VwGH Ra 2015/01/0217

VwGHRa 2015/01/021711.10.2016

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Blaschek und den Hofrat Dr. Kleiser sowie die Hofrätin Mag. Liebhart-Mutzl als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Berger, über die Revision der Landespolizeidirektion Wien in 1010 Wien, Schottenring 7-9, gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes Wien vom 10. September 2015, Zl. VGW-102/076/6134/2015-16, betreffend Betretungsverbot nach § 38a Sicherheitspolizeigesetz (mitbeteiligte Partei: Dr. T F in W, vertreten durch Nemetz & Nemetz Rechtsanwalts-KG in 1030 Wien, Landstraßer Hauptstraße 29), den Beschluss gefasst:

Normen

AVG §45 Abs2;
B-VG Art133 Abs4;
SPG 1991 §38a;
VwGG §28 Abs3;
VwGG §34 Abs1;
AVG §45 Abs2;
B-VG Art133 Abs4;
SPG 1991 §38a;
VwGG §28 Abs3;
VwGG §34 Abs1;

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Der Bund hat der mitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 Mit dem angefochtenen Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes Wien wurde der Beschwerde der mitbeteiligten Partei wegen behaupteter Rechtswidrigkeit der Anordnung eines Betretungsverbotes nach § 38a Sicherheitspolizeigesetz (SPG) stattgegeben, die angefochtene Maßnahme für rechtswidrig erklärt und, soweit das Betretungsverbot noch aufrecht war, dieses aufgehoben (I.), der Bund als Rechtsträger der belangten Behörde zu einem näher bezeichneten Aufwandersatz an den Mitbeteiligten verpflichtet (II.) und die Revision für nicht zulässig erklärt

(III.).

2 Die gegen dieses Erkenntnis erhobene Amtsrevision der Landespolizeidirektion Wien bringt zur Frage ihrer Zulässigkeit vor, es liege keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes dazu vor, wieviele Minuten Redezeit der (von der darauffolgenden Anordnung eines Betretungsverbotes betroffene) Befragte mindestens auf seine Argumentation verwenden müsse. Das Verwaltungsgericht Wien gehe dessen ungeachtet "bedingungslos" davon aus, dass eine Zeitspanne von fünf Minuten unzureichend sei, um die rechtstaatlichen Mindestanforderungen an das Parteiengehör für den Ausspruch eines Betretungsverbotes zu erfüllen.

3 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

4 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

5 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

6 In den gemäß § 28 Abs. 3 VwGG bei einer außerordentlichen Revision gesondert vorzubringenden Gründen ist konkret auf die vorliegende Rechtssache bezogen aufzuzeigen, welche Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung der Verwaltungsgerichtshof in einer Entscheidung über die Revision zu lösen hätte (vgl. etwa den hg. Beschluss vom 15. Dezember 2015, Ra 2015/01/0147, mwN).

7 Die Zulässigkeitsbegründung der vorliegenden Amtsrevision legt eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht dar:

8 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sind Betretungsverbot (und Wegweisung) gleichermaßen an die Voraussetzung geknüpft, dass auf Grund bestimmter Tatsachen (Vorfälle) anzunehmen ist, ein gefährlicher Angriff auf Leben, Gesundheit oder Freiheit einer gefährdeten Person stehe bevor. Welche Tatsachen als solche im Sinne des § 38a SPG in Frage kommen, sagt das Gesetz nicht (ausdrücklich). Diese Tatsachen müssen (auf Grund bekannter Vorfälle) die Annahme rechtfertigen, dass plausibel und nachvollziehbar bestimmte künftige Verhaltensweisen zu erwarten sein werden. Auf Grund des sich den einschreitenden Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes bietenden Gesamtbildes muss mit einiger Wahrscheinlichkeit zu erwarten sein, dass ein gefährlicher Angriff im genannten Sinn durch den Wegzuweisenden bevorstehe. Dabei (bei dieser Prognose) ist vom Wissensstand des Beamten im Zeitpunkt des Einschreitens auszugehen (vgl. den hg. Beschluss vom 13. Oktober 2015, Ra 2015/01/0193, mwN).

9 Das Verwaltungsgericht Wien kam im gegenständlichen Fall aufgrund der ihm - nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung - vorliegenden Beweislage zu dem Ergebnis, dass dem Mitbeteiligten vor Verhängung des Betretungsverbotes nicht ausreichend Möglichkeit geboten worden sei, zu den eine Gefährdungsprognose möglicherweise begründenden Tatsachen in einer Weise Stellung zu nehmen, die dem einschreitenden Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes die Bildung eines Gesamtbildes hinsichtlich einer Gefährdungsprognose im Sinne der höchstgerichtlichen Rechtsprechung ermöglicht hätte. Die Verhängung des Betretungsverbotes habe damit nicht den rechtsstaatlichen Mindestanforderungen entsprochen. Das in der gegenständlichen Amtsrevision zur Begründung der Zulässigkeit vorgetragene Argument zielt in der Sache auf die diesbezüglich durch das Verwaltungsgericht im konkreten Fall - unter Einbeziehung sämtlicher Umstände des Falles - vorgenommene Beweiswürdigung ab, zu deren Überprüfung der Verwaltungsgerichtshof - als Rechtsinstanz - im Allgemeinen nicht berufen ist. Im Zusammenhang mit der Beweiswürdigung liegt eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung nur dann vor, wenn das Verwaltungsgericht die Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hätte (vgl. etwa den hg. Beschluss vom 15. März 2016, Ra 2014/01/0187, mwN). Dass ein derartiger krasser Fehler der Beweiswürdigung unterlaufen wäre, wird aber in den alleine maßgeblichen Zulässigkeitsausführungen der vorliegenden Revision nicht dargelegt (vgl. den hg. Beschluss vom 6. Juli 2016, Ra 2015/01/0037, mwN).

10 Ausgehend von den zur Zulässigkeit der außerordentlichen Revision vorgebrachten Gründen werden in der Amtsrevision daher keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme.

11 Die Amtsrevision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

12 Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG, insbesondere § 51 VwGG, in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014, BGBl. II Nr. 518/2013 in der Fassung BGBl. II Nr. 8/2014.

Wien, am 11. Oktober 2016

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