VwGH 98/10/0238

VwGH98/10/02387.9.1998

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Novak, Dr. Mizner, Dr. Bumberger und Dr. Stöberl als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Binder-Krieglstein, in der Beschwerdesache des Mag. Dr. JD in W, vertreten durch Dr. Silvia Maria Dornhackl, Rechtsanwältin in 1020 Wien, Franzensbrückenstraße 8, gegen den Bescheid des Bundesministers für Justiz vom 20. März 1998, Zl. 27671/1-III 5/98, betreffend Zurückweisung einer Berufung, Aufhebung eines Bescheides und neuerliche Zulassung zur Gerichtspraxis, zu Recht erkannt:

Normen

BDG 1979 Anl1 Z1 Pkt17;
NO 1871 §117a Abs2;
RAO 1868 §2;
RDG §2 Abs1 Z5;
RDG §26 Abs1 Z1;
RechtspraktikantenG 1987 §2 Abs1;
VwGG §28 Abs1 Z4;
VwGG §42 Abs2 Z3;
BDG 1979 Anl1 Z1 Pkt17;
NO 1871 §117a Abs2;
RAO 1868 §2;
RDG §2 Abs1 Z5;
RDG §26 Abs1 Z1;
RechtspraktikantenG 1987 §2 Abs1;
VwGG §28 Abs1 Z4;
VwGG §42 Abs2 Z3;

 

Spruch:

Die Beschwerde gegen Spruchpunkt 2. des angefochtenen Bescheides wird zurückgewiesen.

Im übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Aus der Beschwerde und dem angefochtenen Bescheid ergibt sich folgender Sachverhalt:

1.1. Aufgrund seines Ansuchens vom 4. Oktober 1996 wurde der Beschwerdeführer gemäß § 2 Abs. 1 Rechtspraktikantengesetz, BGBl. Nr. 644/1987 idF BGBl. Nr. 628/1991 (RPG), ab 1. November 1996 für die Dauer von neun Monaten als Rechtspraktikant zur Gerichtspraxis im Sprengel des Oberlandesgerichtes Wien zugelassen. Über seinen Antrag vom 8. Juli 1997 wurde dem Beschwerdeführer mit Bescheid des Präsidenten des Oberlandesgerichtes Wien vom 17. Juli 1997 gemäß § 2 Abs. 1 zweiter Satz RPG die Fortsetzung der Gerichtspraxis bis 30. September 1997 bewilligt.

2.1. Mit Bescheid des Präsidenten des Oberlandesgerichtes Wien vom 25. September 1997 wurde der Beschwerdeführer mit Ablauf des 30. September 1997 von der Verwendung in der Gerichtspraxis enthoben.

2.2. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer am 22. Oktober 1997 Berufung mit dem Antrag, den Bescheid zur Gänze ersatzlos zu beheben und ihm unverzüglich neuerlich eine Einsatzstelle als Rechtspraktikant zuzuteilen.

2.3. Mit Bescheid (offenbar: Berufungsvorentscheidung) des Präsidenten des Oberlandesgerichtes Wien vom 3. Dezember 1997 wurde der zu 2.1. erwähnte Bescheid ersatzlos aufgehoben.

2.4. Am 24. Dezember 1997 stellte der Beschwerdeführer den Antrag, seine Berufung vom 22. Oktober 1997 dem Bundesminister für Justiz zur Entscheidung vorzulegen

2.5. Mit Spruchpunkt 1. des angefochtenen Bescheides wies die belangte Behörde "die Berufung gegen den Bescheid des Präsidenten des Oberlandesgerichtes Wien, soweit sie den Antrag auf neuerliche Zuteilung einer Einsatzstelle als Rechtspraktikant betrifft", zurück. Begründend wurde im wesentlichen dargelegt, die Zuteilung einer Einsatzstelle als Rechtspraktikant käme wegen der Beendigung der Gerichtspraxis mit 30. September 1997 nicht in Betracht. Ein solcher Antrag sei gesetzlich nicht vorgesehen; außerdem sei die Frage einer neuerlichen Zuteilung nicht Gegenstand des erstinstanzlichen Verfahrens gewesen. Die Berufung sei daher, soweit sie den Antrag auf Zuteilung einer Einsatzstelle betreffe, als unzulässig zurückzuweisen.

