VwGH 96/09/0334

VwGH96/09/033418.12.1997

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fürnsinn und die Hofräte Dr. Händschke, Dr. Blaschek, Dr. Rosenmayr und Dr. Bachler als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Loibl, über die Beschwerde der A, vertreten durch Dr. Gottfried Waibel, Rechtsanwalt in 6850 Dornbirn, Schulgasse 7, gegen den Bescheid des Arbeitsmarktservice Vorarlberg vom 21. Oktober 1996, Zl. LGSV/III/13113/1996 ABB 1606184, betreffend Feststellung nach dem Assoziationsabkommen EWG-Türkei, zu Recht erkannt:

Normen

ARB1/80 Art6 Abs1;
ARB1/80 Art6 Abs2;
ARB1/80 Art6;
ARB1/80 Art7 Abs1;
ARB1/80 Art7;
AufG 1992;
AuslBG §1 Abs3;
AuslBG §4 Abs1;
AuslBG §4 Abs3 Z7;
EURallg;
VwGG §41 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z1;
ARB1/80 Art6 Abs1;
ARB1/80 Art6 Abs2;
ARB1/80 Art6;
ARB1/80 Art7 Abs1;
ARB1/80 Art7;
AufG 1992;
AuslBG §1 Abs3;
AuslBG §4 Abs1;
AuslBG §4 Abs3 Z7;
EURallg;
VwGG §41 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z1;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Arbeitsmarktservice Vorarlberg hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 12.920,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin beantragte mit Schriftsatz vom 21. Juni 1996 die Ausstellung eines Befreiungsscheines bzw. die bescheidmäßige Feststellung, daß sie berechtigt sei, auch ohne zusätzliche Bewilligung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz jede von ihr gewählte Beschäftigung in Österreich aufzunehmen, in eventu eine Beschäftigungsbewilligung für das Unternehmen S. zu erteilen. Alle Anträge stellte die Beschwerdeführerin gemeinsam mit der Firma S, welche bereit sei, die Beschwerdeführerin zu beschäftigen.

Die Beschwerdeführerin gab in ihrem Antrag an, seit 1988 in Österreich aufenthaltsberechtigt und (teilweise) beschäftigt gewesen zu sein. Derzeit existiere keine Aufenthaltsbewilligung, das Verfahren nach dem Aufenthaltsgesetz bzw. Fremdengesetz wegen der Verlängerung sei anhängig. Für die Ausübung einer Tätigkeit nach dem Assoziationsabkommen EWG-Türkei sei allerdings das Vorliegen einer Aufenthaltsberechtigung nicht erforderlich. Sie leite ihr Recht auf Arbeit aus dem Assoziationsabkommen EWG-Türkei, die dazu ergangenen Zusatzprotokolle sowie die Beschlüsse des Assoziationsrates EWG-Türkei (z.B. Nr. 1/80) ab, die für Österreich geltendes Gemeinschaftsrecht darstellten. Sie berufe sich dabei vor allem auf Art. 7 des Beschlusses Nr. 1/80. Da sie seit mehr als fünf Jahren ihren ordnungsgemäßen Wohnsitz in Österreich habe, habe sie freien Zugang zu jeder von ihr gewählten Beschäftigung. Ihr vorrangiges Anliegen sei die Erlassung eines Feststellungsbescheides.

Das Arbeitsmarktservice Dornbirn lehnte mit den Bescheiden vom 8. Juli 1997 den Antrag auf Erteilung eines Befreiungsscheines für die Beschwerdeführerin gemäß § 15 Z. 1 bis 5 Ausländerbeschäftigungsgesetz (AuslBG) und den Antrag auf Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung gemäß § 4 Abs. 6 AuslBG ab. Die erstinstanzlichen Bescheide enthalten hinsichtlich des Feststellungsbegehrens weder eine ausdrückliche Abweisung oder einen Entscheidungsvorbehalt, noch wird in dieser Hinsicht eine Begründung gegeben.

