Normen
AVG §68 Abs1;
BauO Wr §124 Abs3;
BauO Wr §74 Abs1 idF 1992/034;
BauO Wr §74 Abs1;
BauONov Wr 1992/034 Art3;
BauONov Wr 1992/034 Art4;
VwRallg;
AVG §68 Abs1;
BauO Wr §124 Abs3;
BauO Wr §74 Abs1 idF 1992/034;
BauO Wr §74 Abs1;
BauONov Wr 1992/034 Art3;
BauONov Wr 1992/034 Art4;
VwRallg;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Die Bundeshauptstadt Wien hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.740,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid vom 25. März 1991 erteilte der Magistrat der Stadt Wien, Magistratsabteilung 37, hinsichtlich des Gebäudes auf der Liegenschaft in Wien XVII, Mariengasse 4, die Baubewilligung zum Ausbau des Dachgeschosses mit zwei Wohnungen, zum Einbau von Einlagerungsräumen im Keller für diese zwei Wohnungen, zur Erweiterung der Kanalanlage, zur Herstellung eines Aufzugsschachtes und eines Dachaufbaus für den Triebwerksraum und schließlich zur Zusammenlegung von Wohnungen in sämtlichen Geschossen und Schaffung von Sanitärräumen. Der gleichzeitig bewilligte Bauplan bezeichnet das gesamte Projekt als "Wohnhaussanierung" und sieht Bauführungen in allen Geschossen, insbesondere auch im dritten Stock vor. Diese Baubewilligung, die den Beschwerdeführer als Bauwerber ausweist, ist seit 6. Mai 1991 rechtskräftig.
Mit Schreiben vom 16. März 1995 teilte der Beschwerdeführer durch einen Vertreter mit, dass nicht mehr der im Plan ausgewiesene Bauführer, sondern nunmehr die L.V.-GesmbH und Co KG neuer Bauführer sei. Weiters wurde unter Bezugnahme auf die eingangs genannte Baubewilligung der Baubeginn mit diesem Schreiben angezeigt.
Mit Schreiben vom 22. März 1995 gab der neue Bauführer der Baubehörde den Beginn der Bauarbeiten bekannt.
Nach mehreren erfolglosen Urgenzen durch die Baubehörde dahingehend, dass die Pläne nicht vom neuen Bauführer unterfertigt seien, richtete die Baubehörde erster Instanz am 9. Juni 1995 an den Beschwerdeführer nachstehendes Schreiben:
"Zur o.a. Baubewilligung wird mitgeteilt, dass diese am 6. Mai 1991 in Rechtskraft erwachsen ist. Gemäß § 74 Abs. 1 BO für Wien, in der gültigen Fassung, LGBl. Nr. 34/92, wird eine Baubewilligung unwirksam, wenn nicht binnen vier Jahren, vom Tage ihrer Rechtskraft gerechnet, mit der Bauführung begonnen wird:
Anlässlich einer Erhebung am 8.6.1995 wurde festgestellt, dass mit der Bauführung nicht begonnen worden ist. Es ist somit die gegenständliche Baubewilligung mit 6.5.1995 durch Zeitablauf erloschen.
Der mit Schreiben vom 16.3.1995 namhaft gemachte Bauführer L. V. GesmbH und Co KG hat die h.a. vorliegenden Konsensunterlagen nicht unterfertigt, sohin ist auch der angezeigte Baubeginn vom 22.3.1995 in der Tat nicht erfolgt und ist dieser daher als gegenstandslos zu betrachten.
Es wird in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen, dass bei einer allfällig beabsichtigten Bauführung neuerlich um eine entsprechende Baubewilligung anzusuchen ist."
Der Beschwerdeführer erklärte in seiner Eingabe vom 19. Juli 1995 an die Baubehörde eingangs, dass aus dem Inhalt des Schreibens vom 9. Juni 1995 möglicherweise ein Bescheid abzuleiten sei, weshalb er vorsichtshalber Berufung erhebe. Diese Berufung begründete er damit, dass bereits vorher im dritten Stock mit der Renovierung von Wohnungseinheiten begonnen worden sei, welche zweifellos in den der Baubewilligung zu Grunde liegenden Bauplänen vorgesehen sei. Weiters verwies er auf eine Bestätigung des ausführenden Unternehmens hinsichtlich der Arbeiten im Bereich des Kellerganges. Auch habe der bereits namhaft gemachte Bauführer mit Arbeiten begonnen und dem Einschreiter zugesagt, die Tafeln am Objekt anzubringen. Hinsichtlich der Unterschrift am Bauplan würde sich der Vertreter des Bauführers persönlich mit der Behörde ins Einvernehmen setzen. Zur Bescheinigung wurde dieser Berufung eine Bestätigung der B.-GesmbH vom Juni 1995 vorgelegt sowie die Einvernahme des Baumeisters L.V. beantragt.
