Normen
FrG 1997 §57 Abs1;
FrG 1997 §57 Abs2;
FrG 1997 §75 Abs1;
FrG 1997 §57 Abs1;
FrG 1997 §57 Abs2;
FrG 1997 §75 Abs1;
Spruch:
Die Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 41,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit den zitierten, im Instanzenzug ergangenen Bescheiden erließ die belangte Behörde gegen den Beschwerdeführer, einen türkischen Staatsangehörigen, gemäß § 36 Abs. 1 und Abs. 2 Z. 1 und Z. 5 sowie den §§ 37 Abs. 1 und Abs. 2, 38 und 39 des Fremdengesetzes 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, ein auf zehn Jahre befristetes Aufenthaltsverbot für das Bundesgebiet der Republik Österreich und stellte gemäß § 75 Abs. 1 FrG fest, es bestünden keine stichhaltigen Gründe für die Annahme, dass der Beschwerdeführer in der Türkei gemäß § 57 Abs. 1 oder Abs. 2 FrG bedroht sei.
Die Verhängung des Aufenthaltsverbotes begründete die belangte Behörde vorerst mit einem Verweis auf den erstinstanzlichen Bescheid. (Diesem zufolge sei der Beschwerdeführer vom Landesgericht für Strafsachen Graz am 9. Juni 1998 nach den "§§ 104, 105" FrG zu einer teilbedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von sieben Monaten (zwei Monate unbedingt, fünf Monate bedingt) verurteilt worden. Der Beschwerdeführer sei im Jahr 1990 in Österreich eingereist und habe seit dem 2. Juli 1990 über Sichtvermerke und Aufenthaltsbewilligungen verfügt.) Die belangte Behörde führte ergänzend aus, der Beschwerdeführer sei seit 28. November 1998 mit einer österreichischen Staatsbürgerin verheiratet, von Beruf Hilfsarbeiter und Inhaber eines arbeitsrechtlichen Befreiungsscheines. Das Aufenthaltsverbot bewirke einen Eingriff in sein Privat- und Familienleben. Da die familiäre Situation (Verehelichung mit einer österreichischen Staatsbürgerin) erst kurz nach Erlassung des (erstinstanzlichen) Aufenthaltsverbotes geschaffen worden sei, könnten die familiären Interessen nicht mit großem Gewicht veranschlagt werden. Die Art und Weise der von ihm begangenen gerichtlichen Straftat lasse ein Charakterbild erkennen, das zweifelsohne den Schluss rechtfertige, dass er verzweifelte und auf der Flucht befindliche Menschen ohne Gewissensbisse ausnütze und eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit darstelle. Die öffentlichen Interessen (Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit, Verhinderung von strafbaren Handlungen) seien schwerer zu gewichten als der Eingriff in sein Privat- und Familienleben. Das Vergehen der Schlepperei gehöre zu den schwerwiegendsten Verwaltungsübertretungen, zumal diese Art der organisierten Kriminalität bereits Formen angenommen habe, die ein rigoroses Vorgehen dringend erforderlich machten. Auch habe die mit der Schlepperei einhergehende Begleitkriminalität bereits lebens- und gesundheitsgefährdende Maße angenommen. Im Licht einer gesetzmäßigen Ermessensausübung könne von der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes nicht abgesehen werden.
Zur Begründung der Feststellung nach § 75 Abs. 1 FrG führte die belangte Behörde aus, der Beschwerdeführer habe am 27. Mai 1998 angegeben: "In der Türkei habe ich keinerlei Probleme und bin dort keiner Verfolgung ausgesetzt. Somit stelle ich keinen Antrag gem. § 75 Fremdengesetz. Nach Beendigung der betreffenden Strafsache möchte ich so rasch als möglich selbständig in die Türkei zurückkehren. Wenn ich gerichtlich verurteilt werde, die Verhandlung wird voraussichtlich am 09.06.1998 stattfinden, bin ich mit meiner Abschiebung in die Türkei einverstanden." Der Beschwerdeführer habe daher bei einer allfälligen Abschiebung in die Türkei mit keinerlei Bedrohungs- bzw. Verfolgungshandlungen zu rechnen. Sein Antrag nach § 75 FrG sei nur als verfahrensverzögernde Maßnahme gestellt worden. Dem Beschwerdeführer wäre es möglich gewesen, spätestens in der Berufungsschrift konkrete stichhaltige Gründe vorzubringen und durch entsprechende Bescheinigungsmittel glaubhaft zu machen, denen zufolge die belangte Behörde verpflichtet gewesen wäre, ergänzende Ermittlungen durchzuführen. Dem Beschwerdeführer sei es mit bloßen Behauptungen und Vermutungen nicht gelungen, stichhaltige Gründe im Sinn des § 57 Abs. 1 und/oder Abs. 2 FrG darzutun.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die wegen des persönlichen und sachlichen Zusammenhanges zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung verbundenen Beschwerdesachen nach Vorlage der Verwaltungsakten durch die belangte Behörde erwogen:
1. Zum Aufenthaltsverbot:
Der Beschwerdeführer stellt seine Verurteilung - nach dem Akteninhalt ist diese nach den §§ 104 Abs. 1, 105 Abs. 1 Z. 1 und Abs. 2 FrG (idF vor der Novelle 2000, BGBl. I Nr. 34) erfolgt - nicht in Abrede. Der Gerichtshof hegt somit keine Bedenken gegen die behördliche Auffassung, der Beschwerdeführer habe den Tatbestand des § 36 Abs. 2 Z. 1 und Z. 5 FrG erfüllt.
