Normen
AVG §58 Abs2;
AVG §59 Abs1;
AVG §60;
BDG 1979 §123 impl;
LDG 1984 §78 Abs1;
LDG 1984 §92 Abs1;
LDG 1984 §92;
AVG §58 Abs2;
AVG §59 Abs1;
AVG §60;
BDG 1979 §123 impl;
LDG 1984 §78 Abs1;
LDG 1984 §92 Abs1;
LDG 1984 §92;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Das Land Oberösterreich hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer steht als Hauptschuloberlehrer in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Land Oberösterreich. Er ist (seit mehr als 10 Jahren) an der Hauptschule 1 in P tätig.
Mit dem vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid vom 22. Dezember 1997 hat die belangte Behörde einen Beschluss mit folgendem Spruch gefasst:
"Gegen Herrn Hauptschuloberlehrer V, Hauptschule 1, P, wird
ein Disziplinarverfahren eingeleitet.
Rechtsgrundlage:
§ 29 Abs. 1 (§ 17 Abs. 1 und § 51 Abs. 1 SchUG) und 2
Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz 1984 i.d.g.F. (LDG)
§ 47 Abs. 3 Schulunterrichtsgesetz 1986 i.d.g.F. (SchUG)
§ 69 Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz 1984 i.d.g.F. (LDG)
§ 92 Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz 1984 i.d.g.F. (LDG)"
Die Begründung des angefochtenen Bescheides hat folgenden Wortlaut:
"In der an die Disziplinarkommission gemäß § 78 LDG 1984 ergangenen Disziplinaranzeige des Bezirksschulrates Freistadt wird der begründete Verdacht einer Dienstpflichtverletzung des Herrn Hauptschullehrers V gemeldet. Es wird berichtet, dass sich Schülerinnen der 2b und 4b Klasse durch ein eigenartiges Verhalten des Herrn HOL V belästigt fühlten. Insbesondere werden körperliche Berührungen wie 'über die Haare streichen', 'über die Wirbelsäule streichen', 'Arm um die Schulter legen' von Schülerinnen der oa. Klassen als peinlich, unangenehm und störend empfunden. Darüber hinaus beklagen sich Schülerinnen über unanständige Äußerungen von Herrn HOL V.
Gemäß § 29 Abs. 1 und 2 LDG 1984 sind Landeslehrer verpflichtet, ...
Nach § 47 Abs. 3 SchUG sind Lehrern beleidigende Äußerungen untersagt.
Das Herrn HOL V angelastete Fehlverhalten ergibt in Anbetracht der in § 29 Abs. 1 (§ 17 Abs. 1 und § 51 Abs. 1 SchUG) und 2 Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz formulierten Lehrerdienstpflichten und den in § 67 Abs. 3 Schulunterrichtsgesetz geforderten Erziehungsaufgaben der Schule den begründeten Verdacht einer schuldhaften Dienstpflichtverletzung. Schuldhafte Dienstpflichtverletzungen sind nach § 69 Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz disziplinär zu verfolgen. Zur Klärung der Verschuldensfrage ist daher gemäß § 92 Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz ein Disziplinarverfahren einzuleiten."
Die im angefochtenen Bescheid genannte (an den Vorsitzenden der Disziplinarkommission gerichteten) Disziplinaranzeige des Bezirksschulrates Freistadt, datiert mit 3. Dezember 1997, hat folgenden Wortlaut:
"Gemäß § 78 Abs. 2 LDG 1984 i.d.g.F. erstattet der Bezirksschulrat Freistadt als der nach § 5 des O.ö. Landeslehrer-Diensthoheitsgesetzes 1986 i.d.g.F. landesgesetzlich hiezu berufenen Behörde gegen den Obgenannten die Disziplinaranzeige.