2.6. Mit Spruchpunkt 2. des angefochtenen Bescheides wurde "im übrigen" der Berufung Folge gegeben und der bekämpfte Bescheid ersatzlos aufgehoben. Begründend wurde dazu im wesentlichen dargelegt, im Hinblick auf die bescheidmäßige Zulassung zur Gerichtspraxis jeweils auf bestimmte Dauer habe die Gerichtspraxis des Beschwerdeführers mit 30. September 1997 geendet. Der bescheidmäßigen Enthebung von der Gerichtspraxis käme somit lediglich feststellender Charakter zu; die Erlassung eines Feststellungsbescheides sei im vorliegenden Fall jedoch unzulässig gewesen. Es sei daher dem Begehren auf ersatzlose Aufhebung hinsichtlich jenes Teiles des Bescheides, der die Enthebung von der Gerichtspraxis betreffe, Folge zu geben.

3.1. Mit Schreiben vom 3. Jänner 1998 hatte der Beschwerdeführer den Antrag gestellt, ihn neuerlich zur Gerichtspraxis per 2. Februar 1998 zuzulassen.

3.2. Dieser Antrag war mit Bescheid des Präsidenten des Oberlandesgerichtes Wien vom 16. Jänner 1998 abgewiesen worden.

3.3. Gegen diesen Bescheid hatte der Beschwerdeführer Berufung erhoben.

3.4. Mit Spruchpunkt 3. des angefochtenen Bescheides wies die belangte Behörde die Berufung gegen den zu 3.2. erwähnten Bescheid ab. Begründend wurde nach Hinweisen auf den unter 1.1. dargelegten Sachverhalt und die Rechtslage die Auffassung vertreten, ein Rechtsanspruch auf Zulassung zur Gerichtspraxis bestehe nur im Rahmen des in § 2 Abs. 1 erster Satz RPG festgelegten Ausmaßes. Der Beschwerdeführer sei zunächst für die Dauer von neun Monaten, sodann für eine weitere Dauer von zwei Monaten zur Gerichtspraxis zugelassen worden. Eine über das Mindestausmaß des § 2 Abs. 1 erster Satz RPG hinaus erfolgende Zulassung für einen längeren Zeitraum liege nach § 2 Abs. 1 zweiter Satz RPG im Ermessen der Behörde. Nach der zuletzt zitierten Vorschrift kann die Zulassung zur Gerichtspraxis für einen längeren als den in § 2 Abs. 1 erster Satz RPG genannten Zeitraum nach Maßgabe der budgetären, personellen und räumlichen Möglichkeiten erfolgen. In den letzten Jahren käme es aufgrund der vielen Absolventen der rechtswissenschaftlichen Studien, die zum Gerichtsjahr zugelassen werden wollen, zu großen personellen und räumlichen Engpässen. Es falle zunehmend schwer, unter Bedachtnahme auf § 58a zweiter Satz RDG, wonach jedem Richter nicht mehr als zwei Richteramtsanwärter oder Rechtspraktikanten gleichzeitig zur Ausbildung zugeteilt werden dürfen, eine ausreichende Anzahl geeigneter Ausbildungsrichter zu finden. Es bedürfe bereits jetzt größter Anstrengung, für alle Rechtspraktikanten für die gesetzliche Mindestdauer der Gerichtspraxis eine entsprechende praktische Ausbildung und Betätigung bei Gericht sicherzustellen. Zum anderen sei oftmals das Platzangebot an den Gerichten sehr begrenzt, weshalb den Rechtspraktikanten nicht immer ein adäquater Arbeitsplatz zur Verfügung gestellt werden könne. In Anbetracht dieser Umstände einerseits und der knappen Budgetmittel andererseits sei bei der Ausübung des eingeräumten Ermessensspielraumes ein strenger Maßstab anzulegen. Die Bewilligungen von Verlängerungsgesuchen seien demnach auf die wahrscheinliche Zahl der jeweiligen Aufnahmemöglichkeiten in den richterlichen Vorbereitungsdienst abzustimmen. Eine Verlängerung der Gerichtspraxis sei grundsätzlich nur dann zu bewilligen, wenn und solange der betreffende Rechtspraktikant für eine Aufnahme in den richterlichen Vorbereitungsdienst in Betracht käme. Eine Aufnahme des Beschwerdeführers in den richterlichen Vorbereitungsdienst sei aufgrund der Ergebnisse der psychologischen Eignungsuntersuchung nicht mehr in Betracht gekommen. Daher sei seine Gerichtspraxis nach Ablauf des 30. September 1997 nicht neuerlich verlängert worden.