Die belangte Behörde hat aber insoweit die Rechtslage verkannt, als sie das Aufenthaltsverbot im Spruch ihres Bescheides allein auf § 36 FrG und nicht - wegen der Ehe des Beschwerdeführers mit einer österreichischen Staatsangehörigen - auf § 48 Abs. 1 FrG gestützt hat. Dies stellt jedoch für sich gesehen keine Verletzung subjektiver Rechte des Beschwerdeführers dar, zumal § 36 Abs. 1 Z. 1 und Abs. 2 FrG bei der Frage, ob gegen einen EWR-Bürger oder begünstigten Drittstaatsangehörigen ein Aufenthaltsverbot zu erlassen ist, weiterhin insofern von Bedeutung ist, als ein Aufenthaltsverbot nur bei Vorliegen der in § 36 Abs. 1 Z. 1 leg. cit. genannten Voraussetzungen erlassen werden darf und auf den Katalog des § 36 Abs. 2 leg. cit. als "Orientierungsmaßstab" zurückgegriffen werden kann (vgl. für viele etwa das hg. Erkenntnis vom 11. September 2001, Zl. 98/21/0335). Wenn auch zur Zulässigkeit eines Aufenthaltsverbotes nach § 48 Abs. 1 FrG eine tatsächliche und hinreichend schwere Gefährdung, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt, gegeben sein muss (vgl. dazu etwa das hg. Erkenntnis vom 24. Juli 2001, Zl. 99/21/0339), ist im Hinblick auf die erhebliche Gefährdung der öffentlichen Ordnung durch das Schlepperunwesen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 15. Oktober 1998, Zl. 98/18/0287) die in § 48 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme gerechtfertigt. Im Übrigen erachtet sich der Beschwerdeführer auch gemäß seiner Beschwerdeerklärung nur durch eine unrichtige Anwendung des § 37 FrG in seinen Rechten verletzt.
Dieser Ansicht kann sich der Gerichtshof nicht anschließen. Dem Beschwerdeführer ist zwar ein erhebliches Interesse an einem Verbleib in Österreich zuzubilligen; bei der Gewichtung seines Familienlebens ist aber auch zu berücksichtigen, dass dieses mit einer österreichischen Staatsangehörigen zum Zeitpunkt der Bescheiderlassung erst wenige Monate bestanden hat. Den persönlichen Interessen des Beschwerdeführers an einem Verbleib im Bundesgebiet steht gegenüber, dass er - straftatbestandsmäßig - um seines Vorteils Willen und gewerbsmäßig die Schlepperei von mehr als fünf Personen durchgeführt hat. Mit dieser - bindend festgestellten - Tathandlung steht das Beschwerdevorbringen nicht im Einklang, dass er die Schlepperei "nur aus Wohlwollen gegenüber sechs guten Freunden aus der Türkei" gemacht habe. Der belangten Behörde ist zuzustimmen, dass das öffentliche Interesse an der Bekämpfung des Schlepperunwesens besonders groß ist (vgl. das bereits zitierte Erkenntnis Zl. 98/18/0287). Es kann keinem Zweifel unterliegen, dass die gewerbsmäßige Schlepperei eine tatsächliche und hinreichend schwere Gefährdung eines Grundinteresses der Gesellschaft darstellt. Dem zufolge wiegt die im Fehlverhalten des Beschwerdeführers begründete nachhaltige Gefährdung des genannten maßgeblichen öffentlichen Interesses entschieden schwerer als die Auswirkungen des Aufenthaltsverbotes auf seine Lebenssituation und die seiner Familie. Das Aufenthaltsverbot erweist sich somit auch im Licht des § 37 FrG als zulässig.
Letztlich ist der Beschwerdevorwurf, die belangte Behörde sei ihrer Begründungspflicht nach den §§ 58 und 60 AVG nicht nachgekommen, unberechtigt. Wenn sich auch der angefochtene Bescheid nicht durch besondere Übersichtlichkeit und Klarheit auszeichnet, können ihm in Verbindung mit dem erstinstanzlichen Bescheid doch die behördlichen Feststellungen und die darauf aufbauende rechtliche Beurteilung nachvollziehbar entnommen werden.
