VwGH 98/14/0067

VwGH98/14/006721.7.1998

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Weiss sowie die Hofräte Dr. Karger, Dr. Graf, Mag. Heinzl und Dr. Zorn als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Doralt, über die Beschwerde der F & S OHG in W, vertreten durch Schönherr, Barfuß, Torggler & Partner, Rechtsanwälte in 1010 Wien, Tuchlauben 13, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland, Berufungssenat VI, vom 27. Februar 1998, GA RV/080-16/04/98, betreffend einheitliche und gesonderte Feststellung von Einkünften sowie Gewerbesteuer für das Jahr 1989, zu Recht erkannt:

Normen

BAO §273;
BAO §278;
BAO §92;
BAO §93;
VwRallg;
BAO §273;
BAO §278;
BAO §92;
BAO §93;
VwRallg;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen von 15.000 S binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Firma der Beschwerdeführerin, eine OHG, an der MF zu 70 % und DS zu 30 % beteiligt waren, wurde am 16. Juni 1989 im Handelsregister gelöscht.

In einer Beilage zu den Erklärungen für das Jahr 1989 gab die Beschwerdeführerin bekannt, sie habe im Lauf des Jahres 1988 ihre Tätigkeit eingestellt. Laut der von ihr erstellten Bilanz zum 31. Jänner 1989 (Wirtschaftsjahr vom 1. Februar 1988 bis 31. Jänner 1989) habe sie insgesamt einen Gewinn von rund 4,6 Mio S erzielt. Auf Grund des erzielten Veräußerungsgewinnes von rund 4,8 Mio S ergebe sich ein laufender Verlust von rund 0,2 Mio S. Vom Veräußerungsgewinn sei der Freibetrag gemäß § 24 EStG 1988 abzuziehen und der verbleibende Veräußerungsgewinn von rund 4,7 Mio S nach § 37 EStG 1988 zu besteuern.

Aus einer Aufgliederung der von der Beschwerdeführerin erzielten ao Erträge ist ersichtlich, daß der Veräußerungsgewinn von rund 4,8 Mio S auf Grund eines Schuldnachlasses der ITS GmbH, die ihren Betrieb an die Beschwerdeführerin verpachtet hatte, entstanden ist.

Im Zug einer abgabenbehördlichen Prüfung stellte der Prüfer fest, die Beschwerdeführerin habe bereits am 31. Jänner 1986 ihre Tätigkeit eingestellt. Gleichzeitig habe sie das Pachtverhältnis mit der ITS GmbH gelöst und ihr unter einem ihr Anlagevermögen verkauft. Die ITS GmbH habe den Betrieb der OHG mit allen Angestellten am ehemaligen Standort der Beschwerdeführerin fortgeführt. MF und DS seien Geschäftsführer der ITS GmbH gewesen. Aus den für die Wirtschaftsjahre 1986/87, 1987/88 und 1988/89 erstellten Bilanzen sei ersichtlich, daß die Beschwerdeführerin außer einem einzigen Geschäft keine Umsätze mehr getätigt, sondern nur mehr Kundenforderungen eingetrieben, Schulden getilgt und Umschuldungen vorgenommen habe. Der Prüfer vertrat in dem von ihm gemäß § 150 BAO erstatteten Bericht die Ansicht, der von der Beschwerdeführerin erzielte Veräußerungsgewinn sei weder um den Freibetrag gemäß § 24 EStG 1988 zu verringern, noch gemäß § 37 EStG 1988 zu besteuern. Denn einerseits habe die Beschwerdeführerin ihren Betrieb nicht aufgegeben, sondern liquidiert, anderseits seien seit Eröffnung des Betriebes noch keine sieben Jahre vergangen.

Das Finanzamt schloß sich der Ansicht des Prüfers an und erließ am 2. September 1992 einen Bescheid betreffend einheitliche und gesonderte Feststellung von Einkünften sowie Gewerbesteuer für das Jahr 1989, der an die Beschwerdeführerin ergangen ist. Zur Begründung verwies das Finanzamt auf die Feststellungen des Prüfers und den gemäß § 150 BAO erstatteten Bericht.

Gegen diesen Bescheid ergriff die Beschwerdeführerin am 14. September 1992 Berufung, wobei sie die Feststellungen des Prüfers im wesentlichen bestätigte. Sie vertrat jedoch die Ansicht, da sie wegen der hohen Verluste im Wirtschaftsjahr 1985/86 ihre Tätigkeit am 31. Jänner 1986 eingestellt habe, sei die Betriebsaufgabe als tatsächlicher Vorgang im Jahr 1986 zu besteuern. Hiebei stelle der Schuldnachlaß seitens der ITS GmbH von rund 4,8 Mio S einen Sanierungsgewinn dar.

Mit an die Beschwerdeführerin ergangenen Bescheid vom 9. Juni 1993 wies das Finanzamt die Berufung vom 14. September 1992 gegen den Bescheid vom 2. September 1992 betreffend einheitliche und gesonderte Feststellung von Einkünften sowie Gewerbesteuer für das Jahr 1989 mit der Begründung zurück, der angefochtene Bescheid sei infolge eines falschen Adressaten ins Leere gegangen.

