VwGH 96/19/1922

VwGH96/19/19223.4.1998

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stoll und die Hofräte Dr. Zens und Dr. Hinterwirth als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Brandtner, über die Beschwerden 1.) der 1983 geborenen IK,

2.) des 1983 geborenen PK, und 3.) des 1988 geborenen BK, sämtliche in Wien, sämtliche vertreten durch die Kindesmutter BP, diese vertreten durch Dr. PP, Rechtsanwalt in Wien, gegen die Bescheide des Bundesministers für Inneres je vom 23. April 1996, 1.) Zl. 303.807/7-III/11/96 (betreffend die Erstbeschwerdeführerin), 2.) Zl. 303.807/6-III/11/96 (betreffend den Zweitbeschwerdeführer), sowie

3.) Zl. 303.807/8-III/11/96 (betreffend den Drittbeschwerdeführer), alle betreffend Wiederaufnahme eines Verfahrens nach dem Aufenthaltsgesetz, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §69 Abs1 litb;
AVG §69 Abs1 Z2 impl;
AVG §69 Abs1 litb;
AVG §69 Abs1 Z2 impl;

 

Spruch:

Die Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführer haben dem Bund Aufwendungen in der Höhe von insgesamt S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführer, denen zuletzt je eine Aufenthaltsbewilligung bis zum 1. September 1995 erteilt worden war, stellten am 14. Juli 1995 Anträge auf Verlängerung dieser Bewilligungen, welche mit Bescheiden des Bundesministers für Inneres je vom 3. November 1995 im Instanzenzug rechtskräftig abgewiesen wurden. Dies wurde jeweils damit begründet, daß die Eltern der Beschwerdeführer über keine Aufenthaltsberechtigung in Österreich verfügten, weshalb der Unterhalt der Beschwerdeführer gemäß § 5 Abs. 1 des Aufenthaltsgesetzes (AufG) nicht gesichert sei.

Die Beschwerdeführer stellten daraufhin am 26. Jänner 1996 (laut Beschwerden) bzw. 29. Jänner 1996 (laut den angefochtenen Bescheiden) einen Antrag auf Wiederaufnahme der rechtskräftig abgeschlossenen Verfahren und brachten vor, die Verwaltungsgerichtshofbeschwerde des Vaters der Beschwerdeführer sei erfolgreich gewesen und der dessen Verlängerungsantrag abweisende Bescheid des Bundesministers für Inneres sei aufgehoben worden. Da der Vater der Beschwerdeführer nunmehr eine Aufenthaltsbewilligung erhalte, könne auch seine Lohnbestätigung herangezogen werden und habe die Familie nunmehr genügend Einkünfte, um sich und die Kinder erhalten zu können. Darüberhinaus sei nicht berücksichtigt worden, daß bei der Unterhaltsberechnung zusätzlich zum Einkommen der Mutter der Beschwerdeführer für die drei Kinder jeweils die Kinderbeihilfe hinzuzurechnen gewesen sei. Überdies habe die Mutter der Beschwerdeführer nunmehr einen höheren Verdienst. Die Sachlage habe sich entscheidend geändert, weshalb der Antrag auf Wiederaufnahme gestellt werde.

Mit den nunmehr angefochtenen Bescheiden je vom 23. April 1996 wurde der Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens jeweils gemäß § 69 AVG abgewiesen. Die Behörde stellte fest, daß der Verlängerungsantrag der Beschwerdeführer jeweils rechtskräftig abgewiesen worden sei. Die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes (gemeint in den Angelegenheiten des Vaters des Beschwerdeführers) bilde weder eine neu hervorgekommene Tatsache oder ein Beweismittel im Sinne des § 69 Abs. 2 AVG (gemeint wohl: § 69 Abs. 1 Z. 2 AVG), noch eine für die Beurteilung des Antrages entscheidende Vorfrage im Sinne des § 69 Abs. 3 AVG (gemeint wohl: § 69 Abs. 1 Z. 3 AVG). Durch das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes allein werde noch nichts über die Berechtigung zum Aufenthalt des Vaters der Beschwerdeführer ausgesagt, sondern es würden lediglich die Verfahrensmängel, die schließlich zur Bescheidbegründung (gemeint offenbar: Bescheidbehebung) geführt hätten, festgestellt. Entscheidungen des Verfassungs- oder Verwaltungsgerichtshofes allein stellten weder eine neue Tatsache noch ein Beweismittel dar und bildeten deshalb keinen Wiederaufnahmegrund. Lediglich in dem zur Aufhebung führenden Verfahren neu hervorkommende Beweismittel könnten einen Wiederaufnahmegrund im Sinne des § 69 AVG darstellen. Ergänzend werde festgestellt, daß der gegenüber dem Vater der Beschwerdeführer neuerlich ergangene Bescheid ebenfalls ein (die angestrebte Bewilligung) abweisender gewesen und diesem keine Aufenthaltsbewilligung erteilt worden sei. Auch die Angaben, wonach die Mutter der Beschwerdeführer nunmehr über ein höheres Einkommen verfüge, bilde keinen Wiederaufnahmegrund, sondern könne dies nur durch eine neue Antragstellung geltend gemacht werden.

Gegen diese (inhaltsgleichen) Bescheide richtet sich die vorliegende Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof, über die dieser in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen hat:

§ 69 Abs. 1 AVG lautet auszugsweise:

"§ 69.(1) Dem Antrag einer Partei auf Wiederaufnahme eines durch Bescheid abgeschlossenen Verfahrens ist stattzugeben, wenn ein Rechtsmittel gegen den Bescheid nicht oder nicht mehr zulässig ist und

  1. 1. ...
  2. 2. neue Tatsachen oder Beweismittel hervorkommen, die im Verfahren ohne Verschulden der Partei nicht geltend gemacht werden konnten und allein oder in Verbindung mit den sonstigen Ergebnissen des Verfahrens voraussichtlich einen im Hauptinhalt des Spruches anderslautenden Bescheid herbeigeführt hätten, oder

    3. der Bescheid gemäß § 38 von Vorfragen abhängig war und nachträglich über eine solche Vorfrage von der hiefür zuständigen Behörde (Gericht) in wesentlichen Punkten anders entschieden wurde."

Der Antrag auf Wiederaufnahme der rechtskräftig abgeschlossenen Verfahren stützte sich zunächst darauf, daß der Verwaltungsgerichtshof den die Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung abweisenden Bescheid des Vaters der Beschwerdeführer aufgehoben hatte und - so die Ansicht der Antragsteller - dieser nunmehr eine Aufenthaltsbewilligung erhalte. Dann sei, auch weil die Mutter der Beschwerdeführer einen höheren Verdienst habe, von der Sicherung des Lebensunterhaltes der Antragsteller auszugehen.

Wie die belangte Behörde richtig feststellte, können Tatsachen und Beweismittel nur dann einen Grund für die Wiederaufnahme eines rechtskräftig abgeschlossenen Verfahrens darstellen, wenn sie bei Abschluß des seinerzeitigen Verfahrens schon vorhanden gewesen sind, deren Verwertung der Partei aber ohne ihr Verschulden erst nachträglich möglich geworden ist, nicht aber, wenn es sich um erst nach Abschluß des seinerzeitigen Verfahrens neu entstandene Tatsachen und Beweismittel handelt (vgl. u.a. die hg. Erkenntnisse vom 13. Dezember 1984, Zl. 83/08/0252, sowie vom 18. Dezember 1996, Zl. 95/20/0672). Insoweit die Antragsteller darauf hinweisen, daß die Mutter der Beschwerdeführer nunmehr einen höheren Verdienst habe, scheitert die Wiederaufnahme des Verfahrens aus diesem Grund schon deshalb, weil es sich hiebei um eine neu entstandene, nicht bereits bei Abschluß des seinerzeitigen Verfahrens vorhanden gewesene Tatsache handelt.

Das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 28. September 1995, Zl. 95/18/0331, mit dem der - die begehrte Aufenthaltsbewilligung des Vaters der Beschwerdeführer abweisende - Bescheid des Bundesministers für Inneres wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben wurde, wurde sowohl dem Vater der Beschwerdeführer als auch dem Bundesminister für Inneres am 16. November 1995 zugestellt. Die die wiederaufzunehmenden Verfahren der Beschwerdeführer rechtskräftig erledigenden Bescheide des Bundesministers für Inneres vom 3. November 1995 wurden jeweils am 17. November 1995 erlassen. Das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 28. September 1995, Zl. 95/18/0331, gehörte somit bei Verfahrensabschluß des seinerzeitigen Verfahrens bereits dem Rechtsbestand an.

Das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes war dem Bundesminister für Inneres (als der jeweils zuständigen Berufungsbehörde) somit bereits im Zeitpunkt der Erlassung seines seinerzeitigen, das wiederaufzunehmende Verfahren abschließenden Bescheides bekannt, weshalb nicht davon gesprochen werden kann, diese Tatsache sei erst "später hervorgekommen" (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 28. März 1990, Zl. 89/03/0283). Schon aus diesem Grund erweist sich das zitierte Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes als ungeeignet, um als Grundlage für eine Wiederaufnahme des Verfahrens zu dienen.

Die belangte Behörde belastete ihren Bescheid somit nicht mit Rechtswidrigkeit, wenn sie den Antrag auf Wiederaufnahme der Verfahren mangels Vorliegens der Voraussetzungen des § 69 Abs. 1 Z. 2 AVG abwies.

Was schließlich die Argumentation der Beschwerde betrifft, wonach die belangte Behörde das Verfahren hinsichtlich der genannten Beschwerdeführer nach Einbringung der Verwaltungsgerichtshof-Beschwerde des Vaters auszusetzen gehabt hätte, so geht dies am Thema des Verfahrens vorbei. Gegenstand der Überprüfung durch den Verwaltungsgerichtshof ist vorliegendenfalls die Rechtmäßigkeit der die Anträge auf Wiederaufnahme abweisenden Bescheide der belangten Behörde. Das zitierte Beschwerdevorbringen richtet sich aber gegen die Rechtmäßigkeit der Bescheide vom 3. November 1995, die nicht Gegenstand des vorliegenden Beschwerdeverfahrens sind.

Die belangte Behörde konnte somit zu Recht den Antrag auf Wiederaufnahme der Verfahren als unbegründet abweisen. Ergänzend wird darauf hingewiesen, daß sich der Antrag auf Wiederaufnahme der Verfahren vom 26. bzw. 29. Jänner 1996 angesichts der Zustellung des Verwaltungsgerichtshof-Erkenntnisses bezüglich des Vaters der Beschwerdeführer an diesen am 16. November 1995 in Anbetracht der Frist von zwei Wochen ab Kenntnis des allfälligen Wiederaufnahmsgrundes gemäß § 69 Abs. 2 AVG auch als verspätet erweist.

Die Beschwerden erweisen sich somit als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen waren. Der Ausspruch über den Kostenersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

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