2. Zum Ausspruch nach § 75 Abs. 1 FrG:
Im Rahmen eines Feststellungsverfahrens nach § 75 Abs. 1 FrG hat der Fremde das Bestehen einer aktuellen, also im Fall seiner Abschiebung in den von seinem Antrag erfassten Staat dort gegebenen, durch staatliche Stellen zumindest gebilligten oder infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt nicht abwendbaren Bedrohung im Sinn des § 57 Abs. 1 und/oder Abs. 2 FrG glaubhaft zu machen, wobei diese aktuelle Bedrohungssituation mittels konkreter, die Person des Fremden betreffender, durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauerter Angaben darzutun ist. Ebenso wie im Asylverfahren ist auch bei der Beurteilung des Vorliegens einer Gefahr gemäß § 57 Abs. 1 oder Abs. 2 FrG im Verfahren gemäß § 75 leg. cit. die konkrete Einzelsituation in ihrer Gesamtheit, gegebenenfalls vor dem Hintergrund der allgemeinen Verhältnisse, in Form einer Prognose für den gedachten Fall der Abschiebung des Antragstellers in diesen Staat zu beurteilen. Für diese Beurteilung ist nicht unmaßgeblich, ob allenfalls gehäufte Verstöße der in § 57 Abs. 1 FrG umschriebenen Art durch den genannten Staat bekannt geworden sind. (Vgl. zum Ganzen etwa das hg. Erkenntnis vom 7. April 2000, Zl. 99/21/0001.)
Die belangte Behörde verneinte eine dem Beschwerdeführer individuell und konkret drohende Gefährdung im Fall seiner Abschiebung in die Türkei mit dem Hinweis auf dessen Angaben bei der Vernehmung vor der Bundespolizeidirektion Graz am 27. Mai 1998. Dabei sagte der Beschwerdeführer aus, er habe in der Türkei keinerlei Probleme gehabt und sei dort keiner Verfolgung ausgesetzt. Zur Begründung seines nachfolgenden Feststellungsantrages nach § 75 Abs. 1 FrG führte er lediglich aus, er werde die genauen Gründe und Tatsachen bei einer "allenfalls stattfindenden persönlichen Einvernahme erläutern". Die ihm daraufhin aufgetragene Stellungnahme enthält keine Ausführungen zu persönlich erlittenen Verfolgungshandlungen.
Nicht zielführend ist das Beschwerdevorbringen, für den Beschwerdeführer sei am 27. Mai 1998 noch nicht absehbar gewesen, dass tatsächlich eine Abschiebung drohe und er sei sich dessen erst bewusst geworden, als ihm das erstinstanzlich erlassene Aufenthaltsverbot zugestellt worden sei. Eine Unrichtigkeit seiner damaligen Angaben wird damit nämlich nicht behauptet. Völlig im Gegensatz zum Inhalt der genannten Vernehmung steht das Berufungsvorbringen, wonach der Beschwerdeführer auf Grund seiner Nationalität in der Türkei verfolgt und teilweise misshandelt worden sei, sodass er "bis dato noch an notorischen Störungen leidet, basierend auf Verfolgungen und Diskriminierungen von Seiten türkischer Behörden". Diese - erst ca. acht Jahre nach Verlassen der Türkei aufgestellten - Behauptungen werden in der Beschwerde hingegen nicht wiederholt. Angesichts dieses so wechselhaften Vorbringens kann die Ansicht der belangten Behörde, der Beschwerdeführer habe keine stichhaltigen Verfolgungsgründe glaubhaft gemacht, keinesfalls als rechtswidrig gesehen werden.
Die weitwändigen Hinweise auf die allgemeine politische Lage im Heimatstaat des Fremden ebenso wie die Tatsache seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten Volksgruppe stellen für sich keine geeignete Grundlage dar, eine Gefährdung bzw. Bedrohung im erwähnten Sinn glaubhaft zu machen (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 30. April 1998, Zl. 98/18/0120). Eine solche Glaubhaftmachung könnte zwar durch das Aufzeigen von Maßnahmen geschehen, die im Sinn des § 57 Abs. 1 und/oder Abs. 2 FrG zielgerichtet gegen Personen wegen einer Eigenschaft gesetzt werden, die der Betreffende mit diesen Personen teilt, sodass die begründete Annahme bestehe, er könnte unabhängig von individuellen Momenten solchen Maßnahmen ausgesetzt sein (vgl. das hg. Erkenntnis vom 20. September 1999, Zl. 97/21/0725); durch Bezugnahme auf Berichte über Menschenrechtsverletzungen aus 1994 und früher gelingt es dem Beschwerdeführer aber auch unter dem genannten Gesichtspunkt nicht, eine konkret bevorstehende Verfolgung im Fall seiner Abschiebung in seinen Heimatstaat glaubhaft zu machen.
3. Da somit den angefochtenen Bescheiden die behauptete Rechtswidrigkeit nicht anhaftet, waren die Beschwerden gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Durchführung der beantragten Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG unterbleiben.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001.
Wien, am 22. März 2002
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