Am 9. Juni 1993 erließ das Finanzamt einen hinsichtlich des Spruches und der Begründung gleichartigen Bescheid wie am 2. September 1992, der an MF und DS als ehemalige Gesellschafter der Firma F & S OHG ergangen ist.

Gegen diesen Bescheid ergriffen MF und DS als ehemalige Gesellschafter der Firma F & S OHG am 9. Juli 1993 Berufung, wobei sie jenes Vorbringen, das bereits von der Beschwerdeführerin in ihrer Berufung vom 14. September 1992 erhoben worden war, wiederholten.

Mit Bescheid vom 27. Oktober 1993 wies die auch nunmehr belangte Behörde die Berufung des MF und der DS als ehemalige Gesellschafter der Firma F & S OHG ab, wobei sie sich hinsichtlich der Besteuerung des erzielten Veräußerungsgewinnes im wesentlichen der Ansicht des Prüfers anschloß. Hinsichtlich des Sanierungsgewinnes führte die belangte Behörde aus, ein solcher liege schon deswegen nicht vor, weil mit dem Schuldnachlaß nicht der Betrieb, sondern MF und DS schuldenfrei gestellt werden sollten und überdies kein Zusammenhang zwischen der am 31. Jänner 1986 erfolgten Betriebsaufgabe und dem im Jahr 1988 nur von einem Gläubiger gewährten Schuldnachlaß bestehe.

Gegen diesen Bescheid erhob MF als ehemaliger Gesellschafter der Firma F & S OHG Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof.

Mit Beschluß vom 10. Dezember 1997, 93/13/0301, wies der Verwaltungsgerichtshof die Beschwerde des MF als ehemaligen Gesellschafters der F & S OHG im Umfang ihrer Bekämpfung des angefochtenen Bescheides mit der Begründung zurück, nach der hg Rechtsprechung beeinträchtige die Auflösung einer Personenhandelsgesellschaft und ihre Löschung im Handelsregister - anders als die Auflösung etwa einer Gesellschaft nach bürgerlichem Recht - solange ihre Parteifähigkeit nicht, als ihre Rechtsverhältnisse zu Dritten - dazu zähle auch der Bund als Abgabengläubiger - noch nicht abgewickelt seien. Mangels Vollbeendigung der am 16. Juni 1989 im Handelsregister gelöschten OHG hätte daher bereits der erstinstanzliche Bescheid an die OHG ergehen müssen. Da Erledigungen gemäß § 97 BAO dadurch wirksam würden, daß sie demjenigen bekanntgegeben würden, für den sie ihrem Inhalt nach bestimmt seien, sei bereits der Bescheid des Finanzamtes vom 9. Juni 1993 betreffend einheitliche und gesonderte Feststellung von Einkünften für das Jahr 1989 nicht wirksam erlassen worden. MF habe daher durch den angefochtenen Bescheid, in dem über die Berufung gegen den eben erwähnten, nicht wirksam erlassenen Bescheid des Finanzamtes abgesprochen worden sei, in seinen Rechten nicht verletzt werden können.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 27. Februar 1998 wies die belangte Behörde die Berufung der Beschwerdeführerin vom 14. September 1992 gegen den Bescheid betreffend einheitliche und gesonderte Feststellung von Einkünften sowie Gewerbesteuer für das Jahr 1989 mit der bereits im Bescheid vom 27. Oktober 1993 gegebenen Begründung ab.

Über die gegen den Bescheid vom 27. Februar 1998 wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes, wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:

Mit an die Beschwerdeführerin ergangenen Bescheid vom 9. Juni 1993 hat das Finanzamt die Berufung vom 14. September 1992 gegen den Bescheid vom 2. September 1992 betreffend einheitliche und gesonderte Feststellung von Einkünften sowie Gewerbesteuer für das Jahr 1989 mit einer - wie sich in der Folge herausgestellt hat - unrichtigen Begründung zurückgewiesen.

In der Beschwerde wird nicht in Abrede gestellt, daß der Zurückweisungsbescheid vom 9. Juni 1993 an die Beschwerdeführerin ergangen und in Rechtskraft erwachsen ist. Die Bescheidwirkungen der Zurückweisung einer Berufung mangels Bescheidcharakters der bekämpften Erledigung erstrecken sich auch darauf, daß verbindlich vom Nichtbestehen des bekämpften Bescheides auszugehen ist (vgl das hg Erkenntnis vom 30. April 1996, 95/14/0127, mwA). Die belangte Behörde war daher mangels Vorliegens eines erstinstanzlichen Bescheides nicht befugt, über die Berufung vom 14. September 1992 zu entscheiden.

Da die belangte Behörde eine Zuständigkeit in Anspruch genommen hat, die ihr nicht zugestanden ist, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs 2 Z 2 VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl Nr 416/1994.

Wien, am 21. Juli 1998

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