VwGH 99/13/0169

VwGH99/13/01693.8.2004

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bernard und die Hofräte Dr. Hargassner, Dr. Fuchs, Dr. Büsser und Dr. Mairinger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Seidl LL.M., über die Beschwerde des S in W, vertreten durch Doralt Seist Csoklich Rechtsanwaltspartnerschaft in 1090 Wien, Währinger Straße 2-4, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 1. Juli 1999, Zl. RV/452- 15/16/99, betreffend Einkommensteuer 1996, zu Recht erkannt:

Normen

BPGG 1993 §1;
EStG 1988 §34 Abs6 idF 1996/201;
EStG 1988 §35 idF 1996/201;
EStG 1988 Außergewöhnliche Belastungen 1996/303 §4;
BPGG 1993 §1;
EStG 1988 §34 Abs6 idF 1996/201;
EStG 1988 §35 idF 1996/201;
EStG 1988 Außergewöhnliche Belastungen 1996/303 §4;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.172,88 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der in seiner Erwerbsfähigkeit zu 90% geminderte Beschwerdeführer leidet an Multipler Sklerose und bezog im Streitjahr 1996 Pflegegeld der Stufe 5 in Höhe von S 11.591,-- monatlich.

In seiner Erklärung zur Durchführung der Arbeitnehmerveranlagung beanspruchte der Beschwerdeführer nicht den Behindertenfreibetrag nach § 35 Abs. 3 EStG 1988, sondern machte tatsächliche Kosten aus dem Titel der Behinderung als außergewöhnliche Belastungen geltend, wobei er auch die Anerkennung von Kosten verschiedener Heilbehandlungen im Ausmaß getätigter Aufwendungen für Medikamente, ärztliche Behandlungen und Therapien begehrte.

Gegen den Veranlagungsbescheid des Finanzamtes vom 20. Oktober 1997, mit welchem eine Berücksichtigung der geltend gemachten Heilbehandlungskosten als außergewöhnliche Belastungen mit der Begründung abgelehnt worden war, dass diese Aufwendungen des Beschwerdeführers durch die Gewährung des Pflegegeldes abgegolten seien, erhob der Beschwerdeführer Berufung mit dem Vorbringen, dass es sich bei den von ihm in Anspruch genommenen Heilbehandlungen um keine Pflege handle, sodass seine Anstrengungen zur Stabilisierung und Erhaltung des Gesundheitszustandes mit dem Pflegegeld nichts zu tun hätten und die dafür getätigten Aufwendungen mit dem Pflegegeld daher auch nicht gegenverrechnet werden dürften. Erst die medizinischen Behandlungen ermöglichten es dem Beschwerdeführer, noch im Berufsleben zu stehen und damit seinen Anteil am Steuer- und Sozialversicherungsaufkommen zu leisten.

Nachdem ein Ersuchen des Finanzamtes um Erbringung eines Nachweises der monatlichen Aufwendungen für die Pflege vom Beschwerdeführer damit beantwortet worden war, dass seine Pflegegeldstufe an einen Aufwand von mehr als 160 Stunden gebunden sei, sodass sich je nach den zwischen S 120,-- und S 260,-- liegenden Kosten einer Pflegestunde ein monatlicher Mindestaufwand von S 20.000,-- ergebe, der das Pflegegeld von S 11.591,-- bei Weitem übersteige, wies das Finanzamt mit Berufungsvorentscheidung vom 27. April 1998 die Berufung mit der Begründung ab, dass "laufende Behandlungen und Medikamente" in den Mehraufwendungen im Sinne der §§ 2 bis 4 der Verordnung über außergewöhnliche Belastungen nicht enthalten und deshalb "wohl mit dem Pflegegeld aufzurechnen" seien. Ein Nachweis über die bezahlten Aufwendungen für die Pflege sei trotz Aufforderung nicht erbracht worden.

In seinem Antrag auf Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz brachte der Beschwerdeführer vor, ohnehin nicht laufende Therapiekosten, sondern nur solche Aufwendungen zur Berücksichtigung als außergewöhnliche Belastungen begehrt zu haben, für die es keine Rückerstattung durch einen Sozialversicherungsträger gebe und die sich nur über einen begrenzten Zeitraum erstreckt hätten. Dem Vorwurf, keinen Nachweis der Aufwendungen für seine Pflege geliefert zu haben, sei zu entgegnen, dass es dem Beschwerdeführer frei stehen müsse, Leistungen für seine Pflege im privaten Rahmen kostengünstiger als bei staatlichen Organisationen zu kaufen. Aus welcher Rechtsvorschrift abgeleitet werden könne, dass Therapien, Medikamente und Behandlungen mit dem Pflegegeld zu bezahlen seien, sei vom Finanzamt weiterhin unerläutert geblieben.

Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung des Beschwerdeführers teilweise und zwar dahin statt, dass sie die von ihm bis zum 31. Mai 1996 bezahlten Heilbehandlungskosten als außergewöhnliche Belastung berücksichtigte, während sie die im restlichen Kalenderjahr 1996 bezahlten Heilbehandlungskosten unberücksichtigt ließ. Die bis zum 31. Mai 1996 geltende Rechtslage nach § 34 Abs. 6 EStG 1988 ermögliche es dem Steuerpflichtigen, die tatsächlichen Kosten aus dem Titel der Behinderung geltend zu machen, ohne dass das Gesetz diesbezüglich einen Abzug des bezogenen Pflegegeldes vorgesehen habe. Nach der durch das Strukturanpassungsgesetz 1996, BGBl. Nr. 201/1996, gestalteten Fassung der Bestimmung des § 34 Abs. 6 EStG 1988 könnten Mehraufwendungen aus dem Titel der Behinderung von einem Steuerpflichtigen als außergewöhnliche Belastung ohne Berücksichtigung des Selbstbehaltes aber nur so weit abgezogen werden, als sie die Summe pflegebedingter Geldleistungen (Pflegegeld usw.) überstiegen. Pflegebedingte Geldleistungen seien somit von sämtlichen aus dem Titel einer Behinderung geltend gemachten Aufwendungen abzuziehen. Dies entspreche dem gesetzgeberischen Willen zur Vermeidung einer Überförderung.

Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof nach Erstattung einer Gegenschrift und Vorlage der Verwaltungsakten durch die belangte Behörde erwogen:

Nach § 34 Abs. 1 Satz 1 EStG 1988 sind bei der Ermittlung des Einkommens (§ 2 Abs. 2) eines unbeschränkt Steuerpflichtigen nach Abzug der Sonderausgaben (§ 18) außergewöhnliche Belastungen abzuziehen.

Nach dem zweiten Absatz dieses Paragraphen ist die Belastung außergewöhnlich, soweit sie höher ist als jene, die der Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse und gleicher Vermögensverhältnisse erwächst.

Nach § 34 Abs. 3 EStG 1988 erwächst die Belastung dem Steuerpflichtigen zwangsläufig, wenn er sich ihr aus tatsächlichen, rechtlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann.

Die Belastung beeinträchtigt die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit nach § 34 Abs. 4 Satz 1 EStG 1988 wesentlich, soweit sie einen vom Steuerpflichtigen von seinem Einkommen (Abs. 5) vor Abzug der außergewöhnlichen Belastungen selbst und eines Sanierungsgewinnes (§ 36) zu berechnenden Selbstbehalt übersteigt.

Gemäß § 34 Abs. 6 EStG 1988 in seiner bis zum 31. Mai 1996 durch BGBl. Nr. 818/1993 gestalteten Fassung konnten folgende Aufwendungen ohne Berücksichtigung des Selbstbehaltes abgezogen werden:

"(6) Folgende Aufwendungen können ohne Berücksichtigung des Selbstbehaltes abgezogen werden:

"§ 35. (1) Hat der Steuerpflichtige außergewöhnliche Belastungen

"§ 1. (1) Hat der Steuerpflichtige Aufwendungen

(2) Eine Behinderung liegt vor, wenn das Ausmaß der Minderung der Erwerbsfähigkeit (Grad der Behinderung) mindestens 25 % beträgt.

(3) Die Mehraufwendungen gemäß §§ 2 bis 4 dieser Verordnung sind nicht um eine pflegebedingte Geldleistung (Pflegegeld, Pflegezulage oder Blindenzulage) oder um einen Freibetrag nach § 35 Abs. 3 EStG 1988 zu kürzen."

