VwGH 99/07/0065

VwGH99/07/006521.3.2002

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fürnsinn und die Hofräte Dr. Hargassner, Dr. Bumberger, Dr. Beck und Dr. Hinterwirth als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Paal, über die Beschwerde des Dkfm. ED in H, vertreten durch Dr. Wilfried Ludwig Weh, Rechtsanwalt in Bregenz, Wolfeggstraße 1, gegen den Bescheid des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft (nunmehr

Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft) vom 16. Dezember 1998, Zl. 411.462/01-I4/98, betreffend wasserrechtliche Bewilligung (mitbeteiligte Partei:

Bund, vertreten durch das Landeswasserbauamt Bregenz in Bregenz, Jahnstraße 13-15), zu Recht erkannt:

Normen

AVG §42 Abs1;
VwGG §38 Abs2;
VwGG §42 Abs2 Z1;
WRG 1959 §101 Abs3;
AVG §42 Abs1;
VwGG §38 Abs2;
VwGG §42 Abs2 Z1;
WRG 1959 §101 Abs3;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von 1.089,68 EUR binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung des Beschwerdeführers gegen den wasserrechtlichen Bewilligungsbescheid der Bezirkshauptmannschaft Bregenz als vom Landeshauptmann von Vorarlberg nach § 101 Abs. 3 WRG 1959 ermächtigter Wasserrechtsbehörde vom 4. November 1993 gemäß § 66 AVG ab.

In der Begründung des angefochtenen Bescheides heißt es, es habe die mitbeteiligte Partei des nunmehrigen verwaltungsgerichtlichen Verfahrens (mP) mit Eingabe vom 29. Juni 1993 um Erteilung der wasserrechtlichen Bewilligung für den Umbau der Wehranlage an der L. bei km 3,050 ("S. Wehr") in H. angesucht. Über dieses Ansuchen habe die Bezirkshauptmannschaft Bregenz als vom Landeshauptmann von Vorarlberg gemäß § 101 Abs. 3 WRG 1959 ermächtigte Wasserrechtsbehörde am 11. August 1993 die wasserrechtliche Bewilligungsverhandlung durchgeführt. Der durch persönliche Verständigung zu dieser Verhandlung geladene Beschwerdeführer habe sich vor Schluss der Verhandlung ohne Erhebung von Einwendungen entfernt. Mit Spruchabschnitt II. des Bescheides der Bezirkshauptmannschaft Bregenz als vom Landeshauptmann von Vorarlberg ermächtigter Wasserrechtsbehörde vom 4. November 1993 sei der mP die beantragte wasserrechtliche Bewilligung unter Vorschreibung von Auflagen und Bedingungen erteilt worden. Gegen diesen Bescheid habe der Beschwerdeführer Berufung mit der Begründung erhoben, ein von ihm angefochtener Spruchpunkt greife durch die Vorschreibung einer Reduzierung der Dotierung eines Baches in seine wasserrechtlich geschützten Rechte ein. Der Beschwerdeführer sei zur erstinstanzlichen wasserrechtlichen Bewilligungsverhandlung durch persönliche Verständigung geladen worden, habe aber Einwendungen weder vor noch während der Verhandlung erhoben. Er sei mit seinem Berufungsvorbringen demnach im Grunde des § 42 Abs. 1 AVG als präkludiert anzusehen, weshalb seiner Berufung kein Erfolg habe beschieden sein können.

In der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde tritt der Beschwerdeführer der behördlichen Beurteilung, er sei mit seinem Berufungsvorbringen präkludiert, mit dem Einwand entgegen, die Erstbehörde habe mit dem in der Berufung von ihm bekämpften Abspruch den ihm bekannt gegebenen Gegenstand der mündlichen Verhandlung verlassen, was dem von der belangten Behörde gesehenen Präklusionseintritt seiner Einwendungen rechtlich entgegen stehe. Der Beschwerdeführer trägt vor, über eine in seinem Eigentum stehende Liegenschaft verlaufe ein Werksbach, für welchen eine Dotierwassermenge im Ausmaß von 4 m3/sec. bewilligt worden sei. Im gegenständlichen Verfahren habe die mP die wasserrechtliche Bewilligung für den Umbau jenes Wehres beantragt, an welchem die Ausleitung des Werksbaches aus dem Vorfluter erfolge. In der Niederschrift der Erstbehörde über die Verhandlung vom 11. August 1993 sei protokolliert, dass der Beschwerdeführer bei der Verhandlung anwesend gewesen sei, sich aber nach entsprechenden Erklärungen der Erstbehörde aus der Verhandlung entfernt habe, wozu das Verhandlungsprotokoll wörtlich Folgendes feststelle:

