Normen
BauG Vlbg 1972 §6 Abs9;
BauRallg;
BauG Vlbg 1972 §6 Abs9;
BauRallg;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Das Land Vorarlberg hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Eingabe vom 14. Mai 1997 suchte der Erstmitbeteiligte um die baubehördliche Genehmigung zum Abbruch des Bestandes und zur Neuerrichtung eines Wohnhauses auf den in seinem Eigentum stehenden Grundstücken Nr. 176, .136, .138, .151 und .152 des Grundbuches N an. Diese Grundstücke sind nach dem rechtsgültigen Flächenwidmungsplan der Gemeinde N als "Baufläche/Mischgebiet" gewidmet. Das geplante zweigeschossige Projekt umfasst 4 Wohnungen samt den erforderlichen PKW-Abstellflächen.
Die Beschwerdeführerin ist Eigentümerin des unmittelbar angrenzenden Grundstückes Gp. Nr. 178.
Mit Bescheid des Bürgermeisters der zweitmitbeteiligten Gemeinde vom 6. Mai 1998 wurde dem Erstmitbeteiligten nach Durchführung einer Bauverhandlung am 23. September 1997, in welcher die Beschwerdeführerin bereits im Wesentlichen die auch nunmehr beschwerdegegenständlichen Einwendungen erhoben hatte, gemäß den §§ 31 und 32 Vorarlberger Baugesetz die Bewilligung zum Abbruch des auf den betreffenden Grundstücken vorhandenen Altbestandes (Wohnhaus mit Wirtschaftsteil - Spruchpunkt I) erteilt, die Errichtung der projektierten Wohnanlage unter Vorschreibung von Auflagen bewilligt (Spruchpunkt IV) und die Ausnahmegenehmigung zur Verringerung der Gebäude-Abstandsfläche u.
a. zu dem der Beschwerdeführerin gehörenden Grundstück Nr. 178 von 5,10 m auf 1,20 m nach Genehmigung durch den Gemeindevorstand (Spruchpunkt II) sowie die Abstandsnachsicht gegenüber der Gemeindestraße (Spruchpunkt III) erteilt.
Soweit beschwerderelevant begründete die Behörde erster Instanz die Abweisung der von der Beschwerdeführerin erhobenen Einwendungen im Wesentlichen damit, soferne auch nur eine der Voraussetzungen des § 6 Abs. 9 Vorarlberger Baugesetz zutreffe, könne die Baubehörde von dieser Ausnahme Gebrauch machen. Abgesehen davon, dass die Bauliegenschaft tatsächlich eine besondere Form, nämlich ein Dreieck darstelle, treffe im konkreten Fall der Aspekt einer zweckmäßigen Bebauung zweifelsfrei zu. Das Projekt füge sich auch in das umgebende Landschafts- und Ortsbild gut ein. Die Behörde habe daher lediglich zu prüfen gehabt, ob allenfalls Interessen des Brandschutzes bzw. der Gesundheit beeinträchtigt würden. Hinsichtlich des Brandschutzes liege eine Stellungnahme der Brandverhütungsstelle Bregenz vor, aus der hervorgehe, dass durch das geplante massive Wohngebäude und der daraus resultierenden Verringerung der Brandbelastung gegenüber der jetzigen Situation (landwirtschaftliches Gebäude) in brandschutztechnischer Sicht eine Verbesserung der Situation eintrete, dies insbesondere gegenüber der Liegenschaft der Beschwerdeführerin. Bezüglich der Frage, ob mit gesundheitlichen Beeinträchtigungen zu rechnen sei, liege das Gutachten des beigezogenen Amtsarztes vor, dem zufolge in schlüssiger Weise sämtliche Bedenken bezüglich befürchteter unzulässiger Lärmemissionen, Belästigungen und Gefährdungen zerstreut würden. Zusammenfassend sei der medizinische Sachverständige zur Überzeugung gekommen, dass eine Beeinträchtigung der Interessen der Gesundheit durch das gegenständliche Bauvorhaben "mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden" könne. Dieses Sachverständigengutachten wurde der Beschwerdeführerin zusammen mit dem Bescheid der Baubehörde erster Instanz zugestellt.
Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin fristgerecht Berufung.