§ 2 Abs. 1 der genannten Verordnung bestimmt ohne Nachweis der tatsächlichen Kosten zu berücksichtigende Pauschbeträge pro Kalendermonat als Mehraufwendungen wegen Krankendiätverpflegung bei näher genannten Krankheiten, während § 3 der Verordnung im ersten Absatz für Körperbehinderte, die zur Fortbewegung ein eigenes Kraftfahrzeug benützen, zur Abgeltung der Mehraufwendungen für gesonderte Behindertenvorrichtungen und für den Umstand, dass ein Massenbeförderungsmittel auf Grund der Behinderung nicht benützt werden kann, einen monatlichen Freibetrag festsetzt und im zweiten Absatz für einen Gehbehinderten mit einer mindestens 50 %igen Erwerbsminderung, der über kein eigenes Kraftfahrzeug verfügt, die Berücksichtigung der Aufwendungen für Taxifahrten bis zu einem monatlichen Betrag anordnet. Nach § 4 dieser gemäß ihrem

§ 7 Abs. 1 Z. 1 im Falle der Veranlagung der Einkommensteuer erstmals für die Veranlagung für das Kalenderjahr 1996 anzuwendenden Verordnung wird angeordnet, dass nicht regelmäßig anfallende Aufwendungen für Hilfsmittel (z.B. Rollstuhl, Hörgerät, Blindenhilfsmittel) im nachgewiesenen Ausmaß zu berücksichtigen sind.

§ 4 der genannten Verordnung wurde mit Verordnung des Bundesministers für Finanzen BGBl. II Nr. 91/1998 dahingehend geändert, dass er für Veranlagungszeiträume, die nach dem 31. Dezember 1997 enden, wie folgt zu lauten habe:

"§ 4. Nicht regelmäßig anfallende Aufwendungen für Hilfsmittel (z.B. Rollstuhl, Hörgerät, Blindenhilfsmittel) sowie Kosten der Heilbehandlung sind im nachgewiesenen Ausmaß zu berücksichtigen."

Die mit "Zweck des Pflegegeldes" überschriebene Bestimmung des Art. II § 1 des Bundespflegegeldgesetzes BGBl. Nr. 110/1993 legt fest, dass das Pflegegeld den Zweck hat, in Form eines Beitrages pflegebedingte Mehraufwendungen pauschaliert abzugelten, um pflegebedürftigen Personen so weit wie möglich die notwendige Betreuung und Hilfe zu sichern sowie die Möglichkeit zu verbessern, ein selbstbestimmtes, bedürfnisorientiertes Leben zu führen.

Der Beschwerdeführer trägt vor, das Pflegegeld habe seiner gesetzlichen Zweckwidmung nach nicht die Funktion, die Kosten der mit einer Behinderung verbundenen Heilbehandlung abzudecken. Es diene lediglich dazu, einen Beitrag zur Abgeltung jener Mehraufwendungen zu leisten, die dem Behinderten durch eine auf Grund seiner Behinderung erforderlich gewordene laufenden Pflege erwüchsen. Dieser Beitrag solle von einem Nachweis der tatsächlichen Verwendung des Pflegegeldes im Einzelnen unabhängig sein; würden doch Pflegeleistungen regelmäßig kostengünstiger auch durch Familienmitglieder oder Personen aus dem Freundeskreis erbracht werden, was einen dokumentierten Nachweis der einzelnen Aufwendungen praktisch nicht ermögliche. Die Auffassung der belangten Behörde, das Pflegegeld habe auch die Kosten von Heilbehandlungen abzudecken, widerspreche dem Zweck des Bundespflegegeldgesetzes. Kosten für Heilbehandlungen ließen sich dem in § 34 Abs. 6 EStG 1988 gebrauchten Ausdruck der "Mehraufwendungen aus dem Titel der Behinderung" rechtens nicht subsumieren, was auch durch den ausdrücklichen Bezug der Gesetzesstelle auf pflegebedingte Geldleistungen deutlich werde. Der Gesetzgeber habe nur sicher stellen wollen, dass vom Behinderten nachgewiesene tatsächlich aufgewendete Geldleistungen für Pflege nicht auch noch zusätzlich zum Pflegegeld als außergewöhnliche Belastung abgesetzt werden können. Nicht lasse sich der Vorschrift des § 34 Abs. 6 EStG 1988 aber die behördliche Auffassung entnehmen, mit welcher dem Behinderten, der Pflegegeld beziehe, die Geltendmachung außergewöhnlicher Belastungen welcher Art immer im Zusammenhang mit seiner Behinderung verwehrt wäre. Dies würde auch zu einer Ungleichbehandlung Behinderter gegenüber nicht behinderten Personen führen. Auch den Gesetzesmaterialien lasse sich entnehmen, dass sich die Beschränkung der Berücksichtigung außergewöhnlicher Belastungen auf den die erhaltenen pflegebedingten Geldleistungen übersteigenden Mehrbetrag tatsächlicher Aufwendungen nur auf pflegebedingte Aufwendungen beziehe. Dass Heilbehandlungskosten eines Behinderten als außergewöhnliche Belastung nur mehr so weit zu berücksichtigen seien, als sie das bezogene Pflegegeld überschritten, könne weder dem Wortlaut noch den Materialien des Gesetzes entnommen werden und entspreche auch nicht der Absicht des Gesetzgebers.