Dagegen erhob die Beschwerdeführerin Berufung, in der sie erneut auf die der Beschwerdeführerin gemäß dem Assoziationsabkommen EWG-Türkei und den aufgrund dieses Assoziationsabkommens gefaßten Beschlüssen unmittelbar zustehenden Rechtsansprüche hinwies. Darauf basierend wäre der Beschwerdeführerin ein Befreiungsschein auszustellen bzw. der geforderte Feststellungsbescheid zu erlassen gewesen. Sie hielt die Anträge des Schreibens vom 21. Juni 1996 unverändert aufrecht.

Die belangte Behörde richtete im Berufungsverfahren ein Ersuchen an die Bezirkshauptmannschaft Dornbirn, Abteilung Fremdenpolizei, um Stellungnahme zum Vorbringen der Beschwerdeführerin, daß gemäß Art. 5 Abs. 1 zweiter Satz der Richtlinie 64/221/EWG des Rates die Beschwerdeführerin zum Aufenthalt in Österreich bis zur Entscheidung über die Erteilung oder die Verweigerung der Aufenthaltserlaubnis berechtigt sei. Nach Meinung der Beschwerdeführerin sei diese Richtlinie aufgrund des Assoziationsabkommens EWG-Türkei samt Assoziationsratsbeschlüssen direkt anzuwenden. Zudem wäre es für die belangte Behörde "wichtig zu wissen, ob die obgenannte Ausländerin derzeit zum Aufenthalt in Österreich nach dem Aufenthaltsgesetz, BGBl. Nr. 466/1992, berechtigt ist".

Die Bezirkshauptmannschaft Dornbirn teilte mit, daß mit Bescheid vom 21. September 1994 der Antrag auf Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung abgelehnt worden sei. Da der Beschwerdeführerin letztmalig von der Bezirkshauptmannschaft Dornbirn eine bis zum 31. Jänner 1994 gültige Aufenthaltsbewilligung erteilt worden sei, und sie erst am 7. Februar 1994 einen Antrag auf Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung eingebracht habe, sei die Beschwerdeführerin nicht in der Lage, sich auf eine Berechtigung gemäß § 6 Abs. 3 zweiter Satz Aufenthaltsgesetz zu berufen. Die Beschwerdeführerin halte sich seit dem 1. Februar 1994 gemäß § 10 Abs. 1 Aufenthaltsgesetz nicht mehr rechtmäßig im Bundesgebiet auf. In rechtlicher Sicht führte die Bezirkshauptmannschaft aus, daß die zitierte

Richtlinie 64/221/EWG des Rates vom 25. Februar 1964 nur für Staatsangehörige eines Mitgliedstaates gelte, die sich in einem anderen Mitgliedstaat der Gemeinschaft aufhalten oder sich dort hinbegeben, um eine selbständige oder unselbständige Erwerbstätigkeit auszuüben oder um Dienstleistungen entgegenzunehmen. Die Beschwerdeführerin sei nicht Staatsangehörige eines Mitgliedstaates der EU, weshalb gemäß Art. 1 Abs. 1 der Richtlinie sie ausdrücklich nicht miteinbeziehe.

Mit Schreiben vom 20. September 1996 forderte die belangte Behörde die Beschwerdeführerin auf, folgende Unterlagen vorzulegen:

Mit Schreiben vom 8. Oktober 1996 legte die Beschwerdeführerin Unterlagen vor, aus denen sich unter anderem folgendes ergibt: Die Beschwerdeführerin zog am 30. August 1990 in die von ihrer Mutter und ihrem Vater bewohnten Adresse Kirchstraße 29 zu. Ab diesem Zeitpunkt ist bis zum Zeitpunkt der Ausstellung der Meldebestätigung (1. Oktober 1996) eine Meldung an der gemeinsam mit ihrer Mutter und ihrem Vater eingetragenen Meldeadresse ersichtlich. Ihrer Mutter wurde ein vom 15. April 1996 bis 14. April 2001 gültiger Befreiungsschein ausgestellt. Die Beschwerdeführerin war bis zum 10. März 1993 im Reisepaß ihrer Mutter miteingetragen. In diesem Reisepaß findet sich ein der Beschwerdeführerin erteilter Wiedereinreise-Sichtvermerk vom 3. April 1991 mit Gültigkeit bis 31. März 1992. Die Mutter der Beschwerdeführerin sei im Gasthaus "Taverne" seit 16. Juni 1990 als Küchenhilfe in ungekündigter Stellung (Zeitpunkt 10. Oktober 1996) beschäftigt.

Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung der Beschwerdeführerin keine Folge und bestätigte die angefochtenen Bescheide. Sie änderte den Spruch insofern, als die Gesetzesstellen, auf welche die Ablehnungen gestützt werden, auch gemäß § 4 Abs. 3 Z. 7 und § 15 Abs. 1 Z. 1 bis 5 AuslBG zu lauten haben.

In der Begründung wies die belangte Behörde unter ausdrücklicher Zitierung des hg. Erkenntnisses vom 25. Juni 1996, Zl. 96/09/0088, darauf hin, daß im Fall gleichzeitig oder alternativ erhobener Anträge vorrangig über das Feststellungsbegehren zu entscheiden und erst danach bzw. nur für den Fall der Erlassung eines negativen Feststellungsbescheides über die Ausstellung eines Befreiungsscheines nach dem AuslBG abzusprechen sei. In diesem Sinne spreche die belangte Behörde gemäß § 66 Abs. 4 AVG auch über das Feststellungsbegehren ab. Die diesbezügliche Begründung der belangten Behörde lautet:

"Bei den Anspruchsvoraussetzungen nach Artikel 7 o.a. Beschlusses wird in den beiden erstgenannten Absätzen darauf abgestellt, daß seit mindestens drei oder fünf Jahren ein ordnungsgemäßer Wohnsitz gegeben ist.

Daraus folgt, daß die Familiengemeinschaft durchgehend bestanden haben muß und der Familienangehörige muß durchgehend erlaubterweise und mit einer entsprechenden Aufenthaltsbewilligung oder mit einem für türkische Staatsangehörige nach dem Assoziationsabkommen ausgestellten Sichtvermerk in Österreich aufhalten.

Das Recht auf Feststellung über den freien Zugang zu jeder von ihr gewählten Beschäftigung leitet Frau Dogan Sevilay aus ihrem mehr als fünfjährigen ordnungsgemäßen Wohnsitz in Österreich ab.

Bezüglich der Aufenthaltsdauer wird festgestellt, daß Frau Dogan Sevilay laut vorgelegten Meldenachweisen seit mindestens fünf Jahren ihren Wohnsitz im Bundesgebiet hat und damit nur eine der geforderten Anspruchsvoraussetzungen nach diesem Artikel erfüllt.

Zusätzlich kommt jedoch noch dazu, daß ein "ordnungsgemäßer Wohnsitz" gegeben sein muß. Ein solcher liegt nur dann vor, wenn auch der Aufenthalt im Rahmen der Gesetze ein ordnungsgemäßer ist.

Im Zuge des Ermittlungsverfahrens wurde klargestellt, daß Frau Dogan Sevilay zum Zeitpunkt der Beantragung der Erlassung eines Feststellungsbescheides und auch zum Zeitpunkt der Entscheidung nicht zum Aufenthalt in Österreich berechtigt ist.

So wurde den Berufungswerbern mit Schriftsatz vom 6.9.1996 mitgeteilt, daß Frau Dogan Sevilay derzeit nicht zum Aufenthalt in Österreich berechtigt ist.

In der dazu ergangenen Stellungnahme vom 10.9.1996 verweisen die Berufungswerber auf Artikel 5 Abs. 1 zweiter Satz der Richtlinie 64/222/EWG , wonach die Betroffene zum Aufenthalt bis zur Entscheidung über die Erteilung oder die Verweigerung der Aufenthaltserlaubnis berechtigt sei. Die erwähnte Richtlinie sei aufgrund des Assoziationsabkommens mit der Türkei direkt anzuwenden.

Diesem Vorbringen werden von der Berufungsbehörde die gleichen Gründe entgegengehalten, welche auch im Zusammenhang mit den mangelnden Voraussetzungen nach § 4 Abs. 3

Ziffer 7 AuslBG geltend gemacht wurden.