In einem Bericht des Schulleiters der Hauptschule 1 P vom 28. Oktober 1997 an den Bezirksschulrat Freistadt wird der Verdacht einer Dienstpflichtverletzung des Herrn Hauptschullehrers V gemeldet. Es wird berichtet, dass sich Schülerinnen der 2b und 4b Klasse durch eigenartiges Verhalten des Herrn HL V belästigt fühlten. Insbesondere werden körperliche Berührungen wie 'über die Haare streichen', 'über die Wirbelsäule streichen', 'Arm um die Schulter legen' von Schülerinnen der angeführten Klassen als peinlich, unangenehm und störend empfunden. Zur vorläufigen Klarstellung des Sachverhaltes wurden Befragungen in den betroffenen Schulklassen durch die Klassenlehrerinnen angeordnet. Eine Befragung des Herrn HL V über die Vorfälle durch den Bezirksschulinspektor wurde am 28. Oktober 1997 im Beisein des Herrn Hauptschuldirektors M durchgeführt. Eine schriftliche Stellungnahme wurde von Herrn HL V bis 29. Oktober 1997 eingefordert. Eingelangt ist diese Stellungnahme beim Bezirksschulrat Freistadt am 2. Dezember 1997. Ebenso wurden die Klassenlehrerinnen zu den Vorfällen einzeln befragt. Eine Disziplinaranzeige ist zu erstatten, da der Verdacht der Dienstpflichtverletzung gemäß § 29 Abs. 1 (§ 17 Abs. 1 und § 51 Abs. 1 SchUG und 2 LDG 1984 i.d.g.F. nicht ausgeräumt werden konnte. Dem zuständigen PV-Organ wurde die beabsichtige Erstattung der Disziplinaranzeige gemäß § 9 Abs. 3 lit. c des Bundes-Personalvertretungsgesetzes - PVG mitgeteilt."
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.
Der Beschwerdeführer erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid nach seinem gesamten Beschwerdevorbringen in dem Recht verletzt, dass gegen ihn kein Disziplinarverfahren nach dem LDG 1984 eingeleitet wird. Er beantragt, den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes bzw. wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften kostenpflichtig aufzuheben.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete trotz gebotener Gelegenheit keine Gegenschrift.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Der Beschwerdeführer macht in seiner Beschwerde geltend, schon die Meldung des Schulleiters an den Bezirksschulrat enthalte bloß inhaltsleere Vorwürfe. Die Aussagen der Mädchen seien "nicht sehr klar", es könnten Phantasie und Eifersucht dahinter stecken. Es fehle eine Auseinandersetzung damit, ob aus den vorliegenden Behauptungen überhaupt ein disziplinarrechtlicher Vorwurf ableitbar sei. Der angefochtene Bescheid sei mangelhaft begründet, er lasse ein Mindestmaß an Begründung vermissen. Weshalb das "angelastete Fehlverhalten" den begründeten Verdacht einer schuldhaften Dienstpflichtverletzung ergebe, sei nicht (zumindest nicht hinreichend) begründet worden. Die Ausführungen der belangten Behörde seien als Scheinbegründung anzusehen. Die im Bescheid enthaltenen "Vorwürfe" seien nicht geeignet, einen disziplinarrechtlichen Vorwurf zu begründen.
Mit diesem - das Fehlen der inhaltlichen Mindestvoraussetzungen eines Einleitungsbeschlusses betreffenden - Vorbringen ist der Beschwerdeführer im Recht.
Gemäß § 78 Abs. 1 Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz (LDG 1984) hat der Vorgesetzte jeden begründeten Verdacht einer Dienstpflichtverletzung unverzüglich zu melden, wenn nach seiner Ansicht eine Belehrung oder Ermahnung nicht ausreicht.
Nach Abs. 2 erster Satz dieser Gesetzesstelle hat die landesgesetzlich hiezu berufene Behörde die zur vorläufigen Klarstellung des Sachverhaltes erforderlichen Erhebungen zu pflegen und bei Verdacht einer Dienstpflichtverletzung Disziplinaranzeige an die zur Durchführung des Disziplinarverfahrens zuständige Behörde zu erstatten.
Eine Abschrift der Disziplinaranzeige ist, sofern es sich nicht um eine Selbstanzeige handelt, zufolge Abs. 3 leg. cit. dem Beschuldigten unverzüglich zuzustellen. Ferner ist die Disziplinaranzeige auch dem Disziplinaranwalt zu übermitteln, sofern dieser landesgesetzlich vorgesehen ist.
Sofern die Landesgesetzgebung Disziplinarkommissionen vorsieht, finden gemäß § 91 Abs. 1 erster Satz LDG 1984 für das Verfahren vor diesen die §§ 92 bis 101 Anwendung.
Gemäß § 92 Abs. 1 LDG 1984 hat der Vorsitzende der Disziplinarkommission nach Einlangen der Disziplinaranzeige die Disziplinarkommission zur Entscheidung darüber einzuberufen, ob ein Disziplinarverfahren durchzuführen ist. Notwendige Ermittlungen sind von der landesgesetzlich hiezu berufenen Behörde im Auftrag der Disziplinarkommission durchzuführen.
Hat die Disziplinarkommission die Durchführung eines Disziplinarverfahrens beschlossen (Einleitung des Disziplinarverfahrens), so ist nach Abs. 2 dieser Gesetzesstelle dieser Beschluss dem beschuldigten Landeslehrer, dem Disziplinaranwalt und der landesgesetzlich hiezu berufenen Behörde zuzustellen. Gegen die Einleitung des Disziplinarverfahrens ist kein Rechtsmittel zulässig.
Wie der Verwaltungsgerichtshof zur Rechtslage des BDG 1979 und des LDG 1984 in ständiger Rechtsprechung dargelegt hat (vgl. hiezu etwa die hg. Erkenntnisse vom 9. September 1997, Zl. 95/09/0243, vom 16. September 1998, Zl. 96/09/0320, vom 10. März 1999, Zl. 97/09/0190, vom 27. Oktober 1999, Zl. 97/09/0105, und vom 27. Oktober 1999, Zl. 97/09/0091), ist die dem Einleitungsbeschluss in einem Disziplinarverfahren zukommende rechtliche Bedeutung in erster Linie darin gelegen, dem wegen einer Dienstpflichtverletzung beschuldigten Beamten (Landeslehrer) gegenüber klarzustellen, hinsichtlich welcher Dienstpflichtverletzung ein Disziplinarverfahren innerhalb der Verjährungsfrist eingeleitet wurde. Der Bescheid, durch den das Disziplinarverfahren eingeleitet wird, und der für dessen weiteren Gang eine Prozessvoraussetzung bildet, dient zugleich dem Schutz des Beschuldigten, der ihm entnehmen kann, nach welcher Richtung er sich vergangen und inwiefern er pflichtwidrig gehandelt haben soll. Der Einleitungsbeschluss begrenzt regelmäßig den Umfang des vor der Disziplinarkommission stattfindenden Verfahrens: Es darf nämlich keine Disziplinarstrafe wegen eines Verhaltens ausgesprochen werden, das nicht Gegenstand des durch den Einleitungsbeschluss in seinem Umfang bestimmten Disziplinarverfahrens ist. Um dieser Umgrenzungsfunktion gerecht zu werden, muss das dem Disziplinarbeschuldigten als Dienstpflichtverletzung vorgeworfene Verhalten im Einleitungsbeschluss aber derart beschrieben werden, dass unverwechselbar feststeht, welcher konkrete Vorgang den Gegenstand des Disziplinarverfahrens bildet. Die angelastete Tat muss daher nach Ort, Zeit und Tatumständen so gekennzeichnet werden, dass keine Unklarheit darüber möglich ist, welches dem Disziplinarbeschuldigten zur Last gelegte Verhalten auf der Grundlage des Einleitungsbeschlusses als Prozessgegenstand im anschließenden Disziplinarverfahren behandelt werden darf. Solcherart muss sich daher der Tatvorwurf von anderen gleichartigen Handlungen oder Unterlassungen, die dem Disziplinarbeschuldigten angelastet werden können, genügend unterscheiden lassen. Im Spruch des Einleitungsbeschlusses ist das dem Beschuldigten zur Last gelegte Verhalten, das als Dienstpflichtverletzung erachtet wird, nur in groben Umrissen zu umschreiben. Die einzelnen Fakten müssen nicht bestimmt, d.h. in den für eine Subsumtion relevanten Einzelheiten umschrieben werden. Der Spruch eines solchen Bescheides ist nicht für sich allein, sondern in Verbindung mit der Begründung und einer in dieser genannten Disziplinaranzeige, so sie dem Beschuldigten zur Kenntnis gebracht wurde, zu beurteilen, insoweit sich aus diesen der von der Behörde angenommene maßgebende Sachverhalt, der als Anknüpfungspunkt für die rechtliche Beurteilung zu dienen hat, ergibt.
Für die Einleitung des Disziplinarverfahrens reicht es aus, wenn genügend Verdachtsgründe gegen den Beamten (Landeslehrer) vorliegen, welche die Annahme einer Dienstpflichtverletzung rechtfertigen. Ein Verdacht kann immer nur auf Grund einer Schlussfolgerung aus Tatsachen entstehen. Ohne Tatsachen - wie weit sie auch vom (vermuteten) eigentlichen Tatgeschehen entfernt sein mögen - gibt es keinen Verdacht. Ein Verdacht besteht, wenn hinreichende tatsächliche Anhaltspunkte die Annahme der Wahrscheinlichkeit des Vorliegens von bestimmten Umständen rechtfertigen. "Verdacht" ist mehr als eine bloße Vermutung. Es kommt auf die Kenntnis von Tatsachen an, aus denen nach der Lebenserfahrung auf ein Vergehen geschlossen werden kann. Bloße Gerüchte und vage Vermutungen allein reichen für die Einleitung eines Verfahrens nicht aus.
Der angefochtene Bescheid enthält in seinem Spruch gar keine Tatumschreibung. Es steht daher nach dem Spruch nicht fest, welcher Sachverhalt den Gegenstand des Disziplinarverfahrens bilden soll. Daran vermag die in der Einleitung des Bescheidspruches und in der Bescheidbegründung genannte Disziplinaranzeige des Bezirksschulrates Freistadt schon deshalb nichts zu ändern, weil in dieser Disziplinaranzeige inhaltlich substantiierte Vorwürfe gleichfalls fehlen. Die in der Disziplinaranzeige und in der Bescheidbegründung wiedergegebene "Meldung des Verdachtes einer Dienstpflichtverletzung" enthält keine zeitliche Abgrenzung. Die betroffenen Schülerinnen sind nicht individualisiert angegeben. Darüber, welches nach Zeit und Tatumständen umschriebene Verhalten dem Beschwerdeführer im nachfolgenden Disziplinarverfahren eigentlich angelastet werden soll, besteht - auch nach dem Inhalt der vorgelegten Verwaltungsakten erkennbar - keine Klarheit, weshalb im angefochtenen Bescheid eben ein hinreichend bestimmtes Verhalten des Beschwerdeführers nicht dargestellt werden konnte. Es konnte daher eine nähere Erörterung der Frage unterbleiben, welches Verhalten der Beschwerdeführer im einzelnen gesetzt hat und welche Absicht er damit verfolgte.
Es kann somit der Mangel der gänzlich fehlenden Tatumschreibung im Bescheidspruch auch durch Einbeziehung von Bescheidbegründung und Inhalt der Disziplinaranzeige nicht behoben werden (vgl. etwa auch das hg. Erkenntnis vom 10. März 1999, Zl. 97/09/0190).
Da der angefochtene Einleitungsbeschluss mangels ausreichender Tatumschreibung somit seiner Umgrenzungsfunktion nicht gerecht wird, war dieser gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 4. April 2001
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