VwGH Ra 2015/01/0193

VwGHRa 2015/01/019313.10.2015

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Blaschek und die Hofräte Dr. Kleiser und Dr. Fasching als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Schweda, über die Revision der Bezirkshauptmannschaft Dornbirn, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Vorarlberg vom 13. August 2015, Zl. LVwG-2-004/R10-2014, betreffend Wegweisung und Betretungsverbot nach § 38a Sicherheitspolizeigesetz (Mitbeteiligter: H W in L), den Beschluss gefasst:

Normen

B-VG Art133 Abs4;
SPG 1991 §38a Abs1;
SPG 1991 §38a Abs2;
VwGG §34 Abs1;
B-VG Art133 Abs4;
SPG 1991 §38a Abs1;
SPG 1991 §38a Abs2;
VwGG §34 Abs1;

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1. Mit dem angefochtenen Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Vorarlberg (Verwaltungsgericht) wurde der Beschwerde des Mitbeteiligten wegen behaupteter Rechtswidrigkeit der Anordnung der Wegweisung und eines Betretungsverbots nach § 38 Sicherheitspolizeigesetz (SPG) am 13. Dezember 2014 in L stattgegeben und die Anordnung der Wegweisung und des Betretungsverbots für rechtswidrig erklärt (erster Spruchabschnitt).

Weiters wurde die belangte Behörde (der Bund) zur Zahlung eines näher bezeichneten Kostenersatzes verpflichtet (zweiter Spruchabschnitt) sowie die Revision gegen dieses Erkenntnis für unzulässig erklärt (dritter Spruchabschnitt).

Begründend führte das Verwaltungsgericht auf das Wesentlichste zusammengefasst aus, auf Grund näher bezeichneter Vorkommnisse in der Wohnung des Mitbeteiligten und seiner Ehegattin (Streitigkeiten unter beiderseitigem Alkoholeinfluss) sei es zur Verhängung der angefochtenen Wegweisung einschließlich Betretungsverbotes des Mitbeteiligten gekommen. Unter Einbeziehung der gesamten Ermittlungsergebnisse einschließlich der Durchführung einer mündlichen Verhandlung fänden sich keine Handlungen des Mitbeteiligten, die als derart offensiv aggressiv gegenüber seiner Ehegattin zu werten seien, dass auf einem bevorstehenden gefährlichen Angriff geschlossen werden könnte. Ebenso fänden sich keine Indikatoren für ein zeitlich nahestehendes zukünftiges Verhalten des Mitbeteiligten, aus denen eine weitere Gefährdung seiner Ehegattin ableitbar wäre. Somit habe im gesamten Verfahren kein Anhaltspunkt für eine bevorstehende Gefährdung gefunden werden können, sodass der Ausspruch der Wegweisung des Betretungsverbotes nicht begründbar gewesen sei.

Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die Revision der belangten Behörde vor dem Verwaltungsgericht.

2. Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

3. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sind Wegweisung und Betretungsverbot gleichermaßen an die Voraussetzung geknüpft, dass auf Grund bestimmter Tatsachen (Vorfälle) anzunehmen ist, ein gefährlicher Angriff auf Leben, Gesundheit oder Freiheit einer gefährdeten Person stehe bevor. Welche Tatsachen als solche im Sinne des § 38a SPG in Frage kommen, sagt das Gesetz nicht (ausdrücklich). Diese Tatsachen müssen (auf Grund bekannter Vorfälle) die Annahme rechtfertigen, dass plausibel und nachvollziehbar bestimmte künftige Verhaltensweisen zu erwarten sein werden. Auf Grund des sich den einschreitenden Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes bietenden Gesamtbildes muss mit einiger Wahrscheinlichkeit zu erwarten sein, dass ein gefährlicher Angriff im genannten Sinn durch den Wegzuweisenden bevorstehe. Dabei (bei dieser Prognose) ist vom Wissensstand des Beamten im Zeitpunkt des Einschreitens auszugehen (vgl. zuletzt das hg. Erkenntnis vom 24. Oktober 2013, Zl. 2011/01/0158, mwN).

Die Revision bringt (als Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung) vor, das Verwaltungsgericht sei von dieser Rechtsprechung abgewichen, indem es dem Erkenntnis "offensichtlich" eine ex post Beurteilung der Gefährdungsprognose zugrunde gelegt habe. Mit diesem Vorbringen wird das Vorliegen einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung nicht dargetan, weil alleine aus der von der Revision angeführten Passage des angefochtenen Erkenntnisses nicht abgeleitet werden kann, dass das Verwaltungsgericht eine ex post Beurteilung vorgenommen habe und damit von der oben angeführten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 38a SPG abgewichen sei.

Die Revision bringt weiter vor, das Verwaltungsgericht sei in Abweichung von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes im angefochtenen Erkenntnis davon ausgegangen, dass sich gegenseitige gefährliche Angriffe (gemeint: des Mitbeteiligten und seiner Ehegattin) in ihrer rechtlichen Beurteilung "aufheben". Zu diesem Vorbringen genügt es darauf hinzuweisen, dass sich eine derartige Rechtsauffassung im angefochtenen Erkenntnis nicht findet.

Zuletzt bringt die Revision vor, das Verwaltungsgericht sei im angefochtenen Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen, nach der die Beurteilung der Gefährdungsprognose auf Grund des sich den einschreitenden Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes bietenden Gesamtbildes vorzunehmen sei. So sei das Gesamtbild, welches sich den in der vorliegenden Rechtssache konkret einschreitenden Beamten geboten habe sowie das Verhalten des Mitbeteiligten jedenfalls dazu geeignet, das Bevorstehen eines gefährlichen Angriffes mit einiger Wahrscheinlichkeit erwarten zu können. Auch mit diesem Vorbringen wird ein Abweichen von der oben angeführten hg. Rechtsprechung zur Beurteilung nach § 38a SPG nicht dargetan. Vielmehr wird behauptet, dass die besonderen Umstände des Einzelfalles auch eine andere Entscheidung gerechtfertigt hätten. Dieser Frage kommt in der Regel jedoch keine grundsätzliche Bedeutung zu, da eine Rechtsfrage nur dann im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukommen kann, wenn sie über dem konkreten Einzelfall hinaus Bedeutung besitzt (vgl. hiezu etwa den hg. Beschluss vom 14. August 2014, Zl. Ra 2014/01/0101, mwN). Dass das Verwaltungsgericht eine derart krasse Fehlbeurteilung vorgenommen hätte, die zu einem die Rechtssicherheit beeinträchtigenden unvertretbaren Ergebnis geführt hätte (vgl. hiezu den hg. Beschluss vom 8. Jänner 2015, Zl. Ra 2014/08/0064, mwN auf Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes), wird im alleine maßgeblichen Zulässigkeitsvorbringen nicht dargetan.

4. In der Revision werden aus diesen Erwägungen keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 13. Oktober 2015

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