VwGH 97/17/0301

VwGH97/17/030125.1.1999

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hnatek und die Hofräte Dr. Höfinger, Dr. Holeschofsky, Dr. Köhler und Dr. Zens als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Fegerl, über die Beschwerden 1.) der M reg. Gen.m.b.H. (hg. Zl. 97/17/0304), und 2.) des P (hg. Zl. 97/17/0301), beide vertreten durch Dr. R, Rechtsanwalt in M, gegen den Bescheid des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft vom 7. Juli 1997, Zl. 17.255/46-IA7/97, betreffend Aufhebung eines Bescheides im Aufsichtsweg i.A. MOG (mitbeteiligte Parteien: 1. H, 2. L, 3. G, 4. J, 5. E, 6. T, 7. Ma, 8. Z, 9. Va,

  1. 10. V, vertreten durch Dr. Ro und Mag. Ru, Rechtsanwälte in K,
  2. 11. P, 12. St, 13. Wa, 14. Lu, 15. Wi, 16. Ro, 17. Kr , vertreten durch Dr. Ro und Mag. Ru, Rechtsanwälte in K, 18. Th, 19. B, 20. Fr und Sk, beide vertreten durch Dr. Ro und Mag. Ru, Rechtsanwälte in K, 21. Di, 22. An, 23. Wu, 24. Mo, vertreten durch Dr. Ro und Mag. Ru, Rechtsanwälte in K, 25. Na, vertreten durch Dr. Ro und Mag. Ru, Rechtsanwälte in K, 26. I, 27. Mag. F, 28. Sch, 29. Op,

    30. Gl, 31. Vö, 32. Po, 33. Em, 34. So, 35. Hu, 36. El),

    1. den Beschluß gefaßt:

Die Mitbeteiligung des Ge und der Lu, beide in G, beide vertreten durch Dr. S, Rechtsanwalt in W, wird zurückgewiesen,

2. zu Recht erkannt:

Normen

AMA-Gesetz 1992 §2 Abs1;
AMA-Gesetz 1992 §2 Abs4;
AMA-Gesetz 1992 §3 Abs2 Z1;
BAO §20;
BAO §299;
BAO §93 Abs3 lita;
B-VG Art130 Abs2;
MOG 1985 §83 Abs3;
VwGG §21 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
VwGG §47 Abs3;
AMA-Gesetz 1992 §2 Abs1;
AMA-Gesetz 1992 §2 Abs4;
AMA-Gesetz 1992 §3 Abs2 Z1;
BAO §20;
BAO §299;
BAO §93 Abs3 lita;
B-VG Art130 Abs2;
MOG 1985 §83 Abs3;
VwGG §21 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
VwGG §47 Abs3;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat den beschwerdeführenden Parteien Aufwendungen in der Höhe von jeweils S 12.890,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Kostenmehrbegehren der beschwerdeführenden Parteien wird abgewiesen.

Begründung

Mit dem an die beschwerdeführenden Parteien und weitere 38 im Verfahren als Mitbeteiligte herangezogene Milcherzeuger ergangenen Bescheid vom 7. Juli 1997 hob die belangte Behörde den Bescheid des Vorstands für den Geschäftsbereich III der Agrarmarkt Austria vom 21. Mai 1997 gemäß § 83 Abs. 3 Marktordnungsgesetz 1985 (MOG), BGBl. Nr. 210, in Ausübung des Aufsichtsrechtes auf. Dies mit der Begründung, mit Schreiben vom 3. Juli 1997 habe die Agrarmarkt Austria (AMA) mitgeteilt, unter analoger Heranziehung des Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofes vom 26. Mai 1997, Zl. 96/17/0459, weise der Bescheid vom 21. Mai 1997 eine inhaltliche Rechtswidrigkeit dadurch auf, daß § 79 Abs. 2 MOG in der letztgültigen Fassung als Rechtsgrundlage zur Anwendung gekommen sei. Da damit dem Grundsatz der Zeitbezogenheit der Abgaben widersprochen worden sei, leide der Bescheid an einer inhaltlichen Rechtswidrigkeit und sei daher gemäß § 83 Abs. 3 MOG aufzuheben. Die AMA habe nunmehr neuerlich bescheidmäßig über die Nachforderungen des zusätzlichen Absatzförderungsbeitrages und die Rückforderungen von Lieferrücknahmeprämien im Wirtschaftsjahr 1987/88 abzusprechen.

