Normen
ARB1/80 Art6;
ARB1/80 Art7 Abs1;
ARB1/80 Art7;
AufG 1992;
AuslBG §1 Abs3;
AuslBG §4 Abs1;
AuslBG §4 Abs3 Z1;
AuslBG §4 Abs3 Z7;
EURallg;
ARB1/80 Art6;
ARB1/80 Art7 Abs1;
ARB1/80 Art7;
AufG 1992;
AuslBG §1 Abs3;
AuslBG §4 Abs1;
AuslBG §4 Abs3 Z1;
AuslBG §4 Abs3 Z7;
EURallg;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Das Arbeitsmarktservice hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.890,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer beantragte mit Schriftsatz vom 16. August 1996 an das Arbeitsmarktservice
Handel - Transport - Verkehr - Landwirtschaft Wien, gestützt auf das Assoziationsabkommen EWG-Türkei aus 1963 und den Assoziationsratsbeschluß Nr. 1/80 (ARB Nr. 1/80), die Feststellung, daß er wegen Erfüllung der Bedingungen des Art. 7 Abs. (Anm.: Schreibweise in der Diktion des EuGH "Satz") 1 zweiter Gedankenstrich ARB Nr. 1/80, das Recht auf unbeschränkten und befristeten Zugang zum österreichischen Arbeitsmarkt habe. Sein Vater sei seit 1989 in Österreich wohnhaft und beschäftigt. Er selbst sei im Oktober 1990 "über Familienzusammenführung" nach Österreich gekommen, sei seitdem ohne Unterbrechung in Österreich wohnhaft und habe ohne Unterbrechung bis 13. September 1995 eine Aufenthaltsbewilligung besessen. Sein Antrag auf Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung sei abgewiesen worden. Sein Vater unterliege dem regulären österreichischen Arbeitsmarkt, besitze einen bis 18. Juni 2000 gültigen Befreiungsschein und stehe in aufrechter Beschäftigung bei der Firma S HandelsgesmbH.
Die Behörde erster Instanz forderte den Beschwerdeführer mit Schreiben vom 29. August 1996 auf, Reisepaß und Meldezettel im Original mit den jeweiligen Sichtvermerken bzw. Aufenthaltsberechtigungen des Vaters des Beschwerdeführers seit dessen Einreise in Österreich sowie die Bestätigung über ein laufendes Dienstverhältnis seines Dienstgebers vorzulegen. Weiters seien Reisepaß und Meldezettel im Original seit der Einreise des Beschwerdeführers mit den dazugehörigen Sichtvermerken bzw. Aufenthaltsberechtigungen vorzulegen.
Im Verwaltungsakt ON 1, Seite 1, findet sich in roter Schrift datiert mit 10. September 1996 und aufgrund vergleichbarer Unterschrift mit jener der der genannten Aufforderung vom 29. August 1996 eine der Amtsrätin B. zuordenbare Ergänzung betreffend die Meldedaten, Paßdaten und Aufenthaltsberechtigungsdaten sowohl des Beschwerdeführers als auch seines Vaters. Den Beschwerdeführer betreffend ist dokumentiert: "SV Familienzusammenf. 2.10.90-1.1.91; ASV FR 610/91 v. 8.3.91-18.9.91, IV 677940/FrB/91 11.10.91-30.3.92, 92 9.4.92-15.9.92, 92 29.9.92-30.1.93, 93 15.2.93-30.3.93, 27.4.93-20.7.93,
AUF 0019814 MA62-9/1907649-01 21.7.93-14.3.94/Privat, FAM-2 15.3.94-13.3.95/".
Die Behörde erster Instanz stellte mit Bescheid vom 3. Oktober 1996 fest, daß der Beschwerdeführer die Voraussetzungen gemäß Art. 7 Satz 1 zweiter Gedankenstrich ARB Nr. 1/80 nicht erfülle. Er sei für die Aufnahme einer unselbständigen Beschäftigung in Österreich nicht vom Ausländerbeschäftigungsgesetz (AuslBG) ausgenommen. Der Beschwerdeführer sei zwar im Jahre 1991 seinem Vater als Familienmitglied (Kind) nachgezogen, als Kinder gälten aber nur jene Personen, welche das 21. Lebensjahr noch nicht vollendet hätten. Er habe am 20. Juli 1994 das 21. Lebensjahr vollendet, sodaß der Art. 7 Satz 1 zweiter Gedankenstrich auf ihn keine Wirkung mehr entfalte.
