European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2018:RA2015060072.L00
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Der Revisionswerber hat der Marktgemeinde Sillian Aufwendungen in der Höhe von EUR 553,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1 Mit Bescheid des Bürgermeisters der Marktgemeinde Sillian (belangte Behörde) vom 4. September 2008 wurde dem Revisionswerber die baubehördliche Bewilligung für Zu- und Umbaumaßnahmen mit teilweiser Änderung des Verwendungszwecks bei einem näher bezeichneten Gebäude bewilligt, wobei die Errichtung von 12 Stellplätzen vorgeschrieben wurde.
2 Mit am 8. April 2010 eingelangtem Bauansuchen beantragte der Revisionswerber die Erteilung der baubehördlichen Bewilligung für - teils gegenüber der vorgenannten Baubewilligung abweichend ausgeführte, teils neue - Baumaßnahmen, und zwar Zu- und Umbauten zum bestehenden Wohn- und Geschäftshaus mit teilweiser Änderung des Verwendungszwecks.
3 Dieser Antrag wurde mit Bescheid der belangten Behörde vom 17. Mai 2010 bewilligt und es wurden auf Basis der am 13. April 2007 in Kraft getretenen Garagen- und Stellplatzverordnung der Marktgemeinde S für das Gastlokal 25 zusätzliche Parkplätze als erforderlich vorgeschrieben.
4 Mit Bescheid vom 17. September 2014 erteilte die belangte Behörde auf Grund des Antrages des Revisionswerbers und der zwischen diesem und der Marktgemeinde S geschlossenen Vereinbarung die Befreiung von der Errichtung von 13 Stellplätzen und schrieb ersatzweise eine Ausgleichsabgabe nach dem Tiroler Verkehrsaufschließungsabgabengesetz vor. Eine dagegen vom Revisionswerber erhobene Beschwerde wurde laut Aktenlage dem Landesverwaltungsgericht Tirol (LVwG) nicht vorgelegt und es wurde daher über diese noch nicht entschieden.
5 Mit Ansuchen vom 28. Oktober 2014 beantragte der Revisionswerber die Änderung des Verwendungszwecks für den Gästeraum im Untergeschoß zur Nutzung als Durchgangsraum und als Abstellfläche. "Diese Baumaßnahme verringert sowohl Fläche als auch Sitzplätze." Es werde "auch die Neubewertung der notw(endigen) Parkplätze ..." beantragt.
6 Mit Bescheid vom 24. November 2014 erteilte die belangte Behörde die beantragte Baubewilligung nach Maßgabe der Pläne und Projektunterlagen gemäß § 27 Abs. 6 und 7 Tiroler Bauordnung 2011 - TBO 2011 unter den "Auflagen", dass (Spruchpunkt I.) gemäß § 8 Abs. 1 TBO 2011 die mit Bescheid vom 17. Mai 2010 festgelegten 25 Pkw-Stellplätze nunmehr auf 21 Pkw-Stellplätze reduziert würden und (Spruchpunkt II.) dem Antrag des Revisionswerbers Folge gegeben und für das gegenständliche Bauvorhaben die Befreiung für 9 Stellplätze erteilt werde. Für die weiters erforderlichen 12 Stellplätze sei eine Anpachtung auf näher bezeichneten Grundstücken vereinbart worden. Im Befund wurde festgehalten, dass - bedingt durch die beabsichtigte Verwendungsänderung einer Fläche im Ausmaß von 25 m2 - gemäß der Garagen- und Stellplatzverordnung 4 Stellplätze entfielen (pro Stellplatz 6 m2) und sich damit die Anzahl der mit Baubescheid vom 17. Mai 2010 für die Gastlokale vorgeschriebenen insgesamt 25 Pkw-Stellplätze nunmehr auf 21 reduziere.
7 In seiner Beschwerde an das Landesverwaltungsgericht Tirol (LVwG) machte der Revisionswerber geltend, die belangte Behörde habe zu Unrecht nicht die seit 6. Dezember 2013 geltende Garagen- und Stellplatzverordnung herangezogen. Bei deren Zugrundelegung hätten sich richtigerweise 15 Stellplätze, abzüglich 3 Stellplätze für die beantragte Verwendungsänderung (bisher: pro Stellplatz 6 m2, nunmehr: eine Abstellmöglichkeit je angefangene 6 Sitzplätze oder 10 m2 Nutzfläche), insgesamt sohin 12 Stellplätze ergeben. Der Bescheid der belangten Behörde werde daher in seinem Spruchpunkt I. insoweit angefochten, als die Reduktion nicht um 13, sondern nur um 4 Stellplätze vorgenommen worden sei. Hinsichtlich Spruchpunkt II. erfolge eine Anfechtung insoweit, als dass diese Befreiung dann nicht mehr erforderlich sei, wenn der Beschwerde in der Hauptsache Folge gegeben werde. Nur dann, wenn der Beschwerde nur zum Teil Folge gegeben werde, sei auch der Befreiungsantrag wieder erforderlich.
8 Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das LVwG der Beschwerde gegen Spruchpunkt II. Folge und hob diesen ersatzlos auf. Im Übrigen, also insoweit sich die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. richtete, wurde sie als unbegründet abgewiesen. Eine ordentliche Revision wurde für nicht zulässig erklärt.
9 In seiner Begründung führte das LVwG, soweit die Beschwerde abgewiesen wurde, aus, die vorliegend beantragte Verwendungszweckänderung des Raumes im Untergeschoß führe für sich zu keinem zusätzlichen Stellplatzbedarf, vielmehr würden durch die Nutzungsänderung dieses Raumes bisher notwendige 4 Stellplätze obsolet. Die Verpflichtung der Behörde zur Festlegung der mindestens zu schaffenden Anzahl an Stellplätzen in der Baubewilligung, darunter falle auch die Verwendungszweckänderung von Gebäuden, bestehe nach dem klaren "Sinnzusammenhang" des § 8 Abs. 1 dritter Satz TBO 2011 nur für Verwendungszweckänderungen, die einen zusätzlichen Bedarf an Abstellmöglichkeiten auslösten. Erfordere der geänderte Verwendungszweck keine zusätzlichen Abstellmöglichkeiten, bestehe eine derartige Verpflichtung nicht.
10 Dieser Verpflichtung der Behörde nach § 8 Abs. 1 TBO 2011 stehe jedoch kein subjektives Antragsrecht des Bauwerbers auf Bewilligung, Neubewertung bzw. Festlegung eines durch eine Verwendungszweckänderung reduzierten Stellplatzbedarfs gegenüber. Der Antrag des Revisionswerbers erweise sich somit mangels gesetzlicher Grundlage in jenem Umfang, in dem eine Neubewertung und damit eine Reduzierung der Parkplätze für den neuen Verwendungszweck begehrt worden sei, als unzulässig. Der Antrag auf Neuberechnung lasse sich auch nicht in die in § 21 TBO 2011 genannten Bauvorhaben einreihen, sodass auch aus dieser Bestimmung kein Antragsrecht abzuleiten sei.
11 In der - statt Zurückweisung des Antrags auf Neuberechnung wegen Unzulässigkeit - Stattgebung des Antrags des Revisionswerbers im genannten Umfang könne eine Beschwer bzw. eine Verletzung von Rechten des Revisionswerbers nicht erkannt werden, liege diese doch in seinem Interesse. Die Berechtigung der Behörde zur ausgesprochenen Reduzierung könnte auch in einem amtswegigen Vorgehen in Anwendung des § 68 Abs. 2 AVG gesehen werden. Durch die Reduzierung der Stellplätze in Abänderung des rechtskräftigen Bescheides vom 17. Mai 2010 sei jedenfalls keine Verschlechterung der Rechtstellung des Revisionswerbers erfolgt.
12 Sofern der Revisionswerber darüber hinaus im Hinblick auf diese Verordnung eine neue Berechnung des Stellplatzbedarfes im Ganzen fordere, komme ihm diesbezüglich, wie bereits dargestellt, kein Antragsrecht zu. Überdies sei jedenfalls entschiedene Sache anzunehmen (wird näher ausgeführt). Die Umgestaltung der maßgeblichen Rechtslage bewirke mangels anderslautender Übergangsbestimmungen im vorliegenden Fall nur, dass künftige Entscheidungen nach den neuen Vorschriften zu treffen seien, bestehende Bescheide aber davon unberührt weiter in Geltung blieben (Hinweis auf Hengstschläger/Leeb, AVG, § 68 Rz 35).
13 Zur ersatzlosen Behebung führte das LVwG (zusammengefasst) aus, bei der Befreiung von der Verpflichtung zur Schaffung von erforderlichen Stellplätzen im Sinne des § 8 Abs. 4 und 6 TBO 2011 handle es sich um einen antragsbedürftigen Verwaltungsakt. Für die ausgesprochene Befreiung im angefochtenen Bescheid, die inhaltlich und rechnerisch auf den diesbezüglichen Abspruch des Bescheides vom 17. September 2014 (siehe Rz 4) aufbaue und an diesen anknüpfe, liege kein an die belangte Behörde gerichteter Antrag des Revisionswerbers vor. Insoweit sei der angefochtene Bescheid wegen Unzuständigkeit der belangten Behörde aufzuheben gewesen. Eine nachträgliche Zustimmung zur Entscheidung (offenkundig gemeint: zu einem derartigen Abspruch), wie dies im Beschwerdevorbringen zum Ausdruck komme, könne das Antragserfordernis nicht ersetzen.
