesundheit oder Freiheit von Menschen oder fremdes Eigentum gefährden könnte.

Die Verhängung eines Waffenverbotes dient der Verhütung von Gefährdungen der im § 12 Abs 1 WaffG bezeichneten Art und setzt nicht voraus, dass es schon zu einem missbräuchlichen Verwenden von Waffen durch den Betroffenen gekommen ist. Dabei genügt es, wenn konkrete Umstände vorliegen, die die Besorgnis erwecken, dass von der Waffe ein gesetz- oder zweckwidriger Gebrauch gemacht werden könnte. Dabei ist nach dem dem WaffG allgemein innewohnenden Schutzzweck ein strenger Maßstab anzulegen. Der Verbotstatbestand des § 12 Abs 1 WaffG setzt lediglich voraus, dass auf Grund objektiver Sachverhaltsmerkmale eine qualifiziert rechtswidrige Verwendung von Waffen zu befürchten ist. Liegt diese Voraussetzung vor, so hat die Behörde nach § 12 Abs 1 WaffG vorzugehen und ein Waffenverbot auszusprechen, ohne dass ein bisher untadeliges Vorleben dem entgegenstünde. Wesentlich ist, dass dem Betroffenen die missbräuchliche Verwendung von Waffen zuzutrauen ist (vgl etwa das hg Erkenntnis vom 21. Oktober 2011, Zl 2010/03/0148).

2. Der belangten Behörde ist zwar zuzustimmen, dass ernsthafte Selbstmordabsichten die Verhängung eines Waffenverbots rechtfertigen (vgl nochmals VwGH vom 21. Oktober 2011, 2010/03/0148, mwH). Derartige Absichten müssten sich aber nicht nur bezogen auf einen bestimmten Zeitpunkt in der Vergangenheit, sondern auch noch bei Erlassung des Waffenverbots durch die belangte - letztinstanzliche - Behörde feststellen lassen, um die Gefährdungsprognose im Sinne des § 12 Abs 1 WaffG nachvollziehbar zu machen (vgl VwGH vom 24. Juli 2012, 2012/03/0071, mwH).

Dass beim Beschwerdeführer ernsthafte Selbstmordabsichten zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides zu befürchten waren, wird im angefochtenen Bescheid aber nicht konkret dargestellt.

Deshalb findet die offenbare Annahme der belangten Behörde, dass der Alkoholmissbrauch und eine immer noch zum Tragen kommende ernsthafte Selbstmordabsicht (wie sie seinerzeit nach den Feststellungen bei dem besagten Vorfall vom Beschwerdeführer auch gegenüber seinen Kindern geäußert worden sei) zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides noch gegeben war, in den Feststellungen keine ausreichende Stütze.

Ein Alkoholmissbrauch für sich genommen vermag aber ein Waffenverbot nicht zu begründen (vgl VwGH vom 30. Juni 2011, 2008/03/0114, betreffend einen zeitweiligen, und VwGH vom 25. Jänner 2001, 2000/20/0153, betreffend einen chronischen Alkoholmissbrauch). Vielmehr wurden in der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs die Voraussetzungen für die Verhängung eines Waffenverbots nur dann angenommen, wenn zum Alkoholkonsum noch zusätzliche Gefahrenmomente hinzutreten, zB wenn sich die Person nach dem Genuss von Alkohol wiederholt aggressiv zeigte (vgl nochmals VwGH vom 25. Jänner 2001, 2000/20/0153, mwH).

Ungeachtet dessen weist die Beschwerde - in Übereinstimmung mit den vorgelegten Verwaltungsakten - (ähnlich wie zuvor schon in der Berufung gegen den Erstbescheid) zu der von der belangten Behörde herangezogenen Aussage zur Abgabe eines Schusses durch den Beschwerdeführer darauf hin, dass nach einem bei der Erstbehörde angelegten Aktenvermerk durch einen bei dem Vorfall anwesenden Polizeibeamten im Wege eines Geruchstests festgestellt worden sei, dass aus dem sichergestellten Jagdgewehr keine Schmauchspuren durch Abfeuern einer Patrone vorhanden gewesen seien, und dass ferner diese Waffe ungeladen gewesen sei, zumal sowohl Magazine als auch Patronen nicht vorhanden gewesen seien. Die belangte Behörde hat sich aber mit dem Aktenvermerk und seinem Inhalt nicht näher auseinandergesetzt. Dies wäre aber erforderlich gewesen, um die Feststellungen der belangten Behörde schlüssig auf die in Rede stehende Aussage gründen zu können (zum Erfordernis der Schlüssigkeit einer behördlichen Beweiswürdigung vgl insbesondere VwGH (verstärkter Senat) vom 3. Oktober 1985, 85/02/0053).

Vor diesem Hintergrund erweisen sich die Feststellungen im angefochtenen Bescheid als nicht ausreichend, um die von der belangten Behörde getroffene rechtliche Beurteilung zu tragen.

3. Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs 2 Z 3 lit b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

4. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet auf §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl II Nr 455.

Wien, am 22. Mai 2013

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