Gegen diesen Bescheid richten sich die Beschwerden der beschwerdeführenden Parteien wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften. Die beschwerdeführenden Parteien erachten sich in ihrem Recht auf Aufrechterhaltung der Rechtskraft des angefochtenen Bescheides verletzt.

Die belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Die mitbeteiligten Parteien Ge und Lu brachten einen als Replik bezeichneten Schriftsatz ein, in dem sie die Aufhebung des Bescheides der belangten Behörde und die Feststellung der eingetretenen Verjährung des von der belangten Behörde von der Erstbeschwerdeführerin geforderten zusätzlichen Absatzförderungsbeitrages beantragten. Weiters brachten Em und L Schriftsätze zur Beschwerde der Erstbeschwerdeführerin ein. Die Mitbeteiligten Mo, Kr, V, Na und Fr, diese vertreten durch Dr. Ro und Mag. Ru, Rechtsanwälte in K, erstatteten eine Gegenschrift, in der sie beantragten, der Beschwerde der Erstbeschwerdeführerin keine Folge zu geben und ihnen den Ersatz der Kosten von insgesamt S 12.940,-- zuzusprechen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat die beiden Rechtssachen zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung verbunden und danach erwogen:

Jenen Parteien, die vor dem Verwaltungsgerichtshof - so wie die Beschwerdeführer - die Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt haben, fehlt die Stellung als Mitbeteiligte im Sinne des § 21 Abs. 1 VwGG, da Mitbeteiligter nur jemand sein kann, der die Abweisung der Beschwerde anstrebt (vgl. Verwaltungsgerichtshof vom 6. Juli 1966, Zl. 1127/65; 20. Februar 1992, Zl. 89/08/0127, VwSlg. 13.583 A/1992; 29. Oktober 1992, Zl. 90/10/0044).

Gemäß § 83 Abs. 3 MOG i.d.F. BGBl. Nr. 210/1985 kann ein Bescheid des Milchwirtschaftsfonds in Ausübung des Aufsichtsrechtes vom Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben werden.

Gemäß § 2 Abs. 1 AMA-Gesetz 1992, BGBl. Nr. 376, tritt die AMA an die Stelle des Milchwirtschaftsfonds.

Gemäß § 3 Abs. 2 Z. 1 AMA-Gesetz hat die AMA im übertragenen Wirkungsbereich alle Aufgaben, die vom Milchwirtschaftsfonds zu vollziehen sind, zu vollziehen.

Gemäß § 2 Abs. 4 AMA-Gesetz beginnt die behördliche Zuständigkeit der AMA mit 1. Juli 1993.

Die AMA trat somit mit 1. Juli 1993 an die Stelle des Milchwirtschaftsfonds und übernahm alle im Rahmen des MOG 1985 vollzogenen Aufgaben dieses Fonds. § 83 Abs. 3 MOG i.d.F. BGB. Nr. 210/1985 war demnach im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides am 7. Juli 1997 die Rechtsgrundlage für die Behebung rechtswidriger, im Aufgabenbereich des Abschnittes D ergangener Bescheide des Milchwirtschaftsfonds und der AMA. Die Regelung des § 83 MOG kann nämlich nicht so verstanden werden, daß damit nur die Bescheide des Milchwirtschaftsfonds, nicht aber auch der Organe der rechtsnachfolgenden AMA erfaßt wären.

Mit der MOG-Novelle BGBl. Nr. 664/94, wurde nach § 92 MOG ein "Abschnitt F Durchführung der Gemeinsamen Marktorganisationen" eingefügt. In diesem Abschnitt F ist im § 103 Abs. 1 Z. 3 MOG die Rechtsgrundlage für die Bescheidbehebung rechtswidriger Bescheide durch den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft in Ausübung des Aufsichtsrechts normiert. Im Beschwerdefall waren Fragen der Gemeinsamen Marktorganisationen aber nicht Gegenstand des Verfahrens, sondern Nachforderungen des zusätzlichen Absatzförderungsbeitrages und die Rückforderungen von Lieferrücknahmeprämien im Wirtschaftsjahr 1987/88.

Daraus ergibt sich, daß die belangte Behörde entgegen der Ansicht des Zweitbeschwerdeführers zur aufsichtsbehördlichen Behebung des Bescheides des Vorstandes des Geschäftsbereiches III der AMA zuständig war und sich in ihrer Aufhebung auf die zutreffende Rechtsgrundlage (selbst ein Vergreifen in der Rechtsgrundlage hätte die Beschwerdeführer nicht in ihren Rechten verletzt - vgl. hg. Erkenntnis vom 13. Dezember 1991, Zl. 91/13/0142) gestützt hat.

Der auf § 83 Abs. 3 MOG gestützte Aufhebungsbescheid hat wie jeder andere Bescheid die im § 93 BAO ganz allgemein festgelegten Bescheiderfordernisse zu erfüllen. Die Aufsichtsbehörde muß in der Bescheidbegründung daher darlegen, daß die für das Eingreifen des § 299 BAO erforderlichen Voraussetzungen im Tatsachen- und Rechtsbereich erfüllt sind, insbesondere welche Billigkeits- und Zweckmäßigkeitserwägungen, vor allem welche Interessen sie im Verfahren als berührt erachtete (die objektive Rechtsrichtigkeit, Gesetzmäßigkeit, Gleichmäßigkeit der Besteuerung, Rechtsbeständigkeit, Rechtssicherheit). Im Anwendungsbereich des § 20 BAO muß die Behörde in der Begründung ihrer positiven Ermessensentscheidung dartun, aus welchen Gründen sie bei der vorzunehmenden Interessensabwägung den Gesichtspunkten der Zweckmäßigkeit gegenüber jenen der Billigkeit den Vorzug einräumte. Tut sie dies nicht, so ist der Bescheid wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 3 Z. 1 lit. c VwGG aufzuheben, es sei denn, es könne ausgeschlossen werden, daß die Behörde bei Vermeidung dieses Mangels zu einem anderen Bescheid hätte kommen können (vgl. hg. Erkenntnis vom 16. September 1986, Zl. 86/14/0063).

Der Bescheid der belangten Behörde begründet die Aufhebung des in Rede stehenden Bescheides des Vorstandes des Geschäftsbereiches III der AMA vom 21. Mai 1997 ausschließlich damit, daß bei diesem Bescheid die anzuwendenden Rechtsvorschriften in der zuletzt gültigen Fassung zugrunde gelegt worden seien und somit dem Grundsatz der Zeitbezogenheit der Abgaben widersprochen worden sei und der Bescheid deswegen an einer inhaltlichen Rechtswidrigkeit leide.

Eine Aufhebung des Bescheides vom 21. Mai 1997 wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit setzt voraus, daß die Behörde bei richtiger rechtlicher Beurteilung zu einem anderen Ergebnis gekommen wäre. Dies ist zu begründen; die unrichtige Zitierung einer Gesetzesstelle allein muß noch keine inhaltliche Rechtswidrigkeit bedeuten (vgl. Stoll, BAO-Kommentar, 2888).

Die nach § 20 BAO gebotene Ermessensentscheidung durch Interessenabwägung erfolgt im angefochtenen Bescheid nicht. Die Begründung, wonach die Anwendung bestimmter Rechtsvorschriften dem Grundsatz der Zeitbezogenheit der Abgaben widersprochen haben solle, ist keine Interessenabwägung zwischen den Gesichtpunkten der Zweckmäßigkeit und Billigkeit und keine Darlegung der Gründe, die einem der beiden Gesichtspunkte den Vorrang einräumte. Da nicht ausgeschlossen werden kann, daß die belangte Behörde bei Einhaltung der Verfahrensvorschriften zu einem im Spruch anderslautenden Bescheid hätte kommen können, erweist sich dieser Begründungsmangel als wesentlich.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Die Abweisung des Kostenmehrbegehrens der beschwerdeführenden Parteien betrifft Stempelgebührenaufwand für nicht erforderliche Beilagen.

Wien, am 25. Jänner 1999

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte