Normen
AVG §56;
AVG §66 Abs2;
AVG §66 Abs4;
AVG §8;
B-VG Art131 Abs1 Z1;
B-VG Art140 Abs7;
NatSchG Tir 1991;
VwGG §34 Abs1;
AVG §56;
AVG §66 Abs2;
AVG §66 Abs4;
AVG §8;
B-VG Art131 Abs1 Z1;
B-VG Art140 Abs7;
NatSchG Tir 1991;
VwGG §34 Abs1;
Spruch:
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die beschwerdeführende Partei hat dem Land Tirol Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft K. (BH) vom 31. Juli 1996 wurde J. M. die naturschutzbehördliche Bewilligung für den Abbau von mineralischen Rohstoffen auf näher bezeichneten Grundstücken erteilt (Spruchabschnitt I). Unter Spruchabschnitt II wurde der Antrag der beschwerdeführenden Partei, mit dem ein Amtssachverständiger wegen Befangenheit abgelehnt wurde, als unzulässig zurückgewiesen.
Gegen diesen Bescheid erhoben sowohl der Landesumweltanwalt als auch die beschwerdeführende Partei Berufung.
Mit Bescheid vom 2. Mai 1997 gab die belangte Behörde der Berufung des Landesumweltanwaltes statt, behob Spruchabschnitt I des erstinstanzlichen Bescheides und verwies die Angelegenheit gemäß § 66 Abs. 2 AVG zur neuerlichen Verhandlung und zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Erstbehörde zurück.
Begründet wurde diese Entscheidung, die auch der beschwerdeführenden Partei zugestellt wurde, damit, der Inhalt des erstinstanzlichen Bescheides sei nur im Zusammenhang mit den ihm zugrundeliegenden Projektsunterlagen bestimmbar. Da eine mit dem behördlichen Genehmigungsvermerk versehene Ausfertigung des Projektes nicht habe vorgelegt werden können, erweise sich die neuerliche Durchführung einer mündlichen Verhandlung als unverzichtbar, um in dieser Verhandlung unter Beiziehung aller Parteien den Gegenstand des Verwaltungsverfahrens eindeutig zu bestimmen.
Mit einem weiteren Bescheid vom 2. Mai 1997 gab die belangte Behörde der Berufung der beschwerdeführenden Partei gegen Spruchabschnitt I des Bescheides der BH vom 31. Juli 1996 statt, behob den erstinstanzlichen Bescheid in diesem Umfang und verwies die Angelegenheit nach § 66 Abs. 2 AVG zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an die BH zurück. Die Berufung gegen Spruchabschnitt II des erstinstanzlichen Bescheides wurde als unbegründet abgewiesen. Die Begründung ist im wesentlichen die gleiche wie in dem Bescheid vom 2. Mai 1997, mit welchem über die Berufung des Landesumweltanwaltes entschieden wurde.
Gegen diesen Bescheid erhob die beschwerdeführende Partei Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof.
Mit Erkenntnis vom 26. Jänner 1998, 98/10/0022, hob der Verwaltungsgerichtshof diesen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes auf, weil er, nachdem der Verfassungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 5. Dezember 1997, G 21/97, u.a. ausgesprochen hatte, daß das Tiroler Naturschutzgesetz 1991, LGBl. Nr. 29, verfassungswidrig war, seine Rechtsgrundlage verloren hatte.
Im fortgesetzten Verfahren gab die belangte Behörde mit dem nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid vom 10. März 1998 der Berufung der beschwerdeführenden Partei gegen Spruchabschnitt I des Bescheides der BH vom 31. Juli 1996 (neuerlich) Folge, behob den erstinstanzlichen Bescheid in diesem Umfang und verwies die Angelegenheit gemäß § 66 Abs. 2 AVG zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an die BH zurück. In der Begründung heißt es, der Bescheid der belangten Behörde vom 2. Mai 1997, mit welchem der Berufung des Landesumweltanwaltes gegen den Bescheid der BH vom 31. Juli 1996 gemäß § 66 Abs. 2 AVG Folge gegeben worden sei, gehöre nach wie vor dem Rechtsbestand an. Damit sei aber die belangte Behörde an die in diesem Berufungsbescheid zum Ausdruck gekommene Rechtsmeinung gebunden. Darüber hinaus sei darauf hinzuweisen, daß auch in dem nunmehr vorgelegten erstinstanzlichen Akt lediglich der technische Bericht mit einem behördlichen Genehmigungsvermerk versehen sei. Die im erstinstanzlichen Akt enthaltenen Planunterlagen wiesen keinen vom Sachbearbeiter gefertigten Genehmigungsvermerk auf. Die entsprechenden Ausführungen der Berufungsbescheide der Tiroler Landesregierung vom 2. Mai 1997 seien daher weiterhin gültig.