14 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Auf Beschlüsse der Verwaltungsgerichte ist Art. 133 Abs. 4 B-VG sinngemäß anzuwenden (Art. 133 Abs. 9 B-VG).
15 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
16 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
17 In den zur Zulässigkeit vorgetragenen Gründen macht der Revisionswerber geltend, es fehle Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage, ob dem Bauwerber ein subjektives Antragsrecht nach § 8 Abs. 1 TBO 2011 zukomme, weiters, inwieweit eine Feststellungsverpflichtung zur Änderung der Vorschreibung von Stellplätzen im Zuge des eingereichten Bauansuchens bestehe und darüber hinaus inwieweit das LVwG ermächtigt sei, einen Mangel aufzugreifen, der von der Partei nicht vorgebracht worden sei und diese materiell benachteilige.
Mit diesem Vorbringen wird keine Rechtsfrage dargelegt, der im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme.
18 Soweit der die Beschwerde des Revisionswerbers abweisende Teil des angefochtenen Erkenntnisses die von der Behörde ausgesprochene Reduzierung der Stellplätze aufgrund der geplanten Änderung des Verwendungszweckes betrifft, stützte das LVwG die Abweisung zum einen darauf, dass dem Revisionswerber diesbezüglich ein subjektives Antragsrecht nach § 8 Abs. 1 TBO 2011 nicht zukomme, zum anderen darauf, dass die bisher für den von der Verwendungsänderung betroffenen Gastraum vorgeschriebenen vier Stellplätze "obsolet" geworden seien. Durch diese Reduzierung sei die Rechtsstellung des Revisionswerbers jedenfalls nicht verschlechtert worden.
Dem Revisionswerber ist zuzugeben, dass eine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage, inwieweit dem Bauwerber ein subjektives Antragsrecht im Sinne des § 8 Abs. 1 TBO 2011 zukommt, fehlt, auf diese Frage kommt es jedoch vorliegend nicht an, weil das LVwG - wie oben dargestellt - seine diesbezügliche Entscheidung auch damit begründete, dass die Reduzierung in dem Maß erfolgt sei, das der für diesen Raum vorgeschriebenen Anzahl an Stellplätzen entspreche. Es liegt insofern eine tragfähige Alternativbegründung vor, gegen die in den Revisionszulässigkeitsgründen nichts Konkretes vorgebracht wird (vgl. etwa VwGH 29.3.2017, Ra 2017/05/0021, mwN).
Was die darüber hinaus beantragte "Neubewertung" der Stellplätze, also für den von der Verwendungsänderung nicht betroffenen Bereich der baulichen Anlage, für den die Stellplätze - wie für den Gastraum - mit Bescheid vom 17. Mai 2010 vorgeschrieben worden waren, betrifft, stützte das LVwG die Abweisung auf § 68 AVG. Auch gegen diese tragfähige Begründung wird in den Zulässigkeitsausführungen nichts vorgetragen. Auf die Beantwortung der Frage, inwieweit eine Feststellungsverpflichtung zur Änderung der Vorschreibung von Stellplätzen für die gesamte bauliche Anlage im Zuge eines eingereichten Bauvorhabens bestehe, kommt es daher nicht an.
19 Die ersatzlose Behebung durch das LVwG bezieht sich auf die von der Behörde ausgesprochene Befreiung von der Verpflichtung zur Errichtung von 9 Stellplätzen, weil kein darauf gerichteter Antrag des Revisionswerbers vorgelegen sei. Auch in diesem Zusammenhang wird eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung nicht dargetan:
20 Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, dass jedenfalls keine Beschränkung der Prüf- und Entscheidungsbefugnis der Verwaltungsgerichte bei einer zulässigen Beschwerde besteht, wenn es um Fragen der Zuständigkeit geht (vgl. etwa VwGH 25.5.2016, Ra 2015/06/0095, mwN). Die Unzuständigkeit, die auch darin liegen kann, dass ein für eine Entscheidung notwendiger Antrag fehlt, sodass keine behördliche Zuständigkeit zu einer Entscheidung über den vermeintlichen "Antrag" gegeben ist (vgl. etwa VwGH 9.10.2014, 2013/05/0014), ist von Amts wegen und ungeachtet einer Möglichkeit der Verletzung sonstiger subjektiv-öffentlicher Rechte wahrzunehmen.
21 Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 und Abs. 3 VwGG zurückzuweisen.
22 Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014, BGBl. II Nr. 518/2013.
Wien, am 27. März 2018
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