Da Frau Dogan Sevilay nicht im Besitz einer Aufenthaltsbewilligung oder einem für türkische Staatsangehörige nach dem Assoziationsabkommen ausgestellten Sichtvermerk in Österreich ist, ist kein ordnungsgemäßer Wohnsitz gegeben, sodaß die Voraussetzungen nach Artikel 7,

1. Absatz, zweiter Gedankenstrich und damit ein freier Zugang zu jeder Beschäftigung, nicht vorliegen."

Dagegen richtet sich die gegenständliche Beschwerde. Als Beschwerdepunkt nennt die Beschwerdeführerin die Verletzung in ihrem Recht, in Österreich aufgrund des Assoziationsabkommens ohne weitere Bewilligung nach dem AuslBG arbeiten zu können.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die Beschwerde bezieht sich in ihrer Begründung ausdrücklich auf das hg. Erkenntnis vom 25. Juni 1996, Zl. 96/09/0088. Dieses Erkenntnis, dessen zugrundeliegender Sachverhalt hinsichtlich der verfahrensrechtlichen Situation dem gegenständlichen gleicht, enthält zur Klärung der Rechtsfragen, daß die belangte Behörde zur Erlassung eines Feststellungsbescheides berechtigt bzw. verpflichtet war, und zur unmittelbaren Anwendbarkeit des Assoziationsabkommens EWG-Türkei sowie des hiezu ergangenen Beschlusses des Assoziationsrates Nr. 1/80 eine ausführliche Begründung, auf die gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird. Es ist daher davon auszugehen, daß die belangte Behörde den im Rahmen der Berufung wiederholten gesamten Antrag der Beschwerdeführerin (einschließlich des Feststellungsbegehrens) abgewiesen hat. Im Lichte dieser Rechtsprechung richtet sich der Beschwerdepunkt ausschließlich gegen die negative Entscheidung über das Feststellungsbegehren, da die belangte Behörde vorrangig prüfen mußte, ob die Beschwerdeführerin die Voraussetzungen des Art. 7 des Beschlusses des Assoziationsrates EWG-Türkei vom 19. September 1980, Nr. 1/80 (ARB Nr. 1/80), über die Entwicklung der Assoziation erfüllt.

Diese Bestimmung lautet:

"Artikel 7

Die Familienangehörigen eines dem regulären Arbeitsmarkt eines Mitgliedstaates angehörenden türkischen Arbeitnehmers, die die Genehmigung erhalten haben, zu ihm zu ziehen,

Die Kinder türkischer Arbeitnehmer, die im Aufnahmeland eine Berufsausbildung abgeschlossen haben, können sich unabhängig von der Dauer ihres Aufenthalts in dem betreffenden Mitgliedstaat dort auf jedes Stellenangebot bewerben, sofern ein Elternteil in dem betreffenden Mitgliedstaat seit mindestens drei Jahren ordnungsgemäß beschäftigt war."

