VwGH 98/03/0245

VwGH98/03/024526.5.1999

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Puck und die Hofräte Dr. Gruber und Dr. Gall als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Ogris, über die Beschwerde des HW in K, vertreten durch Dr. Leopold Hirsch, Rechtsanwalt in 5020 Salzburg, Nonntaler Hauptstraße 1a, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Salzburg vom 23. Juni 1998, Zl. UVS-3/5166/5-1998, betreffend Übertretung der Straßenverkehrsordnung 1960, zu Recht erkannt:

Normen

StVO 1960 §5 Abs1;
StVO 1960 §5 Abs2;
StVO 1960 §5 Abs1;
StVO 1960 §5 Abs2;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Land Salzburg Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Salzburg-Umgebung vom 17. Februar 1997 wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, er habe am 23. Oktober 1996 um 21.15 Uhr einen nach dem Kennzeichen bestimmten Pkw an einem näher bezeichneten Ort in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand mit einem Atemluftalkohlgehalt von über 0,4 mg/l gelenkt. Der Beschwerdeführer habe eine Verwaltungsübertretung nach § 99 Abs. 1 lit. a StVO 1960 i.V.m. § 5 Abs. 1 leg. cit. begangen. Über den Beschwerdeführer wurde eine Geldstrafe von S 18.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe: 18 Tage) verhängt.

Mit dem vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid wurde die Berufung mit der Maßgabe als unbegründet abgewiesen, dass die Tatzeit "gegen 20:15 Uhr" zu lauten habe.

Nach der Begründung dieses Bescheides ging die belangte Behörde im Wesentlichen davon aus, dass der Beschwerdeführer von einem näher bezeichneten Zeugen (im Folgenden: W.) dabei beobachtet worden sei, wie er torkelnd zu seinem Fahrzeug gegangen sei. Aus dem Verhalten des Beschwerdeführers habe W. geschlossen, dass dieser alkoholisiert sein müsse und ihn darauf auch angesprochen, dass er in seinem Zustand kein Fahrzeug mehr lenken könne. Da der Beschwerdeführer trotzdem sein Fahrzeug gestartet habe und losgefahren sei, habe W. unter Angabe des Kennzeichens die Polizei verständigt. Zwei Beamte einer Sektorstreife seien um 21.15 Uhr beim Haus des Beschuldigten angekommen und hätten ihn zur Ablegung des Alkomattests aufgefordert. Bei den in weiterer Folge um

21.23 Uhr bzw. 21.25 Uhr durchgeführten Alkomattests hätte sich ergeben, dass die Atemluft des Beschwerdeführers eine Alkoholgehalt von 0,78 mg/l aufgewiesen habe. Einer der Beamten (im Folgenden: P.) habe den Beschwerdeführer befragt, ob er soeben mit seinem Fahrzeug gefahren sei. Auf die bejahende Antwort des Beschwerdeführers sei er zu seinem Alkoholkonsum befragt worden, insbesondere, ob er nach Beendigung der Fahrt noch Alkohol zu sich genommen habe. Der Beschwerdeführer habe dies bejaht und auf ein auf dem Wohnzimmertisch befindliches Glas gedeutet und gemeint, dass dies Schnaps sei. P. habe jedoch festgestellt, dass es sich bei dem im Glas befindlichen Getränk um "Fanta" gehandelt habe. Auf die weitere Frage des Beamten, wo sich nun das Glas bzw. die Flasche befinde, woraus der Beschwerdeführer das alkoholische Getränk zu sich genommen haben solle, habe weder dieser noch seine Ehegattin eine konkrete Angabe machen können. Daraufhin habe der Beschwerdeführer behauptet, dass er Bier getrunken habe. Auch bei dieser Angabe sei es weder dem Beschwerdeführer noch dessen Gattin möglich gewesen, ein entsprechendes Gefäß, in dem sich das Bier befunden haben solle, vorzuweisen. Erst bei der rund einen Monat nach dem Vorfall stattfindenden Vernehmung des Beschwerdeführers vor der Bezirkshauptmannschaft Salzburg-Umgebung habe der Beschwerdeführer angegeben, dass er in der Zeit von 20.15 Uhr bzw.