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht wird. Die beschwerdeführende Partei erachtet sich in ihrem Recht auf Fällung einer Sachentscheidung verletzt. Sie bringt vor, die Voraussetzungen für die Anwendung des § 66 Abs. 2 AVG lägen nicht vor. Weder sei die neuerliche Durchführung einer mündlichen Verhandlung erforderlich, noch bedürfe es einer ergänzenden Beweisaufnahme. Selbst wenn man aber die Auffassung vertrete, die Anwendung des § 66 Abs. 2 AVG durch die belangte Behörde sei zu Recht erfolgt, sei darauf hinzuweisen, daß auf Grund des Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofes, mit dem ausgesprochen wurde, daß das Tiroler Naturschutzgesetz 1991 verfassungswidrig war, zum Zeitpunkt der Erlassung des erstinstanzlichen Bescheides weder Zuständigkeitsnormen noch materiellrechtliche Vorschriften bestanden hätten. Die Behörde erster Instanz habe sohin eine Zuständigkeit in Anspruch genommen, die ihr nicht zugekommen sei. Die belangte Behörde hätte daher der Berufung deshalb Folge geben müssen, weil in erster Instanz eine unzuständige Behörde eingeschritten sei.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in der Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Nach § 66 Abs. 2 AVG kann die Berufungsbehörde, wenn der ihr vorliegende Sachverhalt so mangelhaft ist, daß die Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung unvermeidlich erscheint, den angefochtenen Bescheid beheben und die Angelegenheit zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde erster Instanz verweisen.
Seit dem Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 10. Dezember 1951, Slg. Anhang 33/A, hat der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung ausgesprochen, daß eine auf § 66 Abs. 2 AVG gestützte letztinstanzliche kassatorische Berufungsentscheidung mittels Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof angefochten werden kann. Im Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 13. Juni 1985, Slg. N.F. 11.795/A, hat der Verwaltungsgerichtshof weiters ausgesprochen, daß das Recht der Anfechtung einer Entscheidung nach § 66 Abs. 2 AVG auch dem Nachbarn im baubehördlichen Bewilligungsverfahren zukommt. Dieses Erkenntnis betraf einen Fall, in welchem in erster Instanz eine Baubewilligung versagt worden, auf Grund einer Berufung des Bauwerbers aber dieser Versagungsbescheid nach § 66 Abs. 2 AVG behoben worden war. Wie der Verwaltungsgerichtshof in dem diesen Aufhebungsbescheid behebenden Erkenntnis ausgesprochen hat, stellt auch die Behebung eines das Bauansuchen abweisenden erstinstanzlichen Bescheides eine Verschlechterung der Rechtsstellung des Nachbarn dar. Aus dieser Formulierung könnte der Schluß gezogen werden, es liege keine Verschlechterung der Position des Nachbarn und damit auch keine Beschwerdelegitimation vor, wenn in erster Instanz eine Bewilligung erteilt, diese aber auf Grund einer Berufung des Nachbarn nach § 66 Abs. 2 AVG behoben wird. Eine nähere Betrachtung des Erkenntnisses vom 13. Juni 1985, Slg. N.F. 11.795/A, zeigt aber, daß dies nicht der Fall ist. In der Begründung dieses Erkenntnisses verweist der Verwaltungsgerichtshof auf sein Erkenntnis vom 7. November 1977, 2508/76, mit welchem die Beschwerde eines Nachbarn gegen eine auf § 66 Abs. 2 AVG gestützte kassatorische Entscheidung für zulässig erachtet wurde und fährt dann fort, der Verwaltungsgerichtshof halte nunmehr diese zuletzt vertretene Rechtsauffassung auch dann für richtig, wenn in erster Instanz ein Bauvorhaben versagt worden sei. Was der Verwaltungsgerichtshof mit der Aussage meint, er halte die im Erkenntnis vom 7. November 1977, 2508/76, vertretene Auffassung, eine kassatorische Berufungsentscheidung könne vom Nachbarn bekämpft werden, auch dann für richtig, wenn in erster Instanz ein Bauvorhaben versagt worden sei, wird deutlich, wenn man das Erkenntnis vom 7. November 1977 näher betrachtet. Dieses Erkenntnis betraf einen Fall, in welchem von der Baubehörde erster Instanz eine Baubewilligung erteilt worden war; diese wurde auf Grund der Berufung eines Nachbarn nach § 66 Abs. 2 AVG behoben. Diese kassatorische Berufungsentscheidung wurde von dem betreffenden Nachbarn mit Beschwerde beim Verwaltungsgerichtshof angefochten. Der Verwaltungsgerichtshof erklärte die Beschwerde für zulässig und vertrat die Auffassung, daß auch der formell obsiegende, aber in seinem Recht auf Sachentscheidung verletzte Nachbar berechtigt sei, gegen eine solche Entscheidung Verwaltungsgerichtshofbeschwerde zu erheben. Im Erkenntnis vom 13. Juni 1985, Slg. N.F. 11.795/A, hat der Verwaltungsgerichtshof diese Auffassung ausdrücklich bestätigt und sie überdies auf jene Fälle ausgedehnt, in denen in erster Instanz eine Bewilligung versagt wurde. Die Parteien eines Verwaltungsverfahrens können demnach durch eine unrichtige Anwendung des § 66 Abs. 2 AVG in ihrem Recht auf Sachentscheidung verletzt sein und dies berechtigt sie, gegen einen solchen Bescheid Verwaltungsgerichtshofbeschwerde zu erheben. Die Beschwerde ist daher zulässig.