Wie der Verwaltungsgerichtshof bereits in seinem Erkenntnis vom 1. Oktober 1997, Zl. 97/09/0131, dargelegt hat, ist zur Auslegung dieses Assoziierungsabkommens (mit der Türkei) nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) davon auszugehen, daß türkische Staatsangehörige, die die Voraussetzungen des Art. 7 erfüllen, die Rechte, die ihnen diese Vorschrift verleiht, in den Mitgliedstaaten unmittelbar beanspruchen können. Diese türkischen Staatsangehörigen genießen jedoch keine Freizügigkeit innerhalb der Gemeinschaft (EU), sondern sie besitzen nur bestimmte Rechte in dem Aufnahmemitgliedstaat, in dem sie, wenn es sich um Familienangehörige eines türkischen Arbeitnehmers handelt, die Genehmigung erhalten haben, zu dem Arbeitnehmer zu ziehen, und in dem sie während des in Art. 7 Satz 1 erster und zweiter Gedankenstrich vorgesehenen Zeitraumes ihren ordnungsgemäßen Wohnsitz hatten. Art. 7 Satz 1 des genannten Beschlusses berührt nicht die Befugnis des betreffenden Mitgliedstaates, den Familienangehörigen die Genehmigung zu erteilen, zu dem in diesem Staat ordnungsgemäß beschäftigten türkischen Arbeitnehmer zu ziehen, sowie Vorschriften über ihren Aufenthalt bis zu dem Zeitpunkt zu erlassen, zu dem sie das Recht haben, sich auf jedes Stellenangebot zu bewerben, und es ihnen gegebenenfalls zu gestatten, unter den von ihm festgelegten Voraussetzungen vor Ablauf des im vorgesehenen ersten Zeitraums von drei Jahren eine Beschäftigung auszuüben. Die Familienangehörigen eines bereits dem regulären Arbeitsmarkt eines Mitgliedstaates angehörenden türkischen Arbeitnehmers können nach dieser Vorschrift zunächst die Genehmigung erhalten, zu dem Arbeitnehmer zu ziehen, um zum Zwecke der Familienzusammenführung in diesem Staat ihren Wohnsitz zu begründen. Zur Förderung einer dauerhaften Eingliederung der Familie des türkischen Wanderarbeitnehmers im Aufnahmemitgliedstaat gewährt diese Vorschrift den Familienangehörigen überdies nach einer bestimmten Zeit das Recht, in diesem Staat eine Beschäftigung auszuüben. In Anbetracht ihres Regelungszweckes kann diese Vorschrift daher nicht so ausgelegt werden, daß sie nur verlangt, daß der Aufnahmemitgliedstaat den Familienangehörigen die Genehmigung zur Einreise erteilt, um zu dem türkischen Arbeitnehmer zu ziehen, ohne daß der Angehörige in diesem Staat weiterhin tatsächlich mit dem Wanderarbeitnehmer zusammenzuwohnen brauchte, solange er nicht selbst das Recht auf Zugang zum Arbeitsmarkt hat. Die Rechte im Bereich der Beschäftigung der Familienangehörigen des türkischen Arbeitnehmers regelt Art. 7 Satz 1 ausschließlich nach Maßgabe der Dauer ihres Wohnsitzes im Aufnahmemitgliedstaat. Dafür heißt es in Art. 7 Satz 1 ausdrücklich, daß der Familienangehörige von dem betreffenden Mitgliedstaat die Genehmigung erhalten haben muß, zu dem türkischen Arbeitnehmer, der dem regulären Arbeitsmarkt dieses Staates angehört, "zu ziehen", während Art. 6 die Zuerkennung der Rechte, die er dem Arbeitnehmer verleiht, nicht von den Voraussetzungen abhängig macht, unter denen das Recht auf Einreise und Aufenthalt erlangt worden ist. In einem Fall, in dem sich der türkische Staatsangehörige nur auf seine Stellung als Familienangehöriger eines Wanderarbeitnehmers (im Sinne von Art. 7 Satz 1) stützen kann, weil er selbst nicht die Voraussetzungen für die Inanspruchnahme der in Art. 6 Abs. 1 vorgesehenen Rechte erfüllt, verlangt die praktische Wirksamkeit des Art. 7, daß sich die Familienzusammenführung, die der Grund für die Einreise des Betroffenen in den fraglichen Mitgliedstaat war, während einer bestimmten Zeit im tatsächlichen Zusammenleben des Betroffenen mit dem Arbeitnehmer in häuslicher Gemeinschaft manifestiert. Was die Beschränkung der Aufenthaltserlaubnis des Familienangehörigen des türkischen Arbeitnehmers im Aufnahmemitgliedstaat angeht, bleiben die Mitgliedstaaten befugt, die Voraussetzungen zu regeln, unter denen der Familienangehörige in das Hoheitsgebiet einreisen und sich dort bis zu dem Zeitpunkt aufhalten kann, zu dem er das Recht hat, sich auf jedes Stellenangebot zu bewerben; gleichwohl stehen die Rechte aus Art. 7 Satz 1 den Familienangehörigen eines türkischen Arbeitnehmers nach dieser Vorschrift unabhängig davon zu, ob die Behörden des Aufnahmemitgliedstaats ein bestimmtes Verwaltungsdokument wie eine Aufenthaltserlaubnis ausstellen (siehe zu diesen Ausführungen EuGH 17. April 1997, Rs C-351/95 Kadiman; betreffend Ehegatten).