"VII. Stellungnahmen der Vertreter privater Interessen:

Es wird festgehalten, dass sich sämtliche Privatpersonen um 11,30 Uhr von der Verhandlung ohne Abgabe einer Stellungnahme entfernt haben. (Beschwerdeführer) und seine Tochter ... wurden insbesondere darauf hingewiesen, dass Gegenstand der heutigen Verhandlung lediglich der Umbau der baufälligen Wehranlage ist. Die Instandhaltung des (Werksbaches) als solchen ist nicht Gegenstand der heutigen Verhandlung gewesen. Dies wurde seitens (Beschwerdeführer) zur Kenntnis genommen."

In der Folge habe die Erstbehörde am 4. November 1993 jedoch einen Bewilligungsbescheid erlassen, in dem nun plötzlich als Bedingung oder Auflage folgende Klausel (Bescheidpunkt II. Z. 2) enthalten sei:

"Die bestehende Wasserfassungsanlage ist so umzubauen bzw. zu sanieren, dass das natürliche Wasserangebot der L. bei Niederwasser (weniger als 2.000 l/sec.), im Verhältnis 1 : 4 (Werkskanal zu L.) aufgeteilt wird. Bei einer Wasserführung von mehr als 9 m3/sec., registriert am Pegel in U., kann die Wasserdotierung des Werkskanals auf maximal 1 m3/sec. gesteigert werden."

Damit werde die Dotierwassermenge des Werksbaches auf einen winzigen Bruchteil der bewilligten 4 m3/sec. reduziert. Präklusion hätte sich nur auf solche Einwendungen beziehen können, welche den Umbau des baufälligen Wehres betroffen hätten, nicht jedoch auch auf solche Einwendungen, mit welchen Veränderungen der Wasserdotierung des Werkskanals auf dem Wege von Auflagen vorgenommen wurden. Gegen eine Veränderung der Wasserdotierung des Werkskanales hätte sich der Beschwerdeführer selbstverständlich massivst ausgesprochen, weil diese zu einer Austrocknung des Werksbaches und in weiterer Folge zu gravierenden Schwierigkeiten habe führen müssen. Hätte die belangte Behörde dem Beschwerdeführer vor Erlassung des angefochtenen Bescheides Parteiengehör gewährt und aus dem erstinstanzlichen Akt die entsprechenden Feststellungen getroffen, hätte sie zum Ergebnis einer Präklusion des Beschwerdeführers mit den den Gegenstand seiner Berufung bildenden Einwendungen nicht kommen können.

Nach Ergänzung der ursprünglich an den Verfassungsgerichtshof gerichteten, von diesem nach Ablehnung ihrer Behandlung mit Beschluss vom 23. Februar 1999, B 228/99, dem Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG zur Entscheidung abgetretenen Beschwerde durch den Beschwerdeführer wurde der belangten Behörde mit Verfügung des Verwaltungsgerichtshofes vom 3. September 1999, 99/07/0065-4, eine Ausfertigung der Beschwerde mit der Aufforderung zugestellt, binnen acht Wochen eine Gegenschrift in zweifacher Ausfertigung einzubringen und binnen derselben Frist die Akten des Verwaltungsverfahrens vorzulegen, wobei die belangte Behörde auf die im § 38 Abs. 2 VwGG vorgesehenen Säumnisfolgen ausdrücklich hingewiesen wurde.

Die belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift und legte ihren Verwaltungsakt, nicht jedoch die Akten des erstinstanzlichen Verfahrens dem Verwaltungsgerichtshof vor.

Mit Verfügung vom 26. September 2001, 99/07/0065-6, forderte der Verwaltungsgerichtshof die belangte Behörde unter erneutem Hinweis auf § 38 Abs. 2 VwGG nochmals zur Vorlage der erstinstanzlichen Verwaltungsakten auf. Diese Aufforderung blieb ohne jede Reaktion.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 36 Abs. 1 VwGG sind Ausfertigungen der Beschwerde samt Beilagen der belangten Behörde und den etwaigen Mitbeteiligten mit der Aufforderung zuzustellen, binnen einer mit längstens acht Wochen festzusetzenden Frist eine Gegenschrift einzubringen. Gleichzeitig ist der belangten Behörde die Vorlage der Akten des Verwaltungsverfahrens aufzutragen.