Die Berufungsbehörde ergänzte das Ermittlungsverfahren insofern, als sie ein Gutachten des Architekten B. A. einholte, wobei die von diesem zu beantwortenden Fragen dahingehend lauteten, "ob es im Interesse des Ortsbildes geboten erscheint, auf dem gegenständlichen Baugrundstück ein Objekt in der beantragten Form, Größe und Proportion und Situierung zu errichten" bzw. über die "Zuträglichkeit einer zweckmäßigen Bebauung".
Mit Bescheid der Berufungskommission der Gemeinde N vom 5. Oktober 1998 wurde diese Berufung als unbegründet abgewiesen. Die Berufungsbehörde begründete ihren Bescheid von dem angeführten Gutachten ausgehend dahingehend, die Behauptung der Beschwerdeführerin, der Verwendungszweck des Bauwerkes lasse eine das ortsübliche Ausmaß übersteigende Belästigung bzw. Gefährdung durch Lärmimmissionen erwarten, entbehre jeglicher Grundlage. Das Baugrundstück sei als "Baufläche/Mischgebiet" gewidmet, dies seien Gebiete, in denen Wohngebäude und sonstige Gebäude und Anlagen zulässig seien, die das Wohnen nicht wesentlich störten. Der Umstand, dass im Bereich der zur Liegenschaft der Beschwerdeführerin zugewandten Hausseite insgesamt vier Kinderzimmer geplant seien, vermöge nichts daran zu ändern, dass die beabsichtigte Verwendung der Widmung des Baugrundstücks entspreche. Die von der Beschwerdeführerin diesbezüglich geforderte Einholung eines lärmmesstechnischen Sachverständigengutachtens sei entbehrlich, weil der Verwendungszweck des Gebäudes als Wohnhaus klar und unbestritten sei und auch der medizinische Amtssachverständige ausreichend zu beurteilen vermöge, ob allfällige gesundheitliche Beeinträchtigungen zu befürchten seien oder nicht. Bei Einhaltung der Vorschreibungen im Bescheid über die Situierung des Bauvorhabens könne eine Beeinträchtigung der Interessen der Gesundheit mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden. Überdies werde die geltend gemachte Gesundheitsbeeinträchtigung durch Lärmentwicklung nicht näher spezifiziert. Im Wesentlichen werde auf einen verstärkten Kraftfahrzeugverkehr sowie das Fehlen eines Kinderspielplatzes und das damit verbundene gehäufte Auftreten von Kindern verwiesen, auf Grund dessen die Beschwerdeführerin die Einhaltung der gesetzlich vorgeschriebenen Abstände und Abstandsflächen, ja sogar die Vorschreibung größerer Abstände fordere. Die Nichteinhaltung der im Baugesetz vorgeschriebenen Abstandsflächen stünden jedoch in keinem Zusammenhang mit dem Verkehrsaufkommen bzw. der Errichtung eines Kinderspielplatzes, weshalb die diesbezüglichen Ausführungen ins Leere gingen. Weder zum Einwand eines fehlenden Kinderspielplatzes noch zum Einwand einer Lärmbelästigung durch verstärkten KFZ-Verkehr kämen dem Nachbarn subjektive Rechte zu. Den weiteren Ausführungen der Beschwerdeführerin wurde entgegen gehalten, das in Ergänzung des erstinstanzlichen Ermittlungsverfahrens eingeholte Gutachten habe ergeben, dass das Baugrundstück eine besondere Lage am beginnenden westlichen Zentrumsrand von N einnehme und der Standort der eigentliche alte Ortskern-Ausläufer dieser Gemeinde sei. Dieser zentralräumliche Bereich sei geprägt durch einen dichten Bebauungscharakter, vorwiegend mit traditionellen Bauformen und Baukuben. Durch deutlich erkennbare Gesetzmäßigkeiten hinsichtlich Gebäudehöhe und Orientierung der Häuser sowie durchwegs dichte Stellung der Straße entstünden Raumwirkungen, Gebäudeproportionen, Querprofile und strukturell konstruktive Fassadengefüge, welche selbstverständlich auch zwischen gleichartigen und gleich orientierten Haus- und Baukörpern von zeitgemäßem Ausdruck seien. Auch weise das Baugrundstück eine besondere Form auf. Das Gelände sei leicht nach Süden abfallend und durch eine Dreiecksform gekennzeichnet. Das Dorfbild sei geprägt durch wechselwirkend offene, halb offene und sporadisch geschlossene Bebauung mit durchwegs kompakten Baukörpern und Baukuben. Das bestehende Straßenbild in der S-Straße bzw. der V-Straße werde durch die fast durchgehend dichte Stellung der Gebäude und ihre teilweise rhytmisch leicht schwankenden, fast überall aber geringen Abstände zur Straße charakterisiert. Die vorgeschlagene Architektur vermöge in ihrer architektonischen Struktur und räumlichen Ordnung den schwergewichtig erforderlichen orts- und landschaftsbildlichen Kriterien zu genügen und führe in Anbetracht der erschwerten Grundstückskonfiguration zu einem wünschenswerten Wechselspiel zwischen verbauter und unverbauter Natur. Dies stelle eine zweckmäßige und für den Ort "richtige" Bebauung dar. In Anknüpfung an die bauliche Tradition (Stellung des Baukörpers zur Straße, Führung des Straßenraumes) lehne sich das Projekt an die vorhandenen Gliederungs- und Landschaftselemente der Topografie an, nehme auf den angemessenen Umgang mit verfügbaren Ressourcen Bedacht und bewirke durch den Strukturansatz von ortsräumlicher Nutzungsmischung und Dichte eine klare Weiterführung und Abrundung der gewachsenen Architektur am Ort. Aus ortsplanerischer und ortsgestalterischer Sicht könne die entsprechende Projektbearbeitung als den schwergewichtig städtebaulichen Kriterien entsprechend und der gewachsenen Siedlungsstruktur durchaus angepasst bewertet werden. Durch die tendenziell dreieckförmige Ausdehnung des Grundstückes sei auch die Tatbestandsvoraussetzung der "besonderen Form und Lage" des Baugrundstückes im Sinne des § 6 Abs. 9 Vorarlberger Baugesetzes erfüllt. Bei der Beurteilung, ob eine "zweckmäßige Bebauung" vorliege, spiele neben wirtschaftlichen Interessen des Bauwerbers auch eine im öffentlichen Interesse gelegene orts- oder landschaftsbildliche Notwendigkeit einer bestimmten Bebauung sowie einer entsprechenden Nutzung der vorhandenen Grundreserven eine Rolle. Ein gegenüber dem Eingabeprojekt reduzierter Grundriss des Gebäudes und/oder eine niedrigere Gebäudehöhe hätte eine unerwünschte Abweichung von der traditionellen Proportion zur Folge. Auch stehe fest, dass - würde das abgerissene Gebäude nicht wieder aufgebaut werden - eine unerwünschte Lücke entstehen würde. Eine neuerliche Bebauung mit entsprechender Dimensionierung und angepassten Proportionen des Baukörpers erscheine daher aus ortsbildlicher Sicht notwendig. Daher sei auch der Ausnahmetatbestand der "zweckmäßigeren Bebauung" gegeben.
Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin Vorstellung an die belangte Behörde.
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die von der Beschwerdeführerin erhobene Vorstellung gemäß § 83 Abs. 7 des Gemeindegesetzes, LGBl. Nr. 40/1985, ab. Nach Darstellung des Verfahrensganges und Wiedergabe der Rechtslage begründete die belangte Behörde - soweit dies beschwerdegegenständlich ist - ihren Bescheid damit, dass für eine Ausnahmebewilligung mindestens eine der im § 6 Abs. 9 des Vorarlberger Baugesetzes angeführten Voraussetzungen, insbesondere Form oder Lage des Baugrundstückes oder zweckmäßigere Bebauung, gegeben sein müsse und Interessen des Brandschutzes, der Gesundheit sowie des Schutzes des Landschafts- und Ortsbildes nicht beeinträchtigt werden dürften. Es genüge daher, wenn zu den Interessen des Brandschutzes, der Gesundheit sowie des Schutzes des Landschafts- und Ortsbildes wenigstens eine der beiden Voraussetzungen, entweder besondere Form oder Lage des Baugrundstücks oder Gründe einer zweckmäßigeren Bebauung, hinzutreten. Schon das Vorliegen der erstgenannten Voraussetzung, nämlich, besondere Form bzw. Lage des Baugrundstückes, seien von den Gemeindeinstanzen zutreffend bejaht worden. Unter Zugrundelegung der Ausführungen des im Berufungsverfahren beigezogenen Sachverständigen sei davon auszugehen, dass das Gelände, in dem das verfahrensgegenständliche Baugrundstück gelegen sei, leicht nach Süden abfallend ausgeformt sei und eine ungleichförmige Grundrisskonfiguration mit einer dreiecksförmigen Ausdehnung aufweise. Die Ausdehnungen Nord/Süd mit ca. 37 m und West/Ost mit ca. 36 m umschrieben einen eingeschlossenen Kreisradius von knapp 12 m. Die Gesamtnettogrundstückgröße betrage 494 m2. Straßenbegleitend entlang der V-Straße sei die Grundgrenze ca. 39 m lang, die nordostseitige Ausdehnung entlang der Nachbarschaftsgrenze zum Grundstück der Beschwerdeführerin weise eine Länge von ca. 37 m auf. Der Altbestand grenze an die Liegenschaft der Beschwerdeführerin mit einem Abstand von durchschnittlich 0,6 m auf die gesamte Gebäudetiefe an. Der Altbestand weise eine überbaute Fläche von 265,6 m2 auf. Der beantragte Neubau weise eine maximale Baukörperbreite von 13,05 m (gegenüber dem Altbestand mit 14,4 m) auf; die maximale Gebäudetiefe entlang der V-Straße betrage 21,53 m gegenüber dem Altbestand mit 20,4 m. Die überbaute Fläche des Neubaues weise ein Ausmaß von 349 m2 auf. Vor dem Hintergrund dieser Proportionen sei die Form und Lage des Grundstückes als ungünstig zu beurteilen und eine Ausnahmegenehmigung gemäß § 6 Abs. 9 Baugesetz sei daher nach Auffassung der Vorstellungsbehörde schon wegen der besonderen Form des Grundstückes gerechtfertigt. Aber auch eine zweckmäßigere Bebauung im Sinne der zweiten Tatbestandsvoraussetzung des § 6 Abs. 9 Vorarlberger Baugesetz sei zu bejahen. Bei der Frage der zweckmäßigen Bebauung spielten wirtschaftliche Gesichtspunkte zweifelsfrei eine Rolle, weil jedes Grundstück nur dann als zweckmäßig bebaubar zu beurteilen sei, wenn eine wirtschaftlich vernünftige Bauführung zulässig sei, also ein entsprechend langer und breiter Baukörper unter Einhaltung der gesetzlichen Abstandsvorschriften errichtet werden könne. Sei die Errichtung eines solchen Baukörpers unzulässig, könne von einer zweckmäßigen Bebauung nicht gesprochen werden und es sei durch Gewährung einer Ausnahme eine zweckmäßigere Bebauung zuzulassen. Aus dem Gutachten des Sachverständigen B. A. ergebe sich, dass ein gegenüber dem Eingabeprojekt reduzierter Grundriss des Gebäudes und/oder eine niedrigere Gebäudehöhe eine unerwünschte Abweichung von den traditionellen Proportionen im bestehenden Siedlungsensemble zur Folge hätte. Es stehe auch fest, dass im Falle der Unterlassung der Wiedererrichtung eines Gebäudes eine unerwünschte Lücke entstehe. Eine neuerliche Bebauung mit entsprechender Dimensionierung und angepassten Proportionen scheine daher auch aus ortsbildlicher Sicht notwendig. Damit lägen neben der besonderen Form und Lage des Baugrundstückes auch die Voraussetzungen einer zweckmäßigeren Bebauung vor, weshalb die Ausnahme nach § 6 Abs. 9 Vorarlberger Baugesetz mit Recht zugelassen worden sei. Insoweit die Beschwerdeführerin die Einholung eines Gutachtens aus dem Bereich der Lärmmesstechnik (als Grundlage für ein medizinisches Gutachten) fordere, vermöge dies ihrem Rechtsstandpunkt nicht zum Durchbruch zu verhelfen. Das Baugrundstück sei im rechtskräftigen Flächenwidmungsplan der Gemeinde N als Baufläche/Mischgebiet gewidmet. Gemäß § 14 Abs. 4 des Raumplanungsgesetzes seien Mischgebiete Gebiete, in denen Wohngebäude und sonstige Gebäude und Anlagen zulässig seien, die das Wohnen nicht wesentlich störten. Dies bedeute, dass die Errichtung von Wohngebäuden in Baumischgebieten jedenfalls zulässig sei, andere, etwa gewerbliche Gebäude dagegen nur unter der Voraussetzung, dass sie das Wohnen nicht wesentlich störten. Ein Wohngebäude sei nach der Widmungskategorie "Baufläche - Mischgebiet" ein typischerweise zulässiger Bau. Ein konkreter Lärm, eine konkrete Emission sei daher im baubehördlichen Verfahren nicht zu messen, weil auch ein Mehrfamilienwohnhaus auf "Baufläche - Mischgebiet" eben die typische Anlage in einem solchen Gebiet darstelle. Daher genüge auch das eingeholte medizinische Gutachten, in welchem festgestellt worden sei, dass aus medizinischer Sicht Interessen der Gesundheit durch das gegenständliche Bauvorhaben mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden könnten.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde. Die Beschwerdeführerin erachtet sich in ihrem Recht auf Nichterteilung einer Abstandsnachsicht gemäß § 6 Abs. 9 Vlbg. BauG bei Nichtvorliegen der dort genannten Voraussetzungen verletzt.
Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Im Beschwerdefall ist das Vorarlberger Baugesetz (BauG.), LGBl. Nr. 39/1972 in der Fassung LGBl. Nr. 72/1997, anzuwenden.
Dieses Gesetz zählt die Nachbarrechte in seinem § 30 Abs. 1 lit. a bis f taxativ auf; dazu zählt gemäß § 30 Abs. 1 lit. b leg. cit. auch die Befugnis der Geltendmachung einer Verletzung des § 6 leg. cit. insoweit, als diese Bestimmung den Schutz der Nachbarn aus Rücksichten des Brandschutzes und der Gesundheit, insbesondere Belichtung, Luft und Lärm betrifft.
§ 6 BauG. trifft nähere Bestimmungen hinsichtlich der Abstandsflächen; im Beschwerdefall ist insbesondere dessen Abs. 9 relevant. Dieser lautet:
"Wegen der besonderen Form oder Lage des Baugrundstückes oder aus Gründen einer zweckmäßigeren Bebauung kann die Behörde mit Genehmigung des Gemeindevorstandes von den in den Abs. 2 bis 8 vorgeschriebenen Abstandsflächen oder Abständen Ausnahmen zulassen, wenn dadurch die Interessen des Brandschutzes, der Gesundheit sowie des Schutzes des Landschafts- und Ortsbildes nicht beeinträchtigt werden".
Das Mitspracherecht des Nachbarn im Baubewilligungsverfahren ist nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes in zweifacher Weise beschränkt: Es besteht einerseits nur insoweit, als dem Nachbarn nach den in Betracht kommenden baurechtlichen Vorschriften subjektiv-öffentliche Rechte zukommen, und andererseits nur in jenem Umfang, in dem der Nachbar solche Rechte im Verfahren durch die rechtzeitige Erhebung entsprechender Einwendungen wirksam geltend gemacht hat (vgl. hiezu beispielsweise das Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 3. Dezember 1980, Slg. Nr. 10317/A, u.v.a.).
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 6 Abs. 9 Vlbg. BauG darf die genannte Ausnahmebestimmung keinesfalls so ausgelegt werden, dass zu Lasten des Nachbarn jede beliebige größere Ausnutzung des Bauplatzes zulässig wäre, spielen bei der Frage der zweckmäßigeren Bebauung zwar auch wirtschaftliche Gesichtspunkte - wie sie von der belangten Behörde als Begründung der Zulässigkeit einer Abstandsnachsicht ins Spiel gebracht werden - eine Rolle, weil jedes Grundstück nur dann als zweckmäßig bebaubar beurteilt werden kann, wenn eine wirtschaftlich vernünftige Bauführung zulässig ist, also ein entsprechend langer und breiter Baukörper unter Einhaltung der gesetzlichen Abstandsvorschriften errichtet werden kann. Nur wenn die Errichtung eines solchen Baukörpers nicht möglich wäre, könnte eine zweckmäßige Bebauung verneint werden und es wäre durch die Gewährung einer Ausnahme eine zweckmäßigere Bebauung zuzulassen. Die Ausnahmebestimmung darf aber keinesfalls so ausgelegt werden, dass zu Lasten des Nachbarn jede beliebige größere Ausnutzung des Bauplatzes zulässig wäre. § 6 Abs. 9 Vorarlberger Baugesetz kommt daher nur dann zum Tragen, wenn aufgrund der Form oder Lage des Grundstückes sonst eine zweckmäßige Bebauung nicht möglich wäre (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 10. Oktober 1991, Zl. 90/06/0126, und vom 2. Juli 1992, Zl. 91/06/0210, sowie das hg. Erkenntnis vom 19. September 1991, Zl. 91/06/0118). Der Verwaltungsgerichtshof sieht keine Veranlassung, von dieser Rechtsansicht abzurücken (vgl. auch das hg. Erkenntnis vom 9. September 1999, Zl. 98/06/0064).
Mit der Frage der zweckmäßigeren Bebauung, nämlich in dem Sinne, dass eine zweckmäßige Bebauung anders als unter Erteilung einer Abstandsnachsicht nicht möglich, das heißt wirtschaftlich gar nicht vertret- und zumutbar wäre, haben sich die Gemeindeinstanzen nicht ausreichend auseinander gesetzt. Aus dem Gutachten des Sachverständigen B. A. geht - entsprechend der Fragestellung durch die Behörde - lediglich hervor, dass sich das bewilligte Projekt in das städtebauliche Konzept der Gemeinde einfügt und die angestrebte Verbauung der in Rede stehenden Liegenschaft (nach Abbruch des Altbestandes) von diesem Standpunkt aus als wünschenswert beurteilt wird. Das Gutachten dieses Sachverständigen ergibt aber keine Anhaltspunkte zu der Frage, inwieweit eine Verbauung geringeren Ausmaßes oder eine geänderte Situierung innerhalb der Grundstücksfläche (z. B. durch geringfügige Drehung) ohne Notwendigkeit der Erteilung einer Abstandsnachsicht möglich wäre. Hierzu wäre es erforderlich gewesen, denkbare Alternativen aufzuzeigen, die "zweckmäßig", das heißt wirtschaftlich vertretbar sind, oder die Gründe zu nennen, die solche Überlegungen von vornherein ausschließen würden. In diesem Sinne hat der Verwaltungsgerichtshof bereits darauf hingewiesen, dass die Frage der zweckmäßigeren Bebauung im Sinne des § 6 Abs. 9 des Vlbg. BauG inhaltlich nicht völlig trennscharf von dem anderen Kriterium ("besondere Form oder Lage des Baugrundstückes") abgesondert werden kann. Die Feststellung der Gemeindebehörden, das Baugrundstück erfülle allein schon wegen seiner besonderen dreieckigen Konfiguration eine der alternativen Voraussetzungen des § 6 Abs. 9 Vlbg. BauG stellt keine ausreichende Begründung für die Erteilung der Nachsicht dar. Die belangte Behörde begründet auch nicht näher, wie sie zu dieser Annahme gelangt, und setzt sich in keiner Weise mit den Gegebenheiten des Baugrundstückes und daraus resultierenden möglichen und zweckmäßigen (alternativen) Bebauungsweisen auseinander. Selbst wenn man berücksichtigt, dass es sich um ein annähernd dreieckiges Grundstück handelt, das einen Kreis mit dem Radius von ca. 12 m umschließt, wäre eine Auseinandersetzung mit dem konkreten Bauvorhaben im Vergleich zu alternativen Bebauungsmöglichkeiten, die allenfalls geringere bzw. keine Abweichungen von den gesetzlich vorgesehenen Abstandsflächen (insbesondere zum Grundstück der Beschwerdeführerin) zur Folge hätten, erforderlich gewesen. Weder der bloße Hinweis im Bescheid der Gemeindebehörden auf den Umstand, dass das Bauprojekt vom städtebaulichen Standpunkt zu begrüßen sei, noch der Hinweis auf die besondere Form oder Lage des Grundstückes schlechthin rechtfertigt die Erteilung der Abstandsnachsicht jedenfalls.
Der Bescheid der Berufungskommission der mitbeteiligten Gemeinde vom 5. Oktober 1998 weist insoweit einen Begründungsmangel auf, der auch wesentlich ist. Dadurch, dass die belangte Behörde diesen Mangel nicht aufgegriffen hat, hat sie ihren Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet.
Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 23. Mai 2001
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