Sie ist aber nicht berechtigt.
Nach der Aufhebung des Bescheides der belangten Behörde vom 2. Mai 1997 durch das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 26. Jänner 1998, 98/10/0022, befand sich das Verfahren wieder im Stadium der gegen den Bescheid der BH vom 31. Juli 1996 anhängigen Berufung der beschwerdeführenden Partei. Der erstinstanzliche Bescheid vom 31. Juli 1996 beruhte auf dem Tiroler Naturschutzgesetz 1991. Mit Erkenntnis vom 5. Dezember 1997, G 21/97, u. a., hat der Verfassungsgerichtshof ausgesprochen, daß dieses Gesetz verfassungswidrig war. Nach Art. 140 Abs. 7 B-VG sind, wenn ein Gesetz wegen Verfassungswidrigkeit aufgehoben worden ist oder der Verfassungsgerichtshof gemäß Abs. 4 ausgesprochen hat, daß ein Gesetz verfassungswidrig war, alle Gerichte und Verwaltungsbehörden an den Spruch des Verfassungsgerichtshofes gebunden. Auf die vor der Aufhebung verwirklichten Tatbestände mit Ausnahme des Anlaßfalles ist jedoch das Gesetz weiterhin anzuwenden, sofern der Verfassungsgerichtshof nicht in seinem aufhebenden Erkenntnis anderes ausspricht.
Durch den Ausspruch des Verfassungsgerichtshofes wurde für den Anlaßfall (rückwirkend) das Tiroler Naturschutzgesetz 1991 aus der Rechtsordnung eliminiert (vgl. Walter-Mayer, Grundriß des Österreichischen Bundesverfassungsrechts8, Rz 1170). Die belangte Behörde hatte daher bei ihrer Entscheidung über die Berufung der beschwerdeführenden Partei das Tiroler Naturschutzgesetz 1991 nicht mehr anzuwenden. Sie hätte daher richtigerweise den erstinstanzlichen Bescheid ersatzlos beheben müssen. Hat nämlich der Verfassungsgerichtshof ausgesprochen, daß das Gesetz, auf das sich der Bescheid der unterinstanzlichen Behörde stützt, nicht mehr anzuwenden ist, so kann die Entscheidung der Berufungsbehörde nur in einer ersatzlosen Behebung des erstinstanzlichen Bescheides bestehen (vgl. die bei Walter-Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze I2, unter Nr. 233, angeführte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes). Daran ändert auch der Umstand nichts, daß mit 1. Juni 1997 - also noch vor der Erlassung des angefochtenen Bescheides - das Tiroler Naturschutzgesetz 1997 in Kraft getreten ist. Dieses enthält keine rückwirkenden Bestimmungen und konnte daher dem Bescheid der BH vom 31. Juli 1996 die ihm durch das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 5. Dezember 1997 entzogene Zuständigkeitsgrundlage nicht wieder verschaffen, da für die Zuständigkeit einer Behörde die Rechtslage zum Zeitpunkt der Erlassung des Bescheides maßgeblich ist (vgl. die bei Walter-Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetz I2, 155, angeführte Rechtsprechung).
Die belangte Behörde hatte daher den erstinstanzlichen Bescheid aufzuheben. Daß sie anstatt einer ersatzlosen Behebung nach § 66 Abs. 4 mit einer Behebung nach § 66 Abs. 2 AVG vorgegangen ist, verletzt die beschwerdeführende Partei angesichts der besonderen Konstellation des Beschwerdefalles in keinem Recht. Seit dem Inkrafttreten des Naturschutzgesetzes 1997 besteht wieder eine Zuständigkeit der BH zur Entscheidung über den Antrag des J. M. auf Erteilung der naturschutzbehördlichen Bewilligung. Durch den angefochtenen Bescheid wurde daher die Sache nicht an eine unzuständige Behörde zurückverwiesen. Der angefochtene Bescheid überbindet der Erstbehörde auch keine für das weitere Verfahren bindenden Rechtsansichten, welche Rechte der beschwerdeführenden Partei verletzen könnten.
Aus den dargestellten Erwägungen erweist sich die Beschwerde als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.
Der Ausspruch über den Kostenersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 19. Oktober 1998
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