Aufgrund der dagegen erhobenen Berufung erließ die belangte Behörde den nunmehr angefochtenen Bescheid vom 25. November 1996, mit welchem sie der Berufung des Beschwerdeführers keine Folge gab und den erstinstanzlichen Bescheid bestätigte. Die belangte Behörde begründete den angefochtenen Bescheid damit, daß der Beschwerdeführer zwar seit 19. Oktober 1990 nach dem Meldegesetz polizeilich gemeldet sei, der erste für ihn erteilte Sichtvermerk jedoch erst am 8. März 1991 ausgestellt worden sei. Das Regulativ des Art. 7 Satz 1 zweiter Gedankenstrich ARB Nr. 1/80 impliziere, daß sich Familienangehörige durchgehend erlaubterweise mit entsprechenden Aufenthaltsbewilligungen bzw. mit einem nach dem Assoziationsabkommen ausgestellten Sichtvermerk in Österreich seit mindestens fünf Jahren aufhielten. Unabhängig davon, welche Behörde für das Aufenthaltsrecht des Beschwerdeführers in Österreich zuständig sei, sei er seit 23. September 1995, dem Tag der Zustellung des ablehnenden Bescheides betreffend Aufenthaltsbewilligung, nicht mehr zum Aufenthalt im Bundesgebiet berechtigt. Während des Berufungsverfahrens stehe einem Ausländer nach § 6 Abs. 3 AufG das Recht zum Aufenthalt im Bundesgebiet nicht mehr zu. Für die Beurteilung des Anbringens könne nur die Zeit des rechtmäßigen Aufenthaltes im Bundesgebiet vom 8. März 1991 bis zum 23. September 1995 herangezogen werden, weshalb die Voraussetzung des fünfjährigen genehmigten Aufenthaltes nicht erfüllt sei. Zudem sei festgestellt worden, daß der Beschwerdeführer aufgrund eines für ihn eingebrachten Antrages auf Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung mangels Entscheidung über die gegen die Ablehnung der ersten Instanz eingebrachte Berufung innerhalb der in § 20a AuslBG normierten Vierwochenfrist vom 9. Juni 1994 bis 9. September 1994 gemäß § 20b AuslBG in Beschäftigung gestanden sei. Durch diesen Tatbestand werde die vom Beschwerdeführer angesprochene durchgehende Unterhaltsleistung durch seinen Vater über das 21. Lebensjahr hinaus unterbrochen, weshalb auch aus diesem Grund Art. 7 Satz 1 zweiter Gedankenstrich ARB Nr. 1/80 auf ihn nicht zutreffen könne. Außerdem sehe das Assoziationsabkommen keine Regelung vor, daß auf Kinder, die nach EU-Recht längstens bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres unter diesen Terminus zu subsumieren seien, denen ein Elternteil aber über das 21. Lebensjahr hinauslaufend Unterhalt gewähre, das Abkommen Anwendung finden könne. Abgesehen davon, ob die Bestimmungen des AuslBG die Erteilung einer Arbeitsberechtigung für den Beschwerdeführer zuließen, sei er selbsterhaltungsfähig, weshalb der Tatbestand des Art. 7 Satz 1 zweiter Gedankenstrich nicht vorliege.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde.
Die belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Art. 7 des Beschlusses Nr. 1/80 des Assoziationsrates vom 19. September 1980 über die Entwicklung der Assoziation lautet:
"Die Familienangehörigen eines dem regulären Arbeitsmarkt eines Mitgliedstaates angehörenden türkischen Arbeitnehmers, die die Genehmigung erhalten haben, zu ihm zu ziehen,
- haben vorbehaltlich des den Arbeitnehmern aus den Mitgliedstaaten der Gemeinschaft einzuräumenden Vorrangs das Recht, sich auf jedes Stellenangebot zu bewerben, wenn sie dort seit mindestens drei Jahren ihren ordnungsgemäßen Wohnsitz haben;
- haben freien Zugang zu jeder von ihnen gewählten Beschäftigung im Lohn- oder Gehaltsverhältnis, wenn sie dort seit mindestens fünf Jahren ihren ordnungsgemäßen Wohnsitz haben.
Die Kinder türkischer Arbeitnehmer, die im Aufnahmeland eine Berufsausbildung abgeschlossen haben, können sich unabhängig von der Dauer ihres Aufenthalts in den betreffenden Mitgliedstaat dort auf jedes Stellenangebot bewerben, sofern ein Elternteil in dem betreffenden Mitgliedstaat seit mindestens drei Jahren ordnungsgemäß beschäftigt war."
Art. 7 enthält demnach eine im Verhältnis zur Nähe des Familienstandes abgestufte Normierung bestimmter Rechte türkischer Staatsangehöriger. Während Satz 1 die Bedingungen nennt, unter welchen Familienangehörige eines dem regulären Arbeitsmarkt eines Mitgliedstaates angehörenden türkischen Arbeitnehmers die Bewerbungsfreiheit (erster Gedankenstrich) und der freie Zugang zu jeder von ihnen gewählten Beschäftigung im Lohn- oder Gehaltsverhältnis (zweiter Gedankenstrich) zukommt, bezieht sich Satz 2 ausschließlich auf die Kinder türkischer Arbeitnehmer. Den Kindern steht unter den Bedingungen der abgeschlossenen Berufsausbildung sowie der ordnungsgemäßen Beschäftigung eines Elternteiles seit mindestens drei Jahren unabhängig von den restriktiveren Bedingungen des Satz 1 die Bewerbungsfreiheit zu. Aufgrund des Sinnes der Regelung, daß je nach Nähe der Familienangehörigkeit zum Zweck der Familienzusammenführung ein erleichterter Zugang zum Arbeitsmarkt geschaffen werden soll, kann kein Zweifel daran bestehen, daß der - weitere - Kreis jener der Familienangehörigen ist, und der - familienengere - Kreis der Kinder, welchen ein erleichterter Zugang zum Arbeitsmarkt zusteht, als besondere Gruppe der Familienangehörigen zusätzlich gesondert behandelt wird. Dem Regelungszweck widerspräche es aber Kindern türkischer Arbeitnehmer, welche die Bedingungen des zweiten Satzes nicht erfüllen, den Zugang zum Arbeitsmarkt aus den - schwerer zu erfüllenden - Bedingungen des ersten Satzes des Art. 7 ARB Nr. 1/80 zu verwehren (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 1. Oktober 1997, Zl. 97/09/0131, und vom 16. Dezember 1997, Zl. 96/09/0334).
Es kann im konkreten Fall dahingestellt bleiben, welche Personengruppe unter die Kinder des Satzes 2 leg. cit. fällt (es sei auf das Urteil des deutschen Bundesverwaltungsgerichtes vom 12. Dezember 1995, Zl. 1 C 35/94, hingewiesen, wonach der in Art. 7 Satz 2 ARB Nr. 1/80 hergeleitete aufenthaltsrechtliche Anspruch auch für volljährige Kinder türkischer Arbeitnehmer besteht und unabhängig davon, ob sie selbst bereits beschäftigt sind, sowie auf das Urteil des EuGH vom 5. Oktober 1994, Eroglu, Rs C-355/93 , betreffend die volljährige Tochter eines in Deutschland integrierten türkischen Arbeitnehmers, die im Sinne des Art. 7 Satz 2 als Kind dieses türkischen Arbeitnehmers die geforderten Bedingungen erfüllte), da der Beschwerdeführer im Verwaltungsverfahren nicht behauptet hat, in Österreich eine Berufsausbildung abgeschlossen zu haben. Er hat sich von Anbeginn auf Abs. 1 zweiter Gedankenstrich leg. cit. berufen.
Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) ist davon auszugehen, daß türkische Staatsangehörige, die die Voraussetzungen des Art. 7 erfüllen, die Rechte, die ihnen diese Vorschrift verleiht, in den Mitgliedstaaten unmittelbar beanspruchen können. Diese türkischen Staatsangehörigen genießen jedoch keine Freizügigkeit innerhalb der Gemeinschaft (EU), sondern sie besitzen nur bestimmte Rechte in dem Aufnahmemitgliedstaat, in dem sie, wenn es sich um Familienangehörige eines türkischen Arbeitnehmers handelt, die Genehmigung erhalten haben, zu dem Arbeitnehmer zu ziehen, und während des in Art. 7 Satz 1 erster und zweiter Gedankenstrich vorgesehenen Zeitraumes ihren ordnungsgemäßen Wohnsitz hatten. Art. 7 Satz 1 des genannten Beschlusses berührt nicht die Befugnis des betreffenden Mitgliedstaates, den Familienangehörigen die Genehmigung zu erteilen, zu dem in diesem Staat ordnungsgemäß beschäftigten türkischen Arbeitnehmer zu ziehen, sowie Vorschriften über ihren Aufenthalt bis zu dem Zeitpunkt, zu dem sie das Recht haben, sich auf jedes Stellenangebot zu bewerben, zu erlassen und es ihnen gegebenenfalls zu gestatten, unter den von ihm festgelegten Voraussetzungen vor Ablauf des im vorgesehenen ersten Zeitraums von drei Jahren eine Beschäftigung auszuüben. Die Familienangehörigen eines bereits dem regulären Arbeitsmarkt eines Mitgliedstaates angehörenden türkischen Arbeitnehmers können nach dieser Vorschrift zunächst die Genehmigung erhalten, zu dem Arbeitnehmer zu ziehen, um zum Zwecke der Familienzusammenführung in diesem Staat ihren Wohnsitz zu begründen. Zur Förderung einer dauerhaften Eingliederung der Familie des türkischen Wanderarbeitnehmers im Aufnahmemitgliedstaat gewährt diese Vorschrift den Familienangehörigen überdies nach einer bestimmten Zeit das Recht, in diesem Staat eine Beschäftigung auszuüben. In Anbetracht ihres Regelungszweckes kann diese Vorschrift daher nicht so ausgelegt werden, daß sie nur verlangt, daß der Aufnahmemitgliedstaat den Familienangehörigen die Genehmigung zur Einreise erteilt, um zu dem türkischen Arbeitnehmer zu ziehen, ohne daß der Angehörige in diesem Staat weiterhin tatsächlich mit dem Wanderarbeitnehmer zusammenzuwohnen brauchte, solange er nicht selbst das Recht auf Zugang zum Arbeitsmarkt hat. Die Rechte im Bereich der Beschäftigung der Familienangehörigen des türkischen Arbeitnehmers regelt Art. 7 Satz 1 ausschließlich nach Maßgabe der Dauer ihres Wohnsitzes im Aufnahmemitgliedstaat. Dafür heißt es in Art. 7 Satz 1 ausdrücklich, daß der Familienangehörige von dem betreffenden Mitgliedstaat die Genehmigung erhalten haben muß, dort "dem türkischen Arbeitnehmer, der dem regulären Arbeitsmarkt dieses Staates angehört, "zu ziehen", während Art. 6 die Zuerkennung der Rechte, die er dem Arbeitnehmer verleiht, nicht von den Voraussetzungen abhängig macht, unter denen das Recht auf Einreise und Aufenthalt erlangt worden ist. In einem Fall, in dem sich der türkische Staatsangehörige nur auf seine Stellung als Familienangehöriger eines Wanderarbeitnehmers (im Sinne von Art. 7 Satz 1) stützen kann, weil er selbst nicht die Voraussetzungen für die Inanspruchnahme der in Art. 6 Abs. 1 vorgesehenen Rechte erfüllt, verlangt die praktische Wirksamkeit des Art. 7, daß sich die Familienzusammenführung, die der Grund für die Einreise des Betroffenen in den fraglichen Mitgliedstaat war, während einer bestimmten Zeit im tatsächlichen Zusammenleben des Betroffenen mit dem Arbeitnehmer in häuslicher Gemeinschaft manifestiert. Daraus folgt, daß es den Behörden eines Mitgliedstaates nach dem Beschluß Nr. 1/80 nicht grundsätzlich verwehrt ist, die Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis eines Familienangehörigen, dem die Genehmigung erteilt worden ist, in diesem Mitgliedsstaat im Rahmen der Familienzusammenführung zu dem türkischen Arbeitnehmer zu ziehen, von der Voraussetzung abhängig zu machen, daß der Betroffene während des in Art. 7 Satz 1 erster Gedankenstrich dieses Beschlusses vorgesehenen Zeitraumes von drei Jahren tatsächlich eine Wohngemeinschaft mit diesem Arbeitnehmer führt. Etwas anderes würde nur dann gelten, wenn objektive Gegebenheiten es rechtfertigten, daß der Wanderarbeitnehmer und sein Familienangehöriger im Aufnahmemitgliedstaat nicht zusammenleben.
Die belangte Behörde gibt zwar im angefochtenen Bescheid die Angaben des Beschwerdeführers in seiner Berufung wieder, er habe "bei der letzten Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung" seiner Eltern nicht mehr bei diesen angemeldet sein dürfen, da die Aufenthaltsbehörde ohne Vorhandensein von 10 m2 Wohnfläche pro Person den Visaantrag ablehne. Um dies zu verhindern, sei er gezwungen gewesen, sich bei seinem Onkel anzumelden, der von seinem Vater monatlich S 200,-- als Mietkostenersatz bekomme. Für die restlichen Ausgaben komme auch sein Vater auf, weshalb "sowohl Zusammenleben im Familienverband" mit dem Vater des Beschwerdeführers als auch Unterhaltsgewährung vorliege. Die belangte Behörde geht auf diese Angaben jedoch nicht ein. Insbesondere geht sie nicht davon aus, daß der Beschwerdeführer während des in Art. 7 Abs. 1 erster Gedankenstrich vorgesehenen Zeitraumes von drei Jahren tatsächlich nicht in Wohngemeinschaft mit seinem Vater in Österreich gelebt habe. Das Datum, ab welchem der Beschwerdeführer sich bei seinem Onkel angemeldet habe, bleibt unbekannt. Auf Grund der Begründung des angefochtenen Bescheides muß davon ausgegangen werden, daß die belangte Behörde anscheinend den Argumenten des Beschwerdeführers betreffend Zusammenleben im Familienverband mit seinem Vater gefolgt ist.
Was die Beschränkung der Aufenthaltserlaubnis des Familienangehörigen des türkischen Arbeitnehmers im Aufnahmemitgliedstaat angeht, so bleiben die Mitgliedstaaten befugt, die Voraussetzungen zu regeln, unter denen der Familienangehörige in das Hoheitsgebiet einreisen und sich dort bis zu dem Zeitpunkt aufhalten kann, zu dem er das Recht hat, sich auf jedes Stellenangebot zu bewerben; gleichwohl stehen die Rechte aus Art. 7 Satz 1 den Familienangehörigen eines türkischen Arbeitnehmers nach dieser Vorschrift unabhängig davon zu, ob die Behörden des Aufnahmemitgliedstaats ein bestimmtes Verwaltungsdokument wie eine Aufenthaltserlaubnis ausstellen (vgl. EuGH 5. Oktober 1994, Rs C-355/93 Eroglu und EuGH 17. April 1997, Rs C-351/95 Kadiman; betreffend den Fall von Ehegatten).
In gleicher Weise wie zu der Bestimmung des Art. 6 Abs. 1 des Beschlusses Nr. 1/80 ist davon auszugehen, daß das in Art. 7 dieses Beschlusses anerkannte Recht, sich auf jedes Stellenangebot zu bewerben, notwendigerweise die (implizite) Anerkennung eines Aufenthaltsrechtes des Bewerbers beinhaltet (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 1. Oktober 1997, Zl. 97/09/0131).
Im gegenständlichen Fall übersieht die belangte Behörde die Ergänzung der Amtsrätin B. betreffend den Sichtvermerk zwecks Familienzusammenführung vom 2. Oktober 1990 mit Gültigkeit bis 1. Jänner 1991 im vorgelegten Verwaltungsakt und kommt - ohne die in dieser Ergänzung enthaltenen Angaben auf ihre Richtigkeit überprüft zu haben - aktenwidrig zum Schluß, daß dem Beschwerdeführer erstmalig ein Sichtvermerk am 8. März 1991 erteilt worden sei. In der Folge wurden von den österreichischen Behörden dem Beschwerdeführer fortwährend Sichtvermerke und Aufenthaltsbewilligungen letztendlich bis 13. März 1995 erteilt. Wenngleich zwischen Ablauf mancher Sichtvermerke und Beginn des nächstfolgenden Sichtvermerkes mehrere Tage liegen, ging die belangte Behörde offenkundig - richtigerweise - davon aus, daß diese kurzen Unterbrechungen aufgrund der nachfolgenden Sichtvermerkserteilungen nicht die Bedingung des "ordnungsgemäßen Wohnsitzes" des Art. 7 Satz 1 unterbrächen. Der Beschwerdeführer erlangte somit mit Ablauf des 19. Oktober 1993 das Recht gemäß Art. 7 Satz 1 erster Gedankenstrich ARB Nr. 1/80, sich auf jedes Stellenangebot zu bewerben. Er hatte nach dem Akteninhalt mit Gültigkeit vom 2. Oktober 1990 einen Sichtvermerk zwecks Familienzusammenführung erhalten, somit die Genehmigung, zu seinem Vater zu ziehen, welcher nach den unbestrittenen Behauptungen des Beschwerdeführers ein dem regulären Arbeitsmarkt in Österreich angehörender türkischer Arbeitnehmer ist, und er hatte seit mindestens drei Jahren (polizeiliche Meldung seit 19. Oktober 1990) seinen ordnungsgemäßen Wohnsitz samt Zusammenleben mit dem Wanderarbeiter in Österreich.
Im Urteil vom 17. April 1997 in der Rechtssache C 351/95 , Selma Kadiman, hat der EuGH ausgesprochen:
"Was die Beschränkung der Aufenthaltserlaubnis des Familienangehörigen des türkischen Arbeitnehmers im Aufnahmemitgliedstaat angeht, so bleiben die Mitgliedstaaten zwar befugt, die Voraussetzungen zu regeln, unter denen der Familienangehörige in das Hoheitsgebiet einreisen und sich dort bis zu dem Zeitpunkt aufhalten kann, zu dem er das Recht hat, sich auf jedes Stellenangebot zu bewerben (siehe Randnrn. 32 und 33 des vorliegenden Urteils); gleichwohl stehen die Rechte aus Art. 7 Satz 1 den Familienangehörigen eines türkischen Arbeitnehmers nach dieser Vorschrift unabhängig davon zu, ob die Behörden des Aufnahmemitgliedstaats ein bestimmtes Verwaltungsdokument wie eine Aufenthaltserlaubnis ausstellen (vgl. entsprechend für Art. 6 des Beschlusses Nr. 1/80 Urteil Bozkurt, a.a.O., Randnrn. 29 und 30)." (Randnr. 51 des genannten Urteils).
Die belangte Behörde verkannte die Rechtslage, indem sie ausschließlich darauf abstellte, welche aufenthaltsrechtliche Stellung dem Beschwerdeführer nach Entscheidung über die Berufung betreffend seines letzten Antrages auf Verlängerung der letztgültigen Aufenthaltsbewilligung nach innerstaatlichem Recht (Aufenthaltsgesetz) zukam. Denn auf einen Fremden, der sich berechtigt zumindest drei Jahre im Inland aufhält, sind gemäß Art. 7 Satz 1 erster Gedankenstrich ARB Nr. 1/80 nicht mehr die Bestimmungen des Aufenthaltsgesetzes anzuwenden, der Fremde hat vielmehr ein unmittelbar sich aus Art. 7 ergebendes Recht zum Aufenthalt im Inland. Wie der Beschwerdeführer richtig vorbringt, ist die folgende Zeit ungeachtet der erteilten oder nicht erteilten Aufenthaltsbewilligung als "ordnungsgemäßer Wohnsitz" für die Bemessung der in Art. 7 Satz 1 zweiter Gedankenstrich ARB Nr. 1/80 enthaltene Frist von fünf Jahren anzurechnen. Ausgehend vom 19. Oktober 1990 erlangte der Beschwerdeführer bei unverändertem Sachverhalt hinsichtlich der übrigen Bedingungen mit Ablauf des 19. Oktober 1995 das Recht auf freien Zugang zu jeder von ihm gewählten Beschäftigung im Lohn- oder Gehaltsverhältnis gemäß Art. 7 Satz 1 zweiter Gedankenstrich ARB Nr. 1/80. Der nach diesem Zeitpunkt erlassene Bescheid der belangten Behörde verletzte den Beschwerdeführer daher in dem von ihm geltend gemachten Recht auf freien Zugang zu jeder von ihm gewählten Beschäftigung im Lohn- und Gehaltsverhältnis.
Deshalb erweist sich der angefochtene Bescheid mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit § 41 AMSG und der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
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