4.1. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde; es werden Verfahrens- und Begründungsmängel geltend gemacht.

4.2. Mit Verfügung des Verwaltungsgerichtshofes vom 10. Juni 1998 wurde dem Beschwerdeführer aufgetragen, das Recht, in dem er verletzt zu sein behauptet (Beschwerdepunkte, § 28 Abs. 1 Z. 4 VwGG) bestimmt zu bezeichnen.

4.3. Mit Schriftsatz vom 1. Juli 1998 brachte der Beschwerdeführer vor, der angefochtene Bescheid verletze ihn im Recht auf Gewährung des Parteiengehörs (§§ 37, 45 Abs. 3 AVG), im Recht auf Gleichheit (Art. 2 StGG) sowie im Recht auf Zulassung zur Gerichtspraxis.

5.1. Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Eine Verwaltungsgerichtshofbeschwerde ist nur zulässig, wenn die Möglichkeit besteht, daß der angefochtene Bescheid in Rechte des Beschwerdeführers eingreift. Eine solche Rechtsverletzungsmöglichkeit besteht dann nicht, wenn ein Bescheid dem Antrag einer Partei vollinhaltlich Rechnung trägt (vgl. z.B. den Beschluß des Verwaltungsgerichtshofes vom 10. Juli 1997, Zl. 97/07/0081). Mit Spruchpunkt 2. des angefochtenen Bescheides wurde - dem Antrag des Beschwerdeführers entsprechend - der erstinstanzliche Bescheid, mit dem die Enthebung des Beschwerdeführers von der Gerichtspraxis ausgesprochen worden war, ersatzlos aufgehoben. Ein untrennbarer Zusammenhang dieses Ausspruches mit den anderen Spruchpunkten besteht nicht; ebensowenig liegt ein Fall vor, in dem der Begründung normative Bedeutung zukäme. Im Umfang des Spruchpunktes 2. ist die Beschwerde somit gemäß § 34 Abs. 1 VwGG als unzulässig zurückzuweisen.

5.2. Gemäß § 28 Abs. 1 Z. 4 VwGG hat die Beschwerde die bestimmte Bezeichnung des Rechts, in dem der Beschwerdeführer verletzt zu sein behauptet (Beschwerdepunkt), zu enthalten.

Durch den Beschwerdepunkt wird der Prozeßgegenstand des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens festgelegt und der Rahmen abgesteckt, an den der Verwaltungsgerichtshof bei der Prüfung des angefochtenen Bescheides gebunden ist. Wird der Beschwerdepunkt unmißverständlich ausgeführt, so ist er einer hievon abweichenden Auslegung aus dem Gesamtzusammenhang der Beschwerde nicht zugänglich. Von der bestimmten Bezeichnung des Rechts, in dem der Beschwerdeführer verletzt zu sein behauptet (Beschwerdepunkt; § 28 Abs. 1 Z. 4 VwGG) zu unterscheiden und mit ihm nicht zu verwechseln sind die Beschwerdegründe (§ 28 Abs. 1 Z. 5 leg. cit.) und die Aufhebungstatbestände des § 42 Abs. 2 leg. cit. (vgl. hiezu z.B. den Beschluß vom 26. Jänner 1998, Zl. 97/10/0247, und die dort zitierte Vorjudikatur).

5.3. Bei der behaupteten Verletzung des Parteiengehörs handelt es sich nicht um einen Beschwerdepunkt, sondern um Beschwerdegründe (vgl. z.B. die Beschlüsse vom 13. Dezember 1993, Zl. 93/10/0164, vom 28. Februar 1995, Zl. 94/04/0195, und vom 27. September 1995, Zl. 95/16/0220). Mit dem Hinweis auf eine Verletzung des Parteiengehörs hat der Beschwerdeführer somit der Verpflichtung, das Recht, dessen Verletzung er behauptet, bestimmt zu bezeichnen, nicht entsprochen. Die behauptete Verletzung eines prozessualen Rechts kann nur insoweit zum Erfolg führen, als dadurch die Wahrung der aus materiell-rechtlichen Vorschriften erfließenden subjektiven Rechte des Beschwerdeführers beeinträchtigt wurde (vgl. das Erkenntnis vom 6. November 1995, Zl. 95/04/0096). In der vorliegenden Beschwerde wird - wie noch näher darzulegen sein wird - kein vor dem Verwaltungsgerichtshof verfolgbares subjektives Recht geltend gemacht, in dem der Beschwerdeführer nach Lage des Falles durch den angefochtenen Bescheid verletzt wurde. Die Behauptung einer Verletzung des Parteiengehörs kann die Beschwerde daher nicht zum Erfolg führen.

5.4. Nach Art. 133 Z. 1 B-VG sind die Angelegenheiten, die zur Zuständigkeit des Verfassungsgerichtshofes gehören, von der Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofes ausgeschlossen. Nach Art. 144 Abs. 1 B-VG erkennt der Verfassungsgerichtshof über Beschwerden gegen Bescheide der Verwaltungsbehörden einschließlich der unabhängigen Verwaltungssenate, soweit der Beschwerdeführer durch den Bescheid in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht oder wegen Anwendung einer gesetzwidrigen Verordnung, eines verfassungswidrigen Gesetzes oder eines rechtswidrigen Staatsvertrages in seinen Rechten verletzt zu sein behauptet.

Der Beschwerdeführer beruft sich auf ein verfassungsgesetzlich gewährleistetes Recht, soweit er das Recht auf Gleichheit (Art. 2 StGG) geltend macht. Auch damit wird somit nicht die Verletzung in einem vor dem Verwaltungsgerichtshof verfolgbaren subjektiv-öffentlichen Recht durch den angefochtenen Bescheid geltend gemacht.

5.5. Schließlich macht der Beschwerdeführer eine Verletzung im Recht auf Zulassung zur Gerichtspraxis geltend.

In diesem Recht wird der Beschwerdeführer aber nach Lage des Falles durch den angefochtenen, der Sache nach in Spruchpunkt 1. die "Zuteilung einer Einsatzstelle als Rechtspraktikant", in Spruchpunkt 3. die "neuerliche Zulassung zur Gerichtspraxis" verweigernden Bescheid nicht verletzt.

Nach § 2 Abs. 1 RPG besteht auf die Zulassung in dem Ausmaß ein Rechtsanspruch, in dem die Gerichtspraxis gesetzlich als Berufs-, Ernennungs- oder Eintragungserfordernis vorgesehen ist. Die Zulassung für einen längeren Zeitraum kann nach Maßgabe der budgetären, personellen und räumlichen Möglichkeiten erfolgen.

Nach den für Richter (§§ 2 Abs. 1 Z. 5, 26 Abs. 1 Z. 1 RDG), Rechtsanwälte (§ 2 RAO), Notare (§ 117a Abs. 2 NotO) und den Dienst bei der Finanzprokuratur (Anlage 1 zum BDG, Z. 1 Pkt. 17) geltenden gesetzlichen Vorschriften ist eine Gerichtspraxis in der Dauer von neun Monaten Berufs-, Ernennungs- oder Eintragungserfordernis im Sinne des § 2 Abs. 1 RPG. Es ist nicht strittig, daß der Beschwerdeführer eine Gerichtspraxis in der Dauer von neun Monaten im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides bereits zurückgelegt hatte; damit hat er das durch § 2 Abs. 1 erster Satz RPG begründete Recht, nämlich auf die Zulassung zur Gerichtspraxis für die Dauer von neun Monaten, bereits in vollem Umfang in Anspruch genommen. Darüber hinaus wird ein Recht auf Zulassung zur Gerichtspraxis durch das Gesetz nicht begründet.

Ob dem Beschwerdeführer andere Rechte als die ausdrücklich geltend gemachten zukommen und durch den angefochtenen Bescheid verletzt werden, war im Hinblick auf die dargestellte Bezeichnung der Beschwerdepunkte nicht zu untersuchen.

5.6. Da betreffend die Spruchpunkte 1. und 3. des angefochtenen Bescheides somit bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen läßt, daß eine Verletzung im geltend gemachten Recht nicht vorliegt, war die Beschwerde insoweit gemäß § 35 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

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