In gleicher Weise wie zu der Bestimmung des Art. 6 Abs. 1 des Beschlusses Nr. 1/80 ist davon auszugehen, daß das in Art. 7 dieses Beschlusses anerkannte Recht, sich auf jedes Stellenangebot zu bewerben, notwendigerweise die (implizite) Anerkennung eines Aufenthaltsrechtes des Bewerbers beinhaltet (vgl. auch dazu das hg. Erkenntnis vom 1. Oktober 1997, Zl. 97/09/0131).

Die Beschwerdeführerin hat behauptet, sie sei seit 1988 in Österreich aufenthaltsberechtigt. Nachgewiesen wurde zumindest ein ihr erteilter Wiedereinreise-Sichtvermerk. Die Behörde geht darüber hinaus davon aus, daß der Beschwerdeführerin ein letztgültiger Wiedereinreise-Sichtvermerk bis 31. Jänner 1994 erteilt war. Von der Beschwerdeführerin belegt wurde ein Zusammenleben mit ihrer Mutter und ihrem Vater seit 30. August 1990. Ebenso belegt wurde die Berufstätigkeit der Mutter in ungekündigter Stellung im Gasthaus "Taverne" seit 16. Juni 1990.

Aus diesem Sachverhalt ist die Erfüllung der Bedingungen

a) Familienangehörige eines dem regulären Arbeitsmarkt angehörenden türkischen Arbeitnehmers, b) Aufenthalt aufgrund Familienzusammenführung und c) Zusammenleben mit der dem regulären Arbeitsmarkt angehörenden Mutter in Österreich eindeutig belegt.

Die belangte Behörde hat es jedoch unterlassen, zu erheben und festzustellen, wann der Beschwerdeführerin der erste bzw. in der Folge jeder weitere Wiedereinreise-Sichtvermerk erteilt wurde und welche Gültigkeitsdauer diese Sichtvermerke beinhalteten. Bei dieser Ermittlung handelt es sich nicht um eine solche, die der Mitwirkungspflicht der Partei unterliegt, da es sich nicht um einen der Fälle handelt, in welchem der amtswegigen behördlichen Erhebung im Hinblick auf die nach den materiell-rechtlichen Verwaltungsvorschriften zu beachtenden Tatbestandsmerkmale faktische Grenzen gesetzt wären.

Die belangte Behörde hat diese Ermittlung in Verkennung der Rechtslage unterlassen, weil sie davon ausging, daß

Da - wie oben ausgeführt - ab Erfüllung der Tatbestandsvoraussetzungen der Bewerbungsfreiheit die (implizite) Anerkennung eines Aufenthaltsrechtes des Bewerbers beinhaltet ist (welches ab dem Wirksamwerden des Beitritts Österreichs zur Europäischen Union anzuerkennen wäre), käme es auf das Vorliegen einer Aufenthaltsbewilligung nach dem Aufenthaltsgesetz in den von der belangten Behörde als wesentlich erachteten Zeitpunkten nicht an. Diesfalls erfüllte die Beschwerdeführerin zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides auch die Voraussetzungen des Art. 7 Satz 1 zweiter Gedankenstrich ARB Nr. 1/80, "ordnungsgemäßer Wohnsitz" in der Dauer von "mehr als fünf Jahren" (auch unter Außerachtlassung der zwischen 31. Jänner 1994 und 1. Jänner 1995 liegenden Zeiten), weshalb sich die Untersuchung der Frage erübrigt, wie der Aufenthalt der Beschwerdeführerin in dieser Zeit nach dem österreichischen Recht zu beurteilen wäre.

Die belangte Behörde hat somit in Verkennung der Rechtslage Ermittlungen und Feststellungen zur Dauer des legalen Aufenthaltes der Beschwerdeführerin in Österreich vor dem 31. Jänner 1994 unterlassen (sekundärer Verfahrensmangel), weshalb der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufzuheben war.

Von der von der Beschwerdeführerin beantragten Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm § 41 AMSG und der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Damit erübrigt sich eine Behandlung des mit Schriftsatz vom 12. November 1997 gestellten Begehrens, der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen und eine einstweilige Verfügung zu erlassen.

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