In dem mit dieser Berufung vorgelegten Schreiben der B.-GesmbH bestätigte dieses Unternehmen gegenüber dem Beschwerdeführer, dass Handläufe in Stand gesetzt und teilweise neu verschraubt, Stufen im Haus auf Trittsicherheit durchgesehen und der lockere Verputz an den Außenmauern des Kellerganges abgeschlagen worden sei.
Schliesslich heisst es in diesem Schreiben:
"Weiters können wir bestätigen, dass von unserer Seite bereits dringende Arbeiten betreffend die Sockelsanierung (wie schon oben ausgeführt) schon vor Monaten begonnen wurden und auch bereits im dritten Stock die Sanierung einer Wohnung begonnen wurde."
Mit der nunmehrigen Beschwerde wurde eine Verhandlungsschrift vom 21. Juli 1995 des Amtes der Wiener Landesregierung, Magistratsabteilung 64, über eine Berufung gegen einen Bescheid betreffend die Vorauszahlung der Kosten einer Ersatzvornahme vorgelegt; Gegenstand der Verhandlung war die Prüfung, ob in dem Gebäude der Verputz an den Außenmauern des Kellerganges in Stand gesetzt und die Stufen der Kellerstiegen begehbar und trittsicher in Stand gesetzt wurden. Bezuggenommen wird im Verhandlungsprotokoll auf einen mit Bescheid der Magistratsabteilung 37 erteilten Bauauftrag vom 3. Juni 1991 (Titelbescheid).
Die Berufung vom 19. Juli 1995 legte die Baubehörde erster Instanz der belangten Behörde mit Vorlagebericht vom 17. August 1995 vor. In diesem Vorlagebericht führte die Baubehörde erster Instanz aus, dass ihre Mitteilung vom 9. Juni 1995 keinen Bescheidcharakter hätte. Da jedoch der Beschwerdeführer inhaltlich einen Bescheid ableite, werde der Akt zur Entscheidung vorgelegt. Bemerkt wurde, dass entgegen den Behauptungen des Beschwerdeführers mit den Bauarbeiten nicht begonnen worden sei. Bei den vom Beschwerdeführer angeführten Arbeiten handle es sich um Instandsetzungsmaßnahmen, die in keinem Zusammenhang mit der gegenständlichen Baubewilligung stünden.
Der Inhalt dieses Vorlageberichtes wurde von der belangten Behörde dem Beschwerdeführer mit Schreiben vom 6. September 1995 zur Kenntnis gebracht und ihm freigestellt, zu diesem Beweisergebnis innerhalb von zwei Wochen schriftlich oder mündlich Stellung zu nehmen. Diese Frist verstrich ungenützt.
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung als unbegründet ab. Sie ging davon aus, dass das Schreiben vom 9. Juni 1995 die Feststellung eines Rechtes bzw. eines Rechtsverhältnisses zum Inhalt hatte, sodass trotz Fehlens der Bezeichnung "Bescheid" kein Zweifel habe aufkommen können, dass hier ein Feststellungsbescheid über das Erlöschen der Baubewilligung durch Zeitablauf erlassen worden sei.
Ihre Abweisung begründete die belangte Behörde damit, dass entgegen den Behauptungen des Berufungswerbers mit den Bauarbeiten nicht begonnen worden sei, sondern es sich bei den angeführten Arbeiten um Instandsetzungsmaßnahmen handle, die in keinem Zusammenhang mit der Baubewilligung stünden. Da der Beschwerdeführer zu dem gemäß § 45 Abs. 3 AVG vorgehaltenen Vorlagebericht keine Äußerung abgegeben habe, stehe für die belangte Behörde fest, dass mangels Aufnahme einer baulichen Tätigkeit die Baubewilligung vom 25. März 1991 durch Zeitablauf erloschen sei. Weil keine Äußerung erfolgte, habe die belangte Behörde auch auf die angebotene Zeugenaussage verzichten können.
Der Verfassungsgerichtshof hat die Behandlung der zunächst an ihn gerichteten, dagegen erhobenen Beschwerde nach Durchführung eines Vorverfahrens mit Beschluss vom 26. November 1996, B 619/96-6, abgelehnt und die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten. In seiner Beschwerdeergänzung beantragt der Beschwerdeführer die Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit, hilfsweise wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.
Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Beide Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens sind mit ihrer Auffassung im Recht, dass das Schreiben der Erstinstanz vom 9. Juni 1995 als Bescheid anzusehen war, weil damit das Nichtbestehen eines Rechtes festgestellt wurde.
Zufolge § 74 Abs. 1 der Bauordnung für Wien in der Fassung der Novelle LGBl. Nr. 34/1992 (BO) werden Baubewilligungen gemäß § 70 unwirksam, wenn binnen vier Jahren, vom Tage ihrer Rechtskraft gerechnet, mit der Bauführung nicht begonnen wird. Nach ihrem Art. III Abs. 2 ist diese Novelle mit 1. Oktober 1992 in Kraft getreten. Ihr Art. IV bestimmt, dass für alle zur Zeit des Inkrafttretens dieses Gesetzes anhängigen Verfahren die bisherigen gesetzlichen Bestimmungen gelten.
Der Verwaltungsgerichtshof hat im Erkenntnis vom 15. Februar 1994, Zl. 93/05/0245, zu § 74 Abs. 1 BO klar gestellt, dass bei einer Baubewilligung, die vor dem 1. Oktober 1992 in Rechtskraft erwachsen ist, danach kein anhängiges Verfahren im Sinne der Übergangsbestimmung vorliegt; daher findet § 74 Abs. 1 BO in der hier herangezogenen Fassung Anwendung.
Entscheidend für die Rechtsfrage, ob eine Baubewilligung erloschen ist, ist allein die Tatsachenfeststellung, wann mit der Bauausführung begonnen wurde; die Unterfertigung von Plänen (§ 124 Abs. 3 BO) ist diesbezüglich ohne Belang.
Der Beschwerdeführer hat bereits in seinem Schreiben vom 16. März 1995 den Baubeginn angezeigt; dass die Baubehörde erster Instanz vor ihrem Bescheid vom 9. Juni 1995 diesbezüglich irgendeinen Beweis aufgenommen hätte, ist dem Akt nicht unmittelbar zu entnehmen; lediglich im erstinstanzlichen Bescheid wird angeführt, dass am 8. Juni 1995 eine Erhebung stattgefunden hätte, bei der festgestellt worden wäre, dass mit der Bauführung nicht begonnen worden sei.
In seiner Berufung hat sich der Beschwerdeführer zu seiner Behauptung, es sei mit der Bauführung begonnen worden, einerseits auf das Schreiben der B.-GesmbH gestützt, und andererseits den Zeugen L.V. namhaft gemacht. Dass auf Grund dessen von der Berufungsbehörde oder von der Erstinstanz irgend welche Erhebungen gepflogen worden wären, ist dem Akt gleichfalls nicht zu entnehmen. Worauf die Äußerung im Vorlagebericht, entgegen den Behauptungen des Beschwerdeführers sei mit den Bauarbeiten nicht begonnen worden, beruht, ist aus dem vorgelegten Akt nicht nachvollziehbar.
Beide Verwaltungsinstanzen sind davon ausgegangen, dass die durch das Schreiben der B.-GesmbH dokumentierten Arbeiten lediglich Instandsetzungsarbeiten in Erfüllung eines Bauauftrages gewesen wären. Allerdings wird in jenem Schreiben auch der Beginn von Sanierungsarbeiten in einer Wohnung im dritten Stock bestätigt, somit eine Tätigkeit, deren Art und Umfang und damit deren Übereinstimmung mit der Baubewilligung vom 25. März 1991 zumindest aufklärungsbedürftig ist.
Unter Beginn der Bauausführung ist jede auf die Errichtung eines bewilligten Bauvorhabens gerichtete bautechnische Maßnahme anzusehen, wobei es - insofern das Gesetz darüber keine näheren Bestimmungen trifft - unerheblich ist, in welchem Größenverhältnis die durchgeführten Arbeiten zum geplanten Bauvorhaben stehen. Bereits die Errichtung eines kleinen Teiles eines Fundamentes ist daher ebenso schon als Baubeginn anzusehen, soweit er der Herstellung des Vorhabens dient, wie die Aushebung der Baugrube. Die Planierung des Bauplatzes kann jedoch nicht darunter subsumiert werden, insoferne diese Arbeiten nicht der Herstellung der baulichen Anlage dienen (siehe die Nachweise im Erkenntnis vom 23. Jänner 1996, Zl. 95/05/0194, ergangen zu O.ö. BauO 1976).
Im vorliegenden Fall betraf die Baubewilligung die Schaffung zweier neuer Wohnungen auf dem Dachboden, die Zusammenlegung von 27 Wohnungen zu 15 Wohnungen, den Einbau von Sanitärräumen in die neuen Wohnungen, die Änderung der Raumeinteilung, die Schaffung von Kellerräumlichkeiten und den Einbau eines Aufzuges. Ob bei diesem Vorhaben der Beginn der Sanierung einer Wohnung bereits als Baubeginn angesehen werden kann, kann erst nach Feststellung der Art der Arbeiten in dieser einen Wohnung gesagt werden. Da es nicht auf das Größenverhältnis der durchgeführten Arbeiten zum geplanten Bauvorhaben ankommt, könnte auch schon etwa der Einbau von Sanitäreinrichtungen in eine Wohnung als Baubeginn angesehen werden; entscheidend wird beim vorliegenden Vorhaben sein, ob auf Grund der Bauvorbereitungsmaßnahmen, also etwa der Baustelleneinrichtung und der Anschaffung von Baustoffen, auf tatsächliche Maßnahmen zur Verwirklichung der Baubewilligung geschlossen werden konnte, oder ob bloß Maßnahmen getroffen wurden, wie sie typischerweise ein einzelner Mieter oder Wohnungseigentümer bei Sanierung seiner Wohnung vornimmt.
Gemäß § 37 AVG ist es Zweck des Ermittlungsverfahrens, den für die Erledigung einer Verwaltungssache maßgeblichen Sachverhalt festzustellen und den Parteien Gelegenheit zur Geltendmachung ihrer Rechte und rechtlichen Interessen zu geben. Die Behörde hat gemäß § 45 Abs. 2 AVG unter sorgfältiger Berücksichtigung der Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens nach freier Überzeugung zu beurteilen, ob eine Tatsache als erwiesen anzunehmen ist oder nicht; nach Abs. 3 dieser Bestimmung ist den Parteien Gelegenheit zu geben, vom Ergebnis der Beweisaufnahme Kenntnis und dazu Stellung zu nehmen.
Der Feststellung im erstinstanzlichen Bescheid, es sei mit der Bauführung nicht begonnen worden, hielt der Beschwerdeführer in seiner Berufung eine durch ein Beweisanbot untermauerte Gegenbehauptung entgegen. Dass die Berufungsbehörde daraufhin selbst oder durch die Erstinstanz irgendeine Beweisaufnahme vorgenommen hätte, ist im Akt nicht dokumentiert; die diesbezüglichen Ausführungen im Vorlagebericht weisen nicht auf eine wie immer geartete Beweisaufnahme hin. Wenn die belangte Behörde nun in ihrer Gegenschrift meint, der Vorlagebericht sei als Sachverständigengutachten anzusehen, dem der Beschwerdeführer nicht entgegen getreten sei, so fehlt einem solchen Gutachten die essenzielle Voraussetzung eines Befundes. Eine Befundaufnahme ist aber nicht aktenkundig, sodass schon deswegen von einem vorgehaltenen Gutachten keine Rede sein kann, vielmehr liegt überhaupt kein Beweisergebnis vor, welches gemäß § 45 Abs. 3 dem Beschwerdeführer vorgehalten worden wäre.
Wird aber kein Beweisergebnis vorgehalten, dann bleibt auch die Nichtbeantwortung des Vorhaltes sanktionslos.
Vielmehr ist die belangte Behörde ihrer aus § 37 AVG resultierenden Verpflichtung zur Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes nicht nachgekommen. Sie hätte erst nach Vornahme geeigneter Erhebungen, etwa durch einen in der Folge auch dokumentierten Ortsaugenschein oder durch die beantragte Vernehmung Feststellungen treffen dürfen, die die Lösung der Frage erlauben, ob vor dem 6. Mai 1995 mit Arbeiten zur Ausführung der am 25. März 1991 erteilten Baubewilligung begonnen wurde oder nicht.
Durch ihre unzureichende Beweisaufnahme hat die belangte Behörde Verfahrensvorschriften außer Acht gelassen, bei deren Einhaltung sie zu einem anderen Bescheid hätte kommen können, sodass der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG aufzuheben war.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 29. August 2000
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