Nach § 38 Abs. 1 VwGG ist das Verfahren auch dann fortzuführen, wenn die in § 36 Abs. 1 und 8 angeführten Schriftsätze nicht eingebracht oder die Akten nicht vorgelegt wurden.

Die Bestimmung des § 38 Abs. 2 VwGG ordnet in ihrem ersten Satz an, dass die Behörde die Akten vorzulegen hat. Nach der Bestimmung des zweiten Satzes des § 38 Abs. 2 VwGG kann der Verwaltungsgerichtshof, wenn die Behörde die Vorlage der Akten unterlässt, auf Grund der Behauptungen des Beschwerdeführers erkennen, wenn er die Behörde auf diese Säumnisfolge vorher ausdrücklich hingewiesen hat.

Gemäß § 42 Abs. 1 AVG in seiner von der belangten Behörde anzuwendenden Fassung vor seiner Novellierung durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 158/1998 hat, wenn eine mündliche Verhandlung durch Anschlag in der Gemeinde oder auch durch Verlautbarung in der für amtliche Kundmachungen der Behörde bestimmten Zeitung bekannt gemacht wurde, dies zur Folge, dass Einwendungen, die nicht spätestens am Tag vor Beginn der Verhandlung bei der Behörde oder während der Verhandlung vorgebracht wurden, keine Berücksichtigung finden und angenommen wird, dass die Beteiligten dem Parteienantrag, dem Vorhaben oder der Maßnahme, die den Gegenstand der Verhandlung bilden, zustimmen.

Nach § 42 Abs. 2 AVG in der genannten Fassung erstreckt sich im Fall einer nur durch Verständigung der Beteiligten anberaumten Verhandlung die in Abs. 1 bezeichnete Rechtsfolge bloß auf die Beteiligten, die rechtzeitig die Verständigung von der Anberaumung der Verhandlung erhalten haben.

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes können die Rechtsfolgen der Präklusion nur für den in der Ladung oder in der Kundmachung angeführten Verhandlungsgegenstand eintreten (vgl. etwa die hg. Erkenntnisse vom 17. Jänner 1997, 96/07/0073, 0088, vom 23. Mai 1996, 95/07/0012, und vom 25. Mai 1993, 93/07/0010).

Während die belangte Behörde in ihrer Gegenschrift die nicht näher erläuterte Auffassung vertritt, die vom Beschwerdeführer in Beschwerde gezogene Auflage des erstinstanzlichen Bescheides beziehe "sich schon aus dem Wortlaut dieser Auflage auf den Verhandlungsgegenstand", und damit einschlussweise meint, die in Berufung gezogene Maßnahme sei dem Verhandlungsgegenstand zu entnehmen gewesen, laufen die Beschwerdebehauptungen auf die gegenteilige Position hinaus, dass die vom Beschwerdeführer in seiner Berufung bekämpfte Reduzierung der bewilligten Dotierwassermenge des Werksbaches der Bezeichnung des Verfahrensgegenstandes in der Ladung des Beschwerdeführers zur erstinstanzlichen Wasserrechtsverhandlung als Gegenstand der Verwaltungsangelegenheit nicht zu erkennen sein konnte.

Da die belangte Behörde die zu einer Beurteilung dieser Frage durch den Verwaltungsgerichtshof unerlässlich erforderlichen erstinstanzlichen Verfahrensakten trotz wiederholter Erinnerung an die in § 38 Abs. 2 VwGG statuierte Rechtsfolge nicht vorgelegt hat, geht der Verwaltungsgerichtshof im Ergebnis dieser Rechtsfolge von der Behauptung des Beschwerdeführers aus, dem in seiner Ladung zur erstinstanzlichen Wasserrechtsverhandlung bezeichneten Verfahrensgegenstand habe sich die Möglichkeit der Erlassung eines behördlichen Abspruches des von ihm bekämpften Inhaltes nicht entnehmen lassen. Demzufolge war die belangte Behörde zu einer Abweisung der Berufung des Beschwerdeführers lediglich aus dem Grunde einer Präklusion des erstatteten Berufungsvorbringens nicht berechtigt.

Der angefochtene Bescheid war deshalb gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. II Nr. 501/2001.

Von der Durchführung der beantragten mündlichen Verhandlung konnte der Verwaltungsgerichtshof aus dem Grund des § 39 Abs. 2 Z. 4 VwGG Abstand nehmen.

Wien, am 21. März 2002

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