VwGH 97/08/0415

VwGH97/08/041521.11.2001

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bernard und die Hofräte Dr. Müller und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Müller, über die Beschwerde des Dipl. Ing. A in K, vertreten durch Dr. Heinz Walther, Rechtsanwalt in 9020 Klagenfurt, Alter Platz 23/I, gegen den auf Grund eines Beschlusses des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Kärnten vom 28. April 1997, Zl. LGS/Abt. 4/1218/97, betreffend Widerruf und Rückforderung von Arbeitslosengeld (als Pensionsvorschuss), zu Recht erkannt:

Normen

AlVG 1977 §12 Abs1;
AlVG 1977 §12 Abs3 liti idF 1996/201;
AlVG 1977 §23 Abs2;
AlVG 1977 §24 Abs2;
AlVG 1977 §25 Abs1;
AlVG 1977 §7 Abs1 Z1;
AlVG 1977 §7 Abs2;
AlVG 1977 §12 Abs1;
AlVG 1977 §12 Abs3 liti idF 1996/201;
AlVG 1977 §23 Abs2;
AlVG 1977 §24 Abs2;
AlVG 1977 §25 Abs1;
AlVG 1977 §7 Abs1 Z1;
AlVG 1977 §7 Abs2;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer war von 1983 bis zum 29. Februar 1996 bei der T. GesmbH in Klagenfurt als Geschäftsführer angestellt. Er behielt jedoch über diesen Zeitpunkt hinaus die Funktion des handelsrechtlichen Geschäftsführers dieser Gesellschaft. Am 28. Februar 1996 stellte der Beschwerdeführer bei der Pensionsversicherung der Angestellten einen Antrag auf vorzeitige Alterspension wegen geminderter Arbeitsfähigkeit.

In dem am 1. März 1996 bei der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Klagenfurt (AMS) gestellten Antrag auf Arbeitslosengeld verneinte der Beschwerdeführer die formularmäßige Frage nach einer Beschäftigung insbesondere als Geschäftsführer. Ab dem 1. März 1996 wurde dem Beschwerdeführer vom AMS Arbeitslosengeld als Pensionsvorschuss gemäß § 23 Abs. 1 AlVG zuerkannt. Mit Schreiben vom 11. März 1996 machte das AMS gegenüber der Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten gemäß § 23 Abs. 2 AlVG den Übergang insbesondere eines allfälligen Anspruches auf eine Leistung aus dem Versicherungsfall des Alters auf den Bund geltend.

Mit Bescheid vom 16. September 1996 lehnte die Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten die beantragte vorzeitige Alterspension wegen geminderter Arbeitsfähigkeit gemäß § 270 in Verbindung mit § 253d ASVG ab. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer Klage beim Landesgericht Klagenfurt als Arbeits- und Sozialgericht. Das gerichtliche Verfahren endete am 25. April 1997 mit einem Vergleich, wonach sich die Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten verpflichtete, dem Beschwerdeführer die vorzeitige Alterspension wegen geminderter Arbeitsfähigkeit im gesetzlichen Ausmaß ab 1. August 1996 zu bezahlen.

Aus einem am 25. Februar 1997 beigeschafften Auszug aus dem Firmenbuch erhielt das AMS davon Kenntnis, dass der Beschwerdeführer die T. GesmbH in Klagenfurt nach wie vor als Geschäftsführer vertrete.

Mit Bescheid vom 3. März 1997 widerrief das AMS den Bezug des Arbeitslosengeldes (als Pensionsvorschuss) für den Zeitraum vom 1. März 1996 bis zum 30. November 1996 und verpflichtete den Beschwerdeführer zur Rückzahlung des unberechtigt empfangenen Arbeitslosengeldes im Gesamtbetrag von S 76.500,--, weil der Beschwerdeführer bis zum 29. Februar 1996 vollversichert und anschließend beim selben Dienstgeber ab 1. März 1996 geringfügig beschäftigt gewesen sei. Gemäß § 12 Abs. 3 lit. i AlVG liege Arbeitslosigkeit nicht vor.

In der dagegen erhobenen Berufung brachte der Beschwerdeführer vor, dass § 12 Abs. 3 lit. i AlVG erst mit dem Strukturanpassungsgesetz 1996, BGBl. Nr. 201, eingefügt worden und nach den Übergangsbestimmungen erst am 1. Mai 1996 in Kraft getreten sei. Zum Zeitpunkt des Antrages auf Arbeitslosengeld (1. März 1996) sei für die Beurteilung der Arbeitslosigkeit ausschließlich § 12 Abs. 6 AlVG maßgebend gewesen. Da der Beschwerdeführer kein die Geringfügigkeitsgrenze übersteigendes Entgelt erzielt habe, liege Arbeitslosigkeit als Voraussetzung des Leistungsanspruches weiterhin vor. Eine Rückforderung des gutgläubig empfangenen Arbeitslosengeldes sei in Ermangelung eines Verschuldens unzulässig.

Mit dem angefochtenen Bescheid bestätigte die belangte Behörde diesen Bescheid und führte begründend aus, der Beschwerdeführer habe gegenüber dem Arbeitsmarktservice Klagenfurt verschwiegen, dass er nach wie vor handelsrechtlicher Geschäftsführer der Firma T. GesmbH sei bzw. nach Lösung des Beschäftigungsverhältnisses bei der Firma T. GesmbH mit 29. Februar 1996 ab 1. März 1996 bis 30. November 1996 geringfügig beim gleichen Dienstgeber weiterbeschäftigt worden sei. Erst durch den Datenabgleich mit dem Hauptverband und weiteren Ermittlungen habe die regionale Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Klagenfurt von den genannten anspruchshindernden Umständen Kenntnis erlangt. In rechtlicher Hinsicht führte die belangte Behörde aus, die regionale Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Klagenfurt habe die falsche gesetzliche Bestimmung (§ 12 Abs. 3 lit. i AlVG statt § 12 Abs. 1 AlVG: Nichtbeendigung des Dienstverhältnisses) zu Grunde gelegt. Nach dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 30. Mai 1995, Zl. 93/08/0138, könne die bloße Beendigung des Anstellungsverhältnisses (ohne Beendigung der Geschäftsführerfunktion) die Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses (im Sinne des § 12 Abs. 1 AlVG) nicht herbeiführen und daher einen Anspruch auf Arbeitslosengeld nicht eröffnen. Die Verpflichtung zum Rückersatz beruhe auf der Verschweigung der Geschäftsführerstellung als maßgebender Tatsache.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragt in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in dem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Der Beschwerdeführer bringt vor, er habe seine Tätigkeit als handels- und gewerberechtlicher Geschäftsführer der T. GesmbH in Klagenfurt aus gesundheitlichen Gründen aufgeben müssen. Er habe sich über die Voraussetzungen für einen Bezug des Arbeitslosengeldes als Pensionsvorschuss erkundigt und habe vom zuständigen Beamten der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Kärnten die Auskunft erhalten, dass die Löschung der handelsrechtlichen Geschäftsführertätigkeit nicht nötig sei und eine geringfügige Beschäftigung den Bezug eines Arbeitslosengeldes als Pensionsvorschuss nicht hindere. Er habe daher die Löschung der gewerberechtlichen Geschäftsführertätigkeit veranlasst, sei jedoch handelsrechtlicher Geschäftsführer der T. GesmbH in Klagenfurt geblieben. Für den Anspruch des Beschwerdeführers sei ausschließlich § 12 Abs. 6 AlVG maßgebend. Überdies könne für die Zeit vom 1. August 1996 bis zum 30. November 1996 nicht die Rede davon sein, dass der Beschwerdeführer den Pensionsvorschuss zu Unrecht bezogen hätte, weil ihm die vorzeitige Alterspension ab 1. August 1996 zuerkannt worden sei. Darauf habe die belangte Behörde keine Rücksicht genommen.

Mit diesem Vorbringen vermag der Beschwerdeführer keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufzuzeigen:

Nach der ständigen hg. Rechtsprechung, auf die gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird (vgl. das Erkenntnis vom 30. Mai 1995, Zl. 93/08/0138, aus jüngerer Zeit etwa das Erkenntnis vom 7. Juni 2000, Zl. 99/03/0205) setzt die "Beendigung seines Beschäftigungsverhältnisses" im § 12 Abs. 1 AlVG jedenfalls voraus, dass der Vertrag und die beiderseitigen Hauptpflichten aus dem versicherungspflichtigen, anwartschaftsbegründenden Beschäftigungsverhältnis erloschen sind. Der Umstand allein, dass das Anstellungsverhältnis eines Geschäftsführers bei Fortdauer seiner Organstellung endet, bedeutet noch keinen Entfall der Hauptleistungspflicht des Geschäftsführers, gleichgültig, ob er für seine Geschäftsführertätigkeit weiterhin Entgelt erhält oder nicht. Auch auf die tatsächliche Tätigkeit nach Beendigung des Anstellungsverhältnisses kommt es nicht an (vgl. das hg. Erkenntnis vom 16. März 1999, Zl. 94/08/0089).

Der während des Bezuges des Pensionsvorschusses erfolgten Einfügung des § 12 Abs. 3 lit. i AlVG (Ausschluss der Arbeitslosigkeit bei nahtlosem Anschluss einer geringfügigen Beschäftigung beim selben Dienstgeber) durch das Strukturanpassungsgesetz 1996, BGBl. Nr. 201, kommt im vorliegenden Fall keine Bedeutung zu, weil die Beschäftigung selbst dann nicht als i.S des § 12 Abs. 1 AlVG beendet gelten würde, wenn der Beschwerdeführer kein Entgelt erhalten hätte und der Übergang von einem vollversicherungspflichtigen Dienstverhältnis zu einem geringfügigen Dienstverhältnis (ohne Unterbrechung) auch schon vor dem Inkrafttreten des § 12 Abs. 3 lit. i AlVG Arbeitsfähigkeit nicht zu begründen vermochte (vgl. das Erkenntnis vom 29. November 1984, Slg. Nr. 11600/A u. v.a. zur Karenzierung).

Der Beschwerdeführer tritt schließlich dem Widerruf der Gewährung des Pensionsvorschusses mit dem Hinweis auf den (einige Tage vor der Erlassung des angefochtenen Bescheides geschlossenen) gerichtlichen Vergleich vom 25. April 1997 entgegen, wonach sich die Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten verpflichtete, ihm die vorzeitige Alterspension wegen geminderter Arbeitsfähigkeit im gesetzlichen Ausmaß ab 1. August 1996 zu bezahlen. Da ihm die vorzeitige Alterspension zugestanden sei, könne keine Rede davon sein, dass er den Pensionsvorschuss zu Unrecht bezogen hätte.

Der Beschwerdeführer übersieht, dass er den Pensionsvorschuss nicht von der Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten, sondern vom Bund bezogen hat. Aber auch dem in § 23 Abs. 2 AlVG vorgesehenen, vom Arbeitsmarktservice mit Schreiben vom 11. März 1996 geltend gemachten Anspruchsübergang auf den Bund kommt im Ergebnis für den angefochtenen Bescheid keine Bedeutung zu.

Der Verwaltungsgerichtshof ging in dem Erkenntnis vom 17. Oktober 1996, Zl. 96/08/0050, davon aus, dass in der Erklärung des Arbeitsmarktservice, auf die Geltendmachung eines auf § 23 Abs. 2 AlVG gegründeten Ersatzanspruches gegenüber dem Pensionsversicherungsträger zu verzichten (also keinen Anspruchsübergang gemäß § 23 Abs. 2 AlVG herbeizuführen), kein Umstand liege, durch den die Behörde in weiterer Folge daran gehindert wäre, mit einem Widerruf der Gewährung des Arbeitslosengeldes und einer Rückforderung des Betrages von der Leistungsbezieherin vorzugehen.

Ob die Legalzession auch eintreten kann, wenn - wie im vorliegenden Fall - eine Leistung aus der Arbeitslosenversicherung von vornherein zu Unrecht gewährt worden ist, wurde von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht untersucht. Bejaht man diese Frage, so ergibt sich daraus ein Wahlrecht des Arbeitsmarktservice zwischen Widerruf und Rückforderung einerseits und der Geltendmachung der Legalzession andererseits. Verneint man sie, so berührt dies im vorliegenden Fall zwar die Rechtmäßigkeit der Inanspruchnahme der Pensionsnachzahlung durch das Arbeitsmarktservice, aber nicht die des angefochtenen Bescheides. Die erwähnte Frage bedarf daher auch im vorliegenden Fall keiner Klärung (vgl. das Erkenntnis vom 29. März 2000, Zl. 97/08/0419).

Auch die Voraussetzungen für eine Rückforderung der ungerechtfertigten Zahlungen liegen vor. Die Angaben im Antragsformular für das Arbeitslosengeld sollen die Behörde in die Lage versetzen, zu beurteilen, ob ein Anspruch auf eine Leistung aus der Arbeitslosenversicherung besteht. Das Risiko eines Rechtsirrtums, aus dem heraus ein Arbeitsloser meint, die darin gestellten Fragen nicht vollständig oder richtig beantworten zu müssen, sind nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. das Erkenntnis vom 23. Februar 2000, Zl. 98/08/0118 m.w.N.) von ihm zu tragen. Wenn daher eine solche Tätigkeit - wenn auch auf Grund einer unrichtigen Rechtsauffassung für ihre Relevanz für den Anspruch - verschwiegen wird, um sich erst später als anspruchsschädlich herauszustellen, dann ist dieses Verschweigen dem Antragsteller als verschuldet zuzurechnen. Aus der erstmals in der Beschwerde erhobenen Behauptung, der Beschwerdeführer habe vom "zuständigen Beamten des Arbeitsmarktservice" die Auskunft erhalten, "dass die Löschung der handelsrechtlichen Geschäftsführertätigkeit nicht nötig sei", kann in Ermangelung näherer Angaben über die angeblich eine solche Auskunft gebende Person kein Verfahrensmangel abgeleitet werden. Außerdem ließe sich auch aus einer derartigen Auskunft nicht die Berechtigung ableiten, in Bezug auf die Geschäftsführerfunktion unvollständige Auskünfte zu erteilen, weil es bei dem oben erwähnten Rechtsirrtum nicht darauf ankommt, worauf er zurückzuführen ist.

Der Rückforderungsanspruch gemäß § 25 Abs. 1 AlVG wurde von der belangten Behörde daher ebenfalls zu Recht bejaht.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 21. November 2001

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