Hiezu ist Folgendes zu sagen:

Die vom Beschwerdeführer geltend gemachten Kosten betrafen Heilbehandlungen nicht solcher Krankheiten, die mit der Behinderung nicht in Zusammenhang standen und deshalb nach Abzug des Selbstbehaltes zu berücksichtigen gewesen wären (siehe Doralt, EStG4, § 34 Tz 78, Stichwort Krankheitskosten, Punkt 6. sowie Fuchs in Hofstätter/Reichel, Kommentar, § 34 EStG 1988 Einzelfälle, Stichwort Behinderte), sondern waren "Krankheitskosten", die mit der Behinderung in Zusammenhang standen, weil der Beschwerdeführer nach seinem von der belangten Behörde nicht in Zweifel gezogenen Vorbringen mit den in Anspruch genommenen Heilbehandlungen versuchte, seinen - die Behinderung verursachenden - Gesundheitszustand zu stabilisieren und zu erhalten.

Die durch das Strukturanpassungsgesetz 1996, BGBl. Nr. 201/1996, gestaltete, für ab dem 1. Juni 1996 getätigte behinderungsbedingte Mehraufwendungen des Beschwerdeführers anzuwendende Rechtslage ist durch die Besonderheit gekennzeichnet, dass der Gesetzgeber mit der Bestimmung des letzten Satzes des § 34 Abs. 6 EStG 1988 eine Norm statuiert hat, mit welcher im Kleid einer Verordnungsermächtigung der materielle Gehalt der in den diesbezüglichen Regelungen der §§ 34 und 35 EStG 1988 geschaffenen Ansprüche geändert worden ist. Während etwa nach den Vorschriften des § 35 Abs. 1 und 5 iVm § 34 Abs. 6 Teilstrich 4 EStG 1988 die Geltendmachung der tatsächlichen Kosten aus dem Titel der Behinderung nur "anstelle des Freibetrages" - siehe § 35 Abs. 5 - ("an Stelle der Pauschbeträge" - siehe § 34 Abs. 6 Teilstrich 4) vorgesehen ist, erlaubt die "Verordnungsermächtigung" des letzten Satzes des § 34 Abs. 6 EStG 1988 demgegenüber auch die Geltendmachung tatsächlicher Mehraufwendungen aus dem Titel der Behinderung neben der Geltendmachung des Freibetrages nach § 35 Abs. 3 leg. cit., indem der Bundesminister für Finanzen auch zur Festlegung von Fällen ermächtigt wird, in denen Aufwendungen "ohne Anrechnung auf einen Freibetrag nach § 35 Abs. 3" zu berücksichtigen sind. Nicht anders verhält es sich auch mit der Bestimmung des § 34 Abs. 6 Teilstrich 5 EStG 1988, auf welche die belangte Behörde den Spruch ihres Bescheides gestützt hat: Die in dieser Vorschrift getroffene Anordnung, dass Mehraufwendungen aus dem Titel der Behinderung eines Steuerpflichtigen, der pflegebedingte Geldleistungen erhält, nur zu berücksichtigen sind, soweit sie die Summe dieser pflegebedingten Geldleistungen übersteigen, wird durch den letzten Satz des § 34 Abs. 6 EStG 1988 inhaltlich verändert, indem der Bundesminister für Finanzen auch zur Festlegung von solchen Fällen ermächtigt wird, in denen Aufwendungen "ohne Anrechnung auf eine pflegebedingte Geldleistung" zu berücksichtigen sind.

Dies hat die belangte Behörde im Grunde ohnehin erkannt, indem sie wie schon das Finanzamt - entgegen der gleichzeitig vertretenen Auffassung, von sämtlichen behinderungsbedingten Aufwendungen ab dem 1. Juni 1996 wäre das Pflegegeld abzuziehen - die erst gegen Jahresende 1996 angefallenen Kosten des angeschafften Therapiefahrrades als nicht regelmäßig anfallende Aufwendung für Hilfsmittel im Sinne des § 4 der Verordnung BGBl. Nr. 303/1996 (in ihrer Stammfassung) im vollen Umfang der Geltendmachung als außergewöhnliche Belastung berücksichtigt hat.

Zu dieser Verordnungsbestimmung hat der Verfassungsgerichtshof in seinem - zum Fall der Geltendmachung der Kosten für die behindertengerechte Einrichtung eines Badezimmers ergangenen - Erkenntnis vom 13. März 2003, B 785/02, ausgeführt, dass ihre gesetzeskonforme Interpretation ein ausdehnendes Verständnis des Ausdrucks "nicht regelmäßig anfallende Aufwendungen für Hilfsmittel" (der durch den Klammerausdruck nur beispielhaft erläutert wird) eines solchen Inhaltes gebietet, mit welchem vermieden wird, dass aus dem Geltungsbereich der Verordnung gerade solche Aufwendungen herausfallen würden, bei denen im Hinblick auf die Unregelmäßigkeit des Anfalles "die Anrechnung von Pflegegeld besonders widersinnig und daher unsachlich wäre".

Gleichartige Überlegungen haben auch für die vom Beschwerdeführer geltend gemachten Heilbehandlungskosten zu gelten. Auch diese fielen, wie die im Verwaltungsverfahren vorgelegten Rechnungen ausweisen, nicht regelmäßig an und auch deren Herausfallen aus dem Anwendungsbereich der Verordnung ließe vor dem Hintergrund des vom Beschwerdeführer zutreffend hervorgehobenen, gesetzlich formulierten Zweckes des Bundespflegegeldgesetzes Zweifel an der Sachlichkeit der verordneten Regelung aufkommen.

Hat das Pflegegeld nicht die gesetzliche Funktion der Leistung eines Beitrages auch zu den dem Behinderten erwachsenden Kosten einer Heilbehandlung seiner die Behinderung verursachenden Erkrankung, dann begründet der Bezug von Pflegegeld einerseits als Beitrag zu den (bloß) pflegebedingten Mehraufwendungen und die Möglichkeit einer Berücksichtigung der Kosten der Heilbehandlung der die Behinderung verursachenden Erkrankung als außergewöhnliche Belastung andererseits nicht eine solche "Überförderung", wie sie der Gesetzgeber mit den durch das Strukturanpassungsgesetz BGBl. Nr. 201/1996 getroffenen Regelungen verhindern wollte. Eine dem Sachlichkeitsgebot im Sinne des vom Verfassungsgerichtshof im genannten Erkenntnis gewonnenen Verständnisses verpflichtete Auslegung der Vorschrift des § 4 der Verordnung BGBl. Nr. 303/1996 in ihrer Stammfassung gebietet es demnach, auch Heilbehandlungskosten, wie sie der Beschwerdeführer geltend gemacht hat, vom Begriff der "nicht regelmäßig anfallenden Aufwendungen für Hilfsmittel" als erfasst anzusehen.

Dass es der Absicht des Gesetzgebers bei Schaffung der ab dem 1. Juni 1996 geltenden Regelungen nicht entsprochen hatte, auch für Kosten der Heilbehandlungen der zur Behinderung führenden Krankheit des Behinderten pflegebedingte Geldleistungen bei der Berücksichtigung solcher Aufwendungen als außergewöhnliche Belastungen in Abzug zu bringen, hat schließlich auch der Verordnungsgeber klargestellt, wie sich der wiedergegebenen Änderung des Wortlautes des § 4 der Verordnung BGBl. Nr. 303/1996 durch die Verordnung BGBl. II Nr. 91/1998 entnehmen lässt, mit welcher die Kosten der Heilbehandlung ausdrücklich jenen zugeordnet wurden, welche nach § 1 Abs. 3 der Verordnung nicht um eine pflegebedingte Geldleistung zu kürzen sind. Dass diese Klarstellung durch den Verordnungsgeber mit Wirkung erst für spätere Besteuerungsperioden als die hier zu betrachtende erfolgt ist, kann an der Erforderlichkeit des im Beschwerdefall gefundenen Auslegungsergebnisses aus den dargelegten Erwägungen nichts ändern.

Da die belangte Behörde die Rechtslage in der aufgezeigten Weise somit verkannt hat, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben, womit sich ein Eingehen auf die Verfahrensrüge erübrigt.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am 3. August 2004

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte