VwGH 99/06/0033

VwGH99/06/003320.9.2001

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident DDr. Jakusch und die Hofräte Dr. Händschke, Dr. Bernegger, Dr. Waldstätten und Dr. Köhler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Hanslik, über die Beschwerde der Gemeinde H, vertreten durch Dr. S und Dr. S, Rechtsanwälte in B, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Vorarlberg vom 11. Dezember 1998, Zl. VIIa-410.483, betreffend Einwendungen gegen eine Baubewilligung (mitbeteiligte Partei: Bund, vertreten durch die Bundesgebäudeverwaltung I, Vorarlberg), zu Recht erkannt:

Normen

AVG §8;
BauG Vlbg 1972 §2 liti;
BauRallg;
AVG §8;
BauG Vlbg 1972 §2 liti;
BauRallg;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Eingabe vom 9. Juli 1997 ersuchte die mitbeteiligte Partei unter anderem um die Erteilung der Bewilligung für den Neubau einer veterinärbehördlichen Grenzkontrollstelle auf dem Grundstück Nr. 4215/2, KG H, nach Maßgabe der Plan- und Beschreibungsunterlagen vom 4. Juli 1997.

Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Bregenz vom 14. August 1997 wurde der mitbeteiligten Partei unter anderem die Baubewilligung für den Neubau einer veterinärbehördlichen Grenzkontrollstelle auf dem Grundstück Nr. 4215/2, KG H, erteilt. Gegen diesen Bescheid erhoben der Gemeindeverband Konkurrenzverwaltung H und die Gemeinde H am 2. September 1997 Berufung.

Diese Berufungen wurden mit Bescheid der belangten Behörde vom 15. September 1997 als unzulässig zurückgewiesen. Begründend führte die belangte Behörde aus, der Gemeindeverband Konkurrenzverwaltung H sei Eigentümer des Grundstückes Nr. 4594, KG H. Bei diesem Grundstück handle es sich um eine öffentliche Privatstraße im Sinne des § 20 des Straßengesetzes, LGBl. Nr. 8/1969. Gemäß § 2 lit. i des Vorarlberger Baugesetzes (BauG) sei Nachbar der Eigentümer eines fremden Grundstückes, das zu einem Baugrundstück in einem solchen räumlichen Naheverhältnis stehe, dass mit Auswirkungen des geplanten Bauwerkes oder dessen vorgesehener Benützung, gegen welche die Bestimmungen des Baugesetzes einen Schutz gewähren, zu rechnen sei. Da die Parteistellung des Nachbarn eine privatrechtliche Nutzungsmöglichkeit am Nachbargrundstück voraussetze, scheide der Straßenerhalter auch als Eigentümer des Straßengrundes als Nachbar aus und besitze somit nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes im Bauverfahren keine auf das Nachbarrecht gestützte Parteistellung (Hinweis auf das hg. Erkenntnis vom 26. April 1984, Zl. 82/06/0110, VwSlg. 11.419/A (nur Rechtssatz)). Die Berufung des Gemeindeverbandes Konkurrenzverwaltung H sei somit mangels Parteistellung als unzulässig zurückzuweisen. Die Gemeinde H sei ebenfalls nicht Nachbarin und somit nicht Partei des Bauverfahrens, da sich kein Grundstück, auf das die Kriterien des § 2 lit. i BauG zuträfen, in ihrem Eigentum befinde.

Gegen diesen Bescheid erhoben sowohl der Gemeindeverband Konkurrenzverwaltung H als auch die Gemeinde H Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof.

Mit Erkenntnis vom 30. April 1998, Zl. 97/06/0225, 0226, wurde die Beschwerde der Konkurrenzverwaltung H als unzulässig zurückgewiesen. Soweit sich der angefochtene Bescheid auf die Berufung der Gemeinde H bezog, wurde er wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben. Der Verwaltungsgerichtshof begründete seine Entscheidung bezüglich des Gemeindeverbandes damit, dass der Gemeindeverband nicht Eigentümer, sondern lediglich Verwalter der verfahrensgegenständlichen Liegenschaft sei. Aus diesem Grunde könne der beschwerdeführende Gemeindeverband auch nicht Nachbar im Sinne des § 2 des Vorarlberger Baugesetzes, wonach Nachbar nur der Eigentümer des fremden, von Baumaßnahmen betroffenen Grundstücks sein könne, sein.

Bezüglich der Beschwerde der Gemeinde H führte der Verwaltungsgerichtshof aus, dass das Prozessthema des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens allein darin liegen könne, ob der Zurückweisungsbescheid der Berufungsbehörde mit Rechtswidrigkeit behaftet sei. Da die Gemeinde H entgegen der im Bescheid getroffenen Feststellungen (Mit)Eigentümerin des verfahrensgegenständlichen Grundstückes sei, sei die Zurückweisung ihrer Berufung mit der Begründung, dass ihr nicht die Eigentümerstellung zukomme, zu Unrecht erfolgt.

Mit Bescheid des Landeshauptmannes von Vorarlberg vom 11. Dezember 1998 wurde die Berufung der Gemeinde H daraufhin erneut als unzulässig zurückgewiesen. Begründend führte die belangte Behörde aus, dass gemäß § 2 lit. i des Baugesetzes Nachbar der Eigentümer eines fremden Grundstückes sei, das zu einem Baugrundstück in einem solchen räumlichen Naheverhältnis stehe, dass mit Auswirkungen des geplanten Bauwerkes oder dessen vorgesehener Benutzung, gegen welche die Bestimmungen des Baugesetzes einen Schutz gewährten, zu rechnen sei. Die Parteistellung als Nachbar setze somit eine privatrechtliche Nutzungsmöglichkeit am Nachbargrundstück voraus. Bei dem an das Baugrundstück angrenzenden Grundstück Nr. 4594, KG H, handle es sich unbestritten um eine öffentliche - also dem Gemeingebrauch gewidmete - Privatstraße im Sinne des § 20 des Straßengesetzes, LGBl. Nr. 8/1969, die sich zu 4/7 Anteil im Miteigentum der Gemeinde H befinde. Am nördlichen Rand dieses Straßengrundstückes befinde sich ein Gehsteig und dahinter bis hin zum Baugrundstück ein leicht abfallender, bis zu maximal 3 m breiter Streifen (Straßenböschung). Die Berufungsbehörde vertrete die Auffassung, dass dieser Streifen eindeutig als ein zum Straßengrundstück gehöriges Bankett zu qualifizieren sei. Angesichts dieser eindeutigen und offenkundigen Sach- und Rechtslage fehle es an der für die nachbarschaftsrechtliche Parteistellung essenziellen Voraussetzung einer privatrechtlichen Nutzungsmöglichkeit dieses Teils des Straßengrundstückes, mangels einer solchen allerdings nach der Rechsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (Hinweis auf das hg. Erkenntnis vom 26. April 1984, Zl. 82/06/0110, BauSlg. 250) auch dem Eigentümer einer öffentlichen Straße im Baubewilligungsverfahren keine Parteistellung zukomme.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

§ 2 lit. i des (Vorarlberger) Gesetzes über die Errichtung und Erhaltung von Bauwerken (Baugesetz - BauG), LGBl. Nr. 39/1972, (in der im Beschwerdefall maßgeblichen Fassung zuletzt geändert durch LGBl. Nr. 72/1997) lautet:

"§ 2

Begriffe

Im Sinne dieses Gesetzes ist

...

i) Nachbar der Eigentümer eines fremden Grundstückes, das zu einem Baugrundstück in einem solchen räumlichen Naheverhältnis steht, dass mit Auswirkungen des geplanten Bauwerkes oder dessen vorgesehener Benützung, gegen welche die Bestimmungen dieses Gesetzes einen Schutz gewähren, zu rechnen ist;

..."

In ihrer Beschwerde bringt die Beschwerdeführerin vor, die belangte Behörde stütze sich bei ihrer Entscheidung darauf, dass das im Miteigentum der Gemeinde H befindliche Grundstück Nr. 4594, KG H, lediglich ein Bankett darstelle, dessen privatrechtliche Nutzungsmöglichkeit nicht gegeben sei, weshalb der Gemeinde H keine Parteistellung zukomme. Wie sich aus den Plan- und Beschreibungsunterlagen vom 4. Juli 1997 und vom 1. August 1997 ergebe, bestehe zwischen Gehsteig und der Grundstücksgrenze mit dem Grundstück Nr. 4215/2, KG H, auf dem die veterinärbehördliche Grenzkontrollstelle errichtet werden solle, eine Grünfläche, die weder Straße noch Bankett sei. Diese Grundfläche sei eine Wiese mit einer Breite von rund 4 m und einer Länge von ca. 40 m im Bereich zum Grundstück Nr. 4215/2, was einer Fläche von insgesamt rund 160 m2 entspreche, die unmittelbar an das Bauobjekt anschließe. Diese Wiese werde dann noch größer. Die im Miteigentum der Gemeinde H, F und G stehenden Grundstücke würden durch die Konkurrenzverwaltung H verwaltet, wobei die Wiesengrundstücke an Landwirte verpachtet seien, die unter anderem diese Wiese mitbewirtschafteten, weshalb sehr wohl - entgegen der Ansicht der belangten Behörde - eine privatrechtliche Nutzungsmöglichkeit gegeben sei, die die Gemeinde Höchst als Miteigentümerin auch entsprechend wahrnehme. Gegenstand des nachbarrechtlichen Schutzes sei nicht nur eine bauliche Anlage, sondern das Nachbargrundstück überhaupt. Für die Eigenschaft der Liegenschaft als benachbart sei allein maßgebend, dass mit Auswirkungen des geplanten Bauwerkes zu rechnen sei, nicht aber ob diese tatsächlich eintreten oder gar welche Größe dieses Grundstück habe. Im Hinblick darauf, dass durch den Betrieb der veterinärbehördlichen Grenzkontrollstelle erhöhte Immissionen auftreten würden, sei die Verwendung des Grases zur Heugewinnung dann jedenfalls nicht mehr möglich. Weiters macht die Beschwerdeführerin geltend, dass durch den Verwendungszweck des Bauwerkes eine das ortsübliche Ausmaß übersteigende Belästigung sowie eine Gefährdung der Nachbarn gemäß § 30 Abs. 1 lit. b in Verbindung mit § 6 Baugesetz in seiner Gesamtheit mit sich bringe, weshalb größere Bauabstände zu normieren gewesen wären. Darüber hinaus seien die Bauabstände zu den bestehenden Gebäuden nicht eingehalten. Da die gegebenen Verletzungen der Abstände aber nur dann geltend gemacht werden könne, wenn der Gemeinde H Parteistellung zukomme, werde mit unhaltbaren Argumenten versucht die Parteistellung abzuerkennen. Absolut unzutreffend sei die Ansicht der Berufungsbehörde, wonach die 40 m lange und 4 m breite Wiese das Bankett zur Straße hin darstellen würde. Diese Wiese sei leicht abschüssig und jedenfalls in keiner Weise befahrbar. Die von der belangten Behörde zitierte Entscheidung sei auch deswegen nicht heranzuziehen, weil bei dem dort der Entscheidung zu Grunde liegenden Sachverhalt lediglich eine befestigte Straße vorgelegen sei, nicht jedoch wie im gegenständlichen Fall eine privatrechtliche Nutzungsmöglichkeit durch das In-Bestandgeben dieser Fläche für die Heugewinnung. Da mit Auswirkungen des geplanten Bauwerkes und dessen vorgesehener Benützung auf diesen Teil der Liegenschaft des Grundstückes Nr. 4594, KG H, durchaus zu rechnen sei, stehe der Beschwerdeführerin die Parteistellung zu. Weiters bemängelt die Beschwerdeführerin dass die belangte Behörde Feststellungen bezüglich der Wiese und den Nutzungen dieser Wiese unterlassen habe.

Zum Sachverhalt ist zunächst Folgendes festzustellen:

Entlang der Südgrenze des Grundstückes Nr. 4215/2, KG H, auf dem die veterinärbehördliche Grenzkontrollstelle errichtet wurde, erstreckte sich im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides das Grundstück Nr. 4594, KG H, das sich im Miteigentum der Beschwerdeführerin befand. Aus dem zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides gültigen Flächenwidmungsplan ist ersichtlich, dass das in Rede stehende Grundstück der Beschwerdeführerin als Verkehrsfläche gewidmet war. Auch das heute, auf Grund einer Grenzänderung, bei der der an das Grundstück Nr. 4215/2 grenzende Teil des Grundstückes Nr. 4594 dem Grundstück Nr. 4215/101 zugeschlagen wurde, an die Parzelle Nr. 4215/2 im Süden angrenzende Grundstück ist als Verkehrsfläche gewidmet. Im hier relevanten Bereich befand sich auf dem Grundstück Nr. 4594, KG H, im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides (und befindet sich auch heute noch) eine Straßenfläche mit Gehsteig, die zum Grundstück Nr. 4215/2, KG H, mit einem ca. 3-4 m breiten, abfallenden Grünstreifen abschließt.

Wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 26. April 1984, Zl. 82/06/0110, im Anschluss an das Erkenntnis vom 25. April 1978, Zl. 794/78, ausgesprochen hat, kommt der Gemeinde als Eigentümerin der vorbeiführenden Straße keine Parteistellung zu.

In seinem Erkenntnis vom 25. April 1978, Zl. 794/78, ergangen zu den diesbezüglich im Wesentlichen gleich gelagerten Bestimmungen der Tiroler Bauordnung, hat der Verwaltungsgerichtshof ausgeführt, dass die Voraussetzung für die Annahme einer subjektiven öffentlichen Berechtigung dann nicht vorliege, wenn eine Gemeinde lediglich Eigentümerin des Straßengrundstückes der vorbeiführenden öffentlichen Straße sei, da diese Parteistellung eines Nachbarn eine privatrechtliche Nutzungsmöglichkeit an dem Nachbargrundstück voraussetze. Der Verwaltungsgerichtshof hat diese Auffassung auch zum Vorarlberger Baugesetz vertreten (vgl. das zitierte hg. Erkenntnis vom 26. April 1984, Zl. 82/06/0110, sowie das hg. Erkenntnis vom 22. Februar 1996, Zl. 96/06/0015).

Die Beschwerdeführerin vermeint nun, dass diese Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes im Beschwerdefall nicht anwendbar sei, da das Grundstück Nr. 4594, KG H, (nunmehr Nr. 4215/101) im hier relevanten Bereich nicht zur Gänze aus einer Straße bestehe, sondern auch aus einem wirtschaftlich genutzten Grünstreifen.

Dieser Einwand ist nicht geeignet, der Beschwerde zum Erfolg zu verhelfen. Wie sich aus dem dem Verwaltungsgerichtshof vorliegenden Flächenwidmungsplan ergibt, war die fragliche Grundfläche zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides zur Gänze als öffentliche Verkehrsfläche gewidmet (diese Widmung ist auch nach dem aktuell geltenden Flächenwidmungsplan gegeben). Es kann für die Beurteilung der Stellung des Eigentümers einer Grundfläche, die als öffentliche Verkehrsfläche gewidmet ist, im Lichte des baurechtlichen Nachbarrechtes keinen Unterschied machen, ob das als Verkehrsfläche gewidmete Grundstück auch tatsächlich zur Gänze für die bauliche Herstellung der Straße verwendet wurde bzw. ob das gesamte Grundstück zur Straße im straßenrechtlichen Sinn gehört. Ausschlaggebend ist die raumordnungsrechtliche Widmung. In raumordnungsrechtlicher Hinsicht liegt durch die entsprechende Widmung jedenfalls eine Verkehrsfläche vor. Es ist daher im Beschwerdefall auch nicht erforderlich zu untersuchen, was rechtens wäre, wenn ein einzelnes Grundstück zwei verschiedene Widmungen aufwiese (sofern dies nach den anzuwendenden raumordnungsrechtlichen Vorschriften möglich wäre). Da nach der zitierten hg. Rechtsprechung der Gemeinde als Eigentümerin der vorbeiführenden Straße keine Parteistellung zukommt, ist der Gesichtspunkt, ob an irgendwelchen Teilen des Straßengrundstückes Dritten mit privatrechtlichem Vertrag Nutzungsrechte eingeräumt wurden (Derartiges wäre auch hinsichtlich der unmittelbar dem Verkehr dienenden Straßenteile möglich), nicht ausschlaggebend.

Da nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes dem Eigentümer eines Straßengrundstückes einer öffentlichen Straße im Bauverfahren keine Parteistellung zukommt, wurde die Berufung der Beschwerdeführerin von der belangten Behörde zu Recht als unzulässig zurückgewiesen. Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 20. September 2001

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