20.20 Uhr bis 21.00 Uhr rund einen 1/4 l Schnaps getrunken habe. Der Beschwerdeführer gebe selbst zu, im Verlauf der Amtshandlung nur recht diffuse Angaben zu seinem Alkoholkonsum gemacht zu haben. Es wäre seine Verpflichtung gewesen, noch während der Amtshandlung die in der späteren Verantwortung behauptete Menge des getrunkenen Alkohols anzugeben und unter Beweis zu stellen. Wenn der Beschwerdeführer in seiner Einvernahme vor der belangten Behörde angebe, dass er das Glas, aus dem er Schnaps getrunken habe, unausgewaschen in die "Abwasch" gestellt habe, so wäre es ihm ein Leichtes gewesen, dieses Schnapsglas den Beamten vorzuweisen. Der Beschwerdeführer habe angegeben, dass er deshalb Schnaps getrunken habe, weil sich kein Bier im Haus befunden habe. Dagegen hätten beide Beamten übereinstimmend angegeben, dass in der Garage des Hauses des Beschwerdeführers eine volle Bierkiste gestanden sei. Wenn die Gattin des Beschwerdeführers seine Darstellung bestätigt habe, so handle es sich in diesem Fall um eine Falschaussage vor einer Verwaltungsbehörde, die gerichtlich strafbar sei. Bei der Aussage der Zeugin sei aufgefallen, dass diese zwar den behaupteten Nachtrunk detailliert geschildert habe, sich an die Amtshandlung selbst aber nur mehr sehr unvollständig habe erinnern können. Es sei ganz offensichtlich, dass die Aussage der Zeugin abgesprochen gewesen sei, jedoch eben nur jener Teil, der dem Beschwerdeführer zur Stützung seiner Nachtrunkverantwortung wichtig erschienen sei. Dies habe sich auch deutlich in der Körperhaltung der Zeugin gezeigt, die zunächst sehr selbstsicher gewirkt habe, bei der Beantwortung nicht erwarteter Fragen jedoch auffallende Zeichen von Unsicherheit und Nervosität gezeigt habe.

Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Akten des Verwaltungsstrafverfahrens und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen:

Nach § 5 Abs. 1 StVO 1960 - in der im Beschwerdefall zur Anwendung kommenden Fassung der 19. StVO-Novelle, BGBl. Nr. 518/1994 - gilt bei einem Alkoholgehalt des Blutes von 0,8 mg/l (0,8 Promille) oder darüber oder bei einem Alkoholgehalt der Atemluft von 0,4 mg/l oder darüber der Zustand einer Person jedenfalls als von Alkohol beeinträchtigt.

Gemäß § 5 Abs. 3 leg. cit. ist die Untersuchung der Atemluft auf Alkoholgehalt mit einem Gerät vorzunehmen, das den Alkoholgehalt der Atemluft misst und entsprechend anzeigt (Alkomat).

Der Beschwerdeführer macht geltend, dass kein gültiges Ergebnis der Atemalkoholmessung vorliege, weil "entgegen den ausdrücklichen Anwendungsbestimmungen des Alkomaten die notwendige Wartezeit von 15 Minuten zwischen Aufforderung zur Durchführung des Alkomattests und tatsächlicher Durchführung der Messung" nicht eingehalten worden sei. Der Beschwerdeführer verkennt dabei, dass die Atemluftalkoholuntersuchung nach den Verwendungsrichtlinien für Atemalkoholmessgeräte erst 15 Minuten nach dem letzten Alkoholkonsum vorgenommen werden darf (vgl. etwa das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 27. Jänner 1995, Zl. 95/02/0007), und nicht, wie der Beschwerdeführer meint, erst 15 Minuten nach der Aufforderung zur Durchführung des Alkomattests. Im Übrigen hätte der Alkomat kein Messergebnis geliefert, sondern "RST" angezeigt, wenn die Atemluft des Probanden bei Durchführung des Tests durch einen im Mund befindlichen Alkohol beeinträchtigt gewesen wäre (vgl. auch dazu das vorzitierte Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 27. Jänner 1995 sowie etwa auch das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 11. Oktober 1995, Zl. 95/03/0151).

Das Schwergewicht der Beschwerdeausführungen liegt in der Bekämpfung der behördlichen Beweiswürdigung und der Annahme der belangten Behörde, der Beschwerdeführer habe keinen Nachtrunk zu sich genommen. Der Verwaltungsgerichtshof kann im Rahmen der ihm insoweit zustehenden Kontrollbefugnis (vgl. das Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 3. Oktober 1985, Zl. 85/02/0053) aber nicht finden, dass diese Beweiswürdigung, die darauf aufbaut, dass die bei der Amtshandlung (als erste sich bietende Gelegenheit) gemachten Angaben des Beschwerdeführers über seinen Alkoholkonsum nach Beendigung der Fahrt unrichtig gewesen seien, rechtswidrig wäre. Wenn nämlich der Beschwerdeführer geltend macht, er habe (ohnedies) anläßlich seiner Einvernahme am 25. November 1996 gegenüber der Erstbehörde die dezidierte Menge des konsumierten Alkohols nach Beendigung des Lenkens angegeben, so vermag damit eine zur Aufhebung führende Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides nicht aufgezeigt zu werden. Hat doch der Verwaltungsgerichtshof in seiner bisherigen Rechtsprechung (vgl. etwa das Erkenntnis vom 26. Jänner 1996, Zl. 95/02/0289, und die dort zitierte Vorjudikatur) im Zusammenhang mit der Glaubwürdigkeit eines behaupteten Nachtrunkes dem Umstand Bedeutung beigemessen, zu welchem Zeitpunkt der Lenker diese Behauptung aufgestellt hat. In Anbetracht der Wichtigkeit dieses Umstandes ist davon auszugehen, dass auf einen allfälligen Nachtrunk bei erster sich bietender Gelegenheit hingewiesen wird. Wenn im vorliegenden Beschwerdefall die Behörde in nicht als rechtswidrig zu erkennender Weise die bei der (ersten) Amtshandlung gemachten Angaben des Beschwerdeführers als unrichtig beurteilte und daraus ihre (für den Beschwerdeführer negativen) Schlüsse zog, so ist dies nicht zu beanstanden. Daran vermag auch das Beschwerdevorbringen nichts zu ändern, der Aussage des P., aus dem von ihm vorgefundenen Glas sei offensichtlich Fanta getrunken worden, stehe die Aussage der Gattin des Beschwerdeführers gegenüber, die ausgesagt habe, sie habe Saft getrunken. Hat doch die belangte Behörde schlüssig dargelegt, warum sie der Aussage der Gattin des Beschwerdeführers nicht gefolgt ist. Wenn weiters gerügt wird, es sei nicht erhoben worden, ob das Glas am Wohnzimmertisch ausgewaschen und von der Gattin zum Trinken des Saftes neuerlich verwendet worden sei, so ist der Beschwerdeführer auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu verweisen (vgl. das Erkenntnis vom 21. April 1999, Zl. 98/03/0050), dass derjenige, der sich auf einen Nachtrunk beruft, die Menge des solcherart konsumierten Alkohols konkret zu behaupten und Beweise anzubieten hat. Solches wäre - und zwar bei der Amtshandlung - schon deshalb erforderlich gewesen, um eine solche Behauptung überhaupt verifizieren zu können.

Gleiches hat für das Beschwerdevorbringen zu gelten, der erhebende Beamte habe ausgeführt, in der Garage eine volle Kiste Bier vorgefunden zu haben, weshalb "die Verantwortung des Beschwerdeführers nicht widerlegt (ist), dass er trotzdem Bier getrunken habe". Stellt doch diese Behauptung, nämlich "Bier getrunken" zu haben, eine konkrete Behauptung (und ein Bescheinigungsanbieten) über die Menge des konsumierten Alkohols keinesfalls dar.

Der Beschwerdeführer bringt weiters vor, die belangte Behörde habe unrichtigerweise festgestellt, dass der Beschwerdeführer vom Zeugen W. beobachtet worden sei, wie er torkelnd zu seinem Fahrzeug gegangen sei. Auch die diesbezüglichen Beschwerdeausführungen zeigen eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides nicht auf. Hat doch die belangte Behörde - jedenfalls erkennbar - lediglich darauf abgestellt, dass sie der Nachtrunkverantwortung des Beschwerdeführers nicht gefolgt ist und daher ihren Schuldspruch auf das gültige Ergebnis des Alkomattests - unter Beachtung einer resorptionsbedingten relativen Veränderung des Blut- bzw. Atemalkoholgehaltes zwischen dem Lenken einerseits und dem Messzeitpunkt andererseits - gestützt hat, nicht aber auf eine insbesondere durch Zeugenbeweis festgestellte Alkoholbeeinträchtigung. Aus diesem Grund war es auch nicht rechtswidrig, wenn die belangte Behörde, anders als der Beschwerdeführer meint, die Einvernahme der Beifahrer des Beschwerdeführers sowie die Einholung eines medizinischen Sachverständigengutachtens zum Alkoholisierungsgrad als für das Beweisthema des Nachtrunkes als nicht entscheidungswesentlich abwies. Dass ein Sachverständigengutachten für die resorptionsbedingte relative Veränderung des Blut- bzw. Atemalkoholgehalts zwischen dem Lenken einerseits und dem Messzeitpunkt andererseits erforderlich gewesen wäre, wird vom Beschwerdeführer gar nicht behauptet. Davon abgesehen ist nicht zu finden, dass unter diesem Gesichtspunkt durch die Nichtaufnahme eines medizinischen Sachverständigengutachtens wesentliche Verfahrensvorschriften verletzt worden wären, weil der durchschnittliche Verbrennungswert ca. 0,05 mg/l (= 0,1 Promille Blutalkoholgehalt) pro Stunde beträgt (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 22. April 1998, Zlen. 97/03/0353, 0367).

Schließlich versagt auch der Beschwerdevorwurf, die belangte Behörde habe gegen den Grundsatz "in dubio pro reo" verstoßen. Stellt doch dieser Grundsatz lediglich eine Regel für jene Fälle dar, in denen im Wege des Beweisverfahrens und anschließender freier Würdigung der Beweise in dem entscheidenden Organ nicht mit Sicherheit die Überzeugung von der Richtigkeit des Tatvorwurfes erzeugt werden konnte (vgl. etwa das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 24. Jänner 1996, Zl. 95/03/0170), was in Hinsicht auf die schlüssige Beweiswürdigung der belangten Behörde im Beschwerdefall nicht zutrifft.

Die Beschwerde erweist sich somit insgesamt als nicht begründet. Sie war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Von der beantragten mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden. Der Anforderung des Art. 6 MRK wurde im gegenständlichen Fall durch die Durchführung einer öffentlichen, mündlichen Verhandlung vor der belangten Behörde, einem Tribunal im Sinne der MRK, Genüge getan (vgl. etwa das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 9. September 1997, Zl. 95/09/0200).

Soweit Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes zitiert wurden, die in der Amtlichen Sammlung der Erkenntnisse und Beschlüsse dieses Gerichtshofes nicht veröffentlicht sind, wird auf Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, hingewiesen.

Wien